Alle Ängste waren umsonst ausgestanden – denn die letzte Kiste, in der sich der Jüngling befindet, bleibt ungeöffnet. Die Herrin Zubaida,
die kaum gehen konnte vor dem Gewicht des Schmuckes und der Kleider
befürwortet nach Inaugenscheinnahme des jungen Kaufmanns die Hochzeit des Paares. Und so spendiert der Kalif eine Hochzeitsgabe von 10.000 Dinaren.
Da möchte wohl so mancher auch gern Sklavin des Kalifen gewesen sein.
In der Hochzeitsnacht wird Kümmelragout serviert, und unser Held vergisst, sich die Hände hinterher zu waschen.
Sowie ich mit ihr auf dem Lager allein war, und sie umarmte, ohne noch recht an unsere Vereinigung glauben zu können, roch sie den Geruch des Kümmelragouts an meinen Händen.
Sie flippt regelrecht aus, schreit ihn an.
Dann griff sie von ihrer Seite eine geflochtene Geißel auf und fiel damit über mich her und über die Stelle, auf der ich sitze, bis ich durch die vielen Schläge ohnmächtig wurde…
Anschließend will sie ihm die Hände abschlagen, lässt sich aber noch dazu überreden, es beim Abschneiden von Daumen und großen Zehen zu belassen. Ein ebenfalls wie zufällig bereitliegendes Rasiermesser wird diesem Zweck gemäß eingesetzt.
"Schwarzgesicht! Ich will dich lehren, Kümmelragout essen, ohne dir die Hände zu waschen!"
Drei Erklärungen für diese bemerkenswerte Reaktion der Braut
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Wie ich in der 27. Nacht schon anmerkte – Kümmel ist ein Männergewürz, man sollte Damen damit nur begegnen, wenn man sie bewusst verärgern will.
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Sie will sich einfach vor dem Vollzug der Ehe drücken. Sie ist ja mit den 10.000 Dinaren fein aus dem Schneider. Indiz: Die bereitliegende Geißel. Andererseits könnte diese auch ein Hinweis sein auf
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eine besonders abgefahrene SM-Praktik.
Nach der unangenehmen OP leistet er einen Schwur, sich die Hände stets mit Pottasche, Seife und Kleie zu waschen.
Als ich ihr den Schwur geleistet hatte, wurde ihr Herz wieder gut, und ich durfte bei ihr schlafen.
Hut ab! Wer sich nach solchen Aktionen ohne Furcht ins Bett zur Schnipplerin legt, muss wohl wirklich verliebt sein. Wenn ihr Herz wirklich "wieder gut" wurde, deutet das auf die Richtigkeit von Erklärung 1.
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Dem König von China behagt auch diese Geschichte nicht. Aber auch der jüdische Arzt weiß zu berichten:
Die Geschichte des jüdischen Arztes
Er lebte in Damaskus, wo er zu einem jungen kranken Adligen gerufen wird, dessen Hand – man ahnt es schon – fehlt.
Wenn der König von China schon zwei Slasher-Stories abgelehnt hat, warum versucht es der Jude mit einer dritten? Wir werden sehen. Ob er auch so verrückt ist, den Storytellingkniff mit der schönen Dame im Basar noch einmal einzusetzen, ist ebenfalls abzuwarten.
Seine Geschichte berichtet der Jüngling dem Arzt, als man sich den Söller des Palastes ansieht.
Er wuchs bei seinem Vater und dessen kinderlosen neun Brüdern in Mosul auf. Er hört von den Schönheiten der Welt, sein Vater lässt ihn aber mit seinen Oheimen nur bis Damaskus, nicht aber bis Kairo ziehen.
In Damaskus verprasst er den hohen Gewinn, den die Handelsreise ihm gebracht hatte. Und kurz bevor alles Geld weg ist, erscheint eine Dame und man verabredet sich zu einer schönen Nacht. Sie nimmt aber sein Geld nicht an, sondern bezahlt ihn! Eine weitere schöne Nacht vergeht, dann bittet sie darum, ihre jüngere und schönere Freundin mitbringen zu dürfen.
Beim Eintreten der beiden rezitiert er:
Wie herrlich die Zeiten, wie schön,
Wenn der Tadler fern ist und uns nicht sieht!
Wenn Liebe und Freude und Trunkenheit
Uns nah sind und wenn der Verstand entflieht;
Wenn der Vollmond in einem Schleier erstrahlt
Und der Zweig im zarten Gewande sich neigt,
Die Rose sich taufrisch auf die Wangen,
Die Narzisse im Auge sich mattglänzend zeigt.
Wie ich’s wünsche, leuchtet das Leben so klar,
Im Verein mit der Liebsten, so wunderbar!
Die Dame provoziert mit einer typischen Damenfrage:
"Ist diese Maid nicht schöner als ich?"
Und muss sich nicht wundern, wenn sie eine typische Männerantwort erhält:
"Ja, bei Gott!" Jene darauf: "Es ist mein Wunsch, dass du heute nacht bei ihr schlafest."
Das tut er naiverweise. Am nächsten Morgen hat er die Bescherung: Die Maid und ihr Kopf (oder sollte man sagen: Die Maid und ihr Rumpf?) stellen keine Einheit mehr da. Der Kopf kullert durchs Bett. Da muss man sich nicht wundern, wenn das Geschrei groß ist.
Er begräbt das Mädchen im Garten, inklusive Kleider und Schmuck und reist nach Kairo zu seinen Oheimen, die ihn herzlich aufnehmen, dann aber abreisen, während er sich versteckt. Als sein Geld alle ist, fährt er wieder nach Damaskus und findet in dem Haus, das er in all den Jahren weiterhin gemietet hatte, ein goldenes Halsband und versucht es törichterweise zu verkaufen.