382. Nacht
Abu Nuwâs vergnügt sich mit den Knaben bei Wein und Gesang.
Als aber die Trunkenheit den Abu Nuwâs übermannte, und er den Unterschied zwischen Hand und Haupt nicht mehr kannte, drang er mit Kuss und Umarmung auf die Jünglinge ein, legte Bein auf Bein hatte für Sünde und Scham keine Sinn und sprach diese Verse vor sich hin:
Vollkommne Freude bringet nur ein Jüngling,
Der trinkt in schöner Zeitgenossen Kreis.
Der eine singt ein Lied, der andre grüßt ihn.
Wenn er ihn mit dem Becher zu erquicken weiß.
Und hat er dann nach einem Kuss Verlangen,
So reicht ihm jener seine Lippe dar.
Gott segne sie! Schön war mein Tag bei ihnen;
Ein Wunder ist’s, wie er so herrlich war!
Nun lasst uns trinken, ob gemischt, ob rein.
Und wer da schläft, soll unsre Beute sein.
Für einen im Trunkesrausch Delirierenden improvisiert er doch noch recht flotte Verse.
Plötzlich tritt jedoch Kalif Harûn er-Raschîd hinzu, der am nächsten Tag seinem Schwertträger Masrûr befiehlt,
er solle dem Abu Nuwâs die Kleider herunterreißen, ihm den Packsattel eines Esels auf den Rücken binden, einen Halfter um seinen Kopf und einen Schwanzriemen um sein Gesäß legen und ihn so umherführen in den Gemächern der Sklavinnen.
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383. Nacht
Der Kalif befiehlt außerdem, Abu Nuwâs anschließend das Haupt abzuschlagen.
Abu Nuwâs aber machte überall Scherze, und jeder, der ihn sah, gab ihm etwas Geld, so dass er mit vollen Taschen zurückkehrte.
Als Dscha’far der Barmekide hinzutritt und ihn fragt, was das soll, entgegnet er:
"Ich habe nichts verbrochen; ich habe nur unserem Herrn und Kalifen meine schönsten Verse als Geschenk dargebracht, und da hat er mir sein schönstes Gewand geschenkt."
Der Kalif lacht, begnadigt ihn zahlt ihm zehntausend Dinar aus.
Klassische Narrenfreiheit. Dem Dichter und Narren wird nur deshalb vergeben, weil er diese Narrenfreiheit auch bis ans Äußerste ausnutzt. Täte er es nicht, wäre er tot.
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Die Geschichte von Abdallâh ibn Ma’mar und dem Manne aus Basra mit seiner Sklavin
Ein Mann aus Basra kauft eine junge Sklavin, die er erziehen und unterrichten lässt.
Er hing an ihr in leidenschaftlicher Liebe.
Aber als ihn die Armut bedrückt, meint sie zu ihm:
"Mein Gebieter, verkauf mich!"
Der Emir von Basra Abdallâh ibn Ma’mar kauft sie für fünfhundert Dinare, doch als er die Sklavin seufzend dichten hört,
rief er aus: "Bei Allah, ich will nicht zu eurer Trennung behilflich sein; denn ich weiß nun, dass ihr einander lieb habt. So nimm das Geld und die Sklavin, o Mann, und Allah gesegne dir beides!"
(…)
Und sie sind immerdar beieinander geblieben, bis der Tod sie geschieden hat – Preis sei Ihm, dem der Tod nicht naht!
Anscheinend nur eine Anekdote, um den Emir zu preisen.
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Die Geschichte der Liebenden aus dem Stamme der Udhra
Ein Mann aus dem Stamme der Udhra verliebt sich unsterblich in eine Frau aus seinem Stamme, die ihn aber spröd zurückweist.
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384. Nacht
Er verweigert die Nahrung, bis er im Sterben liegt. Erst dann besucht sie ihn.
"Hätte ich das gewusst, so hätte ich mich deiner Not angenommen und wäre nach deinem Wunsche zu dir gekommen."
Er stirbt nach dem Rezitieren:
Sie nahte sich, als schon der Tod uns beide trennte,
Und sie versprach Erhörung, als es nutzlos war.
