Geschichten und Szenen beenden

Seltener als Szenenbeginnen wird das Szenenbeenden geübt. (Schade, aber logisch – ohne Anfang kein Ende.)
Es bedarf einer besonderen Schärfung des Blicks für Enden:
Moral (kann auch banal oder gar amoralisch sein), z.B. „Das kann also geschehen, wenn man ein Kind verwöhnt.“
Überraschende Wendungen: Man denke an „Sixth Sense“ oder das bescheuerte Maskenspiel bei Johnstone.
Offene Enden: Wie wird sich die Heldin entscheiden.
Erkenntnisse: Und seit jener Zeit gibt es in Europa keine Giraffen mehr.

Techniken des Beendens:
Physisch: Abwinken, Quer über die Bühne laufen
Verbal: „Ende der Szene“
Szenisch: Ausklingen/Stehen lassen
Pointe: Letzter Satz Richtung Publikum
Licht: Black

193. Nacht – Randy Dixon – Im Moment

Elftes Buch von rechts

Randy Dixon: "Im Moment. Theaterkunst Improtheater Reflexionen und Perspektiven"

Erworben: ca. 2002
Status: In einem Ruck durchgelesen. Dann immer wieder abschnittsweise.
Erster Satz: "Zwei Improspieler betreten an einem Samstagabend die Bühne."
Kommentar: Dieses Buch beschäftigt sich vor allem mit Storytelling in Langformen: Wie erschaffen wir klare Geschichten und bleiben dabei leicht und im Moment, ohne vorauszudenken. Völlig unklar, warum dieses Buch, dessen Autor einer der führenden Impro-Theoretiker ist, nicht in den USA publiziert wurde. Im Literaturteil empfiehlt Dixon Stephen Nachmanovitch: "Free Play. Improvisation in Life and Art". Im Frühjahr 2003 fand ich dann dieses Buch in einem Chicagoer Buchladen. Es sollte mein Leben verändern. Und schließlich übersetzte ich es. Es erschien bei O.W. Barth unter dem Titel Das Tao der Kreativität.

**

Prinzessin Budûr rastet, als die Alte darauf besteht, es habe keinen Jüngling gegeben, regelrecht aus:

Sie zückte ein Schwert, das sie bei sich hatte, traf die Aufseherin damit und schlug sie tot.

Lehre für die Väter jugendlicher Töchter, die ihre Emotionen nicht im Griff haben: Schwerter unter Verschluss halten.

Der Eunuch aber und die Sklavinnen und Nebenfrauen schrien über sie, eilten zu ihrem Vater und taten ihm kund, was mit ihr geschehen war.

Man legt ihr eine Kette um den Hals und schließt sie am Fenster des Palastes an. Der König ruft Ärzte, Sterndeuter und Talismanschreiber um Hilfe.

Unklarer Beruf: Talismanschreiber

Keiner kann helfen, und er bestraft sie entsprechend:

Und so geschah es denn, dass er alle, die zu ihr gingen und sie nicht heilten, enthauptete und ihre Köpfe vor dem Tore des Palastes aufpflanzen ließ, bis er um ihretwillen vierzig Ärzte hatte köpfen und vierzig Sterndeuter hatte kreuzigen lassen; da hielten sich alle von ihr fern.

Prinzessin Budûrs Milchbruder Marzuwân kehrt von einer Reise zurück und will sie wiedersehen. Seine Mutter lässt ihn sich als Mädchen verkleiden und beredet den Eunuchen, der sie gewähren lässt.

Angeblich gilt aber das Einandersehen-Verbot nicht für Milchgeschwister, weshalb ja auch kürzlich eine Fatwa erlassen wurde, die das Stillen von Erwachsenen für islamisch erlaubt erklärt, damit nichtverwandte Männer und Frauen in denselben Büros aufhalten können. Unverständlich also der Aufwand, der hier getrieben wird.

Marzuwân erkennt, dass seine Milchschwester liebeskrank ist.

