Bauer liegt im Bett.
Bauer klickt auf Zapp.
Kuh wird jetzt gemolken:
Melkmaschinen-App.
Korruption
Ich bin die Makrele
und du ein toller Hecht.
Wenn ich von dir was stehle,
bekommst du freilich Recht.
Und hast du Recht bekommen,
dann machst du einen drauf,
bist rasch hierher geschwommen,
frisst meine Schwestern auf.
Du kräftig, wir gebrechlich,
du Massenmörder, du!
Der Richter ist bestechlich
und drückt ein Auge zu.
Das Urteil voller Löcher.
Ich rief: „Mein lieber Specht!
Der Richter – ein Verbrecher –
der war wohl auch ein Hecht.“
(Makrelen gibt’s in Meeren.
Der Hecht lebt gern im Fluss.
Er kann sie nicht verzehren.
Der Reim doch bleiben muss.)
Geiseln
Ausgespielt hat man uns und verhauen.
Ohne Demut sind wir und Vertrauen.
Halb verblödet bleiben wir in diesen
Löchern aufeinander angewiesen.
Durchgekocht wie Früchte im Kompotte
flucht ein jeder elend seinem Gotte.
Die Pumper
als ihr die eignen Körper gründlich wuscht:
ihr keuchtet nach nur einundzwanzig Stufen.
Einfach
Wenn wir, ganz befreit von Dingen,
einfach miteinander singen,
dann verfällt die Wut.
Wenn wir uns die Liebe geben,
weil die Mundwinkel wir heben,
wird das Leben gut.
Böse Liebe
In Berlin-Mitte hab ich mit ihr geschlafen.
Da stand nur ein Telefon in dem Raum und ein Stuhl.
Wie unser Lieben war
– kalt und hart und schnell –
so lieb ich das Lieben nicht,
doch ich schwieg.
Sie, die Warme, lachte.
Doch etwas in uns zerbrach,
als ich das Telefon aus der Wand riss
und wir gingen.
Entsagung
Beim großen Dharma-Haus am Teich,
da traf ich ihn und sprach sogleich:
„Bin gewiss nicht der Erste, der zu fragen wagt:
Warum hast du all dem Schönen entsagt?
Den Frauen, dem Spielen, dem Trinken, dem Tanz?“
„Das Ganze wird halb, und das Halbe wird ganz.“
Dann schwieg er. Ach ja, man weiß ja, wie’s ist,
erwartet man Antworten von ’nem Buddhist.
Das ist nun schon viele Jahre her.
Zu verstehn, was er meinte, fällt mir immer noch schwer.
Und wenn ich kurz glaube, ich wüsste Bescheid,
verfliegt mein Verstehen hinweg in die Zeit.
Letztes
Als alle sangen,
gerötet die Wangen,
hat sie schon gehangen.
Später nahmen wir sie
vom Dachbalken ab.
Wir brauchten Kraft.
Doch nie
verstand ich, wie
im Ohr die neunte Sinfonie,
jemand sich aufgibt,
ohne zu hören
den größten Chor von allen Chören.
Lachen
Ich habe gelacht
mit früheren Freunden, die heute mir ferne,
mit denen, die heute mir nah und teuer.
Ich habe gelacht.
Ich habe gelacht
über den Unsinn des Daseins und unser Streben,
das Scheitern des Starken, den Stolz des Dummen.
Ich habe gelacht.
Wenn ich mal sterbe,
und mein Existieren verkürzt auf bebende Schlacke,
so sei mein letztes Atmen
ein Lachen.
Der Einfältige
Das Leben war ihm zu komplex.
Wenn doch nur folgte B auf A!
Und was er tat, war bloß Reflex.
Bist du nicht hier, dann bist du da.
Ein Haken, Hammer und ein Seil.
Das Leben war nie wirklich geil.
Schon blöde, wenn du nie was checkst.
Das Leben war ihm zu komplex.
Wahrheit
Aus sich verziehndem Nebel taucht’ sie auf so klar,
mit plattem Fahrrad, in orangnem Kleide.
Und ihr Gesicht bezeugte pure Freude
– so ungetrübt, so scharf und ungeheuer wahr.
Ein Blick – als läs sie die behüteten Gedanken.
Spräch ich sie an, so wärn wir bald ein Paar,
denn solch Vertrautheit nie auf Erden war.
Sie bricht des Zweifels und des Hochmuts feste Schranken.
Ich sah die Wünsche, sah die heimlichen Gebete.
Das Lächeln ist ein Feuer, das nicht raucht.
Ich dank dem Gotte täglich, der sie zu mir wehte.
In Liebe will man nicht auf seine Rechte pochen.
Bescheidnes Nehmen, Geben, wie man’s braucht.
