Wir brauchen, um Improtheater zu spielen, den Mut, Szenen und Charaktere mit teilweise groben Strichen darzustellen. Das manchmal unterschwellige, manchmal aber auch explizite Versprechen „Wir spielen alles“ legt die Latte enorm hoch:. Wir spielen den Sicherheitsberater eines amerikanischen Präsidenten, wir improvisieren ein Palestrina-artiges Madrigal oder eine Satire auf Geschlechterbeziehungen, wir erschaffen einen zweistündigen Vierakter, der im Polen der 1920er Jahre spielt, wir erzählen kirgisische Märchen und tanzen improvisierend im Stil von Pina Bausch. Diese Anmaßungen lassen sich nur mit Mut und Behauptung einigermaßen erfüllen. Natürlich werden wir auch immer wieder mal scheitern, aber das Publikum liebt unseren Mut, dieses Scheitern in Kauf zu nehmen.
Problematisch wird es dann, wenn wir das Lachen des Publikums als Messlatte für unser Spiel nehmen. Das Publikum lacht gleichermaßen über den Mut des Scheiternden als auch über die gelungene Komik der Szene. Das Lachen übers Scheitern ist aber schneller zu erzielen, nämlich einfach indem wir billig spielen. Der Mut, auch das Grobe, Unfertige hinzunehmen, wird dann umgewandelt ins klamottenhafte Gagging, ins absichtlich schlechte Spielen.
Wir spielen absichtlich schlecht, wenn wir
- Figuren bewusst dumm anlegen,
- Emotionen und Reaktionen überzeichnen,
- bewusst schlecht singen oder tanzen,
- Storys und Szenen für einen Gag opfern,
- das Klischee bedienen, statt das Spezifische zu erkunden
Der Mut, die eigenen Beschränkungen zu akzeptieren und dennoch zu improvisieren, bedeutet nicht, dass wir unsere körperlichen, intellektuellen und künstlerischen Fähigkeiten verbergen müssen, um gute Improvisierer zu sein.
Improvisierer, die den Weg des absichtlich schlechten Spiels gehen, sind nicht etwa besonders mutig, sondern sie wählen den Weg des schnellsten Lachers aus Angst davor, tatsächlich etwas zu wagen und dann womöglich tatsächlich mit den Grenzen der eigenen Fähigkeit und dem echten Scheitern konfrontiert zu werden. Sie spielen bewusst schlecht, weil sie das Unbekannte scheuen, weil sie Angst vorm Improvisieren haben.