Auf der Mauer, auf der Lauer

Der Platz des Himmlischen Friedens unterscheidet sich von anderen Top-Sehenswürdigkeiten auf unserem Planeten nicht. Man fotografiert Touristen, die Touristen fotografieren. Eine im Vergleich zu anderen Orten ist das Wegducken eine auffällig häufige Bewegung: Man duckt sich aus Höflichkeit weg, um nicht auf dem Foto eines fremden Posierenden vorzukommen. Dadurch, dass aber stets und ständig in alle Richtungen fotografiert wird, tauchen auf Sehensüwrdigkeitsfotos immer häufiger gebückte Menschen auf, die so wirken, als gingen sie vor Schüssen in Deckung.

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Wir fahren einen mehrstündigen Umweg, um einen Teil der chinesischen Mauer zu besichtigen, der weniger frequentiert ist.
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Ein Verkehrsregler scheint es darauf anzulegen, Fußgänger unter die Räder zu bringen.

Entfremdung

Der Gedanke, dass es darauf ankommt, beim Schöpfen den Prozess statt das Produkt in den Vordergrund zu stellen, findet sich auch bei Marx im Konzept der „entfremdeten Arbeit“, der wir in der kapitalistischen Produktionsweise ausgesetzt sind. Marx dürfte den Begriff der Entfremdung von Hegel gemopst haben, der wiederum der erste deutsche Philosoph war, der ernsthaft chinesisches Gedankengut rezipiert und aufgenommen hat – Taoismus und Buddhismus.

Wieder in Shanghai

Drei Lesungen in Nanjing, Hangzhou und Shanghai mit Jochen Schmidt, Volker Strübing und Rupprecht Mayer. Auf Rupprechts eigentlich putzig-kaminereske Geschichte über die Schwierigkeiten eines Europäers, sich durch den Shanghaier Verkehr zu bewegen, reagieren einige Chinesen etwas verschnupft: Wo denn das Positive bleibt. Sie können es nicht verknusen, dass sich ein Europäer erdreistet, einen satirischen Blick auf „ihre“ Stadt zu werfen. Ebenso seltsam: Jochens Geschichte über die Warnungen, die Eltern ihren Kindern auf den Weg geben, wird nur von wenigen Chinesen goutiert. Sie glauben, er mache sich über den Tod von Kindern lustig und ordnen es sozusagen technisch-analytisch unter „schwarzer Humor“ ein.

China-Reise – Nanjing

(Lektüre-Pause)
Reise mit Volker Strübing und Jochen Schmidt
Der Chines glaubt, das Unglück stecke in der Vier, das Glück wiederum müsse mit einem Stein vor der Tür eingesperrt werden. Wenn man diese beiden Daumenregeln des Lebens beachtet, kommt man im Lande des Lächelns gut über die Runden und niemand wird am Sterbebett von einem behaupten, man habe sich ungebührlich verhalten. Allerdings steckt auch der chinesische Teufel im Detail, wie jeder Chines, der schon einmal ein 52stöckiges Hotel errichtet hat, weiß. Die Stockwerke an deren Ende sich eine Vier befindet, sind von vornherein ausgemerzt worden, denn hier zu wohnen löckte den Tod herbei. Das fünfte Stockwerk, wird also auf das dritte draufgepackt. Wie er dann die Etagen abzählt, verrät der Chines den europäischen Forschungsreisenden nicht. Er ist auf klischeehafte Weise verstockt. Dagegen nimmt sich die Stein-vor-der-Tür-Regel wie ein Kinderspiel aus. Jeder Chines besitzt ja bekanntlich einen nach komplizierten Feng-Shui-Regeln angelegten, weitläufigen Garten, in dem die Panda-Bären Einkriegezeck spielen. Der im Durchmesser etwa 1,80 Meter große Stein wird nach unmittelbar nach Inbetriebnahme des Gartens etwa drei Schritte hinter dem großen Torbogen hingekullert und das Glück bleibt drinnen, vorausgesetzt, es war schon da.

