133. Nacht

Nach einer geraumen Zeit betritt eine Alte mit zwei Sklavinnen den Laden.

Alte Frauen haben bisher in den Erzählungen aus Tausendundein Nächten fast immer nur Unglück gebracht.

Da erblickte sie seine ebenmäßige Gestalt und seiner Schönheit liebliche Gewalt, und vor lauter Erstaunen über sein herrliches Aussehen nässte sie ihre Hose.

Fragt sich nur, um welche Flüssigkeit es sich hier handelt.

Dabei plauderte sie mit ihm und rieb sich zwischen den Schenkeln mit der flachen Hand.

Eine bei Frauen eher seltene Geste in der Öffentlichkeit, wahrscheinlich damals wie heute.

Als sie fort ist, spricht Tâdsch el-Mulûk zu sich selbst:

O Herr, du lässest die Wünsche gewinnen
durch die alten Kupplerinnen.

Und tatsächlich preist die Alte gegenüber der Prinzessin die Vorzüge des „Kaufmannes“. Obwohl Dunja erzürnt ist, gewährt sie ihm doch einen Wunsch, da er

durch sein Kommen unser Land und unsere Hauptstadt geehrt

habe. Und so schreibt Tâdsch el-Mulûk ihr einen Vers-Brief:

Ich schreibe einen Brief für dich, o Ziel meiner Hoffnung
Mit all dem Trennungsschmerze, der sich mir geweiht.
Die erste Zeile erzählt vom Feuer in meinem Herzen,
Die zweite von meiner Liebe und sehnsuchtsvollem Leid.
Die dritte besagt: Mein Leben und meine Geduld ist geschwunden.
Die vierte: All die Qual der Leidenschaft bleibt bestehen.
Die fünfte: Wann wird mein Auge jemals dich erblicken?
Die sechste: Wann ist der Tag, da wir uns vereint sehen?

Ein Flirtberater würde man dem jungen Mann wohl raten, die Sache etwas diplomatischer anzugehen.

Und so ist die Prinzessin nicht nur wegen des Antrages, sondern auch wegen der Tatsache, dass sich da jemand aus dem Volk erdreistet, erbost:

„Bei Allah, wenn ich mich nicht vor dem Allmächtigen fürchtete, ich würde ihn totschlagen und an seinem Laden kreuzigen lassen.“

Die Alte rät der Prinzessin nun, ihm ruhig mit dem Tode zu drohen. Gegenüber Tâdsch el-Mulûk hingegen behauptet sie, die Angelegenheit noch einfädeln zu können.

Diese Alten!

Spiele

Nützliche Spiele aus Vlceks Buch Workshop Improvisationstheater, die ich noch nicht oder so noch nicht kannte:
41 – Sprechende Hände
54 – Fuchs und Eichhörnchen
63 – Klapperschlangen
243 – Geschichte in fünf Sätzen (Bisher in drei Sätzen oder offen, so strukturiert es mehr)
248 – Improquälerei (radikalisiert den Gedanken Johnstones, „Fehler“ zu Spielen umzuwandeln, z.B. „beide blockieren“ oder „nur Fragen“)
277 – Drei Erzähler + 1 Spieler
292 – 2 +2 „Das Gewissen“ (eigentlich kein neues Spiel, da wir es so in Langformen immer wieder eingebaut haben, aber auch gut, es mal so zu formalisieren)
298 – Mörderspiel (vereinfachte Variante der immer mehr verbreiteten Krimi-Langformen)

132. Nacht

Die beiden Jünglinge Azîz und Tâdsch el-Mulûk werden vom Wesir ins Badehaus geführt.

und im Badehaus schien es, als habe der Dichter ihnen die Worte geweiht:

Wohl seinem Badediener, wenn dessen Hand berühret
Den Leib, der wie aus Wasser und Licht geschaffen ward!
Ohn Unterlass übt er sein Handwerk fein behutsam,
Dann ist’s, als gewönne er Moschus vom Leibe wie Kampfer so zart.

Gemeinsam mit dem Vorsteher begeben sie sich zurück zum Markt und gehen vor ihm her.

Nun sah er ihre Hüften sich bewegen, und da begann die Leidenschaft sich in ihm immer stärker zu regen; er schnaubte und schnaufte und konnte sich kaum noch beherrschen, er wollte sie mit den Augen verschlingen und begann, diese Verse zu singen:

Das Herz liest das Kapitel alleinigen Besitzes;
Den Abschnitt über die Teilung mit anderen schlägt es nicht auf.
Kein Wunder ist’s, wenn es ob solcher Last erhebet;
Bewegen sich doch am Himmel die Sphären im Lauf.

und ferner sprach er:

Mein Aug erblickte die zwei, die auf die Erde traten –
Die beiden liebt ich auch, wenn sie ins Aug mir träten

Man stelle sich heute einen Marktvorsteher (Börsenvorstand) vor, der solche Lieder singend den Markt betritt.

Als sie solches von ihm hörten, beschworen sie ihn, mit ihnen wieder ins Bad zu gehen.

Dies nun scheint völlig unklar. Sind sie auf einmal selbst nicht abgeneigt, Dunja hin oder her? Oder sind sie für die erotische Komponente der Verse völlig taub?
Außerdem unklar: Azîz ist ja nun kastriert. Ist dies dem Vorsteher entgangen oder ist es gerade das, was ihn anmacht?

Tâdsch el-Mulûk besteht darauf, den Vorsteher selber waschen zu dürfen.

Früher hätte man gesagt: "Ist ja nur ein Märchen."

