Als der legendäre Impro-Lehrer unsere Fragen wütend unterbrach: „Euer Scheiß Ego hat hier nichts verloren“, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Helmut Schmidt über die freie Rede
Ab Min. 24:34 Gaus: „Gehören Sie zu den Debattenrednern, die eher vorformulieren oder es drauf ankommen lassen, dass ihnen die richtige Formulierung einfällt?“
Schmidt: „Das letztere. Ich bin gehandicapt und kann in große Verlegenheit geraten, wenn ich (Ich hab’s einmal gemacht. Ist schon viele Jahre her.) eine Rede vorformulieren würde. Dann verlier ich den Faden zum Papier, weil ich mich inzwischen davon löse und mir alle möglichen Dinge dazu einfallen, die ich dann auszudrücken suche. Und wenn ich mit diesem Gedanken, der mir eingefallen ist, zu Ende bin, dann muss ich ja eigentlich wieder auf das Papier zurück und finde den Faden nicht mehr. Ich hasse das mit vorformulierten Reden.“
Impulse
Wenn es um Impulse geht, hören wir von Impro-Lehrern scheinbar widersprüchliche Aufforderungen:
„Folge deinem Impuls!“
„Widerstehe dem Impuls, negativ zu reagieren!“
„Ignoriere den Impuls, auf der Bühne rumzuzappeln!“
usw.
Die Impulse sind also, will es scheinen, eine etwas schwierige Angelegenheit. Gibt es so etwas wie „gute“ und „schlechte“ Impulse? Gibt es Momente, in denen wir auf unsere Impulse hören sollen und Momente, in denen wir sie lieber ignorieren?
Der Impulsgeber vieler Impro-Anfänger ist leider eine böse Fee namens Angst! Da haben wir die alte Vettel wieder.
Angst verhindert zunächst mal die Wahrnehmung von eigenen Impulsen. Wenn wir befürchten, dass das, was wir sagen oder tun, nichts tauge, dass es peinlich sei, dass es nicht intelligent genug oder nicht feinsinnig genug sei. Die Angst-Bremse verhindert auch, dass wir Impulse wahrnehmen, die Bühne zu betreten, wenn die Szene uns braucht.
Aus diesem Grund ist es durchaus OK, in Anfänger-Übungen oder Aufwärm-Spielen mal die Sau rauszulassen, Obszönitäten zuzulassen, Gewaltphantasien oder irrem Gefasel freien Lauf zu lassen. Hauptsache, es wird impulsiv reagiert.
Ich empfehle hier zum Beispiel:
– freie Assoziationen
– Ein-Wort-Geschichten in einem derart hohen Tempo, dass die Selbstkontrolle ausgeschaltet wird
– fortlaufende Geschichten oder Ein-Wort-Geschichten, in denen Obszönitäten zulässig und vielleicht sogar erwünscht sind.
– Zwei alberne Gänge
– Tausch/Wechsel
Angstgesteuerte Impulse führen dazu, dass wir die Angebote unserer Mitspieler blockieren oder ignorieren, dass wir negativ werden, dass wir emotionale Wendungen nicht zulassen, dass wir lieber einen schalen Gag produzieren als uns auf eine authentische Reaktion zu verlassen.
Aus diesem Grund spielen wir Games, die unseren Fokus woanders hinlenken:
– Wer blockiert, fliegt raus
– ABC-Spiel (als Anti-Laber-Spiel)
– Buchstaben-Vermeidungs-Spiel
– Actio/Reactio
Nun könnte man argumentieren, dass diese Spiele ja unsere Impulse blockieren. Nehmen wir das ABC-Spiel. Mein Partner eröffnet vielleicht mit dem Satz: „Am Dienstag müssen wir Tante Erika besuchen.“ Mein Impuls ist nun: „Es ist schließlich ihr siebzigster Geburtstag.“ Das Format ABC-Spiel verhindert aber, dass ich diesem Impuls nachgebe (Ich bin gezwungen, einen Satz zu sagen, der mit „B“ beginnt). Gerade Improtheater-Anfänger, die bereits Solo-Erfahrungen haben (z.B. als Musiker oder Komiker), stören sich manchmal an dieser Art von Einschränkung. Paradoxerweise aber helfen uns die Games durch ihre Einschränkung die Vielfalt unserer Impulse zu erweitern. Die Games und Übungen helfen uns, den angstbesetzten Impulsen weniger Raum zu geben und stattdessen neue Impulsgeber zu erkennen:
– Die positive Reaktion auf Angebote des Mitspielers (statt des Abschmetterns)
– Das Weiterentwickeln eines Gedankens (statt der Blockade)
– Die emotional authentische Reaktion (statt des Ignorierens des emotionalen Gehalts
Arbeit
Diskussion mit meinem Kollegen Jochen Schmidt über Arbeitszeiten, die Vereinbarkeit mit dem Familienleben und darüber, was wir überhaupt zum Bereich Arbeit zählen. Jochen Schmidt zählt im Grunde jedes Telefonat dazu, jeden Spaziergang, aus dem sich möglicherweise produktive Recherche ergibt und auch jede Lektüre, nicht aber E-Mails, reine PR usw.
