Es genügt dem Kalifen nicht, dass der clevere Richter ihm soeben aus der Patsche geholfen hat:
"Ich möchte sogleich bei ihr ruhen; ich kann es nicht ertragen, mich ihrer zu enthalten, bis die gesetzliche Frist verstrichen ist."
Die gesetzliche Frist, die er-Raschîd erwähnt, besagt, dass, wer eine Sklavin kauft, eine Frist abwarten muss, bis klar wird, ob sie von ihrem früheren Eigentümer schwanger ist. Man beachte die beiläufige Demütigung des Wesirs Dscha’far, der sie ja gar nicht hergeben wollte.
Abu Jusûf rät, die Sklavin einem der Mamluken des Kalifen zur Frau zu geben; dieser solle sich sofort von ihr scheiden lassen, und dann könne der Kalif unverzüglich "zu ihr eingehen".
Gesagt, getan. Aber der Mamluk macht Schwierigkeiten: Er will sich nicht scheiden lassen, egal, wieviel Geld der Kalif ihm bietet.
Dieser Widerspruch gegenüber er-Raschîd, der ja bekanntlich sein Schwert nicht zögerlich bedient, ist bemerkenswert.
Der Mamluk holt sich obendrein Beistand beim Kadi:
"Steht die Ehescheidung in meiner Hand oder in deiner oder in der des Beherrschers der Gläubigen?" Als der Kadi antwortete: "In deiner Hand!", rief der Mamluk: "Bei Allah, ich tu es nie und nimmer!"
Aber Abu Jusûf weiß auch hier zu helfen:
"Gib diesen Mamluken der Sklavin zum Eigentum."
Der Kalif tut es.
Dann fuhr der Kadi fort: "Ich spreche die Scheidung aus über die beiden dort; denn er ist ihr Besitz geworden, und also ist die Ehe ungültig!
Der Kadi wird vom Kalifen für diese schönen Lösungen reich belohnt. Und zuhause schlaumeiert er gegenüber seinen Freunden:
"Es gibt keinen leichteren und kürzeren Weg zum Glauben und zu den Gütern dieser Welt als den Weg der Wissenschaft; denn diese große Menge Goldes habe ich allein für die Beantwortung von zwei oder drei Fragen erhalten."
Im Grunde führt der Kadi das Recht, indem er es dem Buchstaben nach anwendet, ad absurdum, und der Kalif scheint es zu wissen. Aber weiß es der Erzähler? Im kurzen Nachwort lobt er
das feine Benehmen des Wesirs gegen er-Raschîd, die Weisheit des Kalifen und die noch größere Weisheit des Kadis.
Gewitztheit führt zu Reichtum. Schläue hilft, sich die Mächtigen günstig zu halten. Macht bricht Recht.
***
Die Geschichte von Châlid ibn Abdallâh und dem Liebhaber, der sich als Dieb ausgab
Zu Châlid ibn Abdallâh el-Kasri, dem Emir von Basra, führte man einen Jüngling, dem man vorwarf, ein Dieb zu sein. Aber angesichts der Schönheit des jungen Mannes hat der Emir Zweifel an der Geschichte. Und so fragt er ihn, was ihn zu dieser Tat veranlasst habe.
"Mich trieben die Gier nach irdischem Gut und der Ratschluss Allahs, des Gepriesenen und Erhabenen."
Zu fromm, um wahr zu sein.
Châlid hakt nach, aber der junge Mann bleibt bei seiner Geschichte, und so wird bekannt gegeben, dass ihm am nächsten Tag die Hand abgehauen werden soll. Sich unbeobachtet wähnend, improvisiert er im Kerker folgende Verse:
Es drohte Châlid mir mit dem Verlust der Hand,
Mach ich mit dem Geheimnis von ihr ihn nicht bekannt.
Doch ich sprach: Das sei ferne, dass ich die Lieb verrat,
Die tief im Herze mein für sie verschlossen hat.
Ja, der Verlust der Hand für das, was ich gestehe,
Ist leichter mir, als dass ich sie in Schande sehe.
Die Wächter hören dies, führen in zu Châlid und dieser rät ihm, vorm Kadi zu leugnen, denn der Prophet habe gesagt:
"In zweifelhaften Fällen vermeidet die Strafen." Darauf ließ er ihn in das Gefängnis zurückbringen.