Man lobt die Vorzüge des Bades. Und nach diesem Tag spricht sich die Schönheit von Tâdsch el-Mulûk in der Stadt herum.

Meister und Schüler

In Eugen Herrigel „Zen und die Kunst des Bogenschießen“ thematisiert er das besondere Verhältnis von Meister und Schüler in Japan. Die Lehrer geben nur wenige Anweisungen, die die Schüler befolgen und über die sie nachdenken. Der Lehrer wird verehrt. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, da der Schüler den Meister verlassen muss, um dann hoffentlich auf dessen Schultern stehen zu können.
Auch wenn man das nicht einfach übertragen kann, so doch immerhin, dass der Meister

  • sich eine gewisse Autorität erwerben muss
  • sich mit wenigen Anweisungen begnügen sollte und ansonsten nicht zu sehr im Weg stehen
  • Ruhe und Strenge braucht

Der Schüler

  • sollte die Rollen respektieren
  • die neuen und fremden Gedanken ausloten
  • das Spiel spielen

Das Dumme ist nur: Man tendiert ja doch dazu, die Autoritäten und Lehrinhalte immer wieder zu hinterfragen. Das hat auch seinen Sinn, aber man tue das zuhause. Und wenn nötig, verlasse man dann den Meister.

131. Nacht

Der König Schehrimân verliert ob der Weigerung der Prinzessin völlig die Nerven und will schon in den Krieg ziehen, kann aber von seinem Wesir gerade noch abgehalten werden.
Tâdsch el-Mulûk beschließt, sich in Verkleidung zu den Kampferinseln zu begeben, in der Hoffnung, sich so ihr nähern zu können. Azîz (der nun zum dritten Mal die Kampferinseln bereist) und der Wesir begleiten ihn.

Unklar, welche Inseln eigentlich mit den Kampferinseln gemeint sind. Da der Campherbaum seinen Ursprung vor allem in Japan und Taiwan hat, ist zu vermuten, dass eine dieser Inseln gemeint sein könnte.

Zwei Monate ziehen sie dahin, während unser Prinz an Liebeskummer leidet. Dann erreichen sie das Weiße Schloss.

Seltsam allerdings, dass nicht von einer Schifffahrt die Rede ist, sondern von Tälern, Wüsten und Steppen. "Insel" also nur im übertragenen Sinne? Oder liegt ein Übersetzungsfehler vor?

In der Stadt angekommen, ziehen die verkleideten Kaufleute in den Chân, um dann auf dem Markt als Tuchhändler aufzutreten.

Die Kaufleute sehen Tâdsch el-Mulûk und ließen

die Augen auf seiner Schönheit ruhen.

Weitere Anspielung auf ihre Homosexualität?

Der Vorsteher des Basars hilft ihnen bei den Formalitäten und verschafft ihnen Annehmlichkeiten.

Dieser Vorsteher nämlich ward hingerissen von bezaubernden Blicken, und er ließ sich von der Neigung zu Knaben mehr als von den Mädchen berücken; und so gab er sich der Knabenliebe hin. Jetzt sprach er bei sich: "Dies ist ein schönes Wild. Preis ihm, der sie aus verächtlichem Wasser geschaffen und gebildet hat."

Ein Laden wird für die beiden

mitten in der großen Kaufhalle

errichtet.

130. Nacht

Ähnlich wie sein Wesir ihm selbst damals empfiehlt der König nun seinem Sohn Tâdsch el-Mulûk, sich eine Sklavin zu wählen.

"Lieber Vater, ich will niemals eine andere als sie, die Künstlerin der Gazellen, die ich gesehen habe."

Auch dies der Traum des Künstlers, schon allein seiner Werke wegen sexuell verehrt zu werden.

Der Vater hat ein Einsehen:

"Vielleicht wird Allah dir zu deinem Wunsche verhelfen. Wenn aber ihr Vater nicht einwilligt, so werde ich sein Land erschüttern durch ein Heer, dessen Nachhut noch hier bei mir ist, während der Vortrab schon bei ihm steht."

Der Wesir reist wie damals in Begleitung von Azîz zu den Kampferinseln, um um die Hand der Tochter des Königs anzuhalten. Dieser ist durchaus freundlich und nicht abgeneigt, gibt aber zu bedenken,

seine Tochter liebe die Männer nicht

Zum ersten Mal wird hier weibliche Homosexualität nicht nur unterschwellig angedeutet, sondern alsLebensform benannt.

Ein Diener, den man zu Dunja schickt, wird von ihr mit Schlägen und den Worten fortgejagt:

"Wenn mein Vater mich zur Ehe zwingt, so werde ich den töten, mit dem ich vermählt werden soll."

Eine beachtliche Militanz für eine stickende Lesbe.

129. Nacht

Azîz berichtet, dass er einen alten Gärtner bestach, um die schöne Dunja sehen zu können, dass sie zwar schön sei, er ja aber nun aufgrund seiner verlorengegangenen Mannheit mit ihr nichts anfangen könne.
Tâdsch el-Mulûk bestimmt

für Azîz ein eigenes Haus und versorgte ihn mit allem, dessen er Speise und Trank und Kleidung bedurfte.

Grundeinkommen für eine einzige Geschichte, das würde sich so mancher Lesebühnenautor wünschen.

Tâdsch el-Mulûk hingegen ist völlig aus dem Häuschen und verliebt sich schon des Berichtes wegen in die Prinzessin Dunja.

