(Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Improvisationstheater. Band 3: Die Magie der Szene“)

 

Im Off sollten wir uns fragen: Fehlt etwas in der Szene? Und wenn ja, kann und soll ich helfen? In den bereits genannten Beispielen haben wir gesehen, wie man helfen kann, das Thema bzw. die Protagonistin zu finden.

Bisweilen sind die szenischen Fehler oder fehlenden Definitionen kleiner und weniger dringend, etwa

  • unklarer Schauplatz und unklare Umgebung
  • unklares Genre
  • fehlende Namen
  • mangelnde Körperlichkeit

Soll man aber als Außenstehender bei jeder kleinen Unklarheit auf die Bühne springen?

Ein beliebter Publikums-Vorschlag für einen Schauplatz ist bekanntlich „Strand“. Vermutlich sind viele Impro-Schauspieler unabhängig voneinander einmal auf die Idee gekommen, diesen Vorschlag mit einer kreischenden Möwe zu untermalen. Inzwischen wimmelt die Impro-Welt von Kreisch-Möwen. Sie sind hierzulande schon dermaßen zu einem Impro-Klischee geworden, dass es bei einigen Theatersport-Shows Möwen-Strafpunkte gibt. Lasst die Möwe im Kasten, vor allem wenn die Szene schon läuft. Denn so manche scheinbare Szenen-Unterstützung ist eben keine Unterstützung, sondern lenkt ab und kann eher dem billigen Gagging zugerechnet werden.

Wir helfen, die Atmosphäre zu bereichern, wenn wir den Fokus nicht rauben, sondern den Spielern Anknüpfungs-Punkte geben:

1) Ein schüchternes Pärchen trifft sich zum Blind Date in einem Café.
à Ein während des Gesprächs der beiden auftauchender Kellner hilft nicht nur, den Schauplatz plastischer zu machen, sondern gibt den beiden auch Anknüpfungspunkte, um ihren Charakter deutlicher zu machen: Das Aufgeben der Bestellung kann über ihre Figuren mehr verraten.

2) Ein junger Mann wird nachts in eine verlassene Gegend der Stadt geschickt.
à Die Mitspieler malen die Atmosphäre aus: Drogenhändler, Bettler, Prostituierte. Diese Typen können reine Szenen-Passagiere im Hintergrund bleiben, aber sie „füttern“ die Szene und den Helden.

Je nach Verlauf der Story können wir als Passagiere den Helden aufbauen oder ihm Probleme bereiten. Eine einfache Technik ist der Drehtür-Auftritt.

Beim Drehtür-Auftritt betritt man die Szene als außenstehender Spieler nur für eine kurze Sequenz, die aus nicht viel mehr als ein, zwei Sätzen besteht. Eine solche Szene kann eine Rückblende sein, eine Phantasie, eine Erinnerung oder auch eine parallele Handlung, die für die anderen Charaktere nicht sichtbar ist. „Drehtür“, weil man, kaum dass man aufgetaucht ist, schon wieder verschwunden ist. Der ursprüngliche Spielpartner bleibt in der kurzen Zeit der Drehtür-Sequenz auf der Bühne.

  1. Drehtür-Angebot als Rückblende:

A: „Das gesamte Grundstück wollen Sie mir abkaufen?“

B: „Natürlich. Die Parkraum-Equity AG bietet Ihnen 10 Millionen.“

A: „Dann könnte ich meiner Tochter ihre Karriere als Tänzerin finanzieren.“

à Drehtür-Angebot: Alter Mann auf Sterbebett: „Und denke daran, mein Sohn, dieses Natur-Reservat gehört unserer Familie schon seit 1688. Halt es stets in Ehren.“ (Stirbt. Spieler ab. Zurück zur Verkaufs-Szene.)

  1. Drehtür-Angebote als Rückblende und Parallel-Szene:

A: „Ihr kennt euch also nur über diese Flirt App?“

B: „Ja, er ist der charmanteste Typ, den du dir vorstellen kannst.“

à Drehtür-Angebot: Charmanter Junge mit Profil-Foto-Lä­cheln.

A: „Und heute Abend triffst du ihn das erste Mal richtig?“

B: „Ja, wir treffen uns am verlassenen Bootshaus hinter dem stillgelegten Hafen.“

A: „Wie aufregend!“

–> Drehtür-Angebot: Charmanter Junge diesmal düster lächelnd, der sich Handschuhe überzieht und seine Waffe einsteckt.

Das Drehtür-Angebot ist ein Montage-Mittel, das aus dem Film entlehnt ist. Es ist sehr effizient und kommt unseren durch den Film geprägten Seh-Gewohnheiten sehr entgegen.

Was fehlt? – Drehtür versus Möwe
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