Am schwierigsten abzugrenzen sind wohl die Tätigkeiten, in denen sich PR und schwatzhaftes Social Networking überlappen (also vor allem Facebook) und jede Art von Kunst-Konsum, den man eigentlich als berufliche Weiterbildung aber auch als reines Entertainment verbuchen könnte (vor allem Lesen, aber auch Theaterbesuche, von Kino, Videos und Youtube ganz zu schweigen).
Seit zwei Jahren notiere ich mir täglich sämtliche Arbeitstätigkeiten. Und ich bin in Bezug auf Entertainment eher radikal: Ich weiß, dass ich mich zum Beispiel mit Lesen auch ganz gut vor schwierigeren Dingen drücken kann. Ich notiere mir also meine Lesezeit, rechne sie aber nicht der reinen Arbeit an.
Ich unterteile die „reine“ Arbeitszeit in
- Schreiben (Unterkategorien: a) Kurze Texte für Lesebühnen, b) langfristige Projekte sowie c) Blogs, Tagebuch und dergleichen)
- Verwaltung (Unterkategorien a) E-Mails, b) Werbung, c) Telefonate und Organisation)
- Shows
- Training (Unterkategorien a) Improtheater-Proben und b) Musizieren)
- Improtheater-Unterricht
Für 2015 läuft es hinaus auf 23% Schreiben, 29% Verwaltung, 33% Shows, 5% Training, 11% Unterricht. Ich rechne für 2016 mit einer Verschiebung Richtung Schreiben, da mit der Auflösung der Chaussee der Enthusiasten fast ein Drittel meiner Shows wegfallen.
(Man könnte argumentieren, dass das Musizieren, was bei mir seit vier Jahren hauptsächlich auf Klavierspielen hinausläuft, für meine sonstige Arbeit eigentlich völlig nutzlos ist, da ich wohl nie damit auftreten werde. Eigentlich könnte ich es auch wegen seiner meditativen Funktion in meine Sport-Tabelle eintragen. Aber dagegen sträube ich mich dann doch.)
Seit einem Jahr habe ich das Programm Rescuetime auf meinen Rechner installiert, das mir gnadenlos Auskunft gibt über mein Computer-Nutzungsverhalten. Das Programm berechnet alle 15 Minuten eine Aktualisierung der aktuellen Tätigkeiten und nimmt automatisch Kategorisierungen vor: Produktiv, sehr produktiv, neutral, ablenkend, sehr ablenkend. Die Kategorien lassen sich auch ändern. Es funktioniert auch offline, wenn man nur ab und zu täglich mit dem Computer ins Internet geht, um online abzugleichen.
Übrigens lag die Versuchung nahe, die Fahrtzeiten zu Shows und Workshops in die Arbeitszeit einzubeziehen, vor allem wenn man für einen zweistündigen Workshop noch eine gute Stunde Fahrtzeit braucht. Die Erwägung, dass Angestellte das auch nicht dürfen, gab den Ausschlag dagegen.
(Über meine Haushalts- und Familienzeiten, meine Lektüre und den Sport führe ich separate Tabellen. Und wie die Arbeit an diesen Tabellen einzuordnen ist, darüber bin ich mir sehr unsicher.)
Feedback in Workshops
Feedbacks in Workshops sind eine höchst sensible Angelegenheit.
Es gibt Lehrer- und Schülertypen, die zu Feedback höchst unterschiedliche Auffassungen haben.
Da wären zunächst einmal Lehrer, die überhaupt kein Feedback geben. Sie füttern die Klasse mit Übungen und Games und vertrauen darauf, dass die Freude am Spiel sich durch gute Games ohnehin einstellt und sich durch die Freude am Spiel und dem Fokus des Games ohnehin ein Lerneffekt einstellt. Dieser Lehrertyp ist gut vereinbar mit Schülern, die das Ganze lediglich des Spaßes halber machen und solche, die zum langsamen und sanften Lernen neigen. Schüler, die aber rasch lernen wollen und die Feedback brauchen und wollen, fühlen sich bei solchen Lehrern oft unterfordert.
Dann gibt es Lehrer, die vor allem positives Feedback geben. Diese Lehrer finde ich besonders in Anfänger- und Mittelstufen-Kursen geeignet. Besonders Anfänger, die ein Problem damit haben, überhaupt aus sich herauszukommen, die mit mangelndem Selbstbewusstsein kämpfen und ihrer eigenen Stimme nicht vertrauen, kann mit der Methode der positiven Verstärkung enorm geholfen werden.
Und es gibt Lehrer, die Kritik äußern. Kritik ist ab einem bestimmten Niveau unerlässlich, wenn man irgendwie vorankommen will. Die Frage ist nur: Wie wird die Kritik geäußert? An welcher Stelle? Was genau wird kritisiert?
Man wird sich einig sein, dass eine „Falsch! Falsch! Falsch!“-Kritik überhaupt nichts bringt. Auch der Lehrer sollte sich darüber klar sein, dass es ein Richtig und Falsch in der Improvisation nicht gibt. Allenfalls gibt es zu feiernde „Fehler“ innerhalb eines Games (zum Beispiel wenn der Buchstabe im Buchstabenvermeidungsspiel fällt). Alles andere sind Effekte, die sich so oder so erzielen lassen. Man kann ausprobieren, was passiert, wenn man eine Szene positiv oder negativ anfängt. Man kann ausprobieren, was passiert, wenn einer der Spieler ab und zu blockiert. Bestimmte Impro-Muster tendieren zu bestimmten Effekten. Und so wird man feststellen, dass es einfacher ist, eine Szene zu entwickeln, wenn sie positiv startet. Das heißt aber nicht, dass es anders nicht möglich ist. Diese Kontingenz muss der Lehrer markieren oder zumindest im Bewusstsein der Schüler mitschwingen lassen: Wir probieren hier etwas aus. Wenn er das nicht tut, fühlt sich der Schüler nur noch als ausführende Marionette der Anweisungen eines unduldsamen Regisseurs.