192. Nacht

Kamar ez-Zamân kaut nun seinem Vater mit langen Versen ein Ohr ab, und dieser lässt es sich gefallen, bis ihn der Wesir an seine Staatsgeschäfte erinnert. Man bringt den Prinzen nun zu einem Schloss, dass direkten Blick zum Meer gewährt, für den Fall dass die Prinzessin von dort aus auftauche.

Jenes Schloss stand mitten im Meere, und man gelangte zu ihm auf einem Damme, der zwanzig Ellen breit war.

Das Schloss wird prächtig eingerichtet.

Dorthin brachte man für Kamar ez-Zamân ein Lager aus Wacholderholz, das mit Perlen und kostbaren Steinen ausgelegt war, und auf ihm setzte der Prinz sich nieder.

Spiegelbildlich verläuft das Geschehen in China: Prinzessin Budûr erwacht, und beschuldigt die Alte, ihr zu verheimlichen, wo der Jüngling abgeblieben sei:

"Weh dir, du elende Alte, wo ist mein Geliebter, der schöne Jüngling, von Antlitz so lieblich, von Gestalt so zierlich, mit den schwarzen Augen un den zusammengewachsenen Brauen, der in dieser Nacht vom Abend bis fast zum Anbruch des Tages an meiner Seite geruht hat?"

191. Nacht

In Amsterdam stehen die Behörden vor einem Dilemma: Einerseits wird auch hier das Rauchverbot in Kneipen und Cafés eingeführt, andererseits will man die inzwischen "traditionellen" Coffeeshops nicht schließen. Die Lösung: Kiffer dürfen nur noch reines Haschisch rauchen.

***

Fortsetzung der Reihe "Elfte Bücher aus meinen Regalen"

dritte Regalreihe von oben – Theaterliteratur

Elftes Buch von links

Viola Spolin: "Improvisation for the Theater"

Erworben: ca. 2002
Status: Abschnittsweise immer wieder nach Bedarf gelesen.
Erster Satz: "Everyone can act." (Das ist doch mal ein Hammersatz.)
Kommentar: Ausgehend von diesem ersten Satz (und der offenbaren aber unausgesprochenen Tatsache, dass diese Fähigkeit zum Schauspielen abhanden kommt) entwickelte Spolin den Grundstock an wertvollen Theaterübungen. Ihr kürzlich verstorbener Sohn Paul Sills trug die spielerischen Ideen mit nach Chicago, wo er mit "Compass" den Grundstock für die wahrscheinlich weltweit lebendigste Improtheaterszene schuf. Spolins direkter und indirekter Einfluss auf das moderne Improtheater ist enorm: Johnstone, Close, Dixon, Second City, Zaporah.

*

Kamar ez-Zamân zeigt nun als letzten Beweis den Ring an seinem Finger, den er der neben ihm liegenden Prinzessin nahm. Der König lässt sich überzeugen. Nicht ohne nochmals zu betonen:

"Ursache dieser ganzen Verwirrung ist nur der Wesir."

Wie nervig es ist, mit Menschen zu tun zu haben, deren erste Sorge bei Problemen es ist, einen Schuldigen zu finden (der natürlich nie sie selber sind), einen solchen Narren dann zum König und direkten Vorgesetzten zu haben, hat bestimmt psychische Störungen zur Folge, vor allem, wenn ständig mit dem Henker gedroht wird.

 

*

190. Nacht

Kamar spielt nun seinen letzten Trumpf aus und demonstriert seinem Vater den Siegelring, den er der Prinzessin abgenommen hatte. Der König vertraut un wieder seinem Sohne und beschließt, das Geheimnis zu lösen, nicht ohne dem Minister noch eins reinzuwürgen:

"Ursache dieser ganzen Verwirrung ist nur der Wesir!"