Sie weint, fällt in Ohnmacht und stirbt drei Tage später,
und wurde in seinem Grabe bestattet.
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Die Geschichte des Wesirs von Jemen und seines jungen Bruders
Der Wesir von Jemen, Badr ed-Dîn, hat einen schönen Bruder, den er behütet, allerdings verliebt sich der Scheich, der ihn unterrichtet, in ihn.
Die beiden verabreden sich eines Nachts heimlich, und der Scheich trinkt, schmust und singt mit dem schönen Jüngling. Der Wesir spürt sie schließlich auf, und als der Scheich ihn erspäht, singt er ihm zu
Er gab mir den Wein seiner Lippen zu trinken;
Mit Zierde des Wangenflaums trank er mir zu.
Und Wange an Wange, in meiner Umarmung,
Ging heute der Schönste der Menschen zur Ruh.
Der leuchtende Vollmond schein auf uns hernieder;
Nun bittet ihn: Sag es dem Bruder nicht wieder.
Die Güte des Herrn Badr ed-Dîn aber zeigte sich dadurch, dass er, als er diese Verse vernahm, ausrief: "Bei Allah, ich will euch nicht verraten!", und fortging, indem er die beiden ihren Freuden überließ.
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Die Geschichte von dem Liebespaar in der Schule
Ein freier Jüngling und eine junge Sklavin besuchten einst die gleiche Schule; und der Jüngling wurde von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen.
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385. Nacht
Er schreibt ihr diese Verse:
Was sagst du nur von dem, der übergroße Liebe
Zu dir so krank gemacht, dass er ganz ratlos ist?
Es klagt das Leiden nun, in Sehnsucht und in Schmerzen;
Er kann nicht mehr verbergen, was ihm das Herz zerfrisst.
Sie antwortet ihm auf der selben Tafel darunter:
Wenn wir den, der da liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.
Er soll den Liebeswunsch bei uns erfüllet sehn;
Und was geschehen soll, das möge dann geschehn!
Sowohl der Lehrer als auch der Herr der Sklavin finden ermutigende Verse. So schreibt letzterer:
Euch trenne Allah nie in eurem Leben;
Und wer euch feind ist, soll im Elend untergehn!
Jedoch der Lehrer ist, bei Gott, der größte Kuppler,
den meine Augen je in dieser Welt gesehn.
Er lässt den Kadi die Eheurkunde für die beiden schreiben, und das war’s.
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Die Geschichte von el-Mutalammis und seine Weibe Umaima
Der Dichter el-Mutalammis flieht eines Tages vor der Tyrannei des en-Nu’man ibn el-Mundhir und muss dabei seine Gattin Umaima zurücklassen.
Nach einer Weile verheiratet man sie gegen ihren Willen, gerade an dem Tag als el-Mutalammis wieder zurückkehrt. Als sie unterm Baldachin traurig Verse über ihren verlorengegangenen Gatten rezitiert, ruft dieser zurück:
Ganz nah bei dir ihm Hause, o Umaima, wisse:
An jedem Halteplatz dacht ich in Treuen dein.
Der Bräutigam lässt dem anderen den Vortritt, natürlich in Bezug auf dessen Verse reimend:
Ich war im Glück; doch jetzo hat es sich gewendet;
Ein gastlich Haus und Raum schließt nun euch beide ein.
So verließ er die beiden und ging davon.
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Die Geschichte von dem Kalifen Harûn er-Raschîd und der Herrin Zubaida im Bade
Harûn er-Raschîd lässt seiner Gattin einen Lustgarten mit einem baumumwachsenen Teich anlegen.
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386. Nacht
Eines Tages, badet sie sich darin.
Sie blieb im Wasser, das nicht tief genug war, um den, der in ihm stand, ganz zu bedecken, aufrecht stehen, schöpfte mit einer Kanne aus reinem Silber und goss es über ihren Leib.
Der Kalif, als er hört, dass sie ein Bad nimmt, begibt sich zum Teich, um sie zu beobachten. Sie bemerkt ihn.
Aber aus Scham vor ihm legte sie ihre Hände auf ihren Schoß; freilich konnte sie ihn nicht ganz bedecken, da er so rund und groß war.
