Der Riedel holt dich da schon raus.
Du machst dir viel zu viele Sorgen.
Ein harter Hund. Der kennt sich aus.
Du siehst ihn ja am Dienstagmorgen.
Glaub an das Recht.
*
Das Raushaun hat nicht ganz geklappt.
Ich sitz hier drin schon sieben Jahre.
Den schlimmsten Anwalt wohl gehabt.
Wie ich hier rauskomm? Auf der Bahre.
Glaub an das Recht.
Balkonblick
Balkonblick Berlin. Zwei Uhr zwei.
Lebendiges Flackern und Glimmern.
In Wohnzimmern Fernseher schimmern.
Aus Angst oder Freude – ein Schrei.
Ich kann mich jetzt nicht darum kümmern.
Sie lachen und gehen vorbei.
Ein Fenster, ein Schicksal, ein Glück.
Von Lichtenberg schau ich nach Westen.
Charlottenburg, da sei’s am besten.
In jeder Wohnung ein andres Geschick.
Wir leben darin wie in Kästen.
In einer von ihnen wohn ick.
Introspektion
Wenn die Selbstschau ist beendet
und du kennst dich nackt und gut,
sei bewusst dir deiner Schwächen,
denn sonst wird sich’s übel rächen.
Vor dir selber sei auf der Hut.
Dabadi dabndi dabndei.
Allerdings, wenn Selbsterkenntnis
nicht zu deinen Stärken zählt,
dann ist Hopf und Malz verloren,
und du brauchst nicht mehr zu bohren,
der entscheidende Nerv dir fehlt.
Dabadi dabndi dabndei.
Tod
Ein Knips, dann gehen die Lichter aus für immer,
kein Klang, keine Wärme und kein Gedanke.
Der Knipser wird kommen,
doch du weißt nicht wann.
Wir schwanken, wir wanken, suchen und fluchen.
Was könnten wir strebend dem Leben entnehmen?
Geschrei und Gebrabbel.
Bald ist es still.
Komm, Tod, sei mein Freund,
der mich stündlich erinnert,
das Leben ist kostbar,
verplemper es nicht.
Plemper, Plemper.
Sommernacht
Und es war alles gesagt
Und sie hatten alles gesehen
Und ihre Hand fand seine.
Und schwül war die Nacht
Und doch zitterte er
wie beim schluchzenden Weinen.
Und da war keine Lüge
Und es gab nichts zu verbergen
Keine Schuld, kein Verzeihen.
Und später würden sie schwitzen
Und staunend erschauern
Und schreien.
Aber jetzt war da nur
die ungeheure, nackte
Wahrhaftigkeit.
Eigenlob und Stottern
Die ersten demokratischen Wahlen im Königreich Bhutan
verliefen, so las ich, nur stotternd.
Denn dort sei es Brauch,
dass man den, der sich selbst lobt,
auslacht.
So hatten die Kandidaten es schwer,
für sich zu werben.
Ein solches Stot-
tern
wünsche ich uns bisweilen.
Resignation
Die Ziegen werden sterben, und zwar bald,
da hege ich gar keine Illusion.
Ich raste hier. Bedenke: Ich bin alt.
Und dieses kranke Maultier ist der Hohn.
Geh du ruhig weiter, doch auch dich erwischt’s.
Dein Leib ist ebenfalls komplett verstrahlt.
Das Schicksal lacht, und unsre Karten mischt’s.
Wir sterben, und wer überlebt, der zahlt.
Empörung des Mittelmäßigen
Glaubt mir, ich habe mich stets bemüht
um die Regeln der Kunst.
Und manchmal hab ich sie schelmisch gebrochen.
Was’n jetzt!
Die Kunst der Pause
Wenn ich die Arbeit niederlege,
gleich hibbelig ich mich bewege.
Und frage mich nervös: Oh Mann,
was fang ich mit der Pause an?
Der Weise das Problem nicht kennt:
„Ruhe. Oder sei präsent.“
Zukunftspläne
Für meine Zukunft hätt ich gerne Sicherheit,
nach einem klaren Leben ich mich sehne.
Für kurze und für lange Fristen fass ich Pläne,
auf dass ich mir zum Freunde mach die künftge Zeit.
Egal, was meine Zukunft hält für mich bereit
– ich will nicht wissen, ist’s das Hässliche, das Schöne.
Vergieße um die alten Pläne keine Träne.
Bleib ich spontan, hab ich mich von der Zeit befreit.
So muss ich mein Spontan-Sein hübsch in Bahnen leiten.
Die frische Freiheit braucht als Zügel den Verstand,
sonst ist es einst die Dummheit, die die Freiheit bannt.
Trotz Plänen will ich stets durch die Momente gleiten,
das Leben täglich Kreuze durch die Pläne macht.
Halb Plan und halb spontan scheint’s angebracht.
