König el-Ghajûr nimmt nach vier Wochen seine Tochter Budûr wieder mit in seine Heimat. Ebenso el-Amdschad, den er zum Herrscher macht. El-As’ad wird zum Herrscher über die Ebenholzinseln, und Kamar ez-Zamân reist mit seinem Vater zurück nach Chalidân, wo er von nun an herrscht.

Unklar bleibt außerdem: Was geschieht mit Hajât en-Nufûs?

Ende

***

 

Da sprach der König: „Schehrezâd, dies ist wirklich eine ganz wundersame Geschichte!“ Doch sie erwiderte: „Hoher König, sie ist nicht wundersamer als

Die Geschichte von Alâ ed-Dîn Abu esch-Schamât

In Kairo lebt ein reicher Kaufmann namens Schams ed-Dîn, dessen Reichtümer uns Schehrezâd aufzählt.

Und er war Vorsteher der Kaufmannsgilde von Kairo.

Er ist mit seiner Frau schon vierzig Jahre verheiratet, doch sie können keine Kinder bekommen. Als er eines Tages die Söhne der anderen Kaufleute betrachtet, beneidet er diese.

Jener Tag aber war ein Freitag, und so ging der Kaufmann in das Badehaus und vollzog die Freitagswaschung.

In diesem Kontext anscheinend religiös besetzt, aber auch in deutschen Arbeiterfamilien kannte man das: Die Arbeitswoche war vorbei. Es wurde gebadet – erst die Kinder, dann die Mutter, am Schluss der Vater. So wie man auch beim Abwasch erst die Gläser, dann die Teller und am Schluss die Töpfe spült.

Meine Großeltern mussten immer noch extra einen großen Wassertopf zum Kochen aufsetzen, um in der großen Zinkwanne zu baden. Ein Badezimmer erschien ihnen als großer Luxus. Ich erinnere mich, dass, wenn mein Großvater uns besuchte, er es für völlig abwegig hielt, an einem anderen Tag als einem Freitag zu baden. Selbst im Urlaub. Aber auch in unserer Familie hielt sich die Tradition des Freitagsbads. Wir Kinder wurden zwar dreimal wöchentlich gebadet. Aber kein Freitag ohne Bad.

Elfentanz und Tortenschlacht

 

Bei uns wurde nicht geduscht, bei uns wurde gebadet. Zwei bis dreimal pro Woche, je nach Verschmutzungsgrad. Die Badetage waren flexibel, nur der Freitag war fix. Am Freitagsbad wurde nichtgerüttelt. Vielleicht ein Überbleibsel aus der proletarischen Tradition meiner Eltern, als Baden ein Topluxus war. Wurde beim Essen in den Familien darauf geachtet, dass das erste Stück und größte Fleisch der Vater bekam, dann die Mutter, die großen und am Schluss die kleinen Kinder, war es beim Baden andersrum: Erst stiegen die Kinder in die Wanne, an deren kleineren Körpern befand sich vermutlich wesentlich weniger Schmutz, dann die Mutter und am Ende der Vater, auf dessen Körper eine Schicht aus Schweiß, Ruß und Schmieröl lag.

Soweit zur Tradition des Freitags. Aber Freitag war bei uns nicht nur Bade-, sondern auch Lern- und Spaß-Tag. Meine ausführlichen Untersuchungen der Konsistenz von Badeschaum, der Einfangbarkeit von Furzblasen mit dem durchsichtigen Zahnputzbecher meiner Schwester, der Luftanhalte- und Seifenblasentest, der meditativen Betrachtung der Finger beim Schrumpeln, fanden spätestens 18.15 Uhr ein jähes Ende. Dann nämlich war die langweiligste Fernsehsendung aller Zeiten namens „Drehscheibe“ vorbei, und es blieben mir noch fünf Minuten, bis „Spaß“ anfing. „Spaß“ war der familieninterne Titel für eine wöchentliche ZDF-Zusammenstellung alter Stummfilme, die offiziell „Väter der Klamotte“ genannt wurde. In diesen fünf Minuten musste ich gewaschen und abgetrocknet sein und im Schlafanzug auf dem Sessel sitzen.

Das Intro war ein Reigen fulminanter Explosionen kindlichen Wahnwitzes: Eine Frau verliert beim Tanz ihren Rock und steht in Unterwäsche da, einer Ritterrüstung wird der Kopf abgeschossen, es wir geschielt, geschüttelt, gestürzt, geschlagen, Menschen fliegen durch die Luft, Flüssigkeiten und Sachbeschädigungen haben einen prominenten Platz in diesem Höllenkurzfilm, dessen Tempo und Schnittfrequenz die Musikvideoclips der 90er Jahre antizipiert. Der Text des Intro-Lieds, dessen Melodie Fröhlichkeit suggerierte und dessen alberne Instrumentierung signalisierte, jetzt komme etwas Ulkiges, bei dem gelacht werden dürfe, gab mir Rätsel auf. Bekannte Floskeln wie „Guten Abend, liebe Leut’“ wechselten sich ab mit einer Kaskade an Fremdwörtern wie „Motto“, „Kapriole“ und „Elfentanz“.

