Schehrezâd beendet die Geschichte vom Kaufmann und dem Dämon
knapp: Der Dämon lässt den Kaufmann am Leben, der Kaufmann dankt den Scheichen
und alle gehen nach Hause. Man fragt sich, warum denn die Scheiche mit ihren
Viechern hierher nach dem Lande Hind gekommen sind – war da nicht eine Erlösung
der Tiere angedeutet? Aber solche Strippen, die da am Ende der Geschichte rausbammeln (zit.V. Strübing) kümmern Schehrezâd nicht, denn

dies ist alles nicht wunderbarer als die Geschichte des
Fischers. Da fragte der König: Was ist das für eine Geschichte?“ So erzählte sie
denn

Die Geschichte vom Fischer und dem Dämon

An die Anwesenheit von Dämonen werden wir uns wohl gewöhnen
müssen.

Ein armer Fischer wirft viermal täglich seine Netze aus, und an
besagtem Tag findet er in seinem Netz

  1. einen toten Esel

  2. einen Krug voll Sand und Schlamm

  3. Scherben, Glas und Knochen

  4. eine langhalsige Messingflasche mit dem Siegel unseres Herrn
    Salomo, es Sohnes David.

Nicht schwer zu raten, aus welchem dieser Gegenstände beim
Öffnen ein Dämon entweicht.
Erstaunlich allerdings, dass der Fischer nach jedem misslungenen
Versuch weinend Verse rezitiert. Es gelingt mir nicht, mir heute einen Fischer
auf einem Nordseetrawler vorzustellen, dem bei einem Misserfolg die Tränen
kommen und der obendrein noch folgende Verse nicht nur zu memorieren, sondern
auch zu rezitieren in der Lage ist:

O der du tauchest ins Dunkel der Nacht und ins Verderben,
Kürz deine Müh, denn durch Arbeit wirst du kein Brot erwerben 1.
Du siehst das Meer, und du siehst den Fischer ums Brot sich mühn,
Wenn die Gestirne der Nacht in flimmerndem Lichte erglühn.
Jetzt taucht er mitten hinein, und die Wogen umpeitschen ihn wild;
Doch er blickt stetig aufs Netz, wie es auf und nieder schwillt.
Und saß er dann einmal des Nachts froh über den Fang
Eines Fisches, dem der Haken des Wehs in den Gaumen drang –
Dann kauft ihn jemand ihm ab, der seine ganze Nacht
Geschützt vor der Kälte behaglich in schönstem Wohlsein verbracht.
Preis sei Ihm, dem Herrn, der geben und nehmen kann:
Der Eine erjagt den Fisch, der Andre verspeiset ihn dann.

Der Dämon will ihn wegen zu später Errettung den Fischer töten,
denn er gehört zu den frevelnden Dämonen, die Salomo einschloss und im Meer
versenkte.
Wie lange könnte man es in einer solchen Flasche aushalten, ohne vor Langeweile
wahnsinnig zu werden? Jack London, Alexandre Dumas und Stefan Zweig berichten
von Gefangenen, die sich die Zeit damit vertreiben, gegen sich selbst Schach zu
spielen. Ich fürchte, ich würde mich selber beschummeln. Aber irgendwann fockt
dit ooch nich mehr. Man könnte wie Diogenes in der Tonne über die Welt oder wie
Hamlet, dem nach eigener Auskunft eine Nussschale genügt hätte, über sich selber
zu grübeln anfangen. Aber mit welchem Ziel? Ich kann den Groll des Dämons
verstehen.

Der Fischer wendet jedoch jenen bekannten Trick Siebzehn an und
fragt den Dämon, wie er denn bei seiner Größe in der Flasche gewesen sein könne.

Schehrezâd endet hier, aber das Motiv ist so bekannt – selbst
bei den Brüdern Grimm taucht es noch in verstümmelter Form beim „Geist in der
Flasche“ auf.
Unklares Inventar: Worfschaufeln
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Zur Unverhältnismäßigkeit der Verknüpfung von Arbeit und Broterwerb, siehe auch die Kampagnen des Thüringer Ministerpräsidenten und der Liga für Kampf
und Freizeit
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3. Nacht
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