Sehr schwierig ist es, eine Szene zu unterbrechen, die das zu übende Format sprengt oder in der die Aufgabe aus den Augen verloren geht, die aber dennoch irgendwie „im Flow“ ist. Hier reinzugrätschen oder gar den Schülern Formulierungen in den Mund zu legen, ist absolut kontraproduktiv. Die Szene sollte sanft und lobend angehalten (nicht unterbrochen) werden. (Eventuell kann man sie auch einfach für beendet erklären und einen Applaus einfordern.) Eventuell ist Sidecoaching möglich, allerdings müsste auch das möglichst sanft geschehen. Wenn man hier im Flow der Schüler atmet, kann man durchaus auch Anweisungen geben wie „Sag einfach Ja.“ oder „Beschütze sie.“ usw. Keinesfalls sollte man wie ein cholerischer Fußballtrainer seine Anweisungen reinbrüllen oder gar sie für die einzig mögliche Option halten.
Als Schüler sei man flexibel: Hole aus jedem Lehrer heraus, was möglich ist. Sei nicht zu scheu, deinem Lehrer Feedback zu geben. Egal, was für einen Namen er hat, ihr seid zwei erwachsene Menschen, die sich respektvoll gegenüber treten. So wie du ein Recht auf Feedback hast, so hat er auch eins.
Und auch: Wenn dir die Feedbacks und Aufgaben zu viel werden, gib Bescheid. Dafür sind Lehrer oft blind.
Impro bei Rammstein
„Wir denken nicht groß nach, wir schmieden keine Pläne, wie wir das Gesicht der Show gestalten oder so.
Wir machen einfach das, was gerade so anliegt.“
(Flake, Rammstein)
Character-Besessenheit
So wichtig und richtig es auch ist, eine Rolle/Figur/Character ausfüllen zu können, so müssen wir doch flexibel genug bleiben, um uns verändern zu lassen.
Der Character in all seiner Stärke darf nicht unsere Impro-Tugenden überdecken. Finde den Punkt, an dem sich die Figur physisch emotional verändert.
Im Übrigen ist kaum jemand so statisch, dass er in jeder Situation gleich ist. Niemand ist nur Hoch- oder Tiefstatus. Jeder agiert täglich in Rollen, in denen er unterschiedliche Seiten von sich zeigt.
Wie Helge ohne Instrument „übt“
Das Denken und Üben außerhalb von Shows und Proben wird doch sehr unterschätzt.
Ähnlich wie Glenn Gould und Johann Sebastian Bach übt Helge Schneider relativ wenig am richtigen Instrument. Und er nennt es nicht einmal „Üben“. Von Basketballern weiß man, dass ihre Trefferquote sich erhöht, wenn sie vorm Einschlafen fünf Minuten Würfe im Kopf trainieren.
Für uns heißt das: Szenen im Kopf spielen, sich überlegen, was man selbst gern auf der Bühne sehen würde usw.
Die Falle der Selbst-Etikettierung
„Ich kann nicht singen.“
„Ich assoziiere nun mal etwas langsamer.“
„Im Storytelling bin ich eher schlecht.“
Wer hat diese Sätze nicht schon gehört? Das Problem ist, dass uns diese Glaubenssätze einsperren. Selbst wenn wir hier und da mit einem kräftigen „Au ja!“ an den Latten gerüttelt haben, nageln wir sie durch solche Selbst-Bezeichnungen wieder fest.
Nun zeugt es sicherlich von Bescheidenheit und der Fähigkeit zu Selbstreflexion, wenn wir von Zeit zu Zeit unsere eigenen Fähigkeiten einer kritischen Revision unterziehen. Schließlich sind wir erst dann in der Lage, an diesen Fähigkeiten zu arbeiten.
Aber es ist ganz und gar kontraproduktiv, wenn ich mich von vornherein in die Position des „So bin ich nun mal.“ manövriere. Denn wenn ich so „bin“, dann hülfe ja alles Lernen und Trainieren nichts.
Manche Impro-Schüler sind dermaßen in dieser Geisteshaltung gefangen, dass sie sich kaum für irgendein neues Game, eine Übung oder ein Format einlassen. Man bittet sie auf die Bühne und sie betreten sie mit einer um Mitleid flehenden Miene, die uns sagen soll: „Na, wenn ich unbedingt muss…“ Diese Haltung zu ändern, ist die entscheidende Aufgabe beim Lehren und Lernen von Improtheater sowie beim Lehren und Lernen überhaupt. Zugrunde liegt natürlich die Angst, sich zu verändern. Aber ohne Veränderung kein Lernen.
Aufgrund schlechter Erfahrungen trägt fast jeder ein bisschen etwas von dieser Haltung mit sich herum:
„Ich kann nicht zeichnen.“
„In Mathe war ich schon immer schlecht.“
„In Fremdsprachen bin ich völlig untalentiert.“
Es ist eine Sache, ein Defizit bei sich zu erkennen und daran arbeiten zu wollen. Es ist etwas anderes, dieses Defizit als unabänderliche Charaktereigenschaft zu bezeichnen.