128. Nacht

Azîz erfährt nun, dass die Tochter des Königs der Kampferinseln diese Tücher stickt und dass sich die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" in den Besitz eines der Tücher gebracht hat, um Männer zu behexen.
So reist er zu den Kampferinseln, um sein Unglück zu vergessen und um die Prinzessin Dunja zu besichtigen.

126. Nacht

Die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" will unseren Helden Azîz natürlich nicht ohne Grund schlachten:

"Ich muss an dir eine Spur hinterlassen, zum Schmerze für jene schamlose  Metze, die dich von mir ferngehalten hat."

Die Sklavinnen fesseln ihn, holen eine Pfanne und braten Käse an.
Der Vers der Base kann die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" immerhin noch dazu bewegen, von der Ganzkörperschlachtung Abstand zu nehmen:

Sie band einen Strick um meine Hoden; die Enden des Stricks nahm sie in die Hand, reichte sie zwei Sklavinnen und befahl ihnen, daran zu ziehen. (…) Nun trat sie mit einem scharfen Rasiermesser an mich heran und schnitt mir das Glied ab, so dass ich nunmehr wie ein Weib war.

Azîz kriecht zurück zum Haus seiner Gattin, die als sie entdeckt, dass er entmannt wurde, ihn zur Tür hinauswirft.

125. Nacht

Die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" sitzt tatsächlich dort und wartet auf ihn. Verständlicherweise einigermaßen sauer, vor allem als sie von der Ehe und dem Kind hört.

"Du hast mich zwar für jenen Haufen Dreck verkauft, aber, bei Allah, ich werde der Metze schon um deinetwillen Herzeleid bereiten; du sollst weder ihr noch mir erhalten bleiben." Dann stieß sie einen lauten Schrei aus, und ehe ich mich versah, kamen zehn Sklavinnen und warfen mich zu Boden.

Sklavinnen wohl, die die gesamten letzten Monate aufs Gerufenwerden und Zubodenwerfen gewartet haben.

"Führwahr, ich werde dich schlachten wie einen Ziegenbock."

124. Nacht

Der Ehevertrag ist unterschrieben.

Darauf gab sie den Zeugen ihren Lohn, und die gingen dorthin, von wo sie gekommen waren.

Das ist doch mal eine schöne rätselhafte Lakonie bei der sonst so detailreichen und redundanten Erzählweise.

Die Maid führt Azîz zu ihrem Lager und entkleidet sich mit den Worten

"Im Erlaubten ist keine Sünde."

Wie deppert ist dieser Azîz eigentlich, dass man ihn mit solchen Tautologien behelligen muss? Und was hat er, dass sich die Weiber um diesen Trottel reißen?

"Geliebter, tu dein Bestes! Ach ich bin deine Sklavin. Wohlan, tu es ganz! Bei meinem Leben, lass es mich mit der Hand in mein Innerstes hineintun."

"Hineintun" ist ja auch mal ein schön banales Verb für diesen Vorgang.

Am nächsten Morgen will er das Haus verlassen und muss erst daran erinnert werden, dass er ja nun verheiratet ist und seine Hahnespflichten zu erfüllen hat. Außerdem ist die Tür versperrt und öffnet sich erst am nächsten Neujahrstag. Und so verrichtet Azîz ein Jahr lang sein Hahnesgeschäft und wird mit einem Kinde gesegnet.
Am nächsten Neujahrsabend erst darf er das Haus verlassen, nicht ohne das Versprechen zu geben, noch in derselben Nacht zurückzukehren.
Und wie zu vermuten war, zieht es ihn zum Garten, wo er es mit "der Tochter der listigen Ränkeschmiedin" so oft getrieben hatte.

123. Nacht

Die beiden überwältigen Azîz und führen ihn in einen großen Saal mit vier Estraden, in dem ein Reiter hätte Schlagball spielen können.

Unklarer Sport: Reiter-Schlagball

Man macht ihm ein seltsames Angebot. Er soll die junge Maid mit den hübschen Waden heiraten,

"… so wirst du sicher sein vor der Tochter der listigen Ränkeschmiedin."

So erfahren wir, dass es die Tochter einer listigen Ränkeschmiedin war, die schon einige Männer auf dem Gewissen hat, mit der sich Azîz herumgetrieben hat.
Man verspricht Azîz Geld, Gut und Wohlergehen, wenn er das Mädchen heiratet.

"Ich will nichts von dir als dass du mit mir tust, wie der Hahn tut."

Da ist sie aber bei dem in metaphorischen Dingen nicht gerade hellen Azîz an der falschen Adresse. Er kapiert nicht, und die Maid muss erklären:

"Das Geschäft des Hahnes ist, dass er isst und trinkt und tritt."

Vier Zeugen werden gerufen, die Braut legt noch rasch den Schleier um, der Ehevertrag wird aufgesetzt und darin behauptet,

dass sie die ganze Mitgift erhalten habe, die erste und die zweite

Zwei Mitgiften?

und dass ich einen Anspruch auf zehntausend Dirhems von ihrem Vermögen hätte.

122. Nacht

Die Alte bittet Azîz, ihr einen Brief vorzulesen, den sie bei sich trägt.

Es war ein Brief in der Ferne geschrieben, mit vielen Grüßen an die Lieben.

Als die Alte verschwindet,

hockte ich mich nieder, um Wasser zu lassen. Dann stand ich auf, brachte meine Kleider in Ordnung, ließ das Obergewand fallen und wandte mich zum Gehen. Doch siehe, da kam die Alter wieder auf mich zu.

Hockpinkler.