Chinesischer Garten. Im Hintergrund: Pandabären

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Um einen der letzten erhaltenen alten Gärten in Shanghai wurde eine riesige Touristenfalle gebaut – eine Art China-Town in China. „Watchas, Teeshart, Bagges“ werden einem angeboten. Der Herr im obigen Video präsentiert eine Art dramatischen Lichtbildervortrag. Das ältere Ehepaar wird offenbar an seine Kindheit erinnert.

Karl Valentin – ein Blockierer?

Aus der Impro-Perspektive muss man Valentin wohl als Blockierer oder zumindest als ewigen Nein-Sager bezeichnen. Seine Partnerin muss das Kleinholz seiner Logik wieder zusammensetzen, und er zerstört es umso mutwilliger. Allerdings hält er permanent den improvisatorischen Ball in der Luft. Laut Auskunft von Karlstadt konnte Valentin sich den Text auch nie richtig merken und so ging man immer wieder zu Improvisiertem über, was zu großartigen, nicht erhaltenen Gags führte. Karlstadt beschwor sich selbst während des Aufführens, sich die Gags zu merken, konnte aber anschließend nie eine Zeile rekapitulieren. Traurig, wenn man bedenkt, wie leicht man heutzutage Ton und Film aufnehmen kann.

Barack Obama on Basketball and Improvisation

„People who keep on shooting even though they have no jump shot, you can tell that there’s a certain self-delusional aspect to their game, right? That says something about who they are.“

„There is something about basketball and our culture that connects up with the African-American experience in a special way. Almost in the same way that jazz music connects up with the African-American culture. There is an aspect of improvisation within a discipline that I find very, very powerful. „

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153. Nacht

Regal Film und Theater.

Elftes Buch von links und von rechts.

Drehbuch Pulp Fiction

Erworben: Frühling 2004.
Status: Durchblättert und Gelesen.
Erster Satz: "Pumpkin: Vergiss es, ist viel zu riskant."
Kommentar: Für eine neue Szenen-Serie bei der Chaussee der Enthusiasten überlegte ich, welcher der bekannteste Film bei unseren Zuschauern sei und kam dabei auf Pulp Fiction. Ich beschloss, den Film als Shakespeare-Drama umzusetzen und die Wahl der Verse – fünfhebige ungereimte Jamben, Kreuzreime usw. – den Figuren anzupassen. Aber ich musste bald feststellen, dass unser Publikum bei fünfhebigen Versen ausstieg und so ging ich bald zu konsequentem Reimen über. Hier die Folgen:

Folge 1 – 20.5.04
Folge 2 – 27.5.04
Folge 3 – 3.6.04
Folge 4 – 10.6.04
Folge 5 – 17.6.04
Folge 6 – 1.7.04
Folge 7 – 15.7.04
Folge 8 – 22.7.04
Folge 9 – 29.7.04
Folge 10 – 5.8.04
Folge 11 – 12.8.04

Folge 12 – 19.8.04
Folge 13 – 26.8.04
Folge 14 – 2.9.04
Folge 15 – 9.9.04
Folge 16 – 16.9.04
Folge 17 – 23.9.04

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Die Geschichte von Ali ibn Bakkâr und Schams en-Nahâr

Zur Zeit des Kalifen Harûn er-Raschîd lebt ein Kaufmann, dessen Sohn Abu el-Hasan Ali ibn-Tâhir bem Kalifen ein und ausgehen darf und an seiner Tafel sitzt.

Man darf sich, angesichts all der Harûn er-Raschîd Geschichten schon fragen, wie groß diese Tafel ist, an der so viele Tischgenossen Platz haben.

Dieser Kaufmannssohn hat einen Freund namens Ali ibn-Bakkâr, ein schöner persischer Prinz. Als sie eines Tages beisammen sitzen,

da kamen plötzlich zehn Jungfrauen wie Monde anzuschauen.

Sie halten am Kaufmannsladen und begutachten die Waren, während sich Ali ibn-Bakkâr in ihre Anführerin verliebt

Sie ist eine Sonne, ihr Thron ist am Himmel:
So tröste mit mannhaftem Troste das Herz!
Nie kann sie zu dir auf die Erde sich neigen,
Nie steigst du im Fluge zu ihr himmelwärts.

