Aber auch der muslimische Verwalter versucht, sein Leben mit einem Geschichtchen zu retten.

Die Geschichte des Verwalters

Am Abend zuvor saß der Verwalter mit einigen Gelehrten beim Koranstudium und man aß Kümmelragout. Nur einer sträubte sich.

Kümmel ist nach meiner Beobachtung ein ausgesprochenes Männergewürz, so wie auch Senf und Muskat eher von Männern bevorzugt und von Frauen verschmäht werden. Frauengewürze hingegen: Safran, Curry. Geschlechtsneutral: Zimt.

Gefragt, warum er sich denn so habe, antwortet er mit einem Vers, aus der Rubrik Gedichte, die wir nicht verstehen:

Nimm einen Herrn auf deine Schulter und beginne den Lauf;
Wenn dir solche Schminke gefällt, so trag sie nur auf.

Nachdem er sich die Hände je vierzig Mal mit Pottasche, Seife und Kleie gewaschen hat, isst er zitternd davon, und man bemerkt, dass ihm der Daumen fehlt, woraufhin er auch auf seinen fehlenden linken Daumen und seine fehlenden großen Zehen hinweist. Man bedrängt ihn seine Geschichte zu erzählen.

Der Kaufmann war, so sagt er, nach dem Tod seines Vaters, welcher zur Zeit von Harûn er-Raschîd lebte, sehr verschuldet, und nur mit Mühe kann er die Gläubiger hinhalten. Eines Tages betritt eine junge Dame den Laden.

Inzwischen haben wir ja gelernt, dass das Erscheinen einer jungen Dame im Kaufmannsladen auf lange Sicht eher Verdruss als Vergnügen schafft. Hollywood bestraft ja in seinen Horrorfilmen vor allem die jungen Frauen für vorehelichen Sex, indem sie von einem Irren, einem Monster oder einem Außerirdischen abgemessert werden. Hier sind es eher die Männer, denen Unheil droht.

Sie gestehen sich in langen Versen ihre Liebe. Ausschnitt:

Und sollte man mich nach einem Wunsch an die Gottheit fragen,
„Des Erbarmers27 Gnade und dann die deine!“, würde ich sagen.

Die Dame verlangt nach Stoffen im Werte von 5.000 Dirhems, die er ihr beschafft. Sie zieht ab und kommt nicht wieder, während er die Kaufleute beschwichtigen muss, die ihr Geld haben wollen. Nach zwei Wochen taucht sie wieder auf und gibt ihm das Geld. Diesmal verlangt sie aber nach Stoffen im Werte von 5.000 Dinaren. Er beschafft sie ihr wieder. Wieder verlässt sie ihn, und er verpfändet schon all seine Habe, als sie nach einem Monat wieder auftaucht und die Schuld begleicht. Sie gestehen sich ihre Liebe, der Eunuch soll ihr Postillon d’amour sein. Die Dame ist Sklavin von Zubaida, der Hauptgattin von Harûn er-Raschîd. Um in den Palast zu kommen, soll sich der Kaufmann in einer Kiste verstecken. Als die Kiste unter anderen in den Palast getragen wird, erwacht der Obereunuch und will alle öffnen lassen. Vor Angst kann der Kaufmann das Wasser nicht mehr halten, und der Urin tropft aus der Kiste.

„Meister, du hast meinen Tod verschuldet und auch deinen, denn du hast Sachen beschädigt, die zehntausend Dinare wert sind. Diese Kiste enthält gefärbte Kleider und vier Krüge Zemzemwasser.“

Zemzem ist ein heiliger Brunnen in Mekka. Allerdings hatten die Iraner keine Hemmungen, eine colaartige Limonade so zu benennen, deren Geschmack mich bei meinem 96er Besuch eher an obengenannte Flüssigkeit erinnerte als an heiliges Wasser.

Der Eunuch lässt sich noch durch den Trick der Dame verscheuchen, womit aber keiner gerechnet hatte, war, dass Harûn selbst die Szenerie betritt, denn bekanntlich schaut er ja gern mal nach dem Rechten, wenn es keiner ahnt.

27Erbarmer = Allah

27. Nacht
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