Pullach, Sonnenblumen, Chi und Che
Und wieder muss ich eine Nachricht in die Rubrik „Meldungen, die ich nicht verstehe“ einordnen. „BND-Mann spioniert für CIA“. Ja, dachten denn die Chefs des BND, der junge Mann würde seinem Verein in Pullach bei München treu bleiben, nur weil er dort das Spionage-Handwerk einst erlernte? Ein Blick in die Welt des Fußballs hätte geholfen zu verstehen, dass man als Profi seit den späten 70ern dem Verein dient, der einem am meisten bietet. Für die Fußballer sind das Real Madrid, AC Mailand, Arsenal London, FC Barcelona und Bayern München. Für die Spione die CIA und die NSA. Auch hier fallen nach und nach die traditionellen psychologischen Grenzen altmodisch-patriotischer Treue.
Und so fordert der CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff: Ab heute wird zurückspioniert. Schockenhoff, der Spionage-Experte, weiß als Alkoholsüchtiger, wie man schummelt. Nach einer Auto-Scooter-mäßigen Schlängellinien-Fahrt in seinem Mercedes, rammte er mehrere Fahrzeuge und beging Fahrerflucht. Als man ihn später zuhause aufsuchte und seinen Blutalkohol maß, stellte der Blutalkoholtester eine Konzentration von 2,3 Promille fest. Schockendorf, der Schlaue, wie man ihn seither vermutlich nennt, behauptete, höchstens ein Glas Weißwein vorher getrunken und eine Flasche Rotwein entkorkt zu haben. Zuhause aber habe er sich nach seinem Schnee-Schnee-Schnee-Schnee-Walzer-Drive vor lauter Scham sinnlos besoffen.
Im Juristendeutsch nennt man dieses schamlose Schutzverhalten „Nachtrunk“. Nachtrunk kann man beispielsweise auch anwenden, wenn man in betrunkenem Zustand von der Polizei herausgewunken wird: Man greift in die Jackentasche, holt den Flachmann raus und grüßt: „Guten Abend, Herr Wachtmeister, ich wollte hier sowieso parken. Und Prost übrigens.“ Dann leert man die halbvolle Flasche und behauptet später, sie sei voll gewesen. Man kommt bei solch einem Verhalten mit einer leichten Ordnungsstrafe weg. Und ich wette, dass spätestens wenn Kloppsköppe wie Schockenhoff dies tun, jeder noch so liberal gesinnte Richter das Prinzip „in dubio pro reo“ verfluchen wird.
Das Verfahren, mit dem man – ehrliche Angaben vorausgesetzt – den Nachtrunk abziehen und den Alkoholgehalt im Blut feststellen kann, wurde von Professor Erik Widmark entwickelt, der die nach ihm benannte Widmarkformel
aufstellte.
Sein ganzes Berufsleben widmete sich Widmark der Erforschung dieses Themas, und diese Formel bringt sein Lebenswerk auf den Punkt, so wie Einsteins E= m*c2 , die ja als die Krönung aller Formeln gilt und angeblich schwer zu verstehen. Wobei ich behaupte, dass sie mir doch irgendwie einleuchtender vorkommt als das bereits erwähnte
.
Wenn man Widmarks Werk angemessen ehren will, sollte man sich nicht mit solchen Advokaten-Tricks wie „Nachtrunk“ und „Im Zweifel für den Angeklagten“ herausreden können. Und ehren muss man diesen schwedischen Chemiker auf jeden Fall, wird doch seine Biografie durch zwei unschöne Jahreszahlen umklammert; denn genau wie Hitler wurde er 1889 geboren und starb im Jahr 1945 sogar am selben Tag wie dieser Nichttrinker, der im FAZ-Magazin-Fragebogen unter „Welche historische Persönlichkeit verachten Sie am meisten“ von den meisten Promi-Ausfüllenden mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit genannt wurde, nämlich am 30. April.
