Im Hausflur ein Doppeljahrgang 2005/2006er Men’s Health zum Mitnehmen. Greife mir ein Heft heraus. Es ist schwer, dieses Heft zu fassen zu bekommen. Es ist ja nicht völlig doof. Doof vielleicht auf eine spezielle Männer-Art. Listen, Listen, Listen. Bildung, Konsum, Gesundheit – alles dient dem Protzen. Und so wie bei healthy living immer eine sanft lächelnde 30jährige im leichten Farben uns anlächelt, protzt bei Men’s Health anscheinend immer derselbe Waschbrettbauch vom Cover. Gibt es Männer, die sich davon kirre machen lassen, so wie Diät-Fanatikerinnen?
Der Idealtyp der Men’s Health ist ein sportiver Frauenversteher, der ein paar dufte Gerichte zusammenzaubern kann, der teure Uhren trägt, einen lockeren eleganten T-Shirt-und-Anzug-Stil bevorzugt, der seine Freundin liebt, aber am laufenden Band Weiber aufreißt, der im Prinzip gesund lebt, aber eine gute Zigarre zu schätzen weiß, der mit seinen Kumpels in angesagten Kneipen Fußball guckt, allein in den Ki- oder Surf-Urlaub fährt und weiß, was PMS ist und wer Dostojewski war.
Der wahre Leser des Heftes schlägt sich wahrscheinlich seit Jahren mit einem Bauchansatz herum, kompensiert Liebe mit Geldgeschenken, ist regelmäßiger Kunde des nahegelegenen Bordells, hat einen uneingelösten Gutschein fürs Fitness-Studio, fliegt im Sommer in die Dominikanische Republik, fährt einen Wagen zwischen Opel und BMW und glaubt, Stil habe etwas mit Geldausgeben zu tun.
Artikel, die mich interessieren:
– "In vierzehn Tagen zur Strandfigur" – Ich kann mir nicht helfen, für solche Instant-Lösungen bin ich auch immer zu haben.
– Fitness auf dem Kinderspielplatz – Preise für Fitness-Studios finde ich meist zu teuer, und die Betreuer liegen mir nicht.
– Retten Sie Ihren Urlaub! Tödliche Gefahren, die von Bibern, Seeanemonen und Würfelquallen drohen.
– Sex – was Frauen uns verschweigen.
– Was man über Hunde unbedingt wissen muss (Aber das auch nur, weil ich gerade dabei bin, meine Kynophobie zu überwinden
Artikel, die ich nur auf einer einsamen Insel lesen würde, wenn es denn keine andere Lektüre in den 30 Jahren meines Aufenthaltes dort gäbe:
– Stärker als Jan Ulrich
– Das macht Sie zum Grillgott
– Die besten Anmachtipps – Die 5 leckersten Dressings
– Genug geschwitzt – Die effektivsten Strategien gegen nasse Achseln, feuchte Hände und Schweißfüße
– Das wird ihr Flirt-Sommer – Was Frauen wirklich von Ihnen wünschen
– So bekommen Sie Ihre Versagensängste im Job in den Griff
– Hier finden Sie die schönsten Buchten
– Nicht schon wieder ans Meer! Ein Biwak an der Eigernordwand
– Mode-News
– Geschickte Outfits
– Frischer Wind für Ihre Garderobe
– Digitalkameras für die Weltmeisterschaft
– Der Soundtrack für die heißen Tage
– "Ich kann keinen Fußball mehr sehen"
– Unser Fußball-Special zur WM
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Di, 14.11.06
Eine Mail von Steffis amerikanischer Freundin:
> Ich geniesse noch mein Chausse-der-Entusiastin CD. Ich arbeite jetyt bei einer Firme wo ich Forschung auf deutsch mache. Ich habe das CD zu meinem Chef geliehnt. Er dachte es war totally cool.
Meine Klagen über die Weddinger Comedy-Show beantwortet Jochen mit dem Hinweis auf "die beiden ibsen-sachen an der schaubühne"
Honeckers FDJ-Ausweis wird bei Ebay angeboten.
Ersteigere einen guten Rasierpinsel für 2,20 Euro.
Die Übersetzung des Seneca-Textes hält Jochen vom Bloggen ab. Der entscheidende, schwierige Satz:
"Caesaris prima tempora loquitur nec, quod te imitari velit, exemplar te quaerit."
Wie würde man an diesen Satz herangehen, wenn man, wie ich, kein Latein kann? Ich versuche es. Zunächst, Wort für Wort, das eine oder andere hat man schon mal irgendwo gehört.
– Caeasaris – Kaiser – plural?? dekliniert?
– Prima – erste/r/s
– tempora – zeit(lich)
– loquitur – ?? Vielleicht irgendwas mit "Ort", von wegen "Lokus" itur kennt man von Abitur. Etwas erreichen? Den Lokus erreichen?
– nec – ?? Völlig unklar. Erinnert mich an "Hic" und das "N" verneint etwas. Vielleicht "Hier nicht"? Unwahrscheinlich.
– quod – Bekannt aus "Quod erat demonstrandum" ("Was zu beweisen war"), also "Was"
– te – ?? Vielleicht "dich" wie im Spanischen
– imitari – imitieren. Das "i" als Suffix könnte, so wie im Persischen und im Russischen auf die 2. Person Singular hinweisen.
