283. Nacht

Wiki-Wissen per Zufall Nummer 3:

1. Fritz Markwardt isolierte das blutgerinnungshemmende Hirudin aus Blutegeln.

2. Der schwedische Politiker Felix Hamrin wurde im Zuge der Zündholzmonopolistenkrise Ministerpräsident.

3. Die Amateur-Motorsportserie NASCAR AutoZone Elite Division, Southwest Series fuhr ausschließlich auf kurzen Ovalen im Südwesten der USA.

4. Unternehmen verfolgen aus steuerlichen Gründen gegenüber dem Staat eher eine konservative Bilanzpolitik, Banken eine progressive.

5. Der englische Chemiker John George Children konstruierte 1813 die bis dahin größte galvanische Batterie.

6. Im Finale der Handball-Weltmeisterschaft der Frauen 2001 besiegte Russland Norwegen mit 30:25.

7. Ron Hornaday jr. ist der einzige Fahrer, dem es gelang, in zwei aufeinanderfolgenden Jahren in der NASCAR Southwest Series die Meisterschaft zu gewinnen.

Ich schwöre, ich habe auf "Zufälliger Artikel" geklickt. Warum also spuckt er mir so kurz hintereinander zwei Ergebnisse zu diesem hierzulande völlig unbedeutenden Ereignis aus? Ähnlich beim Winamp Shuffle. Wenn er einmal in Händels Werken hängt, kommt der Player da nicht so schnell wieder raus. Oder sind heute zufällig NASCAR Southwest Series Promo Days?

8. Der Schwerpunkt des Internationalen Film Festivals Innsbruck liegt auf Filmen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa.

9. Roberto Pecceis Arbeiten trugen zur Durchsetzung der Quantenchromodynamik als Theorie der starken Wechselwirkung bei.

10. Die schwache Hyperladung ist in der Teilchenphysik eine erhaltene Quantenzahl.

Nun akzeptiere ich die Zufälligkeit der Artikel wirklich nicht mehr. Auf den Artikel über einen Teilchenphysiker folgt ein Artikel über eine teilchenphysikalische Größe?

***

Der Schlachthofreiniger erkennt von seiner Gasse aus die Dame;

die war einem Weidenzweig oder einer durstigen Gazelle gleich und an Schönheit und Anmut und Liebreiz vollkommen.

Auf Geheiß der Dame wird unser Held nun von einem der Eunuchen gepackt, gefesselt und verschleppt. Das Volk immerhin hat soviel Zivilcourage, dagegen zu protestieren:

"Das ist nicht von Allah erlaubt! Was hat euch denn dieser arme Abortreiniger getan, dass er mit Stricken gebunden wird?"

Der Reiniger erklärt sich seine Festnahme damit, dass sich die Dame vor ihm ekelt:

"Vielleicht ist sie auch schwanger oder ihr ist sonstwas passiert."

Man führt ihn zu einem feinen Hause, wo man ihn von drei Sklavinnen waschen lässt, ihn umkleidet und ihn in eine Halle führt, wo die Dame bereits auf einem Lager aus Bambusrohr auf ihn wartet.

Dieses Motiv – ein Mann gerät in das Haus einer einsamen lüsternen schönen Dame – scheint hier fast ein eigenes Sujet zu werden.

Kreative Angst

Ungeheuer kreativ werden Impro-Anfänger, wenn sie sich Rechtfertigungen fürs Nichthandeln ausdenken:
– „Ich weiß doch auch nicht, wie es in einem Bademeisterturm aussieht.“
– „Ich musste ja erstmal den Esel wegschicken und verschnaufen, bevor ich den Text aus dem [imaginären] Buch vorlese.“
– „Das Spiel XY kann ich nicht so gut.“
– „Ich weiß nicht, wie man Setzlinge pflanzt.“ (Meine eigene schändliche Rechtfertigung damals im Anfängerkurs, um meine hingewurschtelte Pantomime zu begründen. Aber mordende Gangster, Piloten, Chirurgen, Karusselbetreiber – die konnte ich ohne zu fragen spielen.)

Als Anfänger nimmt man die Ausweichmanöver, die das in Panik vorm Unbekannten geratene Unterbewusstsein da mit einem treibt, gar nicht wahr. Der Verstand, so Eckhart von Hirschhausen, gleicht dem Regierungssprecher – er ist der Letzte, der erfährt, was beschlossen wurde, und muss es nach außen rechtfertigen.
Es gilt also, den Mut zu trainieren, das gegen die Alltagsrationalität gerichtete Ja-Sagen.

Improvisation anwenden um die Welt zu verändern

Vom 23. — 26. September findet unter diesem Titel in Amsterdam die Internationale Konferenz des weltweiten „Applied Improvisation Network“ (Netzwerk angewandte Improvisation — siehe unten) statt. Es warten vielfältige kreative und stärkende Impulse!
Es gibt drei „Hauptspuren“, entlang derer die Konferenz laufen wird:
# Die Geschäftswelt: Innovation, Veränderungen in Unternehmen, eigene Geschäftsfelder definieren und ausbauen
# Die soziale Welt: Sozialer Wandel, der Aufbau von Gemeinschaften und Weiterentwicklung von Settings
# Die persönliche Welt: Auseinandersetzung mit unserer eigenen Entwicklung, Einzelcoaching, Methoden die ein besseres und erfüllendes Leben mit LebenspartnerInnen und FreundInnen fördern
Gesucht werden nun Menschen, die in ihren Berufsfeldern oder als KünstlerInnen Improvisationstechniken umsetzen z. B. auch Playback-Theater, Soziodrama, Statuen- und Forumtheater, Methoden von Keith Johnstone oder Viola Spolin usw. Unter http://www.surveymonkey.com/s/QCMKYYJ! können noch bis 6. Mai (Bitte auf Englisch) Vorschläge für 2-Stunden-Workshops eingebracht werden.
„Applied Improvisation Network – AIN“ Mitglieder des 2002 gegründeten AIN kommen aus den verschiedensten Ländern der Erde. Es sind Menschen aus verschiedenen Berufen, die Improvisationstechniken in vielfältigen Feldern anwenden: in der Beratung und Begleitung von Unternehmen und Institutionen verschiedenster Branchen sowie von Städten und Gemeinden, in der Erwachsenenbildung sowie im Gesundheits- und Sozialbereich. Dabei geht es um zentrale Themenfelder wie gelungene Kommunikation, emotionale und soziale Kompetenz, Improvisation als Motor für Innovation und Qualitätssteigerung, Umgang mit Konflikten, Supervision und Coaching sowie um neue Zugänge für die Planung und Umsetzung von Projekten oder Arbeitsabläufen. http://appliedimprov.ning.com