Bleibt festzustelln: Ich habe sie nicht angesprochen.
Welt
In die Welt geworfen als Kinder,
sie bestaunt in der Jugend,
sie gebraucht im Alter,
sie belacht im Sterben.
Hunger
Nichts als der Hunger aufeinander,
dabei war’n wir schon voll von des andern Schweiß.
Gehüllt im Wäscheduft: Oleander.
Fauchender Atem, von Gier so heiß.
Als hätte man uns etwas vorenthalten,
als kennten nur wir den wahren Preis.
Jedes Haar, alle Narben, jeder Blick, alle Falten,
bald weißt du von mir mehr, als ich von mir weiß.
Erschöpft in der Küche, die Fenster verhangen,
als ob ein Stück Stoff je den Hunger verbirgt.
Gesättigt und doch ein ewig Verlangen.
Zwei Nächte, ein Tag, was sollte uns Zeit?
Hätt’s länger gewährt, hätten wir uns erwürgt.
Am Ende – zweisame Einsamkeit.
Zeit
Ja, auf Schönes in der Ferne
freuet sich ein jeder gerne.
Doch auch in vergangnen Tagen
schwelgt man doch mit viel Behagen.
Unsre Gegenwart indessen
können wir sehr leicht vergessen.
Hast dich prima abgelenkt
und die Zeit betrogen.
Wenn man nur an andres denkt,
ist das Jetzt verflogen.
Der Mensch
Den größten Teil des Lebens meint
der Mensch, er blieb vom Tod verschont,
da doch die Hoffnung in ihm wohnt,
dass nichts so übel ist, wie’s scheint.
Der Eine glaubt, man würd ja sehn:
Gott hilft uns schon beim Auferstehn.
Der Andre meint, es würd bald geben
’ne Medizin, um fortzuleben.
Doch unser Leben währt am längsten,
wenn wir uns lösen von den Ängsten.
Drum atme und genieß dein Brot.
Am Ende bist du mausetot.
Armut
Ganz langsam kroch die Armut in die Stadt.
Mach einer fror, manch einer wurd’ nicht satt.
Bald schliefen viele unter Brücken,
die Augen müd, die Körper matt.
Und Rücken wärmte sich an Rücken.
Ganz langsam kroch die Armut in die Hirne.
Die Sorge zeigte sich auf jeder Stirne.
Der Hass entflammt. Das Wir verbrennt.
Das Herz wird hart und dumm die Birne,
wenn keiner was dem andern gönnt.
Wozu
In deinen Sprüchen, den Gedichten,
wonach soll man sich denn da richten?
Nach nichts. Es schwindet mit der Zeit.
Außer vielleicht: Freundlichkeit.
Trost vom Feinde
Als ich in Trauer, reichte mein Feind mir die Hände.
Wie transzendent erschien mir jener Trost,
also ob der heiße Schmerz uns nun verbände,
als brächte der grausame Tod auch die Wende.
Zwei Trauergäste, zusammenzustehen gelost.
Die Zeit ließ den Schmerz verglimmen und bald war’s beim Alten:
Er verabscheute mich, als sei ich die Pest.
Ihm auszuweichen unmöglich. Ich konnt seinen Hass nur verwalten.
Doch ich werde wohl immer in Erinn’rung behalten,
wie er hielt mich zum Trost. So fest. So fest.
Dresche
Prügelst zuweilen dein Kind,
mal ein Klaps, manchmal Dresche.
Schaut es belämmert aus der Wäsche,
die Verhältnisse geordnet sind.
Schlägst es ja nur, wenn du musst,
maßvoll, bewusst
die Grenze gesetzt,
so dass es lernt zu verstehen,
den rechten Weg zu gehen,
und nie, dass es sich verletzt.
All die Gründe – was für ein Mist!
Du schlägst dein Kind fürwahr,
weil du, und das ist sonnenklar,
siebenmal stärker bist.
Undankbarkeit
Wie kannst du Dankbarkeit erwarten?
Geht es um andre oder dich?
Sieh, deine Taten stehn für sich.
In deines Lebens Blumengarten
gedeihen sie ganz ordentlich.
Erwartungen zu unterwandern,
zumal die eignen, scheint mir klug.
Tu und vergiss in einem Zug.
Die Dankbarkeit gilt nie dem andern.
Sie ist dich selber gut genug.
(Verantwortung)
Freiheit ist leicht.
Freiheit ist Spiel.
Wird auf Verantwortung sie geeicht,
findet der Mensch sein Ziel.
Schuld
Die Freundinnen saßen so freundlich beisammen.
Recht flink trat ich ein wie ein frierendes Frettchen.
Sie schauten kaum auf, als ich rasch meine klammen
Velourschuhe auszog. Ich kam aus dem Städtchen.