Wie bitte? Schwierig, etwas über derartige Schönheits-Ideale bei Google zu finden, ohne auf einschlägigen Seiten zu landen.
Der Kalif beginnt zu dichten:
Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid erfacht…
Allerdings kommt er mit seiner Dichtung nicht weiter und bitte also den Dichter Abu Nuwâs, das Gedicht zu vollenden.
Der natürlich wieder einmal vor das Problem gestellt wird, etwas Ungesehenes zu beschreiben und das Vermutete nicht benennen zu dürfen.
Er fährt also fort:
… von der Gazelle, die mich ganz bestrickt,
Als ich im Lotusschatten sie erblickt.
Und Wasser floss auf ihren Schoß, so klar,
aus einer Kanne, die von Silber war.
Als sie mich sah, da hat sie ihn bedeckt;
Doch ihre Hand hat ihn nicht ganz versteckt.
O könnte ich doch glücklich bei ihr sein,
Ein Stündlein oder auch zwei Stündelein.
Da lächelte der Kalif über seine Worte und machte ihm ein Geschenk; der Dichter aber ging erfreut von dannen.
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Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den drei Dichtern
Wir beginnen klassisch:
Eines Nachts ward der Beherrscher der Gläubigen Harûn er-Raschîd von großer Unruhe geplagt.
Er begegnet einer betrunkenen Sklavin, deren Kleidung sich löst.
Er bat sie um ihre Liebesgunst; aber sie erwiderte ihm: "Lass mir bis morgen abend Zeit, o Beherrscher der Gläubigen! Ich bin nicht auf dich vorbereitet."
Als er sie am nächsten Tag zu sich bittet, lässt sie ihm ausrichten:
"Der helle Tag verwischt das Wort der Nacht."
Das ist nun aber wirklich beeindruckend: Die Sklavin kann den Wunsch des Beherrschers der Gläubigen abschlagen?
Drei Dichtern befiehlt er, daraus etwas zu dichten: er-Rakâschi, Abu Mus’ab und Abu Nuwâs.
Hier finden wir den Spruch: Ein Fluch von Abu Nuwâs in der Hölle enthält mehr Poesie als ein Lobspruch von er-Rakâschi im Himmel.
Nachdem sie ihre Arbeit getan haben, befiehlt der Kalif, den ersten beiden ein Geschenk zu machen, aber Abu Nuwâs den Kopf abzuschlagen, da er vermutet, der sei am Abend davor dabei gewesen. Der verteidigt sich, er habe den Inhalt nur aus dem Gesagten des Kalifen zusammengesetzt.
"Allah der Erhabene, der von allen die lauterste Wahrheit spricht, hat gesagt: Und den Dichtern folgen die Irrenden nach. Siehst du nicht, wie sie in jedem Wadi verstört umherlaufen, und wie sie reden, was sie nicht tun?"
Abu en-Nuwâs
Daraufhin lässt Harûn er-Raschîd ihm zwanzigtausend Dirhems auszahlen.
Die Impulsivität des Kalifen lässt ihn einem richtig ans Herz wachsen.
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Die Geschichte von Mus’ab ibn ez-Zubair und Aischa bint Talha
Mus’ab ibn ez-Zubair verliebt sich in Aischa bint Talha.
Mus’ab ibn ez-Zubair war Heerführer des Gegenkalifen Abdallah ibn az-Zubair
Azza in Medina berichtet ihm:
"Ihr Antlitz ist schöner als die Gesundheit; sie hat große Augen und darunter eine Adlernase, glatte und runde Wangen und einen Mund gleich einer Blüte des Granatapfels. Ihr Hals gleicht einer silbernen Kanne, und darunter ist der Busen mit zwei Brüstlein, die wie ein Paar von Granatäpfeln sind; und weiter darunter hat sie einen schlanken Leib mit einem Nabel, der einem Elfenbeinbüchslein gleicht; Hüften hat sie wie zwei Sandhügel, und ihre Waden gleichen zwei Säulen aus Alabaster; doch ich sah, dass ihre Füße groß sind. Du wirst bei ihr die Zeit der Not vergessen." Nachdem Azza ihm Aischa mit solchen Worten beschrieben hatte, nahm Mus’ab sie zur Frau und ging zu ihr ein.