Liebe Kollegen!
Mein Name ist Deniz Döhler, und ich liebe und lebe das Improvisationstheater seit nunmehr über 12 Jahren. Die letzten 8 Jahre sogar so sehr, dass es meiner Frau Christiane Döhler und mir möglich war davon als Familie hauptberuflich leben zu können. Wir haben durch das Improvisationstheater viele Geschenke im Leben erhalten, für die wir unendlich dankbar sind, sei es die Bekanntschaft und Freundschaft zu anderen Improspielern und -gruppen, Workshopleitern, unseren eigenen Kursteilnehmern oder die Möglichkeit Improtheater in Kindergärten, Schulen, Universitäten, soziokulturellen Einrichtungen und Firmen vorstellen oder einsetzen zu dürfen.
Nie hätten wir uns träumen lassen, dass die Fähigkeiten die uns das Improvisationstheater vermittelt hatte uns einmal bei der wichtigsten Aufgabe unseres Lebens einen unschätzbaren Dienst erweisen würden: Nämlich unseren Sohn Luka Maximilian aus seiner autistischen Welt in unsere zu holen. Vielleicht kennen einige von Euch schon unsere Geschichte mit unserem mittlerweile 3-jährigen Sohn Luka der mit 22 Monaten die Diagnose „dringender Verdacht auf frühkindlichen Autismus“ erhielt. Hier eine kurze Zusammenfassung:
Noch bis vor Kurzem nahm Luka nichts in den Mund, und man konnte ihn nicht im Gesicht berühren. Er lehnte es ab, mit einem Löffelchen gefüttert zu werden, und so gestaltete sich das Abstillen außerordentlich schwierig. Schließlich verweigerte er Beikost total, und mit knapp einem Jahr wog Luka weniger als 7 Kilogramm.
Er spielte nicht wie andere Kinder, sondern ließ in stereotyper Art und Weise Objekte wie z. B. eine Schüssel stundenlang kreiseln. In der Gegenwart von gleichaltrigen Kindern schien er verloren, bewegte sich entweder gar nicht vom Fleck, oder weinte, wenn es ihm zu laut wurde. Irgendwann fing er an, die Kinder in seiner Krabbelgruppe ins Gesicht zu kneifen, keine pädagogische Herangehensweise half, dieses Verhalten zu korrigieren. Wir begannen, den Kontakt mit gleichaltrigen Kindern zu vermeiden.
Luka mit 18 Monaten: er hatte keinen Zugang zu Sprache (er verstand nichts, geschweige denn konnte er reden), er zeigte nicht auf Gegenstände, um etwas zu bekommen, sein Blickkontakt war unvollständig, er hatte kein Gefühl für Gefahr. In dem Maße, wie Luka „sonderbarer“ wurde, wurde unser Familienleben anstrengender.
Als er 19 Monate alt war, und bei den Experten, die wir konsultierten, das erste Mal das Wort Autismus fiel, begannen wir zu recherchieren und hörten von einem, in Deutschland noch recht unbekannten, Autismus-Programm aus den USA, dem Son-Rise® Programm. Dieses wurde in den 70er-Jahren von Eltern für ihr damals autistisches Kind entwickelt. 3 Jahre lang arbeiteten sie intensiv mit ihrem Sohn, und im Laufe dieser Zeit verlor er seine autistischen Merkmale komplett. Dieses Kind, das im Rahmen seiner Diagnose mit einem IQ von unter 30 eingestuft wurde, dessen Eltern man anriet, „diesen hoffnungslosen Fall am besten in eine Institution einzuliefern“, besuchte im Erwachsenenalter eine Eliteuniversität und leitet heute das Autism Treatment Center of America.
Nähere Infos entnehmt bitte der Internetseite www.autism-treatment-center.org. Bei weiterem Interesse am Son-Rise®-Programm hätten wir auch eine BBC-Dokumentation auf DVD auf Wunsch zur Verfügung.