189. NAcht

Kamar ez-Zamân traut alledem immer noch nicht. Er lässt seinen Vater schwören

"bei Allah, dem Schöpfer, dem Allwissenden, der die stolzen Tyrannen richtet und die Perserkönige vernichtet, dass du nichts von der Jungfrau noch von der Stätte, da sie sich aufhält, weißt"

Neue Info: Allah war es, der die Perserkönige vernichtete.
Außerdem lässt diese Bemerkung es fraglich scheinen, ob wir uns überhaupt in Persien befinden, wie die Namen nahelegen. Vielleicht wurde aber diese Islamisierung im Nachhinein von arabischen Erzählern eingefügt.

188. Nacht

Der Wesir zum König:

"Mein König, ich bringe dir eine frohe Botschaft (…) Wisse, dein Sohn, Kamar ez-Zamân hat den Verstand verloren."

Offenbar ist Verstandesverlust eher beim Wesir die korrekte Diagnose, wieso nennt er das eine "frohe Botschaft"?

König Schehrimân, nicht unschlagfertig:

"Freue dich, o Wesir! Für die frohe Botschaft von dem Wahnsinn meines Sohnes teile ich dir die Freudennachricht mit, dass ich dir den Kopf abschlagen und dir meine Gunst entziehen werde, du elendster der Wesire, du schändlichster der Emire!"

Bemerkenswert hier das Wörtchen "und": Nicht nur verliert der Wesir seinen Kopf, sondern obendrein die Gunst des Königs!

"lasse ich dich an die Hochwand meines Palastes nageln und gebe dir Trübsal zu kosten."

Wo wird man je wieder einen solchen Satz hören?

Der König eilt nun selbst zu seinem Sohn und prüft dessen Verstand, indem er ihn die Wochentage und Monate abfragt. Dieser beantwortet alle Fragen korrekt.

Darüber freute sich der König sehr, und er spie dem Wesir ins Gesicht.

Doch auch der König hört nun von Kamar ez-Zamâns scheinbaren Wahnvorstellungen, neben einer Jungfrau geschlafen zu haben.

187. NAcht

Der Sklave meint nun, er würde Kamar ez-Zamân die
Wahrheit berichten, müsse aber erst seine zerrissenen Kleider ordnen. Direkten
Wegs läuft er zum König, der mit dem Wesir im Gespräch ist und berichtet ihm,
sein Sohn sei wahnsinnig geworden. König Schehrimân erzürnt und befiehlt seinem
Minister, die Sache aufzuklären. Der Wesir geht zu Kamar und dieser flippt
wieder aus.

186. Nacht

Für die Dämonin Maimûna scheint der Fall gelöst:

"Hast du gesehen, Verfluchter, wie stolz und zurückhaltend mein Geliebter gehandelt hat, und wie leidenschaftlich sich deine Geliebte an meinen Geliebten gedrängt hat? Kein Zweifel, mein Geliebter ist schöner als deine Geliebte, doch ich vergebe dir."

q.e.d.

Auf Befehl von Maimûna tragen Kaschkasch und Dahnasch die Prinzessin zurück.
Am nächsten Morgen verlangt Kamar ez-Zamân vom Eunuchen, ihm die Jungfrau zu bringen. Dieser weiß natürlich nicht, wovon die Rede ist. Kamar ergrimmt:

Du Verfluchter, mein Vater hat dich das Betrügen gelehrt, Komm her!" Nun trat der Eunuch an Kamar ez-Zamân heran; der packte ihn an seinem Kragen und warf ihn zu Boden, wobei dem Erschrockenen ein Wind entfuhr.

Kamar ez-Zamân fesselt ihn und lässt ihn in den Brunnen hinab, so dass er Ertrinkensängste erleidet.

Eine effektive Foltermethode auf die die US-Streitkräfte gut 1.000 Jahre später im Irak und auf Guantánamo zurückgreifen.

185. Nacht

Prinzessin Budûr verliebt sich erwartungsgemäß in Kamar ez-Zamân und begehrt ihn:

"Wach auf aus deinem Schlafe! Sieh die Narzisse und ihren zarten Flaum! Erfreue dich meines Leibes und seiner Geheimnisse!"

