Steffi war eine großartige Puppenspielerin. Unsere prominenteste Figur war der Pinguin Gerda, der es mehrmals schon auf die Bühne geschafft hat. Manchmal wurden wir gefragt, ob wir auch noch andere Kuscheltiere oder Puppen zuhause hätten. Wir mussten dann schmunzeln, denn es ist eine ganze Armada! Die Pinguin-Diva Gerda war ja nur einer von Dutzenden Pinguinen. Daneben gab es den Tröster-Hund Bau, das liebenswürdige Pferd Röhrt, dessen grobmotorischen Bruder Öhrt, die Puppe Mario (eine Mischung aus Sesamstraßen-Ernie, Pittiplatsch und Adolar), die Eule Schä und noch viele andere. Jede Puppe hatte ihre unverwechselbare Stimme und durfte auch von jedem gesprochen werden. Es ist fast überflüssig zu sagen, dass Steffi schon als Kind viel mit Puppen spielte. Aber sie tat das nicht wie andere Mädchen, sie verstand einfach nicht, wieso man Stunden damit verbringen sollte, Puppen zu kämmen und hübsch zu machen. Ihre Puppen und Kuscheltiere und Minifiguren waren wilde Charaktere, die sich untereinander stritten, laut brüllten oder neckten. In der „Fröschel-Schule“ hatte jeder Schüler einen anderen Charakter, der zum Chaos des Unterrichts beitrug. (Man muss sich diese Welten ähnlich chaotisch wie die des Ali Mitgutsch vorstellen.) Auf Urlaubsfahrten im Auto trällerte Gerda, Opern-Arien und nervte die Familie mit ihren anspruchsvollen Wünschen.
Als ich Steffi kennenlernte, lud sie mich einmal zu sich nach Hause ein, und mein Umgang mit den Kuscheltieren war quasi der Lackmus-Test für eine etwaige Beziehung. Ich muss den Test bestanden haben. Denn als ich wieder gegangen war, riet Gerda Steffi zu, sich auf eine Beziehung mit mir einzulassen. Mit den Figuren Mario und Röhrt hat Steffi Hunderte Gute-Nacht-Geschichten für unseren Sohn erzählt – von den ersten Kita-Parallelwelt-Geschichten Marios über die Storys, die Röhrt von seinen Erlebnissen mit den Beatles erzählte bis hin zu Marios Radio-Live-Sendungen zum Thema Astrophysik. (Mehr als 300 dieser im Schnitt 45 Minuten langen Geschichten gibt es als Audiodateien!)
In den letzten Tagen ihres Lebens konnte Steffi nur noch einzelne Worte sprechen. Später ging auch das nicht mehr. Eine Woche vor ihrem Tod sprach sie einen ihrer letzten vollständigen Sätze mit großer Leichtigkeit – in der Stimme unseres Pinguins Gerda.
Eine parallele Welt