282. Nacht

Wiki-Wissen per Zufall Nummer 2:

1. Die einfachste Formel der Formelsammlung der analytischen Geometrie – Der Einheitskreis – lässt sich so darstellen:, aber ich könnte nicht behaupten, ihn zu verstehen, obwohl ich fünf Tage Mathematik studiert habe.

2. Am Kaiserslautern-Saarbrücken Computer Science Cluster arbeiten mehr als 800 Mitarbeiter.

3. Der 1958 bei Marxen in Niedersachsen entstandene und in den 1970ern zunehmend linksradikale Ring Bündischer Jugend zerstritt sich mit dem Ring deutscher Pfadfinderverbände.

4. Das Cournot-Oligopol wurde von Antoine-Augustin Cournot 1838 beschrieben: Wie zwei Anbieter der gleichen Ware zu einem Preis finden, dessen Änderung – egal in welche Richtung für beide ökonomisch unvorteilhaft wäre.

5. Der in Platons sokratischen Dialogen als jugendlicher Heißsporn geschilderte Polos, hat mehrere Werke verfasst, darunter einen Schiffskatalog

6. Der konservative britische Schattenminister der Tories David Freud ist ein Urenkel von Sigmund Freud.

7. Die regionale Verwaltung einer Bahai-Gemeinde innerhalb eines Landes heißt Regionaler Geistiger Rat.

8. Dem englische Schauspieler Bob Peck gelang 1993 der Durchbruch mit Jurassic Park. 6 Jahre später starb er.

9. Les Friques in der Schweiz ist nicht an den öffentlichen Verkehr angebunden.

10. Millikan ist ein Einschlagkrater auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes.

***

Wie zu erwarten war, ist der Kalif nicht amüsiert über die unerlaubte Abwesenheit Ishâks:

"Bedeutet dies, dass du mir den Gehorsam verweigerst?"

Die Freundschaft der Mächtigen, so haben wir hier nun mehrfach gelernt, ist ein zweischneidig Ding. So leichtfertig wie die Kalifen Ehrenkleider, Jahressolde und Ämter verleihen, so locker lassen sie einen auch köpfen. Ishâk muss also eine gute Rechtfertigung in der Tasche haben.

Unter vier Augen berichtet er dem Kalifen von seinem Erlebnis, und dieser ist begeistert. Sie verkleiden sich wieder als Kaufleute, gehen zu besagter Stelle.

Aber nun fanden wir zwei Körbe, setzten uns hinein und wurden zu der gewohnten Stätte emporgezogen.

Bisher ist völlig unklar:
1. Warum geht Ishâk nicht durch die Tür, die er ja schon kennt?
2. Warum hängt die Maid überhaupt Körbe aus dem Fenster? Um sich einen Mann zu angeln? Hätte sie auch jeden anderen genommen?

Wieder wird gegessen und getrunken, erzählt und gesungen, bis beide Herren ihre Konspiration vergessen.

Als el-Mamûn drei Maß getrunken hatte, kam Fröhlichkeit und Weinseligkeit über ihn und er rief: "Je Ishâk!" Ich antwortete: "Zu Diensten, o Beherrscher der Gläubigen!"

Und schwupps verschwindet die Maid. Ishâk sucht den Besitzer des Hauses, es ist el-Hasan ibn Sahl, der Bruder des Wesirs Fadl ibn Sahl. Für eine Hochzeitsgabe von 30.000 Dinaren heiratet der Kalif die Maid, deren Namen Chadîdscha wir nun endlich erfahren. Ishâk wird zu Stillschweigen verpflichtet. Und er beendet die Geschichte mit der Bemerkung:

Kein Mensch hat jemals so viel Glück erlebt wie ich es in jenen vier Tagen genossen habe, als ich tagsüber mit el-Mamûn und des Nachts mit Chadîdscha zusammensein durfte. Bei Allah, ich habe nie einen Mann gleich el-Mamûn gesehen und nie eine Frau gleich Chadîdscha kennen gelernt, ja nicht einmal eine, die ihr an Klugheit, Verstand und feiner Rede auch nur nahegekommen wäre. Doch Allah weiß es am besten.

Man fragt sich, ob es wirklich bei Wein und Gesang geblieben war. Wenn nicht, hätte der Kalif keine Jungfrau geheiratet. Und warum preist Ishâk immer noch diesen Kalifen, der ihm doch die Braut vor der Nase wegschnappt?
Über den Vater der Braut weiß Wikipedia zu berichten, dass dieser infolge seiner Intrigen am Hofe el-Mamûns inhaftiert wurde.

