Die Ursache

Es war natürlich allen klar,
dass ihr Fremdgehen die Ursache war
für all das Leid, das dann folgte.
Seine Reaktion – verständlich.

Was hat sie gelitten, geweint und gehofft,
als alles noch heil war, ab seine Tür geklopft.
Doch er gab ihr kein Lächeln und sich keine Müh.
Und sie zusammen mit ihm – allein.

Für die Richterin war’s einfach:
Wie löblich, dass sich ein Mann auch um die Kinder kümmert.
Sie hat’s schließlich durchs Fremdgehn verschlimmert.
Er die Kinder. Er das Haus.
Sie zahlt den Unterhalt. Und aus.

Konstantin Simonow – Man wird nicht als Soldat geboren

Der zweite Teil der Trilogie umreißt die letzten Wochen des Kampfes um Stalingrad. Drei Hauptfiguren: General Serpilin, der inzwischen zum Bataillonskommandeur aufgestiegene Sinzow und die ehemalige Partisanin und Ärztin Tanja. Wie in „Die Lebenden und die Toten“ kreist Simonow auch hier um das Dilemma der Kämpfenden: Einerseits wollen sie die Heimat von den mörderischen Deutschen befreien, andererseits lauert eine ähnlich tödliche Gefahr im Rücken – die Gnadenlosigkeit des stalinistischen Systems, das zu bezeichnen für den Autor selbst heikel ist.
Und so ist der eigentliche Held des Romans für mich der Autor selbst, den man praktisch beim Schreiben beobachten kann, wie er sich dem schwierigen Thema des Stalinismus nähert. Sicherlich, der Roman wurde in der Tauwetterzeit veröffentlicht, aber auch wenn der Großteil der politischen Gefangenen entlassen wurde, so gab es die Lager ja immer noch. In „Die Lebenden und die Toten“ muss sich Sinzow dafür rechtfertigen, ohne Parteibuch aus dem Kessel gekommen zu sein, man hält ihn für einen Spion. Nun legt Simonow noch eine Kohle drauf:
Das Gulagsystem wird angesprochen: Kolyma. Zwanzig Jahre Haft für Fleischdiebstahl. Serpilin, der wegen einer Denunziation verhaftet wurde.
Stalins Mitschuld am Krieg durch den Kuschelkurs mit Hitler.
Stalins Paranoia
Das Denunziantentum, die Große Säuberung.
Der brutale Befehl 227. (Strafbataillone, Sperrfeuer, „Kein Schritt zurück“-Befehl)
Simonow sichert sich auf der anderen Seite durch absolute Sowjet-Loyalität ab. Seine Helden sind durchweg tapfer und todesmutig. Wer nicht an der Front dienen will, sondern seine Arbeit als Adjutant in Moskau liebt, ist ein Lump. Und wer an der Front ist, aber vor lauter Angst eine etwas sicherere Stelle sucht, ist es ebenso. Selbst ein Arzt, der beim Betreten eines mit Leichen und Halbtoten gefüllten Gefangenenlagers einen Schock bekommt und sich nicht erheben kann, wird als Schwächling abgekanzelt. Der Finnland-Krieg wird nicht infrage gestellt, die Funktion der Polit-Stellvertreter auch nicht. Die Teilnahme an den Kämpfen im Bürgerkrieg ist eine Auszeichnung (dass man auf bolschewistischer Seite gekämpft hat, versteht sich von selbst).
Der Roman nimmt zirkulär immer wieder einige Topoi auf, z.B.
Gewissen.
Gewissen ist einerseits Loyalität zur Sowjetunion. Andererseits heißt es auch, im richtigen Moment zur Menschlichkeit zu stehen und vor Höherstehenden nicht zu kuschen.
Schlaf.
Niemand bekommt genug Schlaf im Krieg. Und oft sind sie, wenn sie endlich dürfen, zu aufgewühlt, um zu schlafen. Vor allem für die Romanhelden ist geradezu Verachtung für den Schlaf typisch, den sie erst gegen Ende des Romans (und der Schlacht) bekommen.
Stalin wird regelrecht eingekreist: Serpilins Freund inhaftierter bzw. ermordeter Freund hat „etwas gesagt, was Stalin nicht passte“. Vorgesetzte von Serpilin kommen aus langen nächtlichen Besprechungen mit Stalin. Je weiter wir im Roman voranschreiten, umso häufiger sind Gespräche über Stalin, seinen Charakter, seine Kungelei mit Hitler, aber auch die Unfähigkeit der Personen, auszusprechen, was sie eigentlich wissen: Man kann Stalin eigentlich nur noch ertragen, weil sonst die Gefahr bestünde, dass Russland in die Hände Hitlers fällt. Und dann wird Serpilin wegen seines mutigen Bittbriefes zum Gespräch mit Stalin geladen. Dieses Kapitel ist wohl das mutigste des Buchs. Wir erleben mit Serpilin den russischen Führer mit all seiner Intelligenz, seines Charismas und seiner Menschenverachtung. Aber Simonow geht sogar noch einen Schritt weiter. Noch im selben Kapitel wechseln wir auf Stalins Perspektive, und jetzt muss jeder Leser wissen: Alles, was bisher nur Andeutung oder Vermutung über Stalin war, ist wahr. Was Serpilin herausschreien will: „Genosse Stalin, klären Sie das alles auf, geben Sie den Befehl dazu! Alles, von Anfang an!“, zeigt letztlich auf einen einzigen Mann: Stalin selbst. Zitat Stalin, als Serpilin erwähnt, dass er 1941 im Lager war: „Da hast du dir die passende Zeit zum Sitzen ausgesucht.“
Weiteres:
Die Schieber sind Gesindel, aber Simonow weiß, das Wodka als Tauschware in Ordnung ist.
Ein Leutnantsleben währt an der Front durchschnittlich neuen Tage.
Getreiderequirierungen rechtfertigt er.
Makarenko wird im Lager gerechtfertigt
Das Elend im Gefangenenlager habe er noch nicht gesehen, obwohl er im Lager war?
Halbdreckige Wodkagläser werden in Moskau mit Papier ausgewischt.
Trotz der Figurenliste am Anfang der deutschen Ausgabe des Buchs kann ich viele nicht auseinanderhalten. Iljin und Pikin und Ptizyn, Kolokolnikow und Kusmitsch, Sacharow und Sawaschilin. Das ist natürlich ein altbekanntes