Körperbau relativ
Ich mach mich wieder mal bereit,
betracht im Spiegel meine Falten.
Und trotz der Spuren meiner Zeit
hab ich mich doch recht gut gehalten.
Jetzt schau dir diesen Prachtkerl an:
Ein reifer, beinah junger Mann.
Mein Sohn kommt rein, studiert genau
die vielen kleinen Einzelheiten
an seines Vaters Körperbau
in allen Höhen, Tiefen, Breiten.
Und schließlich fragt er völlig kalt:
„Werd ich auch mal so irre alt?“
Bahnimmobilieninspekteur
Wissend scheu betritt er einen kahlen Raum.
Die Ruine wird wohl fallen. Aus der Traum.
Sie diente einst den Weichenstellern als Zentrale.
Im Handwaschbecken liegt noch eine Kaffeeschale.
Im Spind ein pralles Pin-Up. Die ist heute Greisin.
Ein karger Baum ragt tapfer zwischen rostgen Gleisen.
Und in den Schaltraum er die Schritte lenkt:
Wird’s abgetragen oder wird’s gesprengt?
Per Smartphone ordert er bereits den Kran.
Ein letzter Blick zurück: Das wär getan.
Die Diele kracht, und auch bei ihm macht’s Knick.
Er bricht sich an dem Handwaschbecken das Genick,
erinnert sich an einen alten Spruch der Bahn.
Er handelte von Vorsicht und von Porzellan.
Neben mir auf der Kirchbank
Ich höre ein Gehechel,
die Dame betet leis
und presst die Fingerknöchel.
Sie sind vom Druck schon weiß.
Wie schwer glaubt sie ihre Sünde,
die solche Buß erheischt?
Ach, dass sie Ruhe finde!
Dann wär das Herz ihr leicht.
Mitgefühl
Herz zum Herzen braucht nicht viel.
Grenzen überschreiten
wirst du leicht durch Mitgefühl
Friede dir bereiten.
Hast du’s? Und wenn ja, wieviel?
Und die Frage stellt sich:
Wann bist du von Mitgefühl
völlig überwältigt.
Dreifaltigkeit
Körper, Geist und Seele
– verbunden und gelöst.
Was ich euch erzähle
– was ihr von mir lest.
Denken, Tun und Fühlen
hält ein starkes Band.
Planen, Fordern, Zielen.
Auge, Hirn und Hand.
Halte stets zusammen
Körper, Seele, Geist.
Glückliche entstammen
diesem Bunde meist.
Der Ehebruch
Als er eines Abends nach Hause kam,
vom Einkauf waren die Taschen so schwer,
da nahm sie, wie immer, ihn in den Arm
und merkte dabei: Ich lieb ihn nicht mehr.
Die Große saß an den Hausaufgaben.
Der Kleine war in der Wanne Pirat.
Sie dachte an all die Seelennarben
und empfand ihr Leben plötzlich so fad.
Ob wir nach dem Abendbrot alles besprechen?
Dann kommt es endlich sofort aufs Tapet.
Oder soll ich ganz einfach die Ehe mal brechen?
Ob zwischen den Männern und mir noch was geht?
Und so verrauchten die letzten Flammen
der Liebe, obgleich’s ihr im Herz manchmal stach.
Sie blieb bis er starb mit ihm noch zusammen.
Und schließlich war er’s, der die Ehe brach.
Besserung
Wir haben dich, du Bösewicht.
Heut stehst du endlich vor Gericht.
Du hast die Richterin bedroht,
schlugst ihren Perserkater tot.
Hast in die Bibliothek gepisst,
obwohl das auch verboten ist.
Du hast die eigne Frau erwürgt
und einen Fahrausweis getürkt.
Im Schwimmbad warst du viel zu laut
und hast ein kleines Kind beklaut,
im Parlament wild randaliert,
den Hund der Nachbarin kastriert.
Bald wanderst du dafür in’ Knast,
weil du das ausgefressen hast.
Dort lernst du wohl, was sich gebührt
und wirst rasch resozialisiert.
Überreif
Meine Kirschen auf dem Tische
sehen nicht mehr knackig aus,
(Ich verpasste ihre Frische.)
warten überreif im Haus.
Noch nicht schlecht, man könnt sie essen,
doch ich warte Tag um Tag,
lass mich von ihrem Anblick stressen,
weil ich Kirschen gerne mag.
Ob ich wohl den Kirschen gleich’?
Leute geh’n an mir vorüber.
„Ach, der Herr ist reif und weich.
Frischer wäre er mir lieber.“
Auf in den Krieg
Heute ziehst du in den Krieg,
auch wenn wir es nicht so nennen.
Wer in Uniformen stieg,
der darf keine Liebe kennen.
Was wir von dir wolln, sind Siege.
Kampf und Härte sind Gebot
in dem Kriege, nach dem Kriege.
Bist ja eh bald tot.