Eine Dienerin lädt die beiden Jünglinge ein, und so erreichen sie den Palast des Kalifen und gehen dort in eines der Gemächer.

Allerhand, wenn man bedenkt, wie eifersüchtig der Kalif sonst seine Sklavinnen und Nebenfrauen bewachen läst.

Zehn Jungfrauen spielen Instrumente. Dann zehn andere

wie jene hochbusig und vom gleichen Alter mit schwarzen Augen und rosigen Wangen, mit zusammengewachsenen Augenbrauen und versonnenen Blicken.

Die zusammengewachsenen Augenbrauen gelten noch heute in vielen Ländern Vorderasiens dermaßen als Schönheitsideal, dass sie oft mit Augenbrauenstift nachgezogen werden.

Eine der Schönen heißt Schams en-Nahâr. Sie ist diejenige, in die sich Ali verliebt hat.
Die Sklavinnen singen, man isst, und die beiden Verliebten umarmen einander, um gleich darauf in Ohnmacht zu sinken, wieder zu erwachen und weiter zu essen.

Pennerhaftigkeit

Eine ältliche Musikertruppe zu Gast bei der Chaussee der Enthusiasten. Einerseits kommen sie in sympathischer hemdsärmeliger Lockerheit daher und bringen ihren eigenen Bierkasten mit, den sie im Laufe des ersten Drittels bereits leeren. Der Alkoholpegel steigt und parallel dazu das unkollegiale Verhalten der Musiker: demonstratives Desinteresse (in Wirklichkeit können sie nicht mehr folgen) und Altherren-Sprüche.
So kann’s kommen, denke ich. Gut dass sie da waren, so wird es einem klar vor Augen geführt, was geschieht, wenn man sich gehen lässt und wie man dann auf andere wirkt.

152. Nacht

Comic-Regal. Elftes Buch von rechts.

Hannes Hegen: MOSAIK. Die Digedags in Amerika

Erworben: Irgendwann in den 80ern oder 90ern ging dieser Comic vom Besitz meiner Schwester in den meinen über. Sie interessierte sich einfach nicht dafür.
Status: Mehrfach gelesen.
Erster Satz: "An der Mündung des gewaltigen Mississippi, des Vaters der Ströme, liegt New Orleans."
Kommentar: Die ersten Mosaik-Hefte sah ich im Alter von drei Jahren, und es war Liebe auf den ersten Blick. Mrs. Jefferson ("Die Dicke", wie sie in unserer Familie hieß), der Oberschurke Coffins, der starke Pedro, der Bootsmann Smoky, ich hatte sie alle in mein Herz geschlossen. Das Problem war nur, dass die Hefte sehr schwer erhältlich waren. Abos wurden vererbt. Wenn ein neuer Monat begann und ein neues Heft erschien, musste man möglichst früh am Kiosk danach fragen. Die Amerika-Serie ist eine äußerst gelungene Odyssee, die ein reiches Panorama Nordamerikas in den Zeiten des Bürgerkrieges zeichnen: Sklaverei, der Bürgerkrieg, Konflikte mit den Indianern, Goldrausch, Kalifornien, die Schwierigkeiten der westlichen Erweiterung, Panama, Piraterie. Die Digedags selber sind dabei weniger die Helden im eigentlichen Sinne als das Medium, durch das wir diese Reise miterleben. Besonders an Hegen mochte ich den etwas schwerelos anmutenden Stil. Zeitweise glaubte ich wirklich, dass man mit einiger Mühe vier Meter hoch springen könne. Später kamen die Folgen als Bücher heraus. (Von meinen Heften besitze ich kein einziges mehr.) Aus irgendeinem unerklärlichen Grund fehlen in jedem Buch zwei bis vier Seiten, was mit drucktechnischen Problemen allein nicht zu rechtfertigen ist. Hegen selbst gilt übrigens als schwieriger Typ. Aber das ist mir gleich. Wer solch schöne Sachen gemacht hat, kann kein böser Mensch sein. Dem Mosaik ist übrigens eine eigene WIKI gewidmet. Dort findet man auch ein paar Fehler, die mich schon als Kind irritiert haben: Z.B. sprechen die Mexikaner ein Mischmasch aus Spanisch und Italienisch!
Die ersten Folgen der Abrafaxe in Venedig und Österreich kann man noch als gelungen betrachten. Später, ab der Spanien-Folge wurde es nur noch ein Dahingewurschtel. Meine Vermutung, die Serie folge keinem richtigen Skript mehr, sondern würde nur noch Folge für Folge konzipiert, bestätigte einer der Autoren in einem Interview in den 80ern.