Sie bittet ihn, den Brief auch den Verwandten vorzulesen, da dieser ihr nicht glauben wollen. Azîz willigt ein. Beide gehen sie zu einem schönen Haus, die Alte ruft, und eine schöne Maid eilt herbei.

Sie hatte ihre Hosen bis zu den Knien aufgeschlagen, so dass ich ein paar Waden erblickte, das Geist und Auge in Verwirrung bringt.

Rasiert oder unrasiert? Ich warte immer noch auf eine Kulturgeschichte des Waden- und Achselrasierens. Es scheint inzwischen so selbstverständlich, dass es kaum noch jemandem einfallen mag, wie ungewöhnlich das noch vor ein paar Jahrzehnten gewesen ist.

Azîz neigt den Kopf unter den Torbogen, um den Brief aus der Nähe lesen zu können. Da

legte die Alte ihren Kopf auf meinen Rücken und stieß mich (…) hinein. (…) und hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Türe zu verschließen.

Mal eine überraschende Wendung nach all dem Hin und Her und Zeichengedeute.

121. Nacht

Die Dame sucht das Grab der Base auf.

Dann nahm sie einen Stichel aus Stahl und einen zierlichen Hammer hervor und grub mit dem Stichel auf den Stein, der zu Häuptern des Grabes stand, in feiner Schrift diese Verse ein:

Ich kam zu einem verfallenen Grabe in einem Garten
Von sieben Anemonen war drauf ein Blumenstrauß.
Da sprach ich: Wes Grab ist dies? Die Erde gab mir zur Antwort:
Vernimm in Ehrfurcht, dies ist eines Liebenden Totenhaus.
Dann rief ich: Möge der Herr dich schützen, du Opfer der Liebe!
Im Paradies droben halt‘ er eine Stätte bereit!
Unselige Geschöpfe sind doch die Leute der Liebe,
Dass ihre Gräber noch der Staub des Elends entweiht.
Vermöchte ich es, ich legte ein Blumenbeet um dich an
Und mit der Flut der Tränen tränkte ich es dann.

Azîz hingegen lässt es sich gut gehen:

Ich dachte nur an Essen und Trinken, an Küssen und Umarmen und daran, immer neue feine Kleider zu tragen, bis ich dick und fett wurde und frei von Sorge und Trauer, meine Base ganz vergaß.

Am Neujahrstag geht er ins Badehaus, trinkt Wein, macht sich auf den Weg zur Geliebten, verläuft sich aber wegen des Rausches und gerät so in die Vorstehersgasse, wo er auf eine Alte trifft, die ein gefaltetes Schreiben in der Hand hält.

120. Nacht

Man begräbt die Base. Und die Mutter richtet noch ihre letzten Worte aus:

"Wohin er jeden Tag geht, soll er beim Abschied die folgenden Worte sprechen:

Treue ist trefflich – Verrat ist hässlich."

Auch gibt es noch etwas, dass sie ihm geben soll, aber sie hält es noch zurück. Wieder geht er zur Dame, beschläft sie und richtet die Worte aus. Und mit diesen Worten hat sie ihm wohl das Leben gerettet, denn die Dame hätte ihn nun getötet, aber nun versteht sie, wie jung und unerfahren er ist.

"Jetzt aber warne ich dich: Sprich mit keiner Frau, rede keine unseres Geschlechts an, weder jung noch alt! (…) Du bist noch jung und unerfahren und kennst die Falschheit und List der Frauen nicht."

Storys über die Bosheit der Frauen werden wir in dieser Sammlung wohl noch häufig lesen.

119. Nacht

Natürlich vergisst Azîz, der Dame den Vers aufzusagen. Aber diese gibt ihm eine Leinwand, die mit Gazellen bestickt ist, wie wir sie aus der 112. Nacht bereits kennen. Die Base schilt ihn für das Vergessen des Verses. In der nächsten Nacht aber spricht er:

O ihr Liebenden, bei Allah, saget an:
Wenn ihn die Liebe plagt, was tut der Mann?

Doch wie sie das hörte flossen ihre Augen vor Tränen über und sie sprach:

Er hütet seine Lieb, birgt sein Geheimnis treu
Und harrt geduldig aus in allem, was sei!

Daheim wird die traurige Base nun von der weinenden Mutter betreut. Die Base bittet nun, folgende Verse auszurichten:

Wie kann er die Liebe hüten, wenn sie ihm das Leben raubt,
Und wenn das Herz ihm täglich in tausend Stücke springt?
Wohl hat er die rechte Geduld gesucht, doch fand er nichts
Als nur ein Herz, das immer mit quälender Sehnsucht ringt!

Als er dies nach dem Liebesspiel der Dame ausgerichtet hat, weint sie und spricht:

Wenn die Kraft, um sein Geheimnis zu hüten, sich ihm nicht bot,
So weiß ich keinen Rat für ihn als nur den Tod!

Heim zur Base, Ausrichten der Verse, neue Verse anhören:

Ich habe gehört und gehorcht; dann bin ich gestorben. Nun bringe
Von mir einen Gruß zu ihr, die mir das Liebesglück stahl!
Jene, die glücklich sind, möge ihr Glück erfreuen –
Dem armen Liebenden blieb ein Kelch der bitteren Qual.

Hin zur Dame. Beischlaf ausführen. Verse ausrichten.

Aber als sie die hörte, schrie sie entsetzt: "Wehe, wehe! Bei Allah, die diese Verse gesprochen hat, ist jetzt tot!"

Azîz ist nun verwirrt.