***

Die Geschichte von dem Schlachthausreiniger und der vornehmen Dame

Während der Wallfahrt ergreift ein Mann den Vorhang des heiligen Hauses und schreit:

"Ich flehe dich an, o Allah, lass sie wieder ihrem Gatten zürnen, damit ich mich mit ihr vereinigen kann!"

Die Pilger verprügeln ihn und schleppen ihn vor den Emir des Pilgerzugs, der ihn zur Rede stellt. Darauf berichtet der Mann:

Ich bin Abortreiniger und ich arbeite in den Schafschlächtereien, ich schaffe das Blut und den Unrat zu den Misthaufen.

Als er eines Tages mit seinem mistbeladenen Esel durch die Straßen geht, sieht er einen Haufen Leute weglaufen, di ihn warnen:

"Bieg in die Gasse dort ein, damit man dich nicht totchlägt! (…) Die Frau eines vornehmen Mannes kommt dort, und die Eunuchen treiben das Volk aus dem Wege; sie schlagen alle Leute, ohne Rücksicht auf irgendeinen zu nehmen" Ich bog also mit dem Esel in eine Seitengasse ein.

Auch hier fällt es nicht schwer, den Fortgang zu erraten. Das Motiv "Schöne Frau sucht einen Mann – und zwar irgendeinen" taucht in den 1001 Nächten immer wieder auf.

 

281. Nacht

Ich klicke 10 mal auf "Zufällige Seite" bei Wikipedia (der Trick ist, auch die scheinbar uninteressanten Seiten mitzulesen) und erfahre:

1. Das AK 725 ist ein doppelläufiges Geschütz, das in den Staaten des Warschauer Pakts verwendet wurde und sich durch eine hohe Kadenz – nämlich 200 Schuss pro Minute auszeichnet.

2. Bei einer Reklamation kann der Verkäufer (wenn AGB dem nicht entgegenstehen) wählen, ob er dem reklamierenden Käufer einen Umtausch, eine Reparatur, eine Wandlung (d.h. Geld zurück) oder eine Minderung gewährleistet.

3. In Rovinari, einer rumänischen Stadt im Kreis Gorj, ist die einzige Sehenswürdigkeit eine Holzkirche von 1840.

4. Der Name des Wasserlauf Kinchafoonee Creek in Georgia (USA) ist aus der Bezeichnung eines Nussknacker-Mörser aus Knochen in der Creek-Sprache abgeleitet.

5. Das Wappen der Tessiner Gemeinde Alto Malcantone zeigt ein goldenes Eichenblatt auf blauem Grund.

6. Einer der Forschungsschwerpunkte des in Deutschland lebenden schottischen Theologen Alexander Wedderburn war "Paulus und Jesus".

7. Der 1977 geborene Schauspieler Felix Rech spielte in Shakespeares "Romeo und Julia" den Mercutio.

8. Die deutsche Bezeichnung der tschechischen Kleinstadt Vroutek lautet Rudig.

9. Die dänische Sejlflod Kommune wurde 2007 mit anderen Kommunen zur neuen Aalborg Kommune zusammengelegt.

10. Der Thüringer SPD-Politiker Matthias Hey ist gelernter Drucker.

Erstaunlich – die Hälfte der Artikel in diesem Durchlauf geographische Bezeichnungen. 3 von 10 sind Persönlichkeiten.
In einem anderen von AK 725 ausgehenden Durchlauf treffe ich auf: Yak-Rassen, Heuristik, Wiesbaden-Westend, Nassauer Denkschrift, Conference, All About Eve, Mannō, Wittekindshof, Post Charlotte.

***

Ishâk el-Mausili verabschiedet sich und gelobt, über das Vorgefallene zu schweigen. Zu Hause

sprach ich das Frühgebet und legte mich nieder.

Den nächsten Tag verbringt er beim Kalifen el-Mamûn und abends setzt er sich hoffnungsvoll wieder in den Korb. Seine Hoffnungen werden nicht enttäuscht. Das Ganze wiederholt sich noch einmal, und das, obwohl am dritten Tag der Kalif ihn bittet, im Palast zu bleiben, solange er fort ist. Als er von der schönen Maid sich entfernt,

dachte ich daran, dass el-Mamûn mich sicher zur Rechenschaft ziehen würde; darum sagte ich zu ihr: "Ich sehe, du gehörst zu denen, die am Gesang ihre Freude haben. Nun habe ich einen Vetter, der ist schöner als ich von Angesicht, er genießt ein höheres Ansehen und hat eine feinere Bildung, und er kennt von allen Geschöpfen Alahs des Erhabenen den Ishâk am besten.

Sie willigt ein. Er geht heim.

Doch kaum war ich dort angekommen, so fielen die Abgesandten el-Mamûns über mich her und schleppten mich mit roher Gewalt fort.

280. Nacht

Der Beginn der 280. Nacht klingt, als sei Schehrezâd in Schwierigkeiten:

"Oh glücklicher König, was ist alles bisher Erzählte gegen das, was ich euch heute nacht erzählen könnte, wenn der König mich am Leben zu lassen geruht!" Der König antwortete ihr: "Beende deine Erzählung!"

Das wird sie in dieser Nacht nicht tun.

Ishak el-Masuli und die Maid essen und beginnen, sich mit Erzählungen zu unterhalten.

So begann ich denn zu erzählen, indem ich bald anfing: "Es ist mir berichtet worden, dass es also geschah", und bald "Es war einmal ein Mann, der also erzählte"

Da lässt sich Schehrezâd hübsch in die Trickkiste schauen.

Man bringt die Laute und die Schöne singt ein Lied, dessen Melodie von Ishak el-Masuli selber stammt.

Da kam eine Alte, die ihre Amme zu sein schien, und sprach: "Die Zeit ist gekommen!" Wie ich das hörte, erhob ich mich sofort.