***

Die Geschichte vom Sakerfalken und den Raubvögeln

Ein Sakerfalke war ein rechter Tyrann unter den Vögeln. Als seine Stärke ihn verlässt, muss er die Überreste dessen fressen, was ihm die anderen Vögel übriglassen

Da beruhte denn seine Kraft auf List, nicht auf wirklicher Stärke.

(Geschichten, die keine sind)

*

Und so wäre auch der Fuchs, meint der Rabe. Und er erwähnt auch die Geschichte vom Sperling.

"Wie erging es denn dem Sperling?"

Die Geschichte vom Sperling und dem Adler

Ein Sperling beobachtet einen Adler, der ein Lamm fängt. Er versucht, es diesem gleichzutun, verfängt sich aber in der klebrigen Wolle und wird vom Hirten gefangen und seinen Kindern gebracht:

"Dies ist einer, der es einem Höheren gleichtun wollte und dadurch ins Verderben geriet."

Erinnert mich an eines meiner Lieblingsgedichte von Brecht:

Es war einmal ein Adler
Der hatte viele Tadler
Die machten ihn herunter
Und haben ihn verdächtigt
Er könne nicht schwimmen im Teich.
Da versuchte er es sogleich
Und ging natürlich unter.
(Der Tadel war also berechtigt.)

*

So könne es dem Fuchs auch ergehen, meint der Rabe. Der Fuchs wendet sich zähneknirschend ab.

"Ich knirsche nur deshalb mit den Zähnen, weil ich gesehen habe, dass du ein größerer Halunke bist als ich!"

Ende

***

Die Geschichte vom Igel und den Holztauben

Ein Igel bestiehlt eine Holztaubenfamilie, indem er sie zu asketischem, opferreichem Lebenswandel überredet und die Ernte selbst einfährt. Als der Holztauber bemerkt, dass er hereingelegt wurde, sagt er dem Igel:

Hüte dich vor Lug und Trug, auf dass es dir nicht ergehe wie es einst den beiden Gaunern erging, die den Kaufmann überlisten wollten!" "Wie war denn das?", fragte der Igel.

Die Geschichte vom Kaufmann und den beiden Gaunern

Einem Kaufmann folgen zwei Leute,

die zu den Schelmen gehörten.

Sie wollen ihn überfallen und einer dann dem anderen die Beute abluchsen und so vergiften sie sich gegenseitig.

Ende.

Die Geschichte vom Igel und dem Tauber, der diese Geschichte ja als Gleichnis erzählt, wird nicht wieder aufgegriffen.

***

Die Geschichte vom Dieb und dem Affen

Ein Dieb zieht mit einem Affen über den Markt, mit welchem er die Kaufleute ablenkt und einem von ihnen die Ware stiehlt und sie einem anderen Kaufmann weiterverkauft. Dieser trägt das wertvolle Tuch heim und seine Frau schilt ihn wegen der Hehlerei mit dem  Gleichnis vom Weber

Die Geschichte vom törichten Weber

Ein armer Weber überlegt, wie er ein schöneres Handwerk haben könne,

"das weniger Mühe macht, das höher geachtet und besser bezahlt wird, so würde ich mir auch prächtige Gewänder kaufen und mehr geachtet werden."

Auf einem Fest versucht er dann, es einem viel beachteten Gaukler gleich zu tun, kommt dabei zu Fall und bricht sich das Genick.

