(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management„
In aller Regel wächst die Mitgliederzahl einer Gruppe nur dann auf über zehn Spieler, wenn sich durch den Erfolg der Gruppe auch mehr Möglichkeiten ergeben, insbesondere mehr Auftrittsmöglichkeiten. Für eine Amateurgruppe, die quasi „natürlich“ wächst, macht es nur in Ausnahmefällen Sinn, von vornherein so groß zu starten.
Große Gruppen müssen Folgendes beachten:
- Die Basisdemokratie wird schwieriger zu handhaben. Ich sage nicht, dass Basisdemokratie auch in größeren Gruppen und Organisationen völlig unmöglich ist, aber sie wird anstrengender und zeitaufwendiger, weil mehr Stimmen gehört werden müssen. Und es besteht die Gefahr, dass wichtige Entscheidungen immer wieder vertagt werden oder die Gruppe künstlerisch stagniert.
Eine Lösung, die sich hier anbietet, ist, sich von vornherein professionell zu organisieren – mit Geschäftsführung und künstlerischer Leitung. - Bei einer großen Gruppe wird es schwieriger, die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Spieler zu befriedigen. Das kann relativ unproblematisch sein, wenn die Vision und künstlerische Umsetzung alle Mitglieder gleichermaßen überzeugt und begeistert. Zum Problem wird es, wenn Spieler immer wieder zu Show-Formaten eingeteilt werden, die sie im Grunde nicht mögen. Das heißt, es muss, egal in welcher Struktur, einen kommunikativen Fluss geben, der den einzelnen Spielern die Möglichkeit gibt, gehört zu werden.
- Je größer die Gruppe wird, umso geringer ist die Chance, dass bei rein willkürlicher Spielplan-Aufteilung sich zwei beliebige Spieler auf der Bühne begegnen oder überhaupt zum Austausch kommen. Bei einem Cast ab vierzig Personen hat man vielleicht noch das Gefühl, Teil der Familie zu sein, aber es wird für jeden Einzelnen (inklusive der Leitung) schwierig, die Beziehungsgeflechte noch zu überblicken.
Eine Gruppe von fünfundzwanzig Mitgliedern, mit fünf gut besuchten Shows pro Woche hat natürlich auch Vorteile, sowohl fürs Gesamt-Team als auch für das Einzelmitglied. In der Regel sind solche Gruppen auch wirtschaftlich erfolgreich, sonst würden sie sich ja nicht vergrößern. Das heißt, die Gruppe kann sich vielleicht leisten, ein Theater zu betreiben, ihren Spielern anständige Gagen zu zahlen usw. Wenn es mehrere Shows gibt, kann man auch Impro-Experimente wagen, die sowohl wirtschaftlich als auch künstlerisch riskant sind, da man genügend Masse hat, um das Scheitern aufzufangen. Aus fünfundzwanzig Spielern können sich zum Beispiel auch sechs Opern-Fans zusammenfinden, die unabhängig von den anderen daran arbeiten, ein anspruchsvolles Format wie eine Langform-Oper zu entwickeln, ohne dass der Zusammenhalt der Gruppe durch die Absonderung infrage gestellt würde.