Als Improspieler ist es deine große Aufgabe, deinen Mitspielern aus der Patsche zu helfen. Wenn du also aus dem Off bemerkst, dass eine Szene vor deinen Augen kurz davor ist, sich zu verheddern, wirr zu werden, unklar oder bedeutungslos zu werden, dann sollte dein Hirn auf Hochtouren arbeiten, getrieben von der einen Frage: Wie rette ich die Szene?
1) Inhalte verstärken
Manche Spieler verfallen, wenn sie bemerken, dass die Szene abrutscht, in Aktionismus und bieten irgendetwas Lustiges an, was mit der ursprünglichen Szene nur am Rande zu tun hat. Sie wischen quasi das bereits Etablierte beiseite und hoffen, nun mit „etwas Besserem“ die Szene zu retten.
Romina und Thea sind verloren in einer Laber-Szene. Sie haben schon vier verschiedene Themen angesprochen: Ihre Jobs, ihre Töchter, die letzten Wahlen und die Frage, ob die katholische Kirche Feuerbestattung zulassen sollte.
Energievoller Auftritt Markus: „Schatz, unser Pinguin ist aus dem Swimmingpool abgehauen!“
Wenn auch die Energie zu loben ist und man nur hoffen kann, dass die beiden Spielerinnen auf das kuriose Angebot eingehen werden, so muss man doch sagen, dass Markus die Szene nicht eigentlich gerettet, sondern eine völlig neue Szene begonnen hat.
Zuhören! Nicht ausdenken!
Nimm etwas, das bereits in der Szene etabliert wurde und mach das groß. Warum einen Pinguin erfinden, wenn bereits eine Tochter etabliert wurde?
Energievoller Auftritt Markus : „Schatz, Cora ist verschwunden!“
In dieser Szene sind wir als Zuschauer froh, dass Markus die beiden gerettet hat. In der ersten Variante kann er sich allenfalls einiger Lacher sicher sein und der Tatsache, die Szene gekillt zu haben.
Welches Material wiedereingeführt wird, ist ziemlich unerheblich. Tendenziell wohl das, was am meisten emotionalen Schwung verspricht. Der Rest steht uns als später zu integrierendes Material immer noch zur Verfügung.
2) Helden verstärken
Gerade in Anfangsszenen bleibt es zwischen den Spielern manchmal unklar, um wen es geht, selbst wenn sie das Thema schon gefunden haben.
Hannah: Mama, dieses Studium wäre für mich der Traum meines Lebens.
Mutter: Hannah, ich kann dir das nicht finanzieren. Ich brauche das Geld für meine nächste Ausstellung.
Hannah: Ich habe die Zusage vom Dekan von Harvard persönlich.
Mutter: Und ich muss jetzt alles in die Werbung stecken. Diese Ausstellung ist meine letzte Chance.
Das Verhältnis der beiden ist klar. Ebenso der Konflikt. Beide Figuren haben Helden-Potential, aber als Zuschauer werden wir uns kaum für beide Figuren mit derselben Intensität interessieren. Als außenstehende Mitspieler ist unsere Aufgabe, zu sehen, ob es den beiden gelingt, sich bald zu einigen und notfalls helfend einzugreifen. Indem man eine der beiden Figuren stärker fokussiert, wird sie von größerem Interesse, ein Signal, das die Spielerin der anderen Figur hoffentlich erkennen wird.
Hannah: Ich habe die Zusage vom Dekan in Harvard persönlich.
Mutter: Und ich muss jetzt alles in die Werbung stecken. Diese Ausstellung ist meine letzte Chance.
Vater (betritt die Szene, gestisch unterstreichend, er habe zugehört): Dann muss deine Ausstellung eben warten. Die Ausbildung deiner Tochter hat Vorrang.
Dadurch, dass der Vater sich auf die Seite der Tochter stellt und dass er die Mutter direkt anspricht, verstärkt den Fokus auf die Mutter. Denn auch wir fragen uns: Wird die Mutter ihre Karriere zugunsten ihrer Tochter nun endgültig beerdigen oder nicht? Zu diesem Zeitpunkt wäre die Intervention aber auch umgekehrt plausibel:
Hannah: Ich habe die Zusage vom Dekan in Harvard persönlich.Mama: Und ich muss jetzt alles in die Werbung stecken. Diese Ausstellung ist meine letzte Chance.Vater (betritt die Szene): So ist es. Nimm Rücksicht auf deine Mutter. Außerdem wirst du es als Frau in Geometrie immer schwer haben – eine Männerwelt, was will man machen? Bleib noch ein Jahr bei uns in Reutlingen, hilf mir bei der Buchhaltung, und wenn du dann immer noch so versessen auf Mathematik bist, wirst du auch in Stuttgart einen Studienplatz finden.