Auch Impro-Profis sind leider nicht völlig frei davon. Nur drückt es sich oft etwas subtiler aus:
„Wir sind doch eher eine ruhige Langform-Impro-Gruppe“, wenn man bemerkt, dass die Spieler zu sehr im Nachdenken verharren.
„Mit klassischem Theater kenne ich mich sowieso nicht aus“, wenn es darum geht, sich mal fünfzig Seiten Shakespeare durchzulesen.
Erkenne dich selbst, aber glaube nicht, dass du unveränderbar seist.
Metapher oder Gag
In der Improvisation brauchen wir den Mut, seltsamen Wendungen und einzelnen Sätzen Raum zu geben, um ihre metaphorische Wirkung zu entfalten.
In einer großformatigen Improvisation beim Berliner Improtheater-Festival 2015 gab das Publikum einem von Randy Dixon gespielten Mann den Satz „Ich liebe Bier!“ als Lebensmotto vor. Was zunächst aus dem Publikum heraus als halblustige Klischee-Anspielung auf das deutsche Szenario gemeint war, entwickelte sich zu einem poetischen Motiv. Während der vier Stunden, in denen man diese Nebenfigur sah, fiel der Satz nur vier Mal, wie nebenbei, und entfaltete immer stärker seine Wirkung, indem man einem lebenslustigen Mann zusah, der tragisch endete und seine Liebe zu Bier mit ins Grab nahm.
Um Metaphern blühen zu lassen, darf man sie nicht zu sehr forcieren, und schon gar nicht sollte man sie erklären. (Ein erklärter Witz ist nicht mehr komisch, eine erklärte Metapher nicht mehr poetisch.)
Wäre der im Beispiel genannte Satz „Ich liebe Bier“ häufiger ausgesprochen worden, hätte er seine metaphorische Kraft wahrscheinlich verloren und wäre zum Running Gag verkommen.
„theatermäßige Figuren“
Aus einer Buchrezension.
Die Rezensentin Angela Leinen entschuldigt, das von ihr geschätzte Buch nicht vollends lieben zu können, weil „manche Figuren mir ein bisschen zu sehr theatermäßige Figuren sind und noch etwas mehr leben könnten.“
Man weiß sofort, was sie meint. Und das sagt leider viel übers Theater.
Paradox: Grenzen erweitern deine Möglichkeiten
Wir treffen bisweilen auf Skepsis gegenüber Grenzziehungen in Formaten. Dabei lernen wir schon als Anfänger, dass Grenzen (z.B. die Regeln eines Games) unsere Möglichkeiten erweitern.
Z.B.: wenn wir die Spielregel „Keine Sprache“ einführen, erweitert das unsere physischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Wenn ich bei Anfängern „Freeze Tags“ einführe, lasse ich sie erst mal wild drauflosspielen, was natürlich zu einem Übermaß der uns bekannten „Herr Arzt, ich kann meinen Arm nicht bewegen“-Szenen, „Bleiben Sie mal so stehen, wenn ich Sie fotografiere“-Szenen oder Tanz-Unterricht-Szenen führt. Wenn ich dann die Spielregeln „Thematisiert nicht euren Körper“ und „Vermeidet Befehle“ einführe, könnte man ja annehmen, dass diese Regeln die Vielfalt der Szenen einschränkt. In Wirklichkeit erweitert sich die Vielfalt. (Als Lehrer darf man hier nicht vergessen, nach dem Game zu „entregeln“, sonst glauben die eifrigen Mitschreiber, es sei ein ehernes Impro-Gesetz, dass man im Improtheater nicht den Körper thematisieren dürfe.
Für fortgeschrittene Spieler gilt aber das Gleiche auf einer subtilen Ebene: Wir haben unseren Stil und unsere Manierismen gefunden und haben uns behaglich eingerichtet in unserer Art zu improvisieren. Erst neue Limitierungen katapultieren uns aus dieser Komfort-Zone. Deshalb erweitert das Spiel in Genres und „Stilen“ unser Repertoire, weil es die Ausdrucksmöglichkeiten begrenzt und einige unserer Lieblings-Moves unterbindet.
Jazz richtig singen
Vor Jahren hörte ich ein Konzert einer etwas in die Jahre gekommenen mittelmäßigen Jazz-Sängerin. Obwohl ich sie eigentlich mochte, konnte ich mit ihrer Art, Musik zu interpretieren überhaupt nichts anfangen. Nach dem Konzert kam eine Zuhörerin auf sie zu und lobte sie: „Toll! Man hört, dass du eine Jazz-Gesangsausbildung hast.“ Und zu meinem Erstaunen freute sich die Sängerin sogar über dieses lauwarme Lob. Mir aber wurde nun klar, was ich da vermisst hatte: Das persönliche Spielen mit der Musik, der Emotion und dem Text. Ja, ihrer Interpretation hörte man noch den Gesangslehrer an, der wie ein mahnender Geist neben ihr stand: „Nutze beim Singen auch die Resonanzräume der Nase. Schließe die Augen. Denke an die Blue Notes.“ Sie wollte Jazz richtig singen und vergaß dabei das Wichtigste: Man kann Jazz nicht richtig singen. Wenn man den Lehrer nicht hinter sich lässt, wird man nie frei spielen.