279. Nacht

Noch bevor Schaddâd und sein Gefolge die Stadt erreichen,

sandte Allah auf ihn und auf alle die ungläubigen Ketzer, die bei ihm waren, eine Gottesstrafe vom Himmel seiner Allmacht herab, und die vernichtete sie alle mit gewaltigem Getöse. Weder Schaddâd noch irgendeiner von denen, die bei ihm waren, erreichte die Stadt, niemand sah sie. Auch verwischte Allah die Spuren der Straße, die zu ihr führte.

Dass die Verlassenheit der Stadt ein Zeichen für eine göttliche Strafe ist, hat man sich eigentlich denken können, aber eigentlich hatte ich auf den Frevel noch gewartet – meist sündigen die Bewohner zerstörter Städte durch Maßlosigkeit, Völlerei oder Abwendung von Gott. Hier aber scheint der Nachbau des Paradieses selbst die Sünde zu sein – ähnlich wie im Mythos des Turmbau zu Babel. Im Koran wird darauf gedeutet, dass die Bewohner der Stadt den Warnungen des Propheten Hud kein Gehör schenkten.

Die einzigen, die diese Stadt gesehen haben sollen, seien ein Gefährte Mohammeds und eben der seine Kamele suchende Abdâllah gewesen.
Ein weiterer Anwesender namens esch-Scha’bî fügt folgende Ergänzung ein: Der Sohn Schaddâds, nämlich Schaddâd der Jüngere, welcher als Statthalter in Hadramaut zurückgeblieben war und nun Nachfolger seines Vaters wird, ließ dessen Leiche zurückführen und in einer Gruft in einer Höhle auf einem goldenen Thronlager unter

siebenzig Tüchern, die aus Gold gewebt und mit Edelsteinen besetzt waren,

bestatten.

Zumindest bei Wikipedia werden die Schaddâds nicht als Herrscher von Hadramaut erwähnt.

Auf einer Tafel zu Häupten des Vaters ist zu lesen:

Sei gewarnt, du, den die lange
Lebenszeit betöret hat!
Ich, Schaddâd, von Âd entsprossen,
war der Herr der festen Stadt;
War der Herr der Kraft und Allmacht,
Voll von wildem Heldenmut.
Untertan war alle Welt mir,
Fürchtend meines Zornes Glut,
Ost und West hielt durch der Herrschaft
Festen Zwang ich in der Hand.
Auf den rechten Weg dann wies und
Der Prophet, zum Heil gesandt.
Doch wir trutzten ihm und riefen:
Gibt’s denn keine Zuflucht mehr?
Da kam über uns ein Unheil
Aus der Ferne weit daher.
Wie die Schwaden bei dem Mähen
Sanken wir zu Boden tot.
Und nun harren wir im Staube
Auf den Tag, der uns bedroht.

Fragt sich, wie sie sich auf den Propheten beziehen können, wenn der zu ihrer Zeit noch gar nicht lebte, oder ist der Prophet Hud gemeint?

Und auch ein Dritter, namens eth-Tha’âlibi meldet sich zu Wort und weiß weitschweifig von einer Plünderung des Grabs von el Schaddâd, inklusive Tafel, zu berichten

Nach neuster Forschung (begonnen mit Aufnahmen aus dem Space Shuttle) hat die Säulen-Stadt Imram tatsächlich existiert.

***

Die Geschichte von Ishâk el-Mausili

Ishâk el-Mausili berichtet, betrunken von einer Feier nach Hause zu torkeln. In einer Seitengasse

verrichtete ich mein Bedürfnis im Stehen, denn ich fürchtete, es könne mir etwas zustoßen, wenn ich mich an einer Mauer hinhockte.

Wenn einem als Stehpinkler partout keine Ausrede mehr einfällt…

Aus einem der Häuser hängt ein vierhenkliger mit Brokat gefütterter Korb, in den sich Ishâk el-Mausili aus einer Laune heraus setzt. Der Korb wird hochgezogen und vier Sklavinnen heißen ihn willkommen. Er befindet sich nun in einem Haus mit so schönen Räumen,

wie ich die nur im Palaste des Kalifen gesehen hatte.

Mädchen schreiten einher.

Die dürfen nicht fehlen.

die Wachskerzen und Räucherfässchen aus sumatranischem Aloeholz trugen.

Die Schönste von ihnen setzt sich zu ihm und man trägt einander Verse vor,

die allerdings ausnahmsweise nicht ausgeführt werden.

Darauf befahl sie, Speisen zu bringen.

Nun sprach Dinazâd zu ihrer Schwester Schehrezâd: „Wie köstlich ist doch deine Erzählung und wie entzückend, wie lieblich und berückend!“ Aber die Schwester erwiderte: „Was ist all dies gegen das, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen könnte, wenn der König mich am Leben zu lassen geruht.“

Nach vielen Nächten taucht Dinazâd mal wieder auf. Inzwischen sind zehn Monate nach Mondrechnung vergangen.

278. Nacht

Die Mülltonnen unseres Wohnblocks wurden immer über ein leerstehendes Nachbargrundstück abgeholt. Ein ödes Grundstück, wären da nicht die zwölf Pappeln, die einem die Illusion von Naturnähe spendeten. Seit zwei Monaten darf die Müllabfuhr dieses Gelände nicht mehr befahren, und die Mülltonnen werden durch unser Haus gebollert, so wie fast überall in Berlin. Schade um unseren Morgenschlaf. Aber was heißt das für das öde Grundstück? Für die Natunähe-Illusion? Soll hier gebaut werden? Aber was? Da müsste man ja schon die Pappeln fällen. Dürfen die das? Vorsicht! Ich hole aus zum Exkurs.