Narzisse?

Sie versucht ihn vergeblich zu wecken, entdeckt aber ihren Siegelring an seinem Finger und vermutet ebenfalls einen Trick ihres Vaters.

Und nun griff sie mit der Hand auf seine Brust, und da seine Haut so glatt war, glitt ihre Hand bis auf seinen Leib, bis auf seinen Nabel und fiel auf sein Glied; da erschauerte und bebte ihr Herz, und die Begierde ward heftig in ihr, denn das Verlangen der Frauen ist stärker als das der Männer.

Das sind ja mal Nachrichten.

Sie schmiegt sich an ihn und schläft ein.

184. Nacht

Kamar ez-Zamân will die fremde Prinzessin küssen, während die Dämonin vor Eifersucht und Scham vergeht, doch hält er inne, da er glaubt, der Vater wolle ihn nur auf die Probe stellen. Als Erkennungszeichen löst er einen Siegelring von ihrer Hand,  steckt ihn sich selber an, dreht sich mit dem Rücken zu ihr und schläft wieder ein. Nun beißt Dämonin Maimûna als Floh die Prinzessin

vier Fingerbreit unterhalb ihres Nabels

Um sie durch Juckreiz aufzugeilen?

Diese entdeckt nun ihrerseits den Prinzen

seiner Lippen Tau war von süßem Geschmack und heilsamer als Theriak; es schien, als wäre sein Mund wie das Siegel des Salomonis rund, seine Lippen waren von der Korallen Art, und seine Wangen wie Anemonen zart.

Menschen als Vorlage

Man bemüht sich oft so sehr um die Erschaffung von Figuren aus Tieren, Objekten, Bewegungen usw. und vergisst darüber oft, wie einfach es doch ist, konkrete Personen nachzuahmen. Es geht ja bei uns nicht um gute Parodie, sondern um schnelle Erschaffung glaubwürdiger Charaktere. Das einfache Nachmachen ist uns angeboren. Kleinkinder lernen andauernd oder fast nur so. In der Schule äffen wir Lehrer und Mitschüler nach.
Wir können bei der Figurenfindung ruhig ein wenig trashen, Verfeinerung kommt wie immer später.

183. Nacht

Kamar ez-Zamân erwacht und entdeckt die Jungfrau neben sich:

strahlend wie ein kostbarer Edelstein oder wie eine hohe Kuppel im Sonnenschein, ihre Gestalt war wie eine Linie aufrecht und fein; ihr Wuchs war zierlich klein, ihr Busen schwellend und ihre Wange von rotem Schein…

Er sieht,

dass sie nur ein venetianisches Hemd trug ohne Hosen.

Venetianische Hemden in China?

Es regte sich in ihm die natürliche Begierde, und Allah erfüllte ihn mit dem Verlangen nach Umarmung.

Aber sie erwacht nicht, da sie von der Dämonin im Schlaf gehalten wird, und so hält der Prinz das Ganze für einen Trick seines Vaters, um ihn zur Heirat zu zwingen.

182. Nacht

Und so muss nun auch Dämon Dahnasch ein Loblieb über Prinzessin Budûr rezitieren,

dann sang er dies Lied, obwohl die Dichtung ihn sonst mied: (…)

Noch immer können die beiden sich nicht einigen, also rufen sie einen unparteiischen Dämon herbei.

Der hatte ein blindes Auge, war bucklig und krätzig; seine Augen waren der Länge nach durch sein Gesicht geschlitzt, er hatte auf dem Kopfe sieben Hörner, und vier Haarsträhnen hingen ihm bis auf die Köchel; seine Hände waren Worfschaufeln, seine Beine wie Masten, er hatte Klauen wie die eines Löwen und Hufe wie die eines Wildesels.