*

Der hehlerische Kaufmann hört nicht auf die Warnungen seiner Frau,

sondern fuhr fort, Waren zu erstehen und gewöhnte sich daran, von Dieben unter Preis zu kaufen, bis dass Verdacht auf ihn fiel und er umkam.

***

Die Geschichte vom Pfau und vom Sperling

Die Vögel versammeln sich:

"Wir sind jetzt so viele geworden, und viel Streit ist unter uns entstanden. Darum müssen wir einen König haben, der für unsere Angelegenheiten sorgt; dann werden wir uns einig sein, und der Streit wird aufhören."

Bemerkenswerte unausgesprochene Prämissen.

Der Sperling schlägt den Pfau vor, welcher ihn zu seinem Sekretär und Wesir ernennt. Bald darauf entdeckt er einen Vogelfallensteller in der Nähe seines Nests und meldet dies dem Pfau, der ihn beruhigt. Später gerät er ins Netz. Er zitiert darauf einen Dichter:

Was nicht geschehen soll, geschieht auch nie durch Listen;
Doch was geschehen soll, das wird geschehen.
Ja, was geschehen soll, geschieht zu seiner Stunde;
Allein ein Tor kann es doch nie verstehen.

Ende

***

Der König erbittet ein weiteres Märchen, und erstmals bittet Schehrezâd um Aufschub:

"In der kommenden Nacht, wenn der König, dem Allah Macht verleihe, mich am Leben lässt."

Weitere Gedanken zum Thema Akzeptieren

Aus einem Interviewspiel heraus, in dem es in er Logik der Spieldynamik lag, Fragen zu verneinen, diskutierten wir noch einmal die Frage Akzeptieren/Blockieren. Neue Arbeitshypothese: Wir akzeptieren, wenn wir den Grundgedanken des Angebots konstruktiv weiterführen, was in der Regel zwar mit einem „Ja und“ erreicht werden kann. Aber die Energie des Angebots kann auch mit einem Nein fortgeführt werden.
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Du siehst etwas, was du nicht siehst

Eine gewisse Erfahrung in der Kommunikation zwischen Spielern bedarf es, wenn Spieler A sene Figur A etwas tun lässt, was Figur B nicht sehen soll, deren Spieler aber sehen muss, um zu kapieren, wo es lang geht.
Klassisch: Der Diener rührt dem Lord heimlich Gift in den Tee. Der Spieler des Lords muss es natürlich sehen, um seinen Tod spielen zu können, aber immerhin so unauffällig, dass die Szene nicht ruiniert wird.
Möglichkeiten:
a) Diener spielt in solch einem Winkel, dass Lord die Handlung aus den Augenwinkeln beobachten kann.
b) Diener kommuniziert durch andere kleine Details (Augenkontakt, kleine Geste) seinem Mitspieler die Bedeutung des Angebots.

151. Nacht

Das Regal Comics:

Das elfte Buch von links:

Planned Parenthood Association Ghana (PPAG): "Questions Teenagers Ask"

*

Erworben: August 1997 im Büro der PPAG in Kumasi, Ghana.
Status: Komplett gelesen
Erster Satz: "How are babies made?"
Kommentar: Den Sommer 1997 verbrachte ich in Ghana. Hauptsächlich in der Region Ashanti für eine soziologische Untersuchung: "Male involvement in family planning in the rural areas of Ashanti". Die Broschüre äußerst simpel und vereinfachend. Sie steht im Comic-Regal, einfach weil sie einer gewissen Komik nicht entbehrt.

***

Die Maus bietet dem Floh Obdach und überredet ihn, den Mann heftigst zu stechen, so dass dieser nach dem Floh suche und sie dessen Golddinare, die er unterm Kissen verbirgt, stehle. Der Floh willigt ein. Ende.

Fragt sich, was die Tiere mit Golddinaren wollen.

Der Fuchs begründet gegenüber dem Raben diese Geschichte: Es könne auch ungleiche Freundschaften geben. Der Rabe wendet ein, der Fuchs würde, wenn es einmal anders käme, sich gegen ihn wenden, so wie er es mit dem Wolf getan, mit dem er schließlich verwandt sei.