Dieses Programm ist sehr zeit- und kostenaufwendig, da es je nach den Möglichkeiten des Kindes und der Eltern sowie bei guter Verträglichkeit bis zu 60 Stunden die Woche durchgeführt werden kann. Das funktioniert nur, wenn man unterstützt wird. Wir als Eltern sind ohne die Hilfe und Mitarbeit von ehrenamtlichen Helfern ziemlich aufgeschmissen. Und so war es denn auch unser erstes Ziel, 5-8 gute Geister zu finden, die jeder 4-6 Stunden die Woche mithelfen würden. Als wir über das Programm lasen, übersetzten wir die Techniken in den Impro-Jargon. Für uns ein naheliegender Gedanke, aber entscheide selbst, ob es für Dich auch so ist:
Das Programm findet in einem Spielraum statt, der extra für das Kind eingerichtet wird. In diesem Raum soll alles erlaubt sein, und es soll dem Kind Spass und Lebensfreude bereiten, sich darin aufzuhalten. = Aha, das ist wohl ein „Au-Ja-Raum“
Hier spielt man dann mit dem Kind auf eine akzeptierende und wertungsfreie Art und Weise, d. h. wenn das Kind z. B. stundenlang Gegenstände dreht, akzeptiert man dies und macht sogar mit, flattert es mit Armen, flattert man auch, schaukelt es selber ununterbrochen hin und her tut man das auch. Dadurch, dass man als erstes die autistische Welt des Kindes betritt und dort das „Ja-Spiel“ mit ihm spielt, baut man eine Vertrauensbasis auf. = Hmm – Impulse annehmen, akzeptieren und „Au-Ja“ spielen. Wieder vertrautes Terrain.
Ist die Vertrauensbasis etabliert werden die Spiele interaktiver, und je nach Herausforderung des Kindes liegt der Fokus auf Kommunikation, Interaktion, Blickkontakt oder Körperkontakt. Im 2. Schritt wird das Kind dann über die Energie, den Enthusiasmus und die Begeisterungsfähigkeit des Erwachsenen der mit ihm spielt motiviert, sich immer länger in unserer Welt aufzuhalten, sich mehr und mehr aus seiner autistischen Welt hinauszuwagen. = Ha, Überakzeptieren, positiv bleiben und Handlung vorantreiben!
Die Spieleinheiten werden von den Eltern durch einen Observierungspiegel hindurch beobachtet, und der Erwachsene erhält am Ende seiner Sitzung mit dem Kind ein detailliertes Feedback. Was lief gut? Was kann man noch verbessern? Und natürlich wie kann man effektiver spielen / kommunizieren. Alle 14 Tage trifft man sich dann zum Training und zur Supervision mit allen Helfern und wertet die Ergebnisse gemeinsam aus, formuliert neue Ziele und sucht nach geeigneten Techniken und Spielen, um das Kind genau da abzuholen wo es gerade ist. = Das klingt fast wie Vor- und Aufbereitung einer Vorstellung…
Doch wo findet man nun blos Menschen, die all die Fähigkeiten besitzen, die es auszuhalten durch einen Spiegel hindurch beobachtet und angeklotzt zu werden, die spontan, kreativ und interaktiv spielen können, Impulse akzeptieren und bei Bedarf verstärken oder umwandeln können und darüber hinaus auch noch team- und feedbackfähig sind???
Na, und dann fiel bei uns endlich der Groschen: Natürlich im Improtheater!!! Und nach anfänglicher Schüchternheit begann ich, einer ersten Kursteilnehmerin aus einer unserer Improworkshops von den Parallelen des Programms und Impro zu erzählen und sie sagte sofort ja zu Spieleinheiten mit unserem Kind.
2 Monate später waren wir 10 Improspieler, wir erklärten uns das Programm immer in der Fachsprache des Improtheaters, suchten ständig nach passenden Improspielen oder -techniken, die uns beim Erreichen unserer Ziele unterstützen könnten. Lukas Entwicklung ging ab wie eine Rakete.
Nach über 12 Monaten Therapie nach der Son-Rise®-Methode mit vielen Improspielern als ehrenamtlichen HelferInnen und einer Einzelfallhelferin, die jedeR durchschnittlich 4-6 Stunden die Woche mit Luka im Rahmen des Programms bei uns zu Hause arbeiten,
hat Luka nun einen
– sehr guten Blickkontakt,
– er hat das Kauen gelernt,
– er isst und trinkt selbstständig alles, was wir auch zu uns nehmen,
– putzt sich die Zähne, und
– er beginnt, aufs Töpfchen zu gehen.
– Seine Körpergröße und sein Gewicht sind seit mehreren Monaten wieder altersgerecht.
