Es gibt im Improtheater ein großes Missverständnis, was Ideen betrifft: Zuschauer sind fasziniert von den ungeheuer originell wirkenden Ideen der Improspieler. Sie loben sie dafür, sie sagen: „Wie ihr immer auf diese Ideen kommt! Das könnte ich nie.
Und mit diesem Missverständnis beginnen auch viele Impro-Anfänger: Sie glauben, sich Sachen ausdenken zu müssen. Wenn sie erst mal eine Idee haben, dann halten sie daran panisch fest; sie heben sie sich für später auf oder drücken sie gegen die Mitspieler durch, komme was da wolle. Die Kehrseite ist wiederum der Glaube, keine Ideen zu haben (was letztlich heißt, zu glauben, die eigenen Ideen seien nicht gut, nicht intelligent oder nicht originell genug).
Die Konsequenzen sind: Den Mitspieler mit den eigenen Ideen zuzuschwallen, Originalität auf Kosten der Szene, Gagging, ängstliches Schweigen.
Wie löst man das? Ich denke, es ist zunächst mal völlig OK, in einer Improszene „Ideen“ zu haben. Aber noch wichtiger ist die Fähigkeit, sie loslassen zu können. Wenn ich im Moment bleibe, auf den Moment achte und meine Assoziationskanäle öffne, dann fließt ein Gedanke nach dem anderen, so wie beim natürlichen Sprechen. Deine Assoziationen mögen auf mich originell, schlau, intelligent, witzig wirken, so wie meine Assoziationen auf dich. Für uns selbst aber bleiben unsere Assoziationen das Naheliegendste der Welt.

Ideen werden überschätzt
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Ein Kommentar zu „Ideen werden überschätzt

  • 2015-09-09 um 20:38 Uhr
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    Sehr wichtiger Punkt und schön formuliert.
    Mir kommt es darüberhinaus manchmal so vor, als verlöre man sich bei den eigenen Assoziationen immer wieder in denselben. Wenn ich also, vereinfacht gesagt, jedes Mal auf "Himmel" nur mit "Hölle'" im Kopf assoziiere, lenke ich viele Szenen und meinen Partner dadurch vielleicht immer wieder in diesselbe Richtung. Deshalb erscheint mir das Spielen und Verfestigen von immer neuen Assoziationsketten und Assoziationsverbindungen eine durchaus wichtige Übung zu sein, um dadurch auch immer wieder aus der eigenen Routine auszubrechen oder sogar einer gelegentlichen "Wiederholung" von Szenenteilen entgegenzuwirken.

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