Ich beicht es heut, verheimlich es nicht länger:In meinem Herzen wohnt ein Müßiggänger,der sich nicht kümmert um die großen Pflichtenund der’s genießt, die Stunden zu vernichten. Man hat ihm oft vom Fleißigsein gepredigt.Doch hat das Gute sich meist selbst erledigt.„Was
Anlage
Hast du deine Herzensgüte lange Jahre brav gepflegt?Oder war selbst dieses Pflegen bei Geburt schon angelegt?
Der Penner
In schlechten Lebenslagen schlechte Freundeund sich auch leider oft noch falsch entschieden.Am U-Bahnhof mit flachem Blick Die Mühe und den Weg zu oft gemieden.Zu oft genommen, was dir unterkamDu lebst den Krieg und wolltest doch nur Frieden. Frei wie ein
Abschied
Am leeren Bahnhof mit gepackten Taschen.Ein kalter Wind.Die Hoffnungen, du kämst zum Überraschen,verschwunden sind. Im Regionalexpress zehn fette Sachsenund ein Kind.Und als fürs Kind ich mach zwei halbe Faxen,wird’s ernst geschwind. Und unter mir rumort das Bahngetriebe.Die Scheiben: Blind.Hab keine
Sag…
Sag, was ist unser Sinn im Leben? Leben, Leben, Leben, Leben.
Frage ruhig
Frage ruhig, mein Sohn.Das geht voraus dem Wissen.Wer klug sein will, wird fragen müssen,und Wissen ist der Lohn. Hör nie zu fragen auf.Wissen lässt sich nicht vollenden.Lässt du’s mit dem, was ist, bewenden,so zahlst du später drauf. Bezweifle, was ich
Erkenntnis
Aus wildem Traume hat’s mich hochgerissen.Ich war hellwach (zerwurschtelt war mein Kissen)und wusste: Ich hab neues Wissen. Das Wissen war von ungeheurer Klarheit.Und voll vom Glück der so gewonn’nen Wahrheitlegt ich mich wieder. Morgen hieß es: Arbeit! Die Sonne weckte
Grazie
Ein zarter Nabel, eine gelbe Socke,ein freies Lächeln ohne jedes Ziel,ein Kaffeefleck am T-Shirt und die braune Locke,die keck auf deine Schulter fiel. Ein leises Summen, so wie in Gedanken,ein irritierter Käfer auf dem Knie,ein weiter Blick, ein Lächeln ohne
Gottesdienst
Kalt feucht die HalleNoch einmal rasch blätternUnd vorn des Gefolterten Bild.Fast zögerndDoch unausweichlicherhebt sich der Menge Gesang. Pfarrer liest vorErwartbaren Plimplam,Der Trost gibt wie einst Mamas Lied.Gebet und ein AmenGemeinschaftsgefühleZumindest am Sonntag.
Erde. Vormittag. Frühlingsbeginn
Des Bärlauchs Frische würzt den kleinen Wald:Du üppig-früher Bote zeugst vom Werden.Die Sonne heuer kämpft, der März noch kalt.Auch dies – ein kleiner Fleck auf unsrer Erden. Ein Jogger eifrig durch die Pfade schnauft.Am Rand des Waldes wird Benzin verkauft.An
August 1990
Die Sonne schien golden ins Fenster des Zugs auf die Krim.Beim alten Natschalnik gibt’s Tee. Nun nimm.Bis in die tiefste Nacht hatten wir gesungen.Der Portwein, und Vitja, Gitarre und Bier.Mir hat’s nach erblühender Freiheit geklungen.War das schon der Dnjepr? Max
Morgenmediation
Wieder dampft die Morgenwiese.Langsam steigt die Sonn empor.Eine laue Frühlingsbrisesäuselt neckend in mein Ohr. Noch sind meine Pläne vage,froher Mut bestäubt die Seel’.Keine Mühe, keine Plage.Kein Geschrei entweicht der Kehl’. Atme tief – dies ist das Leben.Meinem Glück ich Danke
Dieb und Bestohlener
Fahr hin, o Dieb!Fahr in auf meinem Fahrrad.Hab keine Angst.Hab keine Angst, o Dieb!Wenn man nichts bar hat,dann stiehlt man und zieht ein den Schwanz. Ich geh zu Fußund weiß, dass wir uns gleichen,in Sphären des Nicht-Mehr und Noch-Nicht-Ganz.Ja, jetzt
Stärke
Zu Mittag schwamm er immer hinaus.Nach dreißig Minuten war er verschwunden.Sie sagten, der Sascha kennt sich aus.Stets hat er zurück noch gefunden. Wir scherzten: „Jetzt ist er in der Türkei.“(Das wären fünfhundert Kilometer.)Nach neunzig Minuten kam er wieder herbei.Doch einmal
Offenheit
„Wir wollen immer offen bleiben.Man sagt, was man im Herzen trägt.“Fast wollte sie’s vertraglich schreiben,von ihrer Offenheit geprägt. Doch zu viel Offenheit kann stören,wie wir bald erfahren mussten.Denn manches will man gar nicht hören,was tief dort ruht im Halb-Bewussten. Die
Empathie
Er spürt die Träne,die ihre Träne ist. Hätte er geweint, so wär’s dasselbe. Stich im Hals, ganz tief.Ein leichtes Ohrensausen. Leidet sie, so leidet er,kann sich des nicht erwehren.Drückt sein Mitleid ihn zuweilen,lass ihn allein.Es heilt ihn.
