Nach mehreren Nächten mit schrecklichen 2.-Weltkrieg-Träumen, in denen ich entweder an der Front oder im KZ leide, mildert sich die Heftigkeit meiner nächtlichen Erlebnisse. (Vor ein paar Jahren stellten wir in einer After-Show-Diskussion bei der Reformbühne fest, dass sämtliche anwesenden Ostler schon von Hitler geträumt hatten, die Wessis hingegen noch nie.) In der letzten Nacht wollte mir lediglich die Stasi an den Kragen. In einem dramaturgisch gewagten Cut wechselte der Schauplatz zu einer S-Bahn, in der mein vor nunmehr sechzehn Jahren verstorbener Freund Ralf Gitarre spielte. Und zwar eigenartigerweise so, wie er immer Gitarre spielte. Ich muss dazu sagen, dass die akustischen Facetten meiner Träume eher verschwommen sind. Ich träume eher, dass jemand etwas sagt, als dass ich träumend hören würde, wie er das sagt. Aber das Gitarrespiel hörte ich genau. Wenn ich von Verstorbenen träume, wollen sie meistens verschwinden, also das, was sie ja in der Wirklichkeit auch getan haben – Verschwinden. Leise ahnend, dass es ja doch nur ein Traum ist, wage ich dann erst gar nicht zu fragen, wie es denn sein könne, dass er sich in all den Jahren nicht gemeldet habe, wenn er nun doch lebe. Diesmal aber war es anders. Ralf nahm seine schlecht gestimmte Gitarre, quetschte sich in eine vollbesetzte S-Bahn-Bank und improvisierte dudelnd auf einem D-Dur-Akkord herum. Selbst seine Stimme hörte ich deutlich.

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Mi, 24.1.07

E-Mail Diskussion über die anstehende Geburt von Stephans Tochter – soll man ihr, solange sie noch im Mutterleib ist, eher Mozart oder Tocotronic vorspielen?
"Theatersport Berlin" kündigt die Premiere von "Bühnenpiraten" am Kudamm an.
Schöne Impro-Show mit der Bö im Zebrano.

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Über die Schönheit der DDR-Kindermärchenplatten, die von den Schauspielstars gesprochen wurden. Fred Düren, Rolf Ludwig, Klaus Piontek, Elsa Grube-Deister, Kurt Böwe, Dieter Mann, Dietrich Körner, Jutta Wachowiak. Klaus Piontek hatte ein Abonnement auf die kindlich-jugendlichen Helden wie Zwerg Nase.
"Der Froschkönig" umgeschrieben auf das Leiden des Jochen Schmidt.
Bemerkenswerte Änderung vom Blog zum Buch: Aus dem "eisernen Dan" wird nun doch der "eiserne Heinrich". Gut, die Leser hätten "Dan" nicht verstanden. Ich aber schon.

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Und Marcel beschließt nun tatsächlich, jeglicher sozialen Kontakte zu entsagen und sich allein dem Schreiben zu widmen. Im Grunde ist jeder Künstler ein Autist auf Zeit, man betreibt sein Spiel und muss nicht mehr auf die anderen hören. In Abstufungen natürlich. Aber bei Schriftstellern vielleicht am ehesten.
Marcel beschließt, niemanden mehr zu empfangen, da er "ein Rendezvous mit meinem Ich" habe.
Die "große Berma" (nur eine versuchsweise Suche im Blog gibt mir Aufschluss darüber, dass schon mehrfach von ihr die Rede war) vereinsamt, da alle sich den Guermantes zuwenden. Warum funktioniert die eine Lesebühne und die andere nicht. Wenn ich beim lebendigen griechischen Schnellrestaurant einen Schweinespieß esse, fällt mein Blick auf die gegenüberliegende Seite zum Türken, der sich wirklich alle Mühe gibt, bei dem sich höchstens zwei Teenager mit einer Cola langweilen. Sein Leiden dürfte nicht geringer sein als das der großen Berma.

Do, 25.1.07

Vollständige Besetzung bei der Chaussee. 240 Zuschauer. Die Enthusiasten in Hochform. Schöner kann es kaum sein.

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Man höre, so Jochen, Schriftstellern lieber zu als Bekannten, die ja dieselben Tragödien erlebten.
Und Schreiben? "Wozu soll man Prousts Experiment beim Schreiben wiederholen? Der Rückzug in die Erinnerung ist ja eher ein menschliches Schicksal als eine freie Entscheidung." Im Blog schreibt Jochen noch treffender: "Der immer zwanghaftere Rückzug in die Erinnerung…" Mit anderen Worten, unser Hang, die Vergangenheit zu verklären, den "verlorenen Paradiesen" nachzutrauern, ist eher ein Zwang. Und was zwanghaft ist, ist nicht schicksalhaft. So wie wir uns eher nach dem Sofa als nach den Laufschuhen sehnen und es eine magische Anziehungskraft ausübt, ist es auch mit der paradiesischen Vergangenheit – wir verklären die Zeit, die sorglos war, da wir nicht handeln mussten. Und um das Bild vom Paradies zu schärfen – ähnlich wie Adam und Eva waren wir blind für die wirklichen Grenzen aber auch die wirklichen Möglichkeiten. Das ist, je nach Perspektive, anstrengend, traurig, beängstigend oder leicht, erfreulich, ermutigend.

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Die Herzogin von Guermantes lebt vom Ruhm vergangener Zeiten. J.S.: "Vielleicht werde ich so meine Tage als vorlesender Autor beschließen, einfach nur noch die Bühne betreten, schweigen und damit noch einmal den Glanz früherer Darbietungen heraufbeschwören."

24.-25.1.07
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