In Alt-Treptow atmet man schon mal auf, wenn in der Ödnis von Nagelstudio, Gräue, Netto und Schlecker kleine Sprenkelchen des guten Geschmacks auftauchen. Ein Kollege schrieb vor ein paar Jahren, dass sich hier kein Laden halten könne, nicht mal ein Bestatter. Man kann den Betreibern eines geschmackvoll eingerichteten Cafés oder Plattenladens regelrecht zuschauen, wie ihnen Monat für Monat die Kondition ausgeht, wie sie, einem Ertrinkenden gleich, ein letztes Mal wild mit den Beinen strampeln, und dann untergehen. Die Wohnhäuser sind solide in dem Sinne, dass sie DDR-Konservatismus verströmen. Und doch scheint sich in den letzten ein bis zwei Jahren etwas geändert zu haben.
Eigentlich hätte ich es wissen sollen. Ich bin die Vorhut des Booms. Das war in den 90ern schon einmal so. Ich war vermutlich der erste Student im Friedrichshain. Vorher hatte man hier von so etwas allenfalls gehört. Als ich 1997 exmatrikulierte, machten es mir alle nach. Selbst mein unnachahmliches Outfit „Billig-aber-trotzdem-hässlich“ kopierten sie tausendfach. Es gab keinen Copy-Shop und keinen Kleintierpsychologen. Bis 1998 gab es in meiner unmittelbaren Nachbarschaft auch zwei Friseurläden, wo man sich für 20 Mark schnell mal die Mähne kürzen lassen konnte. Wegen ihrer mangelnden Anpassungsfähigkeit schlossen sie. Vier Jahre keine Friseure. Dann in fast genau denselben Läden zwei neue Coiffeurs, aber hier schnip-schnappt die Schere im Takt zum Drum & Bass, es kostet 10 Euro und man hat schon ein schlechtes Gewissen, wenn man die Haare nicht selber wegfegt.
In einem Radius von 10 Minuten Laufweite gab es kaum eine Kneipe, kaum ein Café, in das ich mich guten Gewissens mit einer Frau hätte verabreden können. Ein biederes Eiscafé oder Juhnkes Eck – das wäre die Wahl gewesen, wenn man von der ost-alternativen tagung absah. An einem heißen Sommertag 1994 saß ich mit einem Freund in der Eckkneipe Gleis 13, und fragte den Wirt, ob wir einen Tisch nach draußen stellen könnten. Er sah mich an, als hätte ich einen Cappuccino bestellt. Die Angestellten des nun an seiner Stelle befindliche Via Nova wundern sich auf ähnliche Art, wenn man im Sommer nicht draußen sitzt. Zwischen 1994 und 1996 beobachtete ich fünf vergebliche Versuche, in der Simon-Dach-Straße ein Café zu eröffnen. Alle mussten mangels Kundschaft schließen.
Doch 1997 tat sich etwas. In der Simon-Dach-Straße hatte das erste Café nicht nur einen Versuch gestartet, sondern diesen Versuch sogar überlebt. Von da an verdoppelte sich die Café-Dichte im Jahrestakt. Ein kleiner, aber feiner Buchladen eröffnete in der Wühlischstraße. Die Second-Hand-Läden boten nicht mehr nur Ramsch an, den man bei Humana nicht anzubieten wagte. Eine Öko-Coop entstand, die später dem Druck mehrerer Bioläden ausgesetzt war. Häuser wurden saniert – manche sanft, die meisten aggressiv.
Als schließlich in der Kopernikusstraße ein Hundefriseur öffnete, wusste man – die Gegend wird gentrifiziert. Das Haus, in dem ich wohnte, wirkte in der Libauer Straße wie ein Mitesser in einem hübschen Gesicht. Die Erbengemeinschaft konnte sich seit der Wende nicht einigen, und so beließen es die Verwalter beim Allernötigsten. Als ich 38 wurde, hatte ich schließlich die Nase voll vom Außenklo und zog mit Freundin nach Treptow. Eine putzige Glosse über meinen Umzug endete mit der Bemerkung, dass ich in Treptow mitnichten der einzige Schriftsteller sein würde, sondern lediglich der erste. Es scheint sich zu bewahrheiten. Die Biokette LPG hat eine Filiale in der Nähe eröffnet, und der Vollkornbäcker hat weniger Schwierigkeiten, sein Publikum zu halten als jener Imbissladen, in dem der Dönerspieß 10 Tage braucht, bis er – grau vom Zigarettenrauch – runtergebrutzelt ist.
An zwei Brachen nun haben sich ein paar Leute zusammengetan, ihr Gespartes zusammengelegt und bauen nun zwei Häuser – hell und transparent, mit Spielplatz und Wiese. Und doch werden sie bedroht, nicht von den Bullen, sondern von den Anti-Gentrifizierern, die die Häuser mit Farbbeuteln und Steinen angreifen. Ein wenig beneide auch ich die dort wohnenden um ihre schöne Aussicht auf den Kanal. Ich würde wahrscheinlich, wenn ich dort wohne, einmal täglich das Fenster aufdrehen und den Rauchhaus-Song von Ton-Steine-Scherben in voller Lautstärke abspielen:

„Und wir schreien’s laut:
Ihr kriegt uns hier nicht raus!
Das ist unser Haus!“

Ich spaziere weiter, der Boom der Investoren, so ein Flugblatt der Protestierer, nimmt aggressive Züge an. So sei der Obstgarten neben der Neuapostolischen Kirche plattgemacht worden, um dort zu bauen. Ich zähle 35 Baumstümpfe. Wer kann was gegen eine Verschönerung haben? Gegen Innenklos? Gegen Vollkornbäcker statt Gammeldöner? Und wann kippt es? Verdrängung ist nicht immer bösartig, fies, gewalttätig, durch dreiste Mieterhöhungen am Rande der Illegalität. Gentrifizierung und die ihr folgende Segregation funktioniert vor allem dadurch, dass weniger wohlhabenden Zuzugswilligen der Weg in den Bezirk versperrt bleibt.