Dieser lobt die Schönheit der beiden und entscheidet so:

Die beiden sind gleich an Schönheit und Lieblichkeit, an Anmut und Vollkommenheit, und es ist kein Unterschied zwischen beiden, nur dass sie verschiedenen Geschlechtes sind. Doch habe ich noch einen anderen Gedanken, und der ist, dass wir je einen von beiden aufwecken, ohne dass der andere es weiß; und wer dann von heißerer Liebe zu dem anderen entzündet wird, der soll ihm an Schönheit und Anmut unterlegen sein.

Das nennen einige Soziologen "Ökonomie der Liebe": Der Hässlichere, weniger Begabte usw. liebt stärker. Der Schönere ist in ständigem Stress, ob er sich vielleicht doch "unter Wert" verbunden habe. Ein seltsames Konzept von Liebe, das aber mehr noch in der modernen Gesellschaft anzufinden ist: Man ist ständig mit Lebensalternativen konfrontiert und vor allem mit der Möglichkeit, tatsächlich noch mal alles umzuwerfen und "von vorne" zu beginnen.

Dahnasch verwandelt sich in einen Floh, beißt Kamar ez-Zamân und weckt ihn.

180. Nacht

Dämon und Dämonin schließen eine Wette ab, wer den schöneren Geliebten habe.

Allerdings wetten sie um nichts. Das habe ich mich schon immer gefragt: Ob eine Wette ohne Einsatz überhaupt eine Wette ist.

Sie betrachten zunächst Kamar ez-Zamân, dann Budûr und können ihren Streit nicht schlichten. Also tragen sie Prinzessin Budûr schlafend neben den Prinzen, um im direkten Vergleich zu entscheiden.

179. Nacht

Der Vater dieser Schönen, so der Dämon weiter sei ein Tyrann, der seiner Tochter sieben Schlösser gebaut habe, und zwar aus:

  • Kristall

  • Marmor

  • chineischem Stahl

  • Edelsteinen und Juwelen

  • Mosaik aus buntem Ton und Achat

  • Silber

  • Gold

In diesen müsse sie abwechselnd wohnen. Der Name der Prinzessin sei Budûr und sie habe eine Abneigung gegen das Heiraten. Daraufhin habe ihr Vater sie eingesperrt und das Gerücht verbreiten lassen, sie sei geistig umnachtet.

Nachtigall, ick hör dir trapsen. Zwei schöne Heiratsunwillige. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen…

Der Dämon schaut sie nun jeden Tag an und betrachtet sie gewissermaßen als seine Geliebte. Es kommt zum Streit zwischen Dämonin und Dämon, wer den schöneren Menschen habe.

178. Nacht

In der Gegend, von der der Dämon spricht, herrscht König el-Ghajûr,

der Herr der Inseln und der Meere und der sieben Schlösser.

Dessen Tochter sei unendlich schön, u.a.:

sie hat zwei Brüste wie Kästchen aus Elfenbein, von deren Glanze Sonne und Mond ihr Licht entleihn; und einen Leib mit Falten so zart wie koptisches Gewebe von ägyptischer Art.

Die Beschreibung ihrer Schönheit zieht sich über anderthalb Seiten hin, und dabei habe er seine

Beschreibung kurz gemacht, da ich fürchte, sie würde sonst zu lange dauern.

Bemerkenswert wieder das Lob schwerer Hüften:

Die Hüften hängen an ihrem zarten Rumpfe
Und diese Hüften handeln schlecht gegen sie und mich.
Sie halten stets mich fest, wenn ich nur an sie denke,
Und ziehen sie herab zum Boden, erhebt sie sich.

177. Nacht

Angesichts der Schönheit von Kamar ez-Zamân gelobt die Dämonin:

"Ich will ihn behüten vor allen Gefahren."

Sie steigt nun hinauf und begegnet einem weiteren Dämonen namens Dahnasch, der von ihr Gnade und einen Freibrief erbittet. Er käme

vom äußersten Ende Chinas

wo er etwas wunderbares gesehen habe.