Die Querverbindung zur Geschichte der vorigen Nacht ergibt keinen rechten Sinn, da die Geschichte vom Fuchs und dem Raben ganz anders eingeführt wurde.

"Ich kann dich und mich nur mit dem Sakerfalken und den Raubvögeln vergleichen. Als der Fuchs fragte: "Wie war denn das?", erzählte der Rabe

Die Geschichte vom Sakerfalken und den Raubvögeln

150. Nacht

Das elfte Buch von rechts:

Anthologie: "Vor Witwen wird gewarnt"

*

Erworben: ca. 2000. Es lag irgendwo kostenlos zum Mitnehmen rum.
Status: Erste Seite gelesen und dann weggelegt. Warum eigentlich nicht weggeschmissen? Vielleicht weil ich gelehrt wurde, mit Büchern jeder Art achtsam umzugehen?
Erster Satz: "Es war so ein Sommertag, an dem man sich schon morgens das Gewitter herbeiwünscht." Kommentar: Es war so ein Buch, bei dem man sich schon beim ersten Satz das Ende herbeiwünscht.

***

Der Fuchs begründet die Verweigerung weiterer Hilfe mit der Geschichte der Schlange, die ihrem Beschwörer entfloh und am Busen eines Mannes Zuflucht fand, den sie zum Lohn totbiss. Nach dem die vom Fuchs herbeigerufenen Winzer den Wolf totgeschlagen haben, endet der Fuchs mit dem Gedicht:

Das Schicksal nahm die Seele des Wolfes hinweg, sie entschwebte –
Weit, weit sei diese Seele, die jetzt ihr Ende fand!
Wie hast du dich, o Wolf, gemüht, mich zu verderben –
Heut kam zu dir das Unheil und bleibt an dich gebannt.
Du fielst in eine Grube, in die niemand gerät,
ohn dass er spürt, wie dort der Hauch des Todes weht.

Beachtlich an der langen, recht banalen Geschichte ist die augenfällige Ähnlichkeit mit den deutschen Isegrimm und Reineke. Anscheinend wurde das Bild für diese beiden Charaktere vom Orient nach Europa übermittelt, nicht umgekehrt.

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Die Geschichte von der Maus und dem Wiesel

Ein mit einer Maus befreundetes Wiesel raubt Sesamkörner, die eine Frau für einen kranken Mann enthülst hat, als es dabei erwischt wird, bringt es die Sesamkörner zurück und stiftet die Mas an, stehlen zu gehen. Diese wird von der Frau erschlagen.

Die Story wird auf zwei Seiten erzählt. Sie erinnert mich an den Mauswieselfall und den umgekehrten Mauswieselfall. Mit diesen Fällen wird Jura-Studenten in den Repititorien der Sinn für strafrechtliches Denken eingebläut: "Wilderer T erlegt ein Mauswiesel (jagd­bares Tier nach § 2 I 1 BJagdG und damit Wild im Sinne des § 292), hält das Tier für eine Maus, glaubt aber, auch Mäuse zu jagen sei verbotenes Unrecht; der Irrtum beginnt mit einem Tatbestandsirrtum, zu welchem ein strafloses Wahndelikt tritt. – Im umgekehrten Mauswieselfall (T erlegt eine Maus, hält sie für ein Mauswiesel und meint, er begehe kein Unrecht) ist der Versuch die Basis, auf der der Verbotsirrtum beurteilt werden muss; da § 292 aber keine Versuchsstrafbarkeit kennt, kommt man nicht erst zu § 17."

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Die Geschichte vom Raben und der Katze

Eine Katze und ein Rabe schließen Freundschaft. Eines Tages werden sie von einem Panther angegriffen, die Katze appelliert an die Freundschaft des Raben:

Der ist der echte Freund, der bei dir bleibt,
sich schadet, um dir Vorteil zu bereiten;
Der, wenn des Schicksals Laune dich vertreibt,
Sich für dich hingibt, um dich heim zu leiten.