Seit meinem Spaziergang bin ich mir sicher: Die Pappeln werden gefällt. Selbst wenn der Eigentümer dafür nicht die Genehmigung bekommt – die Ordnungsstrafe wird aus der Portokasse bezahlt. Auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain geschah dasselbe. Gestern den Öko-Investor spielen, morgen Bäume fällen; wahrscheinlich ohne gravierende Selbstzweifel. Adé Pappeln! Adé Naturnähe-Illusion. Welcome to the next Caipirinha-Bezirk.

*

Der Kalif schickt nach dem Weisen Ka’b el-Ahbâr, der den Anwesenden die Geschichte der Stadt enthüllt:

„das ist Iram die Säulenstadt, die in allen Landen nicht ihresgleichen hat.“

Es beginnt also wieder eine jener berühmten Geschichten in der Geschichte.

Der König Âd hatte zwei Söhne, Schadîd und Schaddâd. Schadîd stirbt.

Wie hier so oft üblich bei solchen Einführungen wissen wir wieder einmal nicht, warum diese Figuren – nämlich Âd und Schadîd überhaupt erwähnt wurden.

Schaddâd wird nun der mächtigste König seiner Zeit.

Er hatte unter seiner Herrschaft hunderttausend Fürsten, und jeder Fürst gebot über hunderttausend Machthaber, und jeder Machthaber über hunderttausend Krieger.

Das macht nach Adam Ries 1.000.000.000.000.000, also eine Billiarde Menschen. Das müssen Zeiten gewesen sein! Und da sind die Kinder, Frauen, Bauern, Handwerker usw. sowie etwaige ihmnicht unterstehenden Völker noch gar nicht mitgerechnet.

Als Schaddâd einen Bericht vom Jenseits liest, beschließt er, das Paradies auf Erden zu errichten.

Was das für Konsequenzen hat, wissen wir.

„Ziehet also nach der schönsten und weitesten Flur der Erde und baut mir dort eine Stadt aus Gold und Silber, [Aufzählung weiterer wertvoller Materialien]…“

Das diese schönste Flur ausgerechnet im Wüstenland Jemen zu finden sein soll, erstaunt.

Die ihm untergebenen Fürsten sammeln nun zwanzig Jahre lang Material, suchen die Gegend, finden sie und beginnen mit dem Bau.
Sie arbeiteten an jenem Werk dreihundert Jahre lang, und als sie es beendet hatten, gingen sie zum König und berichteten ihm darüber.

Dreihundert Jahre? Das erinnert an mosaische Zeiten.

Schaddâd befiehlt seinem Gefolge, sich zum Aufbruch bereitzumachen (darunter 1.000 Wesire).

Und ich dachte immer, die DDR mit ihren 35 (?) Ministern wäre eines der ministerreichsten Länder gewesen.

Effiziente Anmoderationen

Gute Anmoderationen, die auch ein bisschen gute Laune versprühen sollen, sind effizient: Wenig Aufwand, hohe Wirkung.
Das Publikum hat ein natürliches Bedürfnis zu klatschen. Das muss man ihm nicht gewaltsam aufdrücken, darf es ihm aber auch nicht vorenthalten.
N. beispielsweise brüllte in einer Literaturveranstaltung immer mit hysterischer Stimme über den Applaus, als müsse er im Colosseum gegen die blutrünstige Masse anschreien.
G. hingegen ließ durch die Ambivalenz seines Sprechens und seiner Stimmführung das Publikum im Unklaren, wann es überhaupt klatschen durfte.
Klarheit. Knappheit.

277. Nacht

Wikileaks präsentiert "Collateral Murder". Das Schema ist dasselbe wie beim Stanford Prison Experiment – der Luzifer-Effekt. Die Menschen werden zu Objekten, es gibt kaum Möglichkeiten auszusteigen, die Kette der Brutalitäten verschärft sich. "Targets, haha."

 

 

J. bittet mich um einen Text, an dem ich nun seit Tagen laboriere. Zwischendurch träume ich, er würde mich durch seine Connections zum Militär als Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte der Bundeswehr einsetzen, sie wollen nun endlich mal einen Zivilisten. Wer würde da besser passen als Dan Richter? Prompt setzen sie mich in Afrika ab, wo gerade Truppen stationiert sind. Mein Traum-Director sagt "Afrika", ohne das Land zu bezeichnen, dieser Chauvinist.

*

Abdallah ibn Abi Kilâba legt seiner Kamelin die Fußfessel an und durchschreitet das mit Hyazinthen und Edelsteinen besetzte Tor und betritt die Burg, die

lang und breit war und an Ausdehnung der Stadt Medina gleichkam.

Die Festung ist allerdings menschenleer, aber dafür aus Gold und Silber erbaut, auf dem Kies liegen Edelsteine und im Staub Moschus.

"Dies ist sicherlich das Paradies, das uns im Jenseits verheißen ist."

Er steckt sich die Taschen voll Edelsteine und Moschus, kehrt

in die Heimat zurück und erzählte den Leuten davon.

Die Kunde verbreitet sich bis zum Kalifen Muâwija ibn Abi Sufjân,

der damals Kalif in Hidschâz war.

D.h. im Gebiet von Mekka und Medina. Sufjân führte als erster Umajaden-Kalif die Erbfolge ein und zog später nach Damaskus.