Ein lockerer Gruß, denn ich wollt sie nicht stören.
Für mich war’s ein Scherz, für sie klang es wie Hohn.
Fast hätt ich vermutet, sie könnten’s nicht hören.
Die Älteste eilte zum Münztelefon.
Ein Wort gab das andre. Und untereinander
zerstritten sie sich. Während ich nur noch schwieg
und in den Gedanken viel weiter schon wanderte,
herrschte bei diesen Gespielinnen Krieg.
Des Menschen Wert
Wie solln wir eines Menschen Wert erkennen?
Man sagt, es zählt, was Gutes er getan.
Ist er geduldig? Lebt er wie im Wahn?
Wer kann die Kriterien hier benennen?
Versteht er wohl, sein Leben zu genießen?
Vermag zu lindern er des andern Leid?
Ist er bewusst sich der Vergangenheit?
Und kann mit ihm die Freude fließen?
Führt dieses Denken auf die falschen Fährten?
Der Gutes-Tuer mehr wert als ein Kind?
Wir alle, auch der Schurke, Kinder sind.
’s ist sinnlos, Menschen zu bewerten.
Der Improvisierer (Vervollkommnung)
Was soll mir all das Streben nach Vollkommenheit?
Ich scheitre immer und bewahr mir Heiterkeit.
Doch heißt das nicht, das Scheitern solle mir genügen.
Ich werd im Siegen scheitern und im Scheitern siegen.
Nachtgedanken
Die Augen weit zu nächtlicher Stunde.
Von welchem Traum bin ich aufgeschreckt.
Konfuse Gedanken drehen die Runde,
die tief im Unterbewussten versteckt.
Ich hätte die Palme längst gießen müssen.
Hat Jens mich beleidigt? Oder ich ihn?
Schlaf ich gleich ein oder geh ich jetzt pissen?
Ist 1517 prim?
Wenn niemand mehr stirbt, was bedeutet dann Leben?
Jetzt zähl ich Schäfchen. Bei Drei lass ich’s sein.
Klingling, Es ist Zeit nun, sich zu erheben.
Ich schalt den Wecker aus und schlaf ein.
Nachbarn
Der Nachbar öffnet nicht
die Tür zu seinem Herzen
die synchron fast schlagen
sie die Sahne nebenan
da klappert was beständig
hör ich ihn am Tage
lang scheint er sich zu verstecken
wir uns voreinander
muss man nichts verbergen
Sie dort etwas, das niemand
sah ihn je
den Nachbarn
der ich bin.
Nachlass
Du liegst still im Sterbehaus.
Wir leer’n deine Wohnung aus.
Teppich, Schränke, deine Kleider
müssen fort nun, leider, leider.
Ja, du hast daran gehangen.
Was ist damit anzufangen,
wenn die einzge, die’s geliebt,
alle Viere von sich schiebt?
Fünfzig Fotoalben – bitter,
Strickpullover und die Zither,
dein Barrett, die alte Uhr
– all das holt die Müllabfuhr.
Nur dein Bild mit Eugen Schmidt
nehm als Andenken ich mit.
Wir leer’n deine Wohnung aus.
Du liegst still im Sterbehaus.
Püntklichkeit
Warte zwölf Minuten schon.
Starre auf mein Telefon.
Weiß ja, wie sie nachher flötet:
„Ach der Bus – total verspätet!“
Wie ich hasse diesen Ton!
Lasche Diebin meiner Zeit!
Wie wär’s mal mit Pünktlichkeit!.
Ach,
ich seh,
mein wahres Leben
findet statt jetzt, hier und eben.
Bin erst jetzt für dich bereit.
Lied für Pflaumendorf (Plum Village)
Reicht euch die Hände! Erkenne dich selbst in dem andern.
Nimm dir die Zeit, um mit ihm ein Stück Weges zu wandern.
Lös dich vom Bald.
Was gestern war, ist schon alt.
Lasst eure Liebe mäandern.
Reicht euch die Hände! Nun seht, ihr seid gleich unter Gleichen.
Arme sind reich hier und hilfebedürftig die Reichen.
Nichts zählt dein Gut.
Gut ist nur, was man auch tut.
Davon wolln wir hier nicht weichen.
Sicherheit im August
Der See ruht sich aus.
Kein Boot, kein Schwimmer.
Motorsägen
und Rasenmäher im Stall.
Das Eifersuchtsquaken
der Haubentaucher – verstummt.
Sie gleiten nun schweigend.
Und selbst die männlichen Mücken,
erschöpft von der Nachmittagsparty
halten nun inne.
Wir sitzen am Steg.
Du nimmst meine Hand.
Ich fühle mich sicher.