Komik vs. Gagging
Ein weitverbreitetes Missverständnis zum Thema Gagging besteht darin, dass Improspieler glauben, Gagging bezeichne überhaupt jede Art von Komik im Improtheater und das Gebot, Gagging in der Szene zu unterlassen, beträfe gewissermaßen eine übermäßige Häufung an Comedy.
Gemeint ist aber etwas völlig anderes: Gagging bezeichnet den schnellen Gag auf Kosten der Szene. Eine urkomische Szene kann also durch einen Gag ruiniert werden. Das mag zunächst paradox erscheinen. Aber das Ganze erklärt sich, wenn wir uns anschauen, was eine Szene komisch (oder auch berührend, tragisch usw.) macht: Es ist das Game der Szene. Nehmen wir den Film „Der verrückte Klaviertransport“ mit Stan Laurel und Oliver Hardy. Für sich genommen könnte man den Film als eine Aneinanderreihung von Slapstick-Gags betrachten. Aber im Grunde ist diese Komödie ein einziges sehr organisches Game. Die Komik entsteht aus der konsequenten Entwicklung der Prämisse: Ein hoch empfindliches und teures Klavier wird von den zwei Typen angeliefert, die man nie auch nur in der Nähe des Instruments sehen möchte – Laurel und Hardy. Jede komische Handlung, jeder Gag hat seinen Ursprung in dieser Ausgangssituation und ist dramatisch eingebaut in die jeweilige Situation. Jedes kleine Missgeschick entfaltet seine Wirkung später umso mehr. Jede Katastrophe entfaltet sich in Dutzende kleinere Mini-Malheure. Von Charlie Chaplin weiß man, dass er ungeheuer komische Sequenzen aus seinen Filmen herausschnitt, weil sie am Ende nicht zum Gesamtrhythmus passten.
Gagging ist im Grunde ein egoistisches Verhalten: Man platziert einen Gag, um einen Lacher zu bekommen, aber der Gag hat nichts mit dem bereits Etablierten zu tun; vielmehr raubt er der Szene den Schwung. Im erwähnten Laurel-und-Hardy-Film verlieren wir nie unser Interesse daran, ob es den beiden nicht doch noch gelingt, das Klavier unversehrt auszuliefern.
Gagging-Gags wirken oft ausgedacht. Der Lacher hat nichts mit der Ausgangssituation oder dem Verhalten des Characters zu tun. Gagging ist insofern eng verwandt mit „Originell sein“. Wenn wir im Game der Szene und in der Logik der Charaktere bleiben, dann müssen wir uns keine Gedanken darüber machen, ob die Szene lustig genug ist, wir brauchen keine Witze „einzubauen“. Denn nachhaltige Komik entsteht nicht aus der Aneinanderreihung von Scherzen, sondern aus der ins Extreme getriebenen konsequenten Entfaltung einer Ausgangssitutaion.
Publikumsvorschläge ablehnen?
Wenn wir schon mit Publikumsvorschlägen arbeiten, gibt es eigentlich keinen Grund, sie abzulehnen. Wenn wir als Improspieler vor dem Problem stehen, die immergleichen Vorschläge zu hören, müssen wir eben anders fragen.
Bei Foxy Freestyle bemühen wir uns um eine neue Akzeptier-Radikalität gegenüber dem Publikum: Vorschläge nur dann ablehnen, wenn sie nicht der erfragten Kategorie entsprechen. („Nennen Sie mir ein Säugetier mit K.“ – „Kakao.“)
Scheinbar negative Vorschläge, wie z.B. „Shitstorm“, haben uns zu großartigen Harolds inspiriert.
Vor obszönen Vorschlägen braucht man sich sowieso nur zu fürchten, wenn man nur klischeehaft zu spielen in der Lage ist.
Ideen werden überschätzt
Es gibt im Improtheater ein großes Missverständnis, was Ideen betrifft: Zuschauer sind fasziniert von den ungeheuer originell wirkenden Ideen der Improspieler. Sie loben sie dafür, sie sagen: „Wie ihr immer auf diese Ideen kommt! Das könnte ich nie.
Und mit diesem Missverständnis beginnen auch viele Impro-Anfänger: Sie glauben, sich Sachen ausdenken zu müssen. Wenn sie erst mal eine Idee haben, dann halten sie daran panisch fest; sie heben sie sich für später auf oder drücken sie gegen die Mitspieler durch, komme was da wolle. Die Kehrseite ist wiederum der Glaube, keine Ideen zu haben (was letztlich heißt, zu glauben, die eigenen Ideen seien nicht gut, nicht intelligent oder nicht originell genug).
Die Konsequenzen sind: Den Mitspieler mit den eigenen Ideen zuzuschwallen, Originalität auf Kosten der Szene, Gagging, ängstliches Schweigen.
Wie löst man das? Ich denke, es ist zunächst mal völlig OK, in einer Improszene „Ideen“ zu haben. Aber noch wichtiger ist die Fähigkeit, sie loslassen zu können. Wenn ich im Moment bleibe, auf den Moment achte und meine Assoziationskanäle öffne, dann fließt ein Gedanke nach dem anderen, so wie beim natürlichen Sprechen. Deine Assoziationen mögen auf mich originell, schlau, intelligent, witzig wirken, so wie meine Assoziationen auf dich. Für uns selbst aber bleiben unsere Assoziationen das Naheliegendste der Welt.