Teilweise thematisierte der Songtext genau das, was zu sehen war – eine Tortenschlacht, einen wilden Löwen. Aber wenn bei der Zeile „Schöne Frauen“ eine alte Transe gezeigt wurde, war selbst einem Fünfjährigen klar, dass das nicht ernstgemeint sein konnte. Bei „Kapriolen“ sah man einen sich in einem fort überschlagenden Radfahrer. Jahrelang waren Kapriolen für mich genau das: Sich in einem fort überschlagende Radfahrer. „Muskelpracht“ – ein Boxer spannt seinen Bizeps so sehr an, dass es aussieht, als röche er an seinem Boxhandschuh, ich glaubte jahrelang, dass das alle Boxer vor einem Kampf täten. Dass der Cowboy in der Zeile „Starke Helden“ mit seinem Revolver zittert, hielt ich auch für üblich unter Revolverhelden. Was ein Elfentanz (ich verstand immer Elfertanz) ist, blieb mir unklar, und statt „Vagabunden“ verstand ich „wohl verbunden“, was auch die beiden nebeneinander ruhenden Penner nahelegten.

Das sich verschiebende Drei-D-Gemälde gehört zu den besten Special Effects der Filmgeschichte, ich habe so etwas nie wieder gesehen.

Die Filme selbst dürften jedem Stummfilmliebhaber Tränen in die Augen getrieben haben, für Kinder waren sie genau die richtige Mischung aus Anarchie und Blödelei: Zunächst wurde alles ins ZDF-20-Minuten-Format gepresst und entsprechend beschnippelt. Was aber mit der Stummheit der Stummfilme tun? Im Fernsehen darf es per definitionem keine Stille geben, sonst weiß der Zuschauer nicht, ob sein Apparat eine Tonstörung hat. Und so kommentierte Hanns Dieter Hüsch jede Szene und verdoppelte das Gesehene: „Hups, Charley, das ging ins Auge!“ – „Dieses Gewicht hält keine Unterhose aus!“

Oder er verlieh den eigentlich stummen Akteuren eine Stimme: „Her mit dem Teller!“ – „Hier nimm die Torte!“ – „Nanu, der Bart ist angeklebt!“ – „Lieber angeklebt als angeschmiert!“

Die Musik des ZDF-Hauskomponisten Fred Strittmatter lud den Filmen eine dritte Ulkigkeitsebene auf, und zwar mit einer Kompositionstechnik, die man Mickymousing nennt und die Leopold Mozart in seinen Kinderkompositionen vorweggenommen hat: Rennt Micky die Treppe runter, vollführt die Musik dieselbe Bewegung, dasselbe bei Ohrfeigen, Ausrutschern, Sprüngen usw. Kein Gag darf unbemerkt bleiben, jede Derbheit muss unterstrichen werden.

Man lernte die Creme de la Creme der amerikanischen Slapstickfilme kennen: Charley Chase, Harold Lloyd, Charley Chaplin und den dicken Fatty Arbuckle, den wir nur „fette A-Backe“ nannten, schon klar, dass man im Fernsehen nicht „Arschbacke“ sagen durfte. Mein Liebling war schon damals Buster Keaton, der keine Miene verzog, wenn sich die Welt der Apparate gegen ihn verschwor.

Beim Abspann poltert ein Fettwanst durch den Kamin und ist mit Spaghetti oder einer schleimigen Suppe beschmaddert. Lächerlicherweise wird ihm von Hüsch dabei der Ruf „Schööön!“ untergelegt, wie übrigens jedem, der sich bei „Spaß“ mit irgendetwas bekleckerte. Und während ich quasi intuitiv die Bedeutung des Wortes Kapriolen lernte, glaubte ich hier, das Wort „schön“ habe noch eine andere, vielleicht anzügliche, nur Erwachsenen verständliche Bedeutung. Vielleicht verhörte ich mich ja auch, und die Schmadderopfer sagten gar nicht „schön“, sondern „Schöb“ oder „Schöm“ oder „schöl“.

Unmissverständlich war jedoch: „Gute Laune, gute Laune, gute Laune Tag und Nacht!“, gebadet, und gereinigt an Körper und Geist ging ich freitags um 19 Uhr gut gelaunt ins Bett.

 

Väter der Klamotte

 Guten Abend, liebe Gäste,
wir erfreuen euch aufs Beste.
Mit Klamotten, Komödianten,
die schon unsre Väter kannten.

Guten Abend, liebe Leut‘,
Lachen ist das Motto heut‘.
Tempo jetzt! Die Zeit verrinnt!
Vorhang auf! Der Spaß beginnt.

Schöne Frauen, wilde Löwen,
Elfentanz und Torten-Schlacht,
starke Helden, Vagabunden,
selten hat man so gelacht.

Süße Worte, Kapriolen,
Wasserstrahl und Muskel-Pracht
machen Spaß am Feierabend.
Gute Laune, gute Laune,
gute Laune, Tag und Nacht.

Tempo jetzt! Die Zeit verrinnt!
Vorhang auf! Der Spaß beginnt.

„Schööööön…“

 

Nach dem Bad

blickte er auf seinen Bart und sah, dass die weißen Haare darin die schwarzen bedeckten, und dachte daran, dass die weißen Haare Vorboten des Todes sind.

Zuhause tritt er den von seiner Frau gedeckten Tisch um und fährt sie an:

„Du bis die Ursache meines Kummers!“

249. Nacht – Elfentanz und Tortenschlacht
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