Strategien
Wir pflegten, uns zu bezirzenmit heimlichen Strategien.Es könnte die Liebe würzen.Doch wir haben’s uns nie verziehen. Die Liebe verträgt kein Planen,sie braucht die Ehrlichkeit nur.In vorgeschriebene Bahnenpresst sie kein Plan und kein Schwur. * Nichts gab’s mehr zusammenzuraufen.So geht’s, wenn
An meinen alten Pullover
Mein warmer Pullovergrün undbraun undselbstgestrickt von Mutter. Ich liebe die Wärme,die Farbeund jede Maschedes Gestricks.Du machtest mich erwachsen.Man stahl dich mirvor sechsundzwanzig Jahren.
Stalin – Waiting For Hitler

„Stalin. Waiting For Hitler“ ist für sich genommen schon ein ungeheures Werk. 900 eng bedruckte Seiten plus einem 200 Seiten umfassenden Anhang in einer Schriftgröße, die eigentlich niemand mehr lesen kann. (Im Normaldruck würde der Umfang des Buchs sich wohl
Liebesgrund
„Sag, Mädchen, warum liebst du?Gibt es da einen Grund?“„Ich glaube, ich bin einfachnur wahnsinnig gesund.“ „Hast du nicht Angst, dein Liebendich nur unglücklich macht?“„Es liebt nicht, wer vorm Liebennoch lange nachgedacht.“ „Bist du für wahre Liebenicht eigentlich zu jung?“„Fürs Lieben
Mittelstand (ménage à trois)
Sie fand sich plötzlich wieder in der Mitte– da der, dort jener. „Dass mir das geschieht!Ich hielt mich nie für derart angebrüht.“zwar nicht die Lachende, gleichwohl die Dritte. Aus dem Dilemma führen keine Schritte.Mit Dreien ist es stets das alte
Namensgebung
Ach, wie sollen wir dich nennen,der du grad geworden bist?Tun wir so, als ob wir kennenden, der uns geboren ist.Dürfen dir den Namen geben,denn wir schenkten dir das Leben. Großes Zweifeln, Diskutieren,ob der Name wirklich passt.Namensbücher brav studieren.Nicht, dass du
Lesen
Wie kann ich, was ich heut mit Freuden les, behalten?Mich packt die Freude, die Erkenntnis, wenn’s gelesen,doch hinterher ist’s oft, als wär es nie gewesen.Ach, könnte ich nur mein Gedächtnis klar entfalten. Ich würd mein Denken und mein Singen ausgestalten.Die
dädalus
die stirn gefurchtvon sorgemein rettungsplanwürde vereiteltdurch des jungenübermutdoch wir haben nur dieseoptionlet’s go
Entfremdete Arbeit
Man sagte mir: Bedenk das Maß,zuerst die Arbeit, dann der Spaß,halt beide Welten treu getrennt,sonst hast dein Leben du verpennt.So quält’ ich mich den ganzen Tagund tat am Abend, was ich mag,als müsst von meinen Plackerei’nich jedes Mal mich neu
Orpheus‘ Bitte
Wenn du, Fortuna, mich beschenkstmit einer Stimme, die zum Singen geschaffen,so bitt ich, gib mir Klarheit auchund Redlichkeit,denn nichts Falsches solldie Herzen der Hörer rühren.
Zweifel
Wenn du von schönen Zeiten sprichst,in die wir gleiten, sobald unsre Gegnervernichtet sind,zweifle ich. Wenn du von Schwingungen sprichstund davon, dass ich meine Zweifelüber Bord werfen soll,zweifle ich. Wenn du von deiner Liebe sprichst,die alle Grenzen zwischen unsüberwindet,zweifle ichnicht.
Der kranke Meister
Als der Lehrer vom Schlag getroffen,war er schon neunzig und man hat ihn gepflegt,voller Bangen, keiner wagte zu hoffen,dass der Gelähmte sich je wieder regt. Und Thay, der stets lehrte, wie Körper und Geistfür achtsame Menschen in Einheit verbleiben,dass Leiden
Gutsein
Gutsein ohne Gutseins Folgen zu bedenkenund blind die Schritte ins Verderben lenken.Auf Justizias Waage:Die Taten deiner Tage.Nach welcher Seite wird sich’s senken? Paralysiert mich dieses Denken doch am Ende?Hält jedes Handeln doch parat die eigne Wende.Ist’s doch banaler?Der Pfad des
Verliebt
Jetzt weiß ich es: Sie liebt mich.Denn sie hat’s mir gesagt.Ein solches Glück, das gibt’s nichtim heut’gen Liebesmarkt. Ich kann mein Glück kaum fassen.Ich schrei es vom Balkon.Solln mich die andern hassen.Ich sing den Liebs-Song Ihr schöbet hundert Früste,(Ich weiß,