Wer wäre das nicht bei all dem Hin und Her, Zeichen deuten, Verse überbringen, Sexualität entdecken, Sprache der Frauen nicht verstehen?

Er klärt die Dame über die Base auf. Als er heimkommt, ist die Base tot. Seine Mutter spricht:

"Gott verzeihe dir ihr Blut nie!"

Das sind Aussichten!

118. Nacht

Man hat beinahe das Gefühl, das geht jetzt die kommenden 882 Nächte so weiter:

Azîz isst doch in der Laube, schläft ein, erwacht am nächsten Morgen, bedeckt mit scharfem Dolchmesser und runden Eisenplättchen. Die daheim weinende Base erklärt, dass die Dame damit sagen will:

"Bei dem Herrn der Welten, wenn du noch einmal wiederkommst und einschläfst, so werde ich dich mit diesem Messer töten."

Auf Anraten der Base schläft Azîz nun aus und isst sich zuvor satt. Noch einmal schärft sie ihm ein, im Falle der Vereinigung mit der Dame, dieser den Vers zu sagen. Er geht in den Garten, wartet, und die Hähne krähen schon, als er wieder hungrig wird. Er isst, wird schläfrig, aber zum Glück erscheint in diesem Moment die Dame.

Sie zog mich an ihren Busen und küsste mich. Auch ich küsste sie, und sie sog an meiner Oberlippe, während ich an ihrer Unterlippe sog. Dan legte ich meine Hand um ihren Leib und streichelte sie. Und alsbald ruhten wir gemeinsam auf dem Boden; da band sie ihre Hose auf, die ihr bis zu den Knöcheln hinabglitt. Nun begannen wir zu tändeln und uns zu umschlingen, zu kosen und zu flüstern von zarten Dingen, zu beißen und Leib an Leib zu legen, und im Umlauf um das heilige Haus und seine Pfeiler uns zu bewegen, bis ihre Glieder erschlafften und sie dahinsank und der Welt entrückt ward.

117. Nacht

In der kommenden Nacht geht Azîz erneut in den Garten, wieder kann er der Versuchung nicht widerstehen und beginn zu essen, wird müde, schläft ei. Er erwacht am Morgen.

Da fand ich auf meinem Leibe einen Knochenwürfel, ein Schnellholz, den Stein einer unreifen Dattel und einen Johannisbrotkern.

Base weint daheim und rezitiert.

Anders wäre es auch schon komisch.

Sie deutet:

  • Knochenwürfel und Schnellholz = Du bist hier, aber dein Herz ist fern.

  • Dattel = Ein Liebender hätte nicht geschlafen

  • Johannisbrotkern = Des Liebenden Herz ward müde.

Die Message lautet:

Ertrag unsere Trennung mit einer Geduld von Hiobs Art.

Um ein weiteres Einschlafen/Bedecktwerden/Nachhausekommen/Weinende-und-rezitierende-Base-deutet-die-Zeichen zu verhindern, soll Azîz nun essen, bevor er in dn Garten geht. Dies tut er auch.

Unklarer Gegenstand: Schnellholz. Dass Würfel früher aus Knochen gemacht wurden, hatte ich bereits gehört. Aber es mutet seltsam an, und Würfelspiel bekommt dadurch so etwas Morbides. Man sieht schon die allegorienhaften Radierungen aus der Frührenaissance vor sich, in denen verschmitzte Bauern mit dem Tod würfeln, möglichst auf einer Militärtrommel. Ich habe kein konkretes Bild vor Augen, eher ein zusammengestückeltes. Aber das ergibt sich, wenn ich das Wort "Knochenwürfel" höre oder lese.

Im Übrigen ähnelt das Motiv des ständig im Garten vor einem Tisch einschlafenden Liebenden einem Motiv eines Märchens aus der Grimms-Sanmlung: Die Rabe. Ob es außerhalb dieses Märchens eine weibliche Form des Wortes "Rabe" gibt, ist mir unbekannt. Ich denke, heute zählt "Rabe" zu den wenigen deutschen Substantiven, die auf "e" enden und dennoch maskulin sind:

  • Käse

  • Bube

  • Knabe

  • Jude

  • Lude

  • Hase

  • Rabe

116. Nacht

Azîz bedient sich an den Speisen, wird schläfrig, schläft ein und findet sich am nächsten Morgen mit Kohle und Salz bedeckt.
Wieder ist es die zuhause weinende und Verse rezitierende Base, die die Zeichen deuten muss:

"Diese Frau benimmt sich sehr übermütig gegen dich."

Salz = Du gleichst einer faden Speise, die gesalzen werden muss, damit sie schmeckt.
Die Kohle =deutet sie so:

"Allah schwärze dein Angesicht, da du fälschlich auf Liebe Anspruch gemacht hast!"

"Du hast auf Liebe Anspruch gemacht!" Was ist das denn für ein Turko-Deutsch?

115. Nacht

Überraschenderweise lebt die Base noch. Und überraschenderweise wollte sie ihn gar nicht verhöhnen. Das Loch im Kopf tut ihr außerdem gut, denn sie

"war von Kopfschmerzen gequält, und ich hatte schon im Sinne, mich zur Ader zu lassen."