– velit – "drehen". Bekannt aus dem ersten Lied von Carmina Burana. "Oh fortuna, velet luna"
– exemplar – Beispiel
– te – s.o.
– quaerit – ?? Auch völlig unklar. Wenn ich das Wort hin und her kaue, denke ich an "Aqua" und "equal". Vielleicht irgendwas mit glatt.
So. Was kommt dabei durch reine Aneinanderreihung heraus?
Kaiser erste zeitlich Ort erreichend, was du imitierst drehen, Beispiel dich glatt.
Daraus baue ich den Satz:
Egal, wie du dich auch auf den Kopf stellst um sie zu imitieren, die Kaiser sind doch immer schon vor Ort und plätten dich.
Klingt sinnvoll. Ich google und muss feststellen, das Jochen das Wort "extra" vergessen und der Satz den Zusatz "principatus tuus ad gustatum exigitur" hat. Die Übersetzung lautet:
Niemand sucht das Vorbild, das er dich nachahmen sehen möchte, außerhalb deiner: deine Regierung als Princeps wird nach dem Vorbild der eben gekosteten gefordert.
Ah ja, Macchiavellische Tipps statt "Hase und Igel". Aber ich hab’s wenigstens versucht.
Charlus weiß nicht (oder gibt vor, nicht zu wissen), was die anderen über seine Invertierung wissen. Man spottet über ihn und (M.P.:) "derjenige, welcher liebt, gezwungen ist, immer von neuem einen Versuch zu machen und sein Gebot dauernd zu erhöhen.
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Mi, 15.11.06
Jochen sendet uns Show-Inspirationen in Form der Diskussionen bei der BL-Show.
Anfrage von Comedy-Central. Ich sage zu. Erst mal nur per Internet.
A.G.: "gestern verstrich der Stichtag zwecks Abgabe der Urlaubsgeschichte." Hatte mich nicht überwinden können, über meine erste Russlandreise im November 1989(!) zu schreiben, meine einzige Pauschalreise.
Wieder unschöne Show und unschöne Stimmung bei BÖ. Was nur zieht uns hier runter. Der Geschmack geht zu weit auseinander, die Publikumszahlen sind nicht befriedigend, es gibt nicht genügend Geld, was als Kitt dienen könnte.
Jochen im Internetcafé in Berlin. Wieso das? Im Buch sind wir bei "Mittwoch". Der Original-Post verrät allerdings Donnerstag 19.21 Uhr, also kurz vor Chaussee-Beginn.
J.S: "Man wartet ja in seinem Leben sowieso ständig darauf, dass sich endlich der Moderator zu erkennen gibt, und es heißt ‚Verstehen sie Spaß?’" Der entscheidende dramaturgische Fehler bei Truman-Show bestand meines Erachtens darin, dass man als Zuschauer schon wusste, worauf alles hinauslief. Die Perspektive von Truman wäre viel interessanter gewesen: Ein fröhlicher Mensch, dessen bester Freund immer im richtigen Moment mit einem Sixpack ankommt, der einen gut bezahlten Job hat, vielleicht ein bisschen ängstlich, und dessen Überängstlichkeit ihn schließlich in eine handfeste Paranoia treibt. Und erst am Schluss löst sich unsere Unsicherheit auf: Sie sind hinter uns her. Alle!
Nun auch noch Duelle. Charlus phantasiert eines herbei, um Morels Ehre zu retten.
Dazu fällt mir gar nichts mehr ein.
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Do, 16.11.06
Alle paar Monate bekommt man Anfragen von irgendwelchen Portalanbietern. Heute wieder einer, dem die Eurozeichen schon den Augen zu stehen scheinen. Die Enthusiasten sollen ihre Texte als kostenpflichtigen Download anbieten. Dabei hatte man doch geglaubt, dass der Knall beim Platzen der Internetblase laut und deutlich zu hören war.
Erstmals seit Wochen wieder Laufen. Das extrem milde Wetter hat mich praktisch mit der Nase drauf gestupst: Keine Ausreden mehr! Eine knappe Stunde sehr langsames Gewöhnungsjogging mit positivem Effekt.
Abends Chaussee. Eine Besucherin bemerkt "kein einziger schwacher Text dabei."
Die Mozartanekdote diesmal nur zwei Sätze. Die Dreistigkeit der Kürze liebt das Publikum immer. Diesen Satz könnte man in Großbuchstaben auf ein Schild malen. Robert – Alkoholsucht und Schachmatt, Bohni im Philosophenzoo und der Verlierertext, Stephan über Französischlehrerin und Frauen mit Kindern, denen er Glückwunschbriefe schreibt, Volker mit dem traurigen Lied und neuer Freizügigkeit in der Bahn, Jochen übers Zeitunglesen und für die Zeitung schreiben, ich mit dem Sitten-Text, Schneewittchen-Video und Mozart. Am offenen Mikro A. mit ordentlichem Slamtext, aber zu brav und unaufregend, wir belohnen sie mit Bier und dem Hirnmasturbator.
Jochen beobachtet eine tote Maus im Stadion: "Eigentlich hat die Maus es gut, ich quäle mich hier, meinen Körper zu stärken, und sie hat es hinter sich und kann relaxen und muß niemandem mehr zu gefallen versuchen."