Überhaupt lag im April 1889 nicht nur Hitlers Mutter in den Wehen, sondern auch die vom späteren Mini-Schnurrbarerfinder Charlie Chaplin und den Nazis Glücks und Salazar.
Geboren wurde 1889 im Übrigen auch der Eiffelturm in Paris, wenn mir die Freiheit gelassen wird, die Fertigstellung eines Gebäudes als Geburt zu bezeichnen. Die Pariser waren über das Monstrum entsetzter als die Berliner über die Bebauungspläne des Tempelhofer Feldes. Sie starteten eine Unterschriftenkampagne, um das damals höchste Gebäude der Welt wieder abreißen zu lassen. Und wenn die Franzosen es mit der Demokratie genau nähmen, müsste man den Eiffelturm im Nachhinein abreißen, aus Respekt für den plebiszitären Willen der Ururgroßeltern. Vielleicht lässt man ihn ja nur deshalb stehen, weil sonst sämtliche in Paris spielenden Liebesfilme neu gedreht werden müssten.
An seinen im Jahr 1888 gemalten Bildern „Fünf Sonnenblumen in der Vase“, „Fünfzehn Sonnenblumen in der Vase“ und „Drei Sonnenblumen in der Vase“, hatte sich Vincent Van Gogh offenbar dermaßen aufgegeilt, dass er im Sommer 1889 noch einmal „Fünfzehn Sonnenblumen in der Vase“, dann „Zwölf Sonnenblumen in der Vase“ und noch ein letztes Mal „Fünfzehn Sonnenblumen in der Vase“ hinterherschob. Der finanzielle Erfolg gab ihm leider erst post mortem recht.
Obwohl ich dem Spätimpressionismus gegenüber durchaus aufgeschlossen gegenüber stehe, fällt bei mir eine mentale Klappe, sobald Van Gogh seinen Tuschkasten öffnet. Ich könnte sagen, dass mich dieser Kommapointilismus in den Wahnsinn triebe, in Wirklichkeit hat es wahrscheinlich mit einem frühkindlichen Trauma zu tun. Als ich drei Jahre alt war, hing das deprimierende „Caféterrasse am Abend“ schräg gegenüber meinem Kinderbett. Allenthalben heißt es, das Ölgemälde zeige die Verlorenheit des Individuums in der nur scheinbar warmen Gesellschaft – wollten mich meine Eltern schon so früh auf die Kälte der Gesellschaft vorbereiten? Merci, Papa et Maman.
Warum aber stürzte sich Vincent ausgerechnet auf Sonnenblumen? Waren sie für den armen Maler billiger zu haben als etwa Tulpen? Oder hatte er selbst einen kleinen Sonnenblumengarten, um zum Beispiel Sonnenblumenöl zu pressen, welches einerseits sehr mild und schmackhaft ist, aber andererseits wegen seines niedrigen Siede- und Rauchpunkts nicht zum Frittieren benutzt werden darf. Unwahrscheinlich hingegen, dass er von der im ostslawischen Raum praktizierten Sonnenblumenölkur gehört hatte, welche heutzutage in gesundheits-esoterischen Kreisen ein Schattendasein unter den Entschlackungskuren fristet.
Den aus der Metallurgie und der Dampflok-Technologie stammende Begriff der Entschlackung führte übrigens Otto Buchinger nach dem Ersten Weltkrieg in die Ernährungsphysiologie ein und verschwurbelt damit noch nach seinem Tod bis heute die Köpfe vieler sich um ihr Gedärm Sorgender. Vielleicht war ihm die Verschwurbeltheit sozusagen in die Wiege gelegt, so war er erst ein großer Kriegsbefürworter und wurde später zu einem der wenigen deutschen Quaker, einer zwar pazifistischen aber ansonsten recht wirren US-amerikanischen Sekte, deren zweitgrößte Community übrigens in Bolivien beheimatet ist.