– Aber das Schönste ist, dass unsere Kinderärztin seine Sprachentwicklung als altersgemäß eingestuft hat,
– er den Kontakt zu Menschen und seit Kurzem auch zu Kindern von sich aus sucht,
– Körperkontakt regelrecht einfordert, und
– dass Luka eine altersgerechte Interaktionspanne beim Spielen hat.
Wir haben einen Integrationskindergarten für Luka gefunden, wo ein Erzieher und ein Heilpädagoge nach Son-Rise® mit uns zusammen arbeiten werden, um es Luka zu ermöglichen, dort in einem geschützten Rahmen das Interagieren mit Gleichaltrigen zu erlernen.
Unsere Kinderärztin und alle Helfer vom Jugendamt sind sich einig, dass das Programm für Luka ein Riesenerfolg ist und dass es weitergehen muss wie bisher. Leider wird das Programm bislang nicht von der Krankenkasse finanziert, da es als Therapie in Deutschland weder wissenschaftlich anerkannt ist, noch es in Deutschland ausgebildete Son-Rise®-Therapeuten gibt. Deshalb fliegen wir regelmäßig in die USA zu Fortbildungen bzw. werden ausgebildete Therapeuten einfliegen lassen müssen.
Wir erhalten zwar unabhängig vom Programm für Luka Pflegegeld der Stufe I (monatlich 205,- €) und Zusatzleistungen gem. §45 (jährlich 406,- €), wofür wir auch dankbar sind, aber diese decken nicht im geringsten die Kosten für Lukas Therapie-Programm in diesem Jahr.
Die Kosten für Lukas Son-Rise®-Programm in 2008 betragen um die 25.000,- €. Diese Summe beinhaltet 2 x 1 ganze Fortbildungswoche am Institut in den USA, monatliches Feedback und Beratung vom Institut durch Videofeedback und Telefonkonsultationen, einen 7-tägigen Besuch eines ausgebildeten Son-Rise®-Therapeuten bei uns zu Hause, um mit Luka direkt zu arbeiten und zwecks Weiterbildung, Feedback und Supervision unseres mittlerweile 12-köpfigen Teams
Anschaffungen von ergänzendem Therapiematerial aufgrund Lukas jeweiligen Entwicklungsgrades
Den Bau eines Ja- Raums auf dem Gelände von Lukas Kindergarten.
Wir werden für die Kosten weiterhin selbst aufkommen – so gut wir nur können, aber aufgrund unserer Lebensumstände mit Luka sind unsere Einnahmen aus unserer freiberuflichen Tätigkeit als Theaterpädagogen und Schauspieler in den letzten 2 Jahren unter das Existenzminimum für eine dreiköpfige Familie geschrumpft, weshalb wir Dich hiermit um eine Spende bitten: In Form der Teilnahme als Spieler und vielleicht sogar Workshopleiter beim Benefizimprofestival „Improv Meets Autism“
Inspiriert von Lukas Erfolg, beginnen Eltern von Kindern aus dem Austismusspektrum mit uns Kontakt aufzunehmen. Gerne möchten wir diese mit den eingegangen Spendengeldern auch unterstützen.
Um das Programm und Luka näher kennenzulernen besucht bitte unsere Internetseite www.fuer-Luka.de. Wir laden Dich natürlich auch herzlich ein, uns besuchen zu kommen, falls Dir das möglich ist und Du in Berlin wohnst oder zufällig in der Stadt sein solltest. Das Pro
gramm läuft täglich von 9-12 und 16-19 Uhr plus alle 14 Tage Supervision und Training donnerstags von 19-21 Uhr. Ansonsten kannst Du uns auch jederzeit unter (030) 43 20 39 01 anrufen oder uns eine e-mail Schreiben unter info [at] improtheaterberlin.de
Wir haben natürlich volles Verständnis wenn Du oder Deine Gruppe aus welchen Gründen auch immer nicht teilnehmen wirst / kannst oder möchtest. Aber vielleicht möchtest Du uns auf eine andere Art unterstützen. Melde Dich einfach, wir würden uns sehr freuen von Dir/Euch zu hören, bekannter oder unbekannterweise.
Vielen Dank dass Du Dir die Zeit genommen hast, diese Zeilen zu lesen
Improvisiere Dich heiter und gelassen durch den Alltag
Liebe Improgrüsse
Deniz und Christiane Döhler
Spieler beim Improtheater Berlin: the WäM!
Paternoster und Fatma-Express
Vielen Dank • Berlin im März 2008