176. Nacht

Kamar ez-Zamân fährt fort zu beten, und zwar folgende Suren:

die Kuh, das Haus Imrân, Jasîn, der Barmherzige, "Gepriesen sei der Herrscher", das reine Bekenntnis, und die beiden Talismansuren; dann schloss er mit der Anrufung176.

Wir erfahren von seinem Nachtlager:

  • Matratze bezogen mit Satin aus Ma’dan, gefüllt mit Seide aus Irak

  • Kissen aus Straußendaunen

  • Hemd aus Wachsleinwand

  • Kopfbedeckung: blaues Kopftuch aus Merw

Im Saal befindet sich ein römischer Brunnen, in dem eine Dämonin namens Maimûna, der Tochter von ed-Dimirjât.

Unklar: Bezeichnet "römischer Brunnen" die Herkunft oder die Bauart?

176 M.a.W die Suren 2, 3, 36, 55, 67, 113, 114 und Nr. 1. Er wird ganz schön lang bebraucht haben.

174. Nacht

Man sperrt Kamar ez-Zamân in einen Saal im Turm, wo er sein Schicksal verflucht. Unwirsch befragt nun der König seinen Wesir:

"Wisse, Wesir, du bist die Ursache von alledem, was zwischen mir und meinem Sohne vorgefallen ist, denn du hast mir damals den Rat gegeben. Was rätst du mir aber jetzt zu tun?"

Vierzehn Tage warten.

173. Nacht

Im kommenden Jahr befiehlt ihm nun König Schehrimân in Anwesenheit der Wesire, Emire und Krieger, zu heiraten, worauf er entgegnet:

"Niemals werde ich mich vermählen, auch wenn ich den Becher des Todes trinken müsste, du bist ein Mann von großem Alter, aber von keinem Verstand."

Das geht dem Herrn Erzeuger nun über die Hutschnur:

"Wehe dir, du Bastardblut, du schändliche Brut! Wie darfst du mir so antworten vor meinen Kriegern und meinem Heere? Freilich, bisher hat dich noch niemand gezüchtigt."

172. Nacht

Der Wesir rät König Schehrimân, seinen Sohn beim nächsten Mal in Anwesenheit der Emire, Wesire und Krieger zu bitten, so dass dieser sich schämen würde, eine Heirat abzulehnen. Kamar ez-Zamân wird nun zwanzig Jahre alt,

da war sein Blick ein größerer Zauberer als Harût, und das Spiel seiner Augen war verführerischer als et-Taghût. (…) Sein Leib war schmaler als ein Faden im Gewand, und seine Hüften waren schwerer als Hügel von Sand.

171. Nacht

In seiner Weisheit zürnt ihm der Vater nicht, sondern gewährt Kamar ez-Zamân ein weiteres Jahr des Reifens und Schönerwerdens. Doch auch im Folgejahr verweigert sich der Sohn:

Wen die dreisten Dirnen fingen,
Der sieht keine Rettung mehr,
Baut er sich auch tausend Burgen
Bleiumgossen ringsumher.
Ja, ihr Bau ist ganz vergeblich,
Unnütz stehn die Festen da;
Denn die Frauen überlisten
Jeden Mann ob fern und nah –
Sie, die ihre Finger färben
Die das Haar der Zöpfe drehn,
Sie, die ihre Wimpern schminken,
Die auf Gifttrank sich verstehn!

Das ist ja mal ein lustiges Gedicht – Schminken und Vergiften als Fähigkeiten derselben Kategorie!

Die Frauen sind, wenngleich man sie ob Keuschheit rühmt,
Nur Kehricht, bei dem die Geier schweben, um zu wühlen.
Zwar gestern galt noch dir allein ihr lispelnd Wort;
Doch morgen wird ihre Wade und Hand ein andrer fühlen –
Ein Gasthaus, in dem du wohnst, von dem du dich morgens trennst,
In dem nach dir ein andrer wohnt, den du nicht kennst.