Eine seltsame Freundschaft, die den Tod des anderen fordert und mich an den Witz erinnert, bei dem Carter, Breschnew und Honecker im Flugzeug sitzen. Als sie über die USA fliegen, springt Carter aus dem Flugzeug: "Ich sterbe für mein Vaterland." Später fliegt das Flugzeug über die DDR. Honecker schmeißt Breschnew raus: "Deutsch-Sowjetische Freundschaft."
Unlustig. Ich weiß. Aber ich war zehn. Ich brauchte den Witz.

Der Rabe lenkt tatsächlich die Aufmerksamkeit der Hunde auf sich, fliegt zum Panther und die Hunde und Bauern töten diesen. Ende.

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Die Geschichte vom Fuchs und vom Raben

Ein Fuchs leidet dermaßen an Hunger, dass er seine Jungen auffrisst, sobald sie ihm geboren werden. Er bittet den Raben um Freundschaft. Dieser wendet ein, dass es eine Freundschaft zwischen einem Fresser und einem, der gefressen wird, kaum geben könne. Doch der Fuchs erzählt

Die Geschichte vom Floh und der Maus

Ein Mann wird von einem Floh gebissen. Als seine Sklavinnen nach dem Floh suchen, flieht dieser in ein Mauseloch.

149. Nacht

Ein Regal mit Anthologien und uneinordenbaren Büchern zwischen Sachbuch und Belletristik.

Das elfte Buch von links:

„Ebersbach/Sa., Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan“

Erworben: Dezember 2005 im Ebersbacher Heimatmuseum auf dem Schlechteberg.
Status: durchgeblättert, wie man das eben bei Informationsbroschüren tut
Erster Satz: „Verehrte Gäste, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit dieser überarbeiteten Broschüre erhalten Sie eine Orientierungshilfe für Ebersbach/Sa., ganz gleich ob in öffentlichen, gewerblichen oder kulturellen Bereichen.“
Kommentar: Nicht viel mehr als eine Erinnerung. Bis zum Jahr 1979 war ich jährlich zwei Mal in Ebersbach. (Das „Sa.“ steht übrigens für Sachsen und wurde schon zu DDR-Zeiten immer mitgeschrieben, obwohl es das Land Sachsen eigentlich nicht mehr gab.) Winter- und Sommerurlaub in Ebersbach. Meine Großeltern wohnten in einer winzigen „guten Stube“, zur Küche über den Hausflur, den sie sich mit den Vermietern und Fräulein Schuppcher teilten. Fräulein Schuppcher, die Greisin musste sich täglich demütigen und einen Eimer Wasser bei meinen Großeltern aus der Küche erbitten. Man schlief auf dem Dachboden, in dem mehr oder weniger provisorisch zwei Schlafkammern eingerichtet waren, deren Geruch ich noch heute imaginieren kann. Im Schlafzimmer der Großeltern hingen zwei Mäcki-Bilder, die ich für außerordentlich exotisch hielt. Überhaupt schrieb ich alles Seltsame der Region zu, die sich ja schon durch eine völlig unverständliche Mundart ins provinzielle Abseits bugsiert hatte.


1972


1972


1972

Ebersbach im Dezember 2005


Bahnhof


Der enge Weg unter der Brücke

Das frühere Wohnhaus meiner Großeltern. Jetzt mit Spiel-Kneipe. Links der Bäcker.

Skilift zum Schlechteberg


Das Filmtheater, in dem ich bestimmt 40 Filme gesehen habe


Das Haus, in dem früher die Kneipe „Eiche“ war.

Schlieders Garten, in dem die beiden Fotos oben aufgenommen wurden.

Weil meine Mutter nicht von ihrer Oberlausitzer Gewohnheit lassen konnte, den Diminutiv mit dem Suffix -l an jeder passenden und unpassenden Stelle zu verwenen, bezeichnete ein Freund meiner Eltern später den Schlechteberg (Wahrzeichen Ebersbachs) als „Geschlechtl-Berg“.

