Meine Zigaretten

– Semper: Die ersten Zigaretten, die ich bewusst roch, da meine Eltern sie rauchten. Eines Tages gab es sie nicht mehr und meine Eltern steigen auf Cabinet um.
Image: Hatten sie eins?

– Karo: Meine erste durchgerauchte Zigarette war eine Karo. Keine bewusste Wahl. Ich rauchte sie einfach, weil Robert, unser Gitarrist, sie bei mir im November 1989 liegengelassen hatte. Damals probten wir in meiner Wohnung. Wie meine Nachbarinnen das aushielten, weiß ich nicht. Schlimm, dass es Karo war, denn je ekliger die Zigarette ist, umso eher geht man der von Allen Carr beschriebenen Selbstüberlistung auf den Leim: Das schmeckt so furchtbar, davon kann ich nicht süchtig werden.
Image: filterlose Hausmeister- und Blueser-Zigarette – nur für harte Jungs

– Orient: Die ersten Zigaretten, die ich annahm, nachdem sie mir angeboten wurden. Auch eine Filterlose.
Image: Ein ebenso furchtbares Kraut wie Karo. Wenn ich mich richtig erinnere, kostete sie aber 2 Mark statt 1,60. Und durch ihre Seltenheit zog man praktisch automatisch die Aufmerksamkeit auf sich, wenn man sie rauchte.

– Marlboro: Die erste Zigarettenpackung, die ich mir selber kaufte. In einem Film im Kino International sagte jemand, nachdem er auf den vollen Aschenbecher angesprochen wurde: "Jetzt ist’s auch egal, jetzt rauch ich mich zu Tode." Ich ging rüber ins Café Moskau, um mir Zigaretten zu kaufen. Die einzige Sorte, die hatten, war Marlboro. Noch vor der Währungsunion kostete die Packung sagenhafte 7 Mark, die ich nach kurzem Zögern zahlte.
Image: Marlboro ging eigentlich gar nicht. Auch wenn ich die Ku-Klux-Klan-Legende nicht glaubte, so wollte man sich an den Untaten von Philipp Morris nicht beteiligen, vom lächerlichen Cowboy Image ganz zu schweigen. Marlboro also nur, wenn nichts anderes in der Nähe war.

– Cabinet. Billig. Angeblich unparfümiert.
Image: Osten, Osten, Osten. Meine Eltern hatten sie geraucht, eigentlich hätte ich aus Abgrenzungsgründen Club vorziehen müssen, aber Club war eine Angestelltenzigarette. F6 und Juwel schmeckten ekelhaft.

– Pall Mall: In den nächsten zehn Jahren griff ich immer wieder zu Pall Mall. Anfänglich zu den filterlosen, später zu den normalen. Und schließlich zu den leichten.
Image: Haben die überhaupt eins? Wenn ja, ist es mir nicht bekannt. Und gerade das machte sie sympathisch. Rauchte man Camel, Marlboro, Lucky Strike oder gar HB, Benson & Hedgess, wurde man sofort in eine Image-Ecke gestellt, die man entweder verteidigen oder cool zur Schau stellen musste. Beides war mir fremd.

– Lexington: Von 1992 bis 1993 rauchte ich fast ausschließlich die in 25er Packungen von Vietnamesen verkauften Lexington.
Image: Ich glaube, Lexington war unbekannt und imagelos. Fast ausschließlich von Vietnamesen verkauft, aber nicht so ossi-mäßig daherkommend wie Golden American, die mich irgendwie an Billigparfüm, Billigschnaps usw. erinnerten.

– R1: Ab Mitte der 90er – ich war schon auf dem Absprung – rauchte ich nur noch Light-Zigaretten. Und die Zahlen 0,1 mg (oder waren es 0,0001? – jedenfalls Nullen und Einsen) suggerierten zehnmal weniger Vergiftung als bei Normalqualm. Im finanziellen Notfall waren’s dann wieder Cabinet Light oder wenn es keine anderen mehr gab, sogar Marlboro Light.
Image: R1 hatten ein seltsames "Ich-rauche-und-bin-trotzdem-gesundheitsbewusst"-Image, von dem es sich zu distanzieren galt. Für so blöde wollte man nun doch nicht gehalten werden. Aber sich mit dickem ungefiltertem Ruß zudröhnen ging eigentlich auch nicht mehr – da gaben Lunge und Kondition deutliche Signale.

– Samson Light Tabak. Zwischendurch natürlich auch immer wieder Tabak, der Samson Light schmeckte (so bildete ich mir wenigstens ein) etwas süßlich, anders als Drum oder Javaanse Jongens. Ich drehte aus Not.
Image???

Und das ist doch der größte Mist: Dass man zusätzlich zu all der Vergifterei sich auch noch diese Gedanken übers Image gemacht hat. Selbst wenn man, wie ich, nicht ans Image glaubte und sich vom Image distanzieren wollte, verbrachte man ja auch in der Hinsicht Zeit mit Selbst-Image-Gestaltung zu.

 

**

Alî Schâr springt auf, sieht, dass Zumurrud verschwunden ist und läuft nun tagelang klagend und Liebes- und Leidensgedichte improvisierend durch die Stadt, währenddessen er sich mit zwei Steinen auf die Brust schlägt. Er schläft in den Gassen, und eines Tages entdeckt er neben seiner Wohnung

seine Nachbarin, eine alte vortreffliche Frau, die sprach zu ihm: "Mein Sohn, Gott gebe dir Genesung! Seit wann bist du irre?"

In der Tat: Vortrefflich!,

Er erwiderte ihr mit diesen beiden Versen:

Sie sprachen: Du rasest in Liebe. Da gab ich ihnen zur Antwort:
Ja nur die Rasenden kennen des Lebens Süßigkeit.
Lasst mich nur immer rasen! Bringt sie, die mich berückte;
Und tadelt mich nicht mehr, wenn sie mich vom Wahnsinn befreit!

Nachdem er ihr die Geschichte erzählt hat, rät sie ihm, einen Juwelierkorb zu kaufen und diesen mit Geschmeide zu füllen.

"ich will ihn auf den Kopf nehmen, wie eine Hökerin, und umherziehen, indem ich in den Häusern nach ihr suche."

Als nun alles bei ihr war, zog sie ein geflicktes Kleid über den Kopf, nahm einen Stab in die Hand und lud den Korb auf.

Sie läuft von Ort zu Ort, bis sie das Haus des Nazareners erreicht, aus dem sie ein Stöhnen vernimmt.

315. Nacht
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