Man möchte ihn glatt bemitleiden für seine Furcht vor Frauen.

170. Nacht

Die Geschichte von Kamar ez-Zamân

Wieder haben wir es mit einem König – namens Schehrimân – zu tun, der in hohem Alter noch keinen Sohn hat und ob dieses Problems seinen Minister befragt.

Jener Wesir antwortete ihm: "Vielleicht wird Gott doch etwas geschehen lassen. Drum vertraue auf Allah, o König, und bete zu ihm inständigst!"

Was sonst sollte der Wesir auch raten. Vielleicht ist das inständige Beten übrigens tatsächlich auf eine Art hilfreich. Immerwährendes Beten erschöpft, so wie das ständige Sprechen eines Wortes, es verliert den Wortsinn für den Sprecher. So kommt man in einen Zustand des inneren Loslassens. Vielleicht nicht unwichtig für einen alternden König mit Erektionsproblemen.

Er hält sich an des Wesirs Anweisung und tatsächlich empfängt die Gemahlin und gebiert ihm einen schönen Knaben, den sie wegen seiner Schönheit Kamar ez-Zamân nennen.

Ich vermute, die Geschichte spielt in Persien.

Als der Sohn alt genug ist, will der König ihn vermählen, doch dieser sträubt sich.

Wen ihr mich nach Frauen fragt, so wisset:
Ich kenn die Art der Frauen alleweil.
Ergraut des Mannes Haupt und schmilzt sein Geld,
Hat er an ihrer Liebe keinen Teil.

Es fragt sich, ob hier Misogynie, Homosexualität oder Angst vor dem Erwachsenwerden der Hauptgrund dieses immer wiederkehrenden Motivs ist.

169. Nacht

In Bagdad trifft unser Juwelier die Sklavin wieder, die ihm vom Ableben Schams en-Nahârs berichtet, die während eines Trink- und Gesangsgelages mit dem Kalifen, Musikern und Sängerinnen ihren Tod fand.

Und in heftigem Schmerz um ihr Hinscheiden befahl er [der Kalif], alle Geräte, alle Lauten und alle anderen Musikinstrumente, die in dem Saale waren, zu zerbrechen.

Erinnert mich an Hannes Hegens Digedags-Comics. Sobald Musikinstrumente auftauchten, konnte man sich sicher sein, dass sie früher oder später beschädigt wurden.

Die Sklavin aber wurde vom Kalifen freigelassen.

Wenn das mal nicht ein schönes Happy End ist. Figuren (wie Abu el-Hasan) werden großspurig eingeführt und spielen dann absolut keine Rolle mehr, ein ewiges Hin und Her im Austausch der immerselben Nachrichten, und am Ende sind alle tot.
Storytelling: 4 minus.
Pracht: 3 minus
Figuren: 4 minus

168. Nacht

Der Juwelier berichtet Ali ibn-Bakkâr die schlechten Nachrichten. Sie beladen jeder drei Kamele, nehmen ein paar vertrauenswürdige Sklaven mit und reiten aus Bagdad fort. Prompt werden sie von Räubern überfallen, die die Sklaven töten und ihnen die Besitztümer rauben. Zu Fuß ziehen sie weiter, gelangen in ein Dorf und gehen dort in eine Moschee, wo sie das Frühgebet absolvieren. Ein alter Mann kommt dazu und lädt die beiden in sein Haus, um sich auszuruhen, aber wieder bricht Ali ibn-Bakkâr zusammen und bittet den Juwelier, im Falle seines Ablebens seine Mutter zu verständigen.

Erinnert mich hier in seinem Selbstmitleid arg an Tom Sawyer.

Aus der Ferne hört er ein Mädchen ein Klagelied singen und verstirbt.

Ups, doch nicht Tom Sawyer.

Der Juwelier kehrt zurück und richtet der Mutter den Tod Ali ibn-Bakkârs aus:

"Beeile dich, sein Begräbnis auszurichten."

So kann man’s auch sagen.