Das Fortbleiben der Schönen war, so die Base, nur ein Test. Er möge am nächsten Tag wieder zu ihrem Haus gehen. Am nächsten Tag zeigt sie sich am Fenster mit

  • einem Spiegel

  • einem Beutel

  • einem Blumentopfe voll grüner Pflanzen

  • einer Lampe

Abermals erklärt die Base die Bedeutung

  • Spiegel in den Beutel = Warte bis zum Sonnenuntergang

  • Blumentopf = Warte im Garten auf mich

  • Lampe = Setze dich dort nieder, wo du eine Lampe leuchten siehst

Die Base beschwört ihn, nach der Vereinigung mit der Schönen, dieser den folgenden Vers ins Ohr zu flüstern

O ihr Liebenden, bei Allah, sagt an:
Wen die Liebe plagt, was tut der Mann?

Azîz begibt sich in den Garten und findet dort einen reichlich gedeckten Tisch.

114. Nacht

Mein Bücherstapel in Sizilien:

  • Kauderwelsch Sizilianisch

  • 5 Blätter ausgedruckt die letzten Seiten von Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten Band I

  • Anne Bogart/Tina Landau: "The Viewpoints Book"

  • Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten Band II

  • Thomas Schröder: "Sizilien" (Reiseführer)

  • Radim Vlcek: "Workshop Improvisationstheater"

  • Patricia Ryan Madson: "Improv Wisdom"

  • Baltazar Gracián: "Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit" (in der Schopenhauer-Übersetzung)

  • Max Goldt: "Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens"

  • Richard Templar: "The Rules Of Life"

  • Arthur Rimbaud: "Sämtliche Dichtungen"

  • Großwörterbuch Italienisch

  • ADAC-Reiseführer: "Sizilien"

  • "Chaussee der Enthusiasten"

  • Langenscheidt  Der Italienisch-Kurs

  • 6 Seiten ausgedruckt: Eigene Notizen zu Sizilien und zur Reise

  • ca. 220 Seiten ausgedruckt und unsortiert Die Gedanken zu Improvisation und Improvisationstheater der letzten zweieinhalb Jahre

Was fehlt: Ein Roman. Heute, am 16. Dezember, habe ich Goldt ausgelesen, im Flugzeug die ersten Lektionen Italienisch begonnen und dann nicht mehr angefasst, Vlceks Buch so schnell wie möglich durchgepeitscht um die nötigsten Informationen herauszuziehen, von den Tausendundein Nächten täglich 10 Seiten gelesen, von "Improv Wisdom" ein paar Kapitel noch einmal genossen. Templar wohlweißlich nicht angefasst, in Rimbaud nur hineingeblättert – zu hart im Moment, das Wörterbuch kaum benutzt, für meine wenigen Einkäufe, Restaurantbesuche und Dorfspaziergänge wäre ein Miniwörterbuch bessergewesen, "Chaussee der Enthusiasten" verschweißt als mögliches Geschenk mitgenommen (bisher ist niemand in Sicht, der es sich verdienen könnte), die 220 Seiten auch noch nicht angefasst, sie riechen zu sehr nach Arbeit.

***

Azîz geht nach den zwei Tagen wieder zum Fenster der Dame und fällt bei ihrem Anblick in Ohnmacht. Als er wieder erwacht, gibt sie ihm folgende Zeichen:

  1. Zurückstreifen der Ärmel von ihren Vorderarmen 114

  2. Schlägt sich mit fingergespreizter Hand auf die Brust

  3. hebt ein rotes Tuch und hält den Spiegel heraus

  4. senkt dreimal das Tuch

Die daheim leidende Base erklärt sie ihm

  • Fünf Finger = Komm in fünf Tagen wieder

  • Spiegel und Tuch: Komm zum Färberladen

Azîz darauf:

"Bei Allah! Du hast recht mit dieser Deutung; denn ich habe in der Gasse einen jüdischen Färber gesehen."

Nach fünf Tagen setzt er sich vor die Tür des Färbers, aber niemand erscheint. Zuhause fragt ihn seine Base:

"Warum bist du nicht die Nacht bei deiner Geliebten geblieben und hast dein Verlangen an ihr nicht gestillt?"

Azîz nimmt dies als Beleidigung und tritt seine Base gegen die Brust, so dass sie stürzt und ein Pflock in ihre Stirn rammt.

Das erste Mal, dass ich den in Kindertagen häufig benutzten Terminus "Loch im Kopf" hörte, war, als ich meinem geliebten Kindergartenfreund Bastian Philipp im Affekt einen Stein an den Kopf warf. Bastian sprach dann nie wieder mit mir. So zerstörte ich meine erste Freundschaft.

114 Klingt wie "Vorderhufe". Muss es nicht "Unterarme" heißen?

113. Nacht

Als die Besitzerin des Gazellentuchs bemerkt, dass Azîz sie beobachtet,

steckte sie ihren Daumen in den Mund und legte Mittelfinger und Zeigefinger zusammen auf ihren Busen zwischen die Brüste; dann zog sie den Kopf zurück, schloss das Fenster und ging davon.

Verwirrt betrachtet er das moschusgetränkte Tuch und ein Brief mit drei Liebesgedichten fällt heraus. Er ist voller Sehnsucht, aber er

war in der Auslegung der Liebessprache noch unbefangen.

Wer hätte gedacht, dass derart eindeutige Gesten noch auszulegen sind?

Azîz geht nach Hause und findet dort, die verheulte Azîza, die berichtet, dass sein Vater zornig geworden sei wegen des vielen Geldes, dass er in das Fest gesteckt hätte. Azîz berichtet seiner Base und versetzten Braut die Geschichte und bittet sie um Hilfe. Sie rezitiert ein Gedicht und meint:

"Lieber Vetter, selbst wenn du mein Auge verlangtest, so würde ich es für dich unter den Lidern herausreißen. Ich kann nicht anders, ich muss dir zu deinem Ziele verhelfen."

