Starten unseren Aufenthalt in Seattle entspannt mit einem Tag am Ufer.
Später ins Theater, um den Schluss des Improvathons zu sehen. Die Schauspieler am Ende ihrer Kräfte. Tony Beeman dazu: "Nach 36 Stunden hat man jeden Willen, eine Szene zu beeinflussen, aufgegeben. Man wird zum perfekten Improspieler."

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BLINK – Kapitel 4 – Paul Van Riper’s Big Victory

Das Kapitel ist benannt nach einem Vietnam-Veteranen, der Ende der 90er Jahre gebeten wurde, bei einem Kriegsspiel des Pentagon mitzuhelfen. Ein "fiktiver" arabischer Diktator sollte mit den höchsten technischen Mitteln der USA ausgeschaltet werden, während Van Riper als Gegenspieler auf die Angriffe unkonventionell zu reagieren hatte. Van Riper gewann, indem er die Pläne, die Technik und die hochausgefeilten Strategien der Angreifer permanent unterlief. Das Ergebnis dieses Spiels hätte die USA eigentlich von einem Angriff auf den Irak abhalten müssen; aber widersinnigerweise investierten sie in noch mehr Technik, Kommunikationshierarchien und Worthülsen.

"I told our staff that we would use none of the terminology that Blue Team was using. I never wanted to hear that word "effects", except in a normal conversation. I didn’t want to hear Operational Net Assessment."

Kurz reißt Gladwell die Struktur für Spontaneität im Improvisationstheater an: Dass Improtheater nicht bedeutet, irgendwas zu machen, sondern auf Akzeptieren und Verstärken beruht.

Eines der herausragenden Beispiele beschreibt Gladwell im Fall des Chicagoer Arztes Brendan Reilly, der zum Chef eines heruntergekommenen Krankenhauses wurde und sich mit folgendem Problem konfrontiert sah: Wegen der mangelnden Krankenversicherungen, kamen fast alle Patienten über die Notaufnahme. In der Nothierarchie standen Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt sehr weit oben. Gerade hier gibt es aber eine hohe Fehlerquote: Gesunde Patienten werden tagelang in Betten gehalten (aus Angst verklagt zu werden, falls doch was schiefläuft), Risikopatienten werden nach Hause geschickt. Er kam darauf, dass das Problem der Ärzte nicht in einem Zuwenig an Information bestand, sondern paradoxerweise in einem Zuviel. Er reduzierte (gegen den Willen der Ärzte) die Indikatoren auf Drei: 1) Akute Herzmuskel-Schmerzen, 2) Flüssigkeit in der Lunge, 3) systolischer Blutdruck unter 100. Die Diagnosen wurden auf beiden Seiten um ca. 70% besser. Der Grund: Indikatoren wie Alter oder Rauchen spielen zwar statistisch im Leben des Patienten eine Rolle, nicht aber (bzw. unwesentlich) bei der akuten Situation.

Es gibt also Umstände, in denen uns die Menge der Informationen überfordert oder gar in eine falsche Richtung lotst. Ein für mich auch nachvollziehbares Beispiel ist eine Marktforschungsstudie für Marmeladen, die Gladwell zitiert. Bei der Test-Einführung einer neuen Produkt-Serie in einem Supermarkt in Kalifornien wurden sechs Gläser ausgestellt. kauften 30 Prozent der Käufer, die kurz anhielten, entschlossen sich zum Kauf. Als die Auswahl auf 24 erhöht wurde, kauften nur drei Prozent. Der Grund: Käufe wie diese sind Schnellschuss-Entscheidungen.

Genau das passiert beim Buchverkauf beim Kantinenlesen: Je größer die Auswahl der Bücher, umso weniger wird absolut gekauft.

USA 12. Juni 2011 – Sittin on the dock of the bay
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