Meta-Regel über Regeln
Bevor man in die Falle tappt, endgültige Regeln aufstellen zu wollen, lohnt ein Blick in Theater- und Film-Skripte. Wir werden dort Charaktere finden, die Nein sagen, Typen, die zum Monologisieren neigen, Dummköpfe, streitende Paare, und so ziemlich alles, was einem irgendwann von irgendeinem Impro-Lehrer per Regel untersagt wurde. Wenn’s im Theater und im Film funktioniert, dann geht es auch im Improtheater. Aber was immer du auf der Bühne tust: Tue es nie aus Angst oder Faulheit.
Künstlerische Irrwege akzeptieren
Irrwege sind oft wichtige Schritte auf dem Weg zu neuen Durchbrüchen und Selbsterkenntnissen. Mein Lieblingsbeispiel ist das Album der Rolling Stones „Their Satanic Majesties Request“ – der Versuch, das Beatles mit ihrem „Sgt. Peppers“-Wunder zu übertrumpfen. Man muss wohl sagen, dieser Versuch ist gescheitert. Aber eigentlich nur, wenn man ihn an seinem ursprünglichen Anspruch misst. Für sich genommen ist es ein wunderbares, spielfreudiges Werk, das Psychedelic und Blues mixt. Die Stones haben daraus gelernt, dass der Blues immer noch das Herz der Band sind. Und doch haben sie nie das Experimentieren aufgegeben – vom Country Folk bis zu Disco, Jazz und House haben sie immer wieder verschiedene Stile in ihre Musik einfließen lassen.
Gute Idee? Schlechte Idee?
TJ & Dave über Entdecken vs. Erfinden
„Entdeckung ist der Weg des geringsten Widerstands, vielmehr ein Zustand des Nichtstuns und der Leichtigkeit als Kraft und Anstrengung.“ (95)
„Energie ist schön. Anstrengung ist hässlich.“ (95)
In Szenenanfängen sind die Charaktere selten überrascht. Ihr Verhalten ist normal.
„Am Anfang der TJ-and-Dave-Show fragen wir nicht nach Vorschlägen, weil wir nicht wollen, dass irgendetwas der bereits vorhandenen Szene im Weg steht.“ (98)
(Man muss wohl zugeben, dass das zunächst ziemlich esoterisch klingt. Andererseits ist es genau diese Geisteshaltung, die TJ & Dave ihren ungeheuren Flow ermöglicht. Würden sie geistig noch damit beschäftigt sein, in ihre Show „Vorgaben“ einzubauen, würde das wohl die Eleganz mindern. DR)
„Wir finden es hilfreich zu vermeiden, in Plots und Narrativen festzuhängen. Sich auf die Story zu konzentrieren, ist der Feind unserer Art des Improvisierens. Story ist ein Nebeneffekt, der an den Rissen austritt, wenn man einfach Leute aufeinandertreffen lässt und ihre Beziehungen untersucht.“ (99)
(Ich glaube allerdings, dass TJ und Dave instinktiv gute Erzähler sind. Deshalb müssen sie sich nicht darum kümmern. So wie ein guter Pianist beim Improvisieren nicht über den Fingersatz nachdenkt. Sie wissen, dass man z.B. eine Szene nicht mit Instant Trouble beginnt, sie wissen, dass die Protagonisten (mehr als andere Charaktere) sich verändern müssen usw.
Aber vielleicht wagen die beiden auch viel mehr noch das Locker-Episodenhafte und überlassen überhaupt viel mehr dem Zuschauer, den Szenen einen Sinn zu geben. DR)
„Natürlich fügen wir auch Namen hinzu, benennen die Umgebung, die Einzelheiten und Details, aber diese Sachen sind nicht die Crux der Szene, wo man die Schönheit der Improvisation finden kann. Obwohl Details nützlich sind, kann ein übermäßiges Vertrauen in Plot, Narrativ und Fakten dazu führen, dass das wesentliche Element der Szene verschleiert wird: Das Verhältnis zwischen den zwei Personen in diesem Moment.“ (99)
„Der Unterschied liegt zwischen ‚Wir spielen jetzt eine Szene.‘ und ‚Lass uns mal sehen, was das hier ist.'“ (David, 103)
Option Showabbruch
Als ich anfing, Improtheater zu spielen, kam in meiner damaligen Gruppe die Diskussion auf, ob bestimmte Themen nicht zu heikel seien, um die auf die Bühne zu bringen. Der Konsens, den man damals fand, war, dass es darauf ankäme wie man etwas darstelle. Und insgeheim sagte ich mir damals, falls einmal etwas dermaßen geschmacklos, unter der Gürtellinie oder für mich aus persönlichen Gründen unerträglich wäre, hätte man immer noch die Möglichkeit, dem Publikum zu sagen, dass man nun spontan eine kleine Pause einlegte, um dann im Backstage zu besprechen, wie und ob man überhaupt weiterspielen wolle.
Die persönliche Option, die Show einfach abbrechen zu können, hat mir damals viel von meiner Angst genommen. Ich habe sie noch nie nutzen müssen.