Dabei kann es doch nur Notgeilheit und Gier auf das Fremde sein. Seltsame Cousinenliebe.

Sie hilft ihm die Zeichen zu deuten und auszulegen:

  • Daumen im Mund  – Wertschätzung und Wunsch nach baldiger Vereinigung

  • Tuch – Gruß der Liebenden

  • Brief – Ihre Seele hängt an ihm

  • Zwei Finger zwischen den Brüsten – Sie will ihn in zwei Tagen wiedersehen und sich mit ihm vereinigen.

Unklar: Wenn die Fremde das Spiel mit diesen Zeichen so gut beherrscht, dürfte es ja nicht das erste Mal gewesen sein. Außerdem: Woher weiß Azîza von diesen Zeichen?

112. Nacht

Tâdsch el-Mulûk zwingt den Jüngling, auch das Linnen auszubreiten. Es ist eine Leinwand, auf die zwei Gazellen gestickt sind – eine in Gold, die andere in Silber. Und am Hals der goldenen ist ein Band, an dem

drei Chrysolithenröhrchen hingen.

Wer behängt heutzutage noch seine Gazellen mit Chrysolithenröhrchen?

Gefragt, was es damit auf sich hat, berichtet der Jüngling seine Geschichte, nämlich

Die Geschichte von Azîz und Azîza

Azîz und seine Base Azîza wachsen nach dem Tode ihres (Azîzas) Vaters gemeinsam auf. Es ist abgemacht, dass die beiden eines Tages heiraten sollen. Die Vorbereitungen werden bereits getroffen.

Immer aber schliefen wir noch auf demselben Lager, denn wir wussten nichts von den Dingen.

Was gibt’s da eigentlich viel zu wissen? Wenn man ein Hundepärchen gesehen hat, dann weiß man bescheid.

Die Hochzeitsfeier ist zur Stunde nach dem Freitagsgebet geplant. Auch Azîz bereitet sich vor und geht zur großen Moschee. Doch es ist heiß, und er setzt sich auf eine Bank, als plötzlich das Tuch mit den Gazellen heruntergesegelt kommt. Er schaut auf und gewahrt im Fensterrahmen deren Besitzerin.

111. Stadt

Tâdsch el-Mulûks Blick fällt auf einen Jüngling, der war

in ein schneeweißes Gewand gehüllt und von lieblicher Gestalt; aber seine Schönheit schien zu verwelken, denn seine Wangen waren bleich wegen der Trennung von seinen Lieben.

Er sträubt sich dagegen, Tâdsch el-Mulûk seine Waren zu zeigen und rezitiert ununterbrochen Klageverse:

Bei deiner Wimpern schwarzglänzender Lieblichkeit,
Bei deines Leibes sich wiegender Zierlichkeit,
Bei deiner Lippen berauschendem Honigtau,
Bei deines Sinnes unendlicher Gütigkeit,
Du meine Hoffnung, mir ist deine Erscheinung im Traum
Süßer als Schutz vor allem quälenden Leid.

Tâdsch el-Mulûk zwingt ihn nun, seine Waren zu zeigen. Er tut es, doch versucht er, ein Stück Linnen zu verbergen.

111. Nacht

Tâdsch el-Mulûks Blick fällt auf einen Jüngling, der war

in ein schneeweißes Gewand gehüllt und von lieblicher Gestalt; aber seine Schönheit schien zu verwelken, denn seine Wangen waren bleich wegen der Trennung von seinen Lieben.

Er sträubt sich dagegen, Tâdsch el-Mulûk seine Waren zu zeigen und rezitiert ununterbrochen Klageverse:

Bei deiner Wimpern schwarzglänzender Lieblichkeit,
Bei deines Leibes sich wiegender Zierlichkeit,
Bei deiner Lippen berauschendem Honigtau,
Bei deines Sinnes unendlicher Gütigkeit,
Du meine Hoffnung, mir ist deine Erscheinung im Traum
Süßer als Schutz vor allem quälenden Leid.

Tâdsch el-Mulûk zwingt ihn nun, seine Waren zu zeigen. Er tut es, doch versucht er, ein Stück Linnen zu verbergen.

110. Nacht

Tâdsch el-Mulûk wird ein schöner Jüngling.

Und als er das achtzehnte Lebensjahr erreichte, sprosste zarter Flaum auf seiner Wange, die verschönt war durch ein Mal von rosigem Schein und durch ein zweites wie ein Ambratüpfelchen klein.

Heute ein Grund, mal den Hautarzt aufzusuchen.

Es gibt ja unter Jünglingen die Wangen-, Oberlippen- und Kinn-Fläume. Auch ich gehörte zu den Wangenflaumern, während die meisten meiner Klassenfreunde sich ihren Schnurrbart scheitelten. Glatte Wange galt für mich damals als kindisch, aber fürs Wie-Keith-Richards-oder-Tom-Waits-Aussehen hätte ich noch ein paar mal schärfer rasieren müssen.

Tâdsch el-Mulûk liebt es nun, auf die Jagd zu gehen, obwohl sich sein Vater sorgt. Man treibt Gazellen vor sich her,

Nun ließ er die Hunde, Jagdleoparden und Falken los…

Jagdleoparden? Darf man sich so etwas auch in Berlin halten? Ich würde mit dem Gedanken spielen, ihn zur Verteidigung gegen Kampfhunde beim Joggen mitzunehmen.

