Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
H: Niemand sonst interessierte es, die Regeln zu studieren.
T: Welche Regeln?
H: Die Regeln des Suspense.
…
T: In ihren Filmen begibt sich oft jemand irgendwohin, und dort erwartet ihn eine Überraschung. Ich glaube, in solch einem Fall (…) schaffen Sie immer eine Ablenkungs-Suspense, damit die Überraschung gleich darauf vollkommen ist. (…) So dringt [in Strangers On A Train] Guy nachts in das Haus ein. Er muss in die erste Etage, in das Zimmer von Brunos Vater. Würde er ruhig die Treppe hinaufgehen, so würde der Zuschauer versuchen, weiterzudenken, und vielleicht käme er darauf, dass nicht Brunos Vater ihn oben an der Treppe erwartet, sondern Bruno selbst. Aber darauf kommt man unmöglich, weil Sie einen kleinen Suspense einbauen mit einem großen Hund, der mitten auf der Treppe steht, und einen Augenblick lang ist es die Frage, ob der Hund Guy vorbeilassen wird, ohne ihn zu beißen.
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H: Das große Problem bei Filmen dieser Art [Filme mit stringentem Plot] ist, dass aus den Hauptpersonen zu leicht bloße Figuren werden.
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T: Man spürt deutlich, dass hier der Schurke Ihre Sympathie hatte.
H: Natürlich, das ist ganz klar.
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H: [Agenten legen mir meistens Geschichten vor] mit Gangstern oder Berufsverbrechern oder ein Whodunnit, das heißt Dinge, die ich nie anfasse.
(DR: Vielmehr geht es um die menschlichen Abgründe, was Hitchcock eben oft so weit treibt, dass man gar nicht kann, als mit dem Verbrecher mitzufiebern.)
H: Wenn wir an einem Drehbuch arbeiten, ist der Satz, der am häufigsten vorkommt: „Wäre es nicht amüsant, wenn er auf diese Weise umgebracht würde?“
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H: Wenn man aus Psycho einen ernsten Film machen wollte, würde man einen klinischen Fall zeigen. Dann dürfte man weder Rätsel noch Suspense in die Sache hineinbringen. (…) Man kommt also in den Grusel- und Suspense-Filmen nicht ohne Humor aus.