Der lässt Abdallah zunächst beim Statthalter und schließlich bei sich selbst antanzen, um die Geschichte zu wiederholen. Als Beleg hat er nur noch ein paar Gewürzkugeln dabei.

In ihnen war noch etwas Wohlgeruch, aber die Perlen waren verblichen und hatten ihren Glanz verloren.… Weiterlesen

Malcolm McLaren – Scheitern als Kunst

Malcolm McLaren gestorben.
Aus einem Taz Interview 2008:
„Widersprüche machen uns auf wunderbare Weise unperfekt. Ich werde nie vergessen, wie einer meiner Professoren die Arbeiten des Spätimpressionisten Pierre Bonnard erklärte: „Es sind die Fehler, die Fehler sind es, die ihn von einem Amateur in einen großen Künstler verwandelt haben. Er zeigte seine Fehler!“ Das sind die Dinge, die mich geformt haben, das war Cash from Chaos: Es sind die Fehler in der Musik, die zählen! Zeigt, dass ihr nicht gut spielen könnt, das ist viel besser, als es so aufzunehmen, als ob ihr spielen könntet! Es ist groß, seine Fehler zu zeigen!
Natürlich hielten mich diese Kids für vollkommen verrückt. Kannst du uns nicht einen guten Produzenten besorgen, der kann das frisieren, fragten sie. Nein, nein, ihr müsst die Fehler zeigen! Ich predigte dieselben Worte, die mich gelehrt worden waren. Die Idee war seitdem immer, dass etwas Falsches richtig aussehen konnte.“

276. Nacht

Nun fresse ich mich durch den dritten Teil der Gulag-Trilogie von Solschenizyn; jede Restsympathie für den Kommunismus wird gnadenlos getilgt. Aber ich habe mich den 1001 Nächten verschrieben. Auf die Suche nach der verlorenen Zeit anspielend, meint Solschenizyn irgendwo sinngemäß, die Westler schrieben über Kekse, die Russen über den Tod.

*

Wie wir bereits geahnt haben, ist ein Vers der beste Weg, um um Gnade bei einem Kalifen zu bitten. Dieser antwortet:

Mein eigner Stamm erschlug, Umaima, meinen Bruder;
Drum, schieß ich auf den Stamm, trifft mich mein eigner Pfeil.

Man wirft sich noch eine Weile gegenseitig Verse das Thema Großzügigkeit betreffend an den Kopf. Und um das Momentum dieser Story in Gänze zu verstehen, müsste man wohl noch tiefer in die religiös bis sektiererisch anmutenden Streits über die Kalifennachfolge eindringen.

Unser Flüchtling vergisst aber auch nicht, von seinem Helfer als auch von seinen Feinden zu berichten. Die Freigelassene, die ihn verriet, gesteht, auf die Frage, warum sie das getan habe:

"Aus Geldgier." (…) Weiter fragte der Kalif: "Hast du ein Kind oder einen Gatten?" Als sie das verneinte, befahl er ihr hundert Peitschenhiebe zu geben und sie auf Lebenszeit einzukerkern.

Der Bader wird zum Lohn für seine Hilfe zum Krieger und der Krieger zum Bader.

Ferner verlieh er ihm [dem ehemaligen Bader] ein Ehrengewand und dazu noch einen jährlichen Sold von fünfzehntausend Dinaren.

Die Verleihung des Ehrengewandes steht, wie wir wissen, meist am Ende der Geschichte. Und so folgt nun:

*

Die Geschichte von Abdallah ibn Abi Kilâba und der Säulenstadt Iram

Abdallah ibn Abi Kilâba sucht in den Wüsten der Länder von Jemen und des Landes von Saba seine Kamele, die ihm fortgelaufen waren.

Guter Einstieg. Wie groß muss eine Herde sein, damit man sich auf eine solche Suche macht?

Auf seiner Suche trifft er auf eine verlassene Festung, die von Burgen umgeben ist.… Weiterlesen

Den Gewinn einfahren

Verhandle nicht. Relativiere nicht. Fahr den Gewinn ein.
Klare Statements statt endloser Relativierungen, die nur langweilen.
Auch Verhandlungen machen die Szene zäh. Warum? Weil es letztlich meistens Verhandlungen zwischen den Spielern sind. Es wird ja nur scheinbar spannender.
Nirgends wird so viel gefeilscht wie auf Teppichbasaren und in Improszenen.

Shakespeare improvisieren

Das Shakespeare-Doppelpack am vergangenen Donnerstag auf dem Internationalen Improfestival war wieder sehr schön. Selbst die in der englischen Sprache nicht ganz sattelfesten Spieler sprangen mutig hinein. Und wir können uns den Großen Willy schon hübsch für die Impro zurechtstutzen. Hier ein paar Merkmale, die ich teilweise aus unserer Praxis bei Foxy Freestyle, teils aus den Workshop-Notizen von Ed Hauswirth zusammengestückelt habe:
– Das angestrebte Versmaß ist der fünfhebige Jambus („A horse, a horse, a kingdom for a horse“). Dafür müssen wir, wenn wir auf Deutsch spielen, oft apostrophisch sprechen:
„Komm du mir nah, als zott’ger russ’scher Bär,
geharnsch’t Rhinozeros, hyrkanscher Tiger!“
– Der Reim ist dem Ende der Szene vorbehalten.
– Handlungen, vor allem aber Gegenstände werden öfter benannt, als wir es in der gewöhnlichen Impro tun.
– Namen wiederholen.
– In Dialogen sich stets auf das vorher Gesagte beziehen. Oft werden einzelne Wörter wiederholt.
– naturnahe Metaphern
– Verstellungen, Masken, Unterrichten
– Tragödie: Das Verlangen führt zum bösen Ende.
– Komödie: Verwechslungen, Derbheiten. Das Verquere führt zum guten Ende.