Nach Bolivien exportierten die Nordamerikaner aber nicht nur ihre kuriosen Religionen, sondern auch Putsche und Konterrevolution, und im Jahr 1969 ließ die CIA im bolivianischen Dschungel den Guerillero Che Guevara ermorden. Was hätten sie mit dem BND-Mann gemacht, wenn er sich geweigert hätte?
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469. Nacht
Als der fromme Jude, den die Muslimin verführen will, ihre Absichten mitbekommt, geht er aufs Dach (angeblich um zu beten) und stürzt sich von dort in die Tiefe. Aber Engel halten seinen Fall, und ihm geschieht nichts Böses.
470. Nacht
Die Frau des treuen Mannes wird für seine Gottesfurcht mit von Allah herbeigezaubertem Brot im Ofen und einem plötzlich durchs Dach des Hauses fallenden Rubin belohnt. Im Traum sieht sie den Sessel ihres Mannes im Paradies, dem der Rubin fehlt. Und sie sagt ihrem Mann:
„Lieber Mann, bete zu deinem Herrn, er möge diesen Rubin an seinen Ort zurückkehren lassen; es ist leichter, in den wenigen Tagen auf Erden Hunger und Armut ertragen zu müssen, als ein Loch in deinem Sessel unter den Gerechten zu wissen.“
Nach dem Gebet des Mannes steigt der Rubin wieder zum Himmel auf.
Reduktion Allahs auf eine Art Weihnachtsmann, der den artigen Erwachsenen ihre Wünsche erfüllt.
*
Die Geschichte von El-Haddschâdsch und dem frommen Manne
El-Haddschâdsch ibn Jûsuf eth-Thakafi lässt „einen von den Vornehmen“ in einen Kerker sperren.
Wer "die Vornehmen" sein sollen, bleibt unklar.
Anscheinend will El-Haddschâdsch ihn verhungern lassen, doch der Gefangene betet zu Gott, und am nächsten Tag ist die Zelle leer. Der Kerkermeister in Angst, nun zum Tode verurteilt zu werden, nimmt von seinen Angehörigen Abschied, legt sich Spezereien auf, nimmt ein Leichentuch unter den Arm und tritt vor El-Haddschâdsch.
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471. Nacht
El-Haddschâdsch klärt den Kerkermeister auf:
„Weißt du denn nicht, dass Der, den er nannte, als du anwesend warst, ihn befreite, während du abwesend warst?“
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Die Geschichte von dem Schmied, der das Feuer anfassen konnte
Ein frommer Mann hört von einem Schmied, der das Feuer anfassen kann und sucht diesen auf. Er beobachtet ihn und bittet ihn, über Nacht bleiben zu dürfen.
Da aber der Gast den Wirt nicht zum Gebete aufstehen sah, noch sonst irgendein Zeichen besonderer Frömmigkeit auf ihm bemerkte, so sagte er sich: „Vielleicht verbirgt er sich vor mir.“
Als er ihn auch an den folgenden Tagen keine außergewöhnlichen, sondern nur die „verdienstlichen“ Handlungen ausführen sieht, stellt er ihn zur Rede, und der Schmied berichtet, dass er einst eine Frau zu verführen versuchte, diese aber keusch blieb. Auch als sie Hunger litt und er sie mit Essen zu erpressen versuchte, blieb sie standhaft.
„Der Tod ist besser für mich als die Strafe Allahs des Erhabenen.“
Heißt das, Allah würde sie strafen, wenn sie vor Hunger sich prostituieren würde?
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472. Nacht
Nach mehreren Tagen kommt der Schmied zur Besinnung, und ihm wird klar, was er getan hat. Er bereut im Gebet und gibt der Frau die Speise.
Als die Frau sein Reuegebet hört, betet sie:
„O, mein Gott, wenn dieser die Wahrheit spricht, so lasse das Feuer in dieser Welt und im Jenseits ihm nichts anhaben. Denn du hast über alle Dinge Macht, und wenn du erhören willst, so ist es vollbracht.“
Am selben Tag fällt ihm eine brennende Kohle auf den Leib, und sie konnte ihm nichts anhaben.