Eine Karawane kommt der Jagdgesellschaft entgegen, die auf dem Weg in die Grüne Stadt ist, vollbeladen mit Geschenken für Tâdsch el-Mulûk, nicht wissend, dass dieser sich gerade hier aufhält.

109. Nacht

Der Wesir zieht mit der Braut zu Sulaimân Schâh, und sie wird in der Grünen Stadt mit allen Ehren empfangen:

Der König ließ durch einen Ausrufer in der ganzen Stadt verkünden,
keine verschleierte Maid,
keine vornehme Dam im Ehrenkleid,
keine Dame gebrochen von der Zeit
solle es unterlassen, der Braut entgegenzuziehen.

So wie man auch bei uns manchmal zum Spalierstehen verpflichtet wurde. Das letzte Mal, da ich bei so etwas freiwillig mitgemacht habe, war im Oktober 1979. Breshnew kam anlässlich des 30. Geburtstags der DDR nach Berlin, und man konnte vom Straßenrand aus sehen, wie klapprig und monoton er wirkte. Spät am Abend wurde live ein Fackelzug im Fernsehen gezeigt. Nach 1 Stunde änderte sich die Kamera, so dass man den (inzwischen zu Bett oder an die Schläuche transportierten) Breshnew nicht mehr sehen konnte. Eine große Panne bei der Ansprache der FDJler: Der Danksager vergaß seinen Text. Man munkelte, er habe dann einen Nervenzusammenbruch bekommen und sei dann in der Psychiatrie gelandet. Mit nicht einmal elf Jahren war ich von den Sprech-Chören "SED-KPdSU" peinlicher berührt als meine Eltern, die das Ganze fatalistisch zur Kenntnis nahmen.

Ruckzuck wird geheiratet. Sulaimân

nimmt ihr Mädchentum, und alle seine Sorge und Unruhe hatte ein Ende.

Es gab Zeiten, in denen ich mich grämte, wenn ich nicht regelmäßig Geschlechtsverkehr hatte. So ein König ist schon mit einem einzigen Mal zufriedenzustellen.

Man kann es sich denken: Wie auch in den anderen Erzählungen empfängt hier die Jungfrau bereits in der ersten Nacht. Der geborene Knabe wird Tâdsch el-Mulûk Charân genannt.

Unklare Praxis: Nach dem Zerschneiden der Nabelschnur die Augen salben.

Ab dem siebenten Lebensjahr wird er von den Gelehrten unterrichtet und

als er nun alles wusste, was der König verlangte, übergab man ihn einem geschickten Meister, der den Knaben die Reitkunst lehrte.

108. Nacht

Der Wesir schmeichelt sich bei König Zahr Schâh mit einem Schmeichelgedicht ein, und bittet ihn anschließend um die Hand der Tochter für Sulaimân Schâh. König Zahr Schâh demütigt sich vor dem Wesir und

küsste ehrfurchtsvoll den Boden.

Mit Freuden gibt er seine Tochter dem König zur Frau. Man trifft entsprechende Vorbereitungen und feiert gar zwei Monate Freudenfeste. Dann rüstet man zur Reise: Maultiere, Stoffe,

türkische Sklavinnen, griechische Dienerinnen

Man beachte die Abstufung. Unklar: Lassen sich Griechinnen nicht so leicht versklaven?

Ferner ließ der König eine Sänfte aus rotem Golde für sie machen, die mit Perlen und Juwelen besetzt war, und bestimmte zwanzig Maultiere für ihre Reise; jene Sänfte aber war wie eine der Kammern in einem Palaste, und wenn die Braut darin saß, dann sah sie aus wie eine liebliche Huri in einem Paradieshaus.

Unklar: Woher kennt man deren Aussehen?

107. Nacht

Der Wesir Dandân beginnt mit der

Erzählung von Tâdsch el-Mulûk und der Prinzessin Dunja:
Dem Liebenden und der Geliebten

Wir erfahren vom König Sulaimân Schâh in der Grünen Stadt in den Bergen von Ispahan 107, der es zu Ruhm und Ehre gebracht hat, aber bisher weder Weib noch Kind hat. Er fragt seinen weisen Wesir.

Erste Selbstreferenz der Geschichte in der Geschichte. Der Wesir Dandân wäre töricht, wenn er hier die Figur eines durchtriebenen Wesirs einführte.

Der Rat, sich einfach eine Sklavin zu kaufen, wird abgelehnt, da man nicht wisse, was das für Nachkommen würden.

"Eine solche Frau ist wohl einem trockenen Salzsee zu vergleichen, der da, obgleich gute Saat auf ihm gesät wird, doch nur wertloses Wachstum treibt, das nicht dauernd bleibt."

Unklar, ob er das wegen der sozialen oder der biologischen Herkunft glaubt.

Nun rät der Wesir, die Tochter des Königs Zahr Schâh zu freien:

"… So wird dir durch ihr schönes Antlitz Freude beschieden, und der Herr der Herrlichkeit ist mit dir zufrieden; denn es wird berichtet, dass der Prophet – Allah segne ihn und gebe ihm Heil! – sagte: Im Islam gibt es keine Möncherei."

Unklar: Wie ordnen sich hier die Derwische ein? Und wie soll im Islam die Polygamie gehandhabt werden, wenn der Männerüberschuss nicht durch "Möncherei" abgefangen werden kann? Krieg? Sklaverei?

Der Wesir wird mit einer Karawane voller Geschenke als Brautwerber losgeschickt und nach tagelanger vom König Zahr Schâh freundlich empfangen.

 

 

107 Gemeint ist natürlich Isfahan اصفهان