Improvised Shakespeare Comedy: „Three things went wrong at night“ from Dan Richter on Vimeo.… Weiterlesen

Foxy Show vom 2. April 2010

Baummarkierer am Werk. Über Schmalzstullen. Heißluftballons, Radfahrerin, Kirche, Schachspieler, Häuschen kehren wir zurück in den Schaukelstuhlmann mit der Zipfelmütze.

Die Lebensmittelpolizei ist Schäubles CIA-Connection aus den 70ern längst auf die Schliche gekommen. Aber es wird ihm nicht gelingen, Berlin zur Schwabenhauptstadt zu machen.

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Die pädagogische Bäckerin trifft auf einen Physiker und einen soziologisch bewanderten Kunsthistoriker.
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Ob Ken auch liest?
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Raskill haben die Mörderbienen trotz Rauchkanne als ersten erwischt.
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Parallelspiegel sind sicher, solange man in sie nicht mit einem Fernglas schaut.

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275. Nacht

Seltsam muten die Versuche der Industrie an, technologische Möglichkeiten zurechtzustutzen. Die Kopierschutz-Idiotie bei CDs haben sie schließlich hinter sich gelassen. Für DVDs gibt es einen Area-Code, der verhindert, dass man US-Filme überhaupt gucken kann, ohne sich einen neuen PC zuzulegen. Der neuste Trick – und man kann kaum umhin, als die Aktion kartellesk zu nennen – besteht darin, die Videodauer von Digitalkameras auf 29 Minuten zu begrenzen. Hintergrund sind angeblich höhere Zölle für Camcorder. Aber das kann man kaum glauben, dass das der Grund für alle Firmen wäre, diese technische Einschränkung einzubauen. Vermutlich wollen sie, dass die Kunden sowohl die Digitalkameras als auch die Videokameras kaufen.
Schön finde ich aber auch die von Kunden akzeptierten Einschränkungen. Die Qualität des öffentlichen mp3-Handygekrächzes ist jedem 60er-Jahr-Transistor-Radio unterlegen, ganz zu schweigen vom fetten 80er Ghettoblaster. Aber sie wissen nicht, was sie tun, und diesmal sogar zum Wohle der älteren Mitbürger. Die Fotos sind völlig unakzeptabel, vom Festnetz telefonieren klingt immer noch besser und ist fast immer noch billiger. Aber macht ruhig.

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Die für die Seele nur schwer erträgliche Gute-Nacht-Lektüre "Der Archipel Gulag" von Solschenizyn, an dem ich seit August las, verringerte auch die Frequenz dieser Blogeinträge. Dann hatte ich es endlich beendet und wunderte mich, dass über das Lagerleben selber so wenig drin gestanden hatte. Bis ich verstand, es war nur der erste von drei Teilen. Nun bin ich beim dritten (ich vermute der zweite ist der schlimmste), hangle mich vom Kapitel Entlassung über Aufstände und Ausbrüche und weiß nicht, ob es moralisch koscher ist, das Ausbruchskapitel wie einen Abenteuerroman zu lesen. Als ich es beendet habe, stoße ich beim Youtube-Surfen zufällig auf die russische Version des Grafen von Monte Christo. Ob die Macher sich darüber im Klaren waren, wie hoch der Anteil der Zuschauer mit Gefängnis- oder Lagererfahrung war? Im Übrigen wirkt die Zelle von Edmond Dantès in der ja geradezu putzig im Vergleich zu dem, was Solschenizyn beschreibt.

 

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Ibrahîm ibn el-Mahdî will dem schwarzen Bader nicht weiter zur Last fallen und so flieht er verkleidet:

Ich hüllte mich in Frauenkleider, zog gelbe Stiefelchen an, warf mir einen Schleier über und ging aus seinem Hause fort.

Einen Soldaten, der ihn erkennt und verraten will, stößt Ibrahîm ibn el-Mahdî in den Dreck, und er findet im letzten Moment Zuflucht im Hause einer Frau, die ihm ein Ruhelager gewährt. Unglücklicherweise ist sie die Gattin des Soldaten.

Alsbald holte sie Zunder, legte den in ein Stück Zeug und verband ihm damit den Kopf; dann bereitete sie ihm ein Lager und er legte sich krank darnieder.

"Zunder zum Verbinden? Oder ist dies ein Übersetzungsfehler und eigentlich Leinen gemeint?", achte ich zunächst. Aber nein, Zunderschwamm (d.h. der Pilz) wurde tatsächlich als Verband benutzt.

Die Frau des Hauses warnt Ibrahîm und lässt ihn bis zum Abend im Haus ruhen. Dann flieht dieser weiter und sucht Unterkunft bei einer inzwischen freigelassenen Sklavin, doch verrät sie ihn.

Plötzlich sah ich Ibrahîm el-Mausilî mit seinen Dienern und Kriegern kommen. (…) da sah ich dem Tod ins Angesicht.

Man führt ihn vor den Kalifen. Und Ibrahîm ibn el-Mahdî versucht, sich mit Versen aus der Affäre zu ziehen.

Und er wäre ja hier nicht der Erste, dem dies gelänge:

Meine Schuld vor dir ist wahrlich groß;
Aber du bist größer als die Schuld.
Also nimm dein Recht dir, oder nicht.
Und verzeihe mir in deiner Huld!
Und war ich auch nicht in meinem Tun
Edelmütig – sei du es nun.

Der Kalif antwortet mit einem ähnlich banalen Gedicht, und da

witterte ich den Hauch der Gnade in seinem Wesen.

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