TJ & Dave über Angst – Exzerpt IV
„‚Folge deiner Furcht‘ [das legendäre Zitat von Del Close] bedeutet nicht, dass wir keine Angst haben sollen. Es ist sogar die Grundlage dafür. Es bedeutet, dass wir Dinge tun, die wir normalerweise vermeiden würden: schwierige Momente, herausfordernde Charaktere, unpopuläre aber ehrliche Antworten. Jenseits davon kann die Erforschung von Themen wie Freundlichkeit und Empathie auch verlangen, dass wir uns an Orte der Furcht und der Verletzlichkeit begeben. (…) Auf der Bühne können wir es uns leisten, ehrlich zu sein. Angst zu haben, unsympathisch zu sein. Offenherzig, lieb oder zärtlich.“ (74)
„Das heißt nicht, dass wir uns nur mit emotional aufgeladenen Themen beschäftigen, sondern dass wir vor ihnen nicht zurückschrecken.“ (75)
Pam: „Stört es dich, wenn bestimmte Leute im Publikum sitzen?“
David: „Nur die Familie. Ansonsten nicht.“
[wie bei mir]
„Ein großer Vorteil, die Selbstbewertung wegzuwerfen, besteht darin, bestimmte Schritte aus Angst zu tun. Ein verbreiteter Fehltritt besteht darin, […] eine Menge Exposition zu produzieren. Wir erklären, warum das, was wir gemacht haben, nicht schlecht war oder warum wir recht hatten, und dann glauben wir, wir würden uns damit auf den Boden der Tatsachen stellen. Man kann sich aber nicht in Klarheit hineinquatschen. Anstatt sich aus diesem Loch herauszureden, sollte man lieber stille sein und zuhören, wer man gerade ist. (82)
First thought
„Anytime they completed a tune, that’s what they were going to stick with. It was really propelled by the idea that first thought is best thought.“ (on Miles Davis‘ „Kind of Blue“)
Analyse des Albums ca. ab 4:50 Min.
1959 The Year that Changed Jazz-Clip1 von parkridge
TJ & Dave über Klappe halten, Regeln und Ehrlichkeit – Exzerpt III
Kapitel 6
Klappe halten
"Manche Leute sagen etwas und wiederholen es dann auf viele verschiedene Arten. Alles vergeudet- Wir bevorzugen Schweigen oder sparsames und präzises Sprechen." (TJ, 48)
TJ & Dave verachten Sätze wie "Mensch, Ron, jetzt sind wir schon seit zehn Jahren miteinander verschwägert."
Erstens spricht kein Mensch so. Zweitens "weiß das Publikum schon Bescheid. Und eigentlich kümmert es sie auch nicht wirklich."
Kapitel 7
Scheiß auf die Regeln
Die meisten Regeln, so TJ & Dave werden ohnehin zu wörtlich genommen (wie zum Beispiel keine Fragen zu stellen). Aber auch die Regel, schnell das Wer, Wo, Was zu definieren, stellen sie infrage: "Diese Dinge künstlich in den ersten Sätzen zu definieren, baut nur ein Hindernis für die freie Szene auf. Sie werden sich selbst enthüllen, wenn ihr eine wirklich ehrliche Szene improvisiert." (TJ & Dave, 55)
Und doch stellen sie ihre eigenen Regeln auf:
– Seid euch einig.
– Seid aufmerksam.
– Zerstöre und verneine nicht die einmal etablierte Wirklichkeit
– Sorgt füreinander.
– Der Andere ist die wichtigste Person und die Antwort auf all deine Probleme.
– Künstlich einer Szene Tatsachen aufzwingen ist nicht hilfreich.
– Die Szene liegt in der Verbindung zwischen den Charakteren.
– Spiele mit einem Höchstmaß deiner Intelligenz
(TJ & Dave, 56)
Kapitel 9
Über ihren häufig benutzten Begriff "Ehrlichkeit":
"Wir sprechen von einer Art Integrität. Impro-Anfänger sind vielleicht ehrlich, wenn jede Szene um "Ich habe eine Wahnsinnsangst!" geht" Das ist nicht, wovon wir sprechen. Wir meinen – Wahrhaftigkeit gegenüber der Szene, Wahrhaftigkeit gegenüber dem, was wir bereits etabliert haben." (David, 69)
"Versuchen, einen Lacher zu bekommen, ist der Höhepunkt des Egoismus in unserer Kunstform. Wir haben uns dafür entschieden, etwas auf gemeinsam Geteiltem aufzubauen. Wenn du das nicht willst, mach was anderes." (TJ, 70)
"Wenn ich denke, die Zuschauer sind still, weil ich sie verloren habe, sie aber eigentlich völlig bei uns sind, dann werde ich mich an etwas Falsches anpassen. Und DAS führt dazu, dass ich sie verliere." (David, 71)
TJ & Dave – excerpt II
Chapter 4
„Consider your goals in improvisation and find people interested in aiming for that same place. (…) There are people who don’t care to do the type of improvisation you’re interested in. Forget them.“ (David, 32)
„There are times we come across people who just can’t be reached. If we speak to someone and explain how what they did destroyed the show, they still don’t get that. (…) If they can’t recognize that their selfish desire for one laugh destroyed something that everyone else built, then I don’t think they get anything at all. (…) You are better off without those people.“ (TJ, 33)
„If we play with a sense of participatory feeling when we’re off to the sides, we will be much more likely to be present for a timely edit. (…) We don’t have to worry about how to enter that scene, because mentally we’re already in it.“ (David, 34)
Chapter 5
„Our stage partners provide all we need. And their faces, especially the eyes, are the first place to look.“ (TJ & Dave, 37)
„The way [TJ] behaves and what he says in front of me tells me about the nature of our relationship.“ (David, 37)
„A line is not delivered until it is received.“ (Del Close, according to David, 39)
„We won’t listen if we’re afraid.