Erinnerung an ein Weihnachtswestpaket
Ein Riegel Mars. Brav eingeteilt.
Er musste bis Januar reichen.
An jedem Häpschen aufgegeilt.
Ein Geschmack zum Herzerweichen.
Und heute krieg ich’s im Überfluss,
rasch nebenbei noch weggefressen.
Die Sucht wird gestillt ganz ohne Genuss.
Vom kleinsten Mangel lasse ich mich stressen.
Hab ich denn je im Ernst geglaubt,
man könnte Genuss sich erkaufen?
So bin ich meiner Freude beraubt,
man könnt im Vergnügen ersaufen.
Wunsch
Ich wär gern zuhaus in der Welt.
Die Welt hätt ich gerne zuhause.
Besonnenheit
Ich gliche gern dem Kapitän im Sturme,
des Handeln weder Furcht noch Zorn bedrückt,
der unverzagt auf dem Kommandoturme
entscheidet und dabei den Tod erblickt.
Nicht übermannt vom Wirrwarr der Momente,
und was zu tun ist, wird auch ohne Klag getan.
Selbst wenn noch neben ihm das Steuer brennte,
er hielte aus wie Maynard, unser Steuermann.
Doch statt mich an Fontanes Held zu messen,
der schließlich auch verbrannte wie ein Docht,
sollt ich beim Schreiben nicht die Milch vergessen,
die grad in meiner Küche überkocht.
Über Geld…
Ich würde über Geld nichts sagen,
tät ich’s in meinen Taschen tragen.
Ich führt’ Gespräche mit Nivau,
erzählte Witze voller Schärfe,
statt dass ich euch mit Unglück nerve,
dem Unglück einer armen Sau.
Ach, leider muss ich euch jetzt quälen
und euch von meinem Leid erzählen,
von meinen finanziellen Sorgen.
Ja, bald könn’ wir uns amüsieren
und über Kunst philosophieren.
Doch jetzt: Könnt ihr mir mal was borgen?
Unschöne Begegnung
In Magdeburg traf ich ihn. Sein Charakter
war ein ungewöhnlich abgefuckter.
Ein Personalchef. Und sein Name Steffen.
Zum Glück für uns blieb es bei diesem Treffen.
Ideenflug
Langsam segeln die Ideen
still heran.
Können klar wir sie erspähen,
ziehn sie uns in ihren Bann.
Ist’s die falsche Zeit im Leben,
ist’s für sie der falsche Ort,
halten sie nicht an und schweben
still hinfort.
Sport
Wer Sport treibt, züchtigt seinen Leib,
wer Sport treibt.
Wer schlabbrig, schlapp und fett will bleiben,
muss aufhörn, immer Sport zu treiben.
Wer Sport treibt.
Oh Sport, oh Sport, du drillst den Geist,
oh Sport, oh.
Ich war so lang unkonzentriert,
bevor ich fleißig hab trainiert
mit Sport, oh.
dank dem trank
wie dankbar bin ich dem trank,
der mich erfrischt, wenn ich trink.
ich denk, wie frisch der trunk!
wenn ich getrunken, bin ich frisch.
tränk ich mehr, wär ich nicht frischer.
drum dank dir, getränk.
Lebenspläne
Hat der Storch die Rückkehr aus dem Süden,
bevor er uns verließ, bereits geplant?
Er findet unser Dorf und hat geahnt,
dass sein Nest noch auf dem Schlot hockt. Wie denn!
Sind auch meine Pläne nur Instinkt,
nachgeschob’ne Gründe meines Tuns?
Mein Hirn nicht weiter als das Hirn des Huhns,
das kopflos rennt, bevor’s zur Erde sinkt?
Das Nichtgetane streng mich warnend mahnt,
da’s mit dem Bummeln kurios verzahnt:
Verlass dich nicht allein auf dein Gespür!
Drum auf Instinkt und Intellekt ich horch.
Ich plane. Ach, was gäbe ich dafür,
wär konsequent und klar ich wie der Storch.
Dreifaltigkeit
Körper, Geist und Seele
– verbunden und gelöst.
Was ich euch erzähle
– was ihr von mir lest.
Denken, Tun und Fühlen
hält ein starkes Band.
Planen, Fordern, Zielen.
Auge, Hirn und Hand.
Halte stets zusammen
Körper, Seele, Geist.
Glückliche entstammen
diesem Bunde meist.
Fanatismus
In der Menge stand
einst ich in hellem Herbst.
Dröhnend scholl der Gesang:
Tragende Welle schob’s
zwischen die sehnenden Leiber hindurch.
Fahnen, Lachen und Wut.
Selbstgerecht trunken die Masse bewegt.
Meine Seele, ein Segelboot, geschubst,
schwamm, wie unsichtbar
heimlich vom Menschenmeer hinweg,
taumelnd und ohne Einigkeit.
Ob mich jemand gesehn?