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Der Fuchs sinnt nun auf Rache. Und als er eines Tages die Falle eines Winzers hinter einer Mauer entdeckt, führt er den Wolf dorthin und lässt ihn hineinstürzen. Es folgt eine lange Diskussion zwischen den beiden, in denen der Wolf darum bittet, man möge ihm vergeben. Der Fuchs bleibt jedoch schadenfroh
Sie spicken ihre Argumente mit Gedichten, Sprichwörtern und der Fuchs schließlich auch mit der

Geschichte vom Falken und vom Rebhuhn

Einem Falken entwischt ein Rebhuhn. Er überredet es, aus seinem Versteck zu kommen, da er Körner für es habe. Es folgt ihm und er verspeist es, stirbt aber an Vergiftung. Ende.

Da der Wolf nun völlig zu bereuen scheint, hält ihm der Fuchs den Schwanz ins Loch. Aber statt sich daran herauszuziehen, zieht der Wolf den Fuchs mit hinein.

Haben doch die Weisen gesagt: „Wenn einer von euch seinen Bruder schmäht, weil dieser an den Zitzen einer Hündin säugt, so soll er auch daran saugen.

Blöd nur, dass jetzt beide zugrunde zu gehen scheinen. Der Fuchs schlägt nun dem Wolf vor, er möge sich auf die Hinterbeine stellen, der Fuchs spränge dann heraus und holte Hilfe.
Tatsächlich flieht der Fuchs und lässt ihn wissen, dass ihm nun sein Traum klar würde, den er sich von einem Deuter habe deuten lassen.

Nicht nur beten die Tiere zu Allah, sie haben auch Traumdeuter… Weiterlesen

Haltung der Schüler

Johnstone nennt es „Die Haltung der Schüler ändern“. Allzu oft erwarten Schüler eine ganz konkrete Lektion oder sie haben ganz konkrete Vorstellungen, wie ein Workshop abzulaufen habe. Die Kunst des Schülerseins besteht aber – im Improtheater ganz besonders – darin, sich vom Lehrer überraschen zu lassen, neue Erfahrungen zu machen und diese einzubauen.

Lehrer, von denen ich Lehren gelernt habe:
Ramona Krönke – Freude und Wertschätzung des Spielerischen
Sten Rudström – Klarheit und physisch/psychologisches Erfahren
Randy Dixon – geistige Durchdringung
Stephen Nachmanovitch – Ermöglichen
Keith Johnstone (soweit man das nachvollziehen kann) – Beobachtung und Feedback

Von mir selber – improvisierende Haltung zum Unterrichten.

Positive Pädagogik

Bei der Präsentation seines Buches Tao der Kreativität in der Urania gibt Stephen Nachmanovitch das Beispiel des Kindes, das Laufen lernt: Jeder weiß, dass das Kind höchstens drei Schritte gehen kann und dan umfallen wird, aber alle Umstehenden werden schon den Versuch beklatschen. Niemand käme auf die Idee, dem Kind Tips zu geben: „Heb mal die Knie höher!“ Stattdessen vertrauen wir darauf, dass das Kind seinen Weg findet. Irgendwann geht man zum kritischen Belehren über. Aber warum?
Ist ein völlig nicht-kritisches Unterrichten möglich und effektiv? Nach SN schon.

Profipopofi

Bei der Erföffnungsshow der Impro 08 spielt ein seltsames Duo namens „Bright Blue Gorillas“. Obwohl recht sympathisch fragt man sich, was sie auf einem Improfestival tun. Sie spielen ein paar Hippiesongs und von ihrem 12minütigen Auftritt nutzen sie fünf Minuten, um auf ihre CD hinzuweisen. Zur Krönung wiederholen sie das Ganze am Abend danach und zwar Wort für Wort mit exakt demselben Timing.
Das erinnert mich an einige Kleinkünstler und Komiker, unter denen es als „professionell“ gilt, den exakten Ablauf einer Nummer so einzustudieren, dass ein Abend dem anderen gleicht. Ich habe das nie verstanden. Selbst beim Vorlesen versuche ich, mich aufs Neue vom Text überraschen zu lassen. Komisch auch, dass sich manche Improgruppen davon anstecken lassen und z.B. „funktionierende“ Games immer und immer wieder aufführen.