We won’t listen if we think we know how the scene is going to go.
We won’t listen if we’re thinking about what funny thing we’re going to say or do.
We won’t listen if there are too many bees in the room.“ (TJ & Dave, 41)
„David says you can improve your memory by paying attention to the people you speak with, by caring enough to be concerned with what they are saying, and not merely waiting until you can talk about yourself again. (…) TJ helps his memory through specifity and emotional touch pints.“ (TJ & Dave, 43)
„Listening is all there is.“ (TJ & Dave, 44)
TJ & Dave: Improvisation at the speed of life excerpt I
TJ & Dave – Improvisation at the speed of life – excerpt 1
Introduction
„Improvisation doesn’t mean we are unprepared. (…) The best way to prepare for improvisation is to experience life. And think: Think of everything. What do you think about this particular event? This particular point in history? This particular school in history? This particular school of thought? (…) Thought is part of the preparation.“ (David, xii)
Chapter 1
„[When a Harold improvisation happened seamlessly, effortlessly] we used to say: ‚Harold was here tonight.‘ (…) something other than us was at work.“ (David, 8)
„[The Chicago improvisers] were also some of the sweetest, most generous people you could meet, not only with their talent, but their time, their knowledge and their friendship.“ (TJ, 12)
Chapter 2
„TJ, the guy who has trouble with balance and vertigo (…) stood at the edge of a long fall. During the scene but sotto voce between us, I asked ‚What are you doing out here?‘ He (…) said: ‚This is where the scene is.'“ (David, 17)
„The structure of our show was being revealed, little by little, as we went along. These were not rules we came up with, nor are they rules we follow. They are just patterns we discovered as we worked together.“ (David, 21)
„Since our first show in 2002 (…) we simply agreed not to stop yet. We promised each other that the night we get it right: We quit.“ (TJ, 22)
Chapter 3
„An improviser needs to read and think. Our reactions and thoughts will be, must be colored by our thoughts.“ (David, 27)
„Salinger’s characters reveal so much about the characters, relationships and location without a great deal of backstory. (…) For instance, the characters speak the way only siblings would speak – therefore they must be siblings. The exposition is understood without having to be stated.“ (David, 27)
Wer freut sich auf den Winter?
37 ° Celsius in Berlin. Auf den Bühnen dieser Stadt ist es selten kühler. Gibt es Improspieler, die in dieser Situation eine Winter-Szene improvisieren oder überhaupt einen Character, der friert?
Es gibt überhaupt viel zu wenig Kälte-Szenen auf der Bühne, wahrscheinlich weil es dort tendenziell immer ein bisschen zu warm ist und die Assoziation einfach nicht nahe liegt.
Einzählen
Aus der Theatersport-Forderung, die Spieler mögen nicht zu viel Zeit mit dem Suchen von Requisiten oder gar mit Überlegen verplempern, entstand die Konvention, die Jury fünf Sekunden einzählen zu lassen – eine Aufgabe, die später dem Publikum übertragen wurde. Keith Johnstone hat sich über dieses Ritual ambivalent geäußert. Ich denke, jeder, der es mal erlebt hat, wie ein ganzer Saal kraftvoll gemeinsam einzählt, hat diese Wucht schätzen gelernt. Es schweißt das Publikum zusammen, ähnlich wie applaudieren oder überhaupt jede gemeinsame Aktion. Ich sehe aber auch drei Nachteile: 1. Das Ritual ermüdet sich im Laufe des Abends. Der zehnte Countdown ist meist längst nicht mehr so kräftig wie der erste. 2. Wenn man nur wenige längere Szenen oder Storys spielt und wenn es dann auch keine Wettbewerbsstruktur als Format gibt, wirkt das Einzählen etwas künstlich. Wozu einzählen, wenn niemand etwas zu verlieren hat? 3. Einzählen versetzt unter Umständen sowohl den Spieler als auch das Publikum selbst unter Stress. Wenn etwa ein Spieler eine ruhige Szene beginnen möchte, die sich langsam, wortlos und aus kleinen Gesten heraus entwickeln soll, dann könnte er bei einem derartigen gewaltigen Count Down entmutigt werden und in sinnlose Hektik verfallen.
„Und alles ist improvisiert!“
Hat der Jazz-Pianist Keith Jarrett bei der Ankündigung seiner Konzerte je damit geprahlt, dass alles improvisiert sei? Oder, um ein Beispiel aus der Comedy zu nehmen: Auch Helge Schneiders Auftritte sind zu einem großen Teil improvisiert. Nirgends in seinen Shows wird das auch nur ansatzweise thematisiert, es versteht sich von selbst.
„Bevor ich anfange, möchte ich noch Werbung machen für meine Show…“
Eine große Unsitte ist es, in gemischten Shows vor dem Auftritt Werbung für das eigene Produkt oder die eigene Show zu machen. Wirb erst, wenn du etwas geleistet hast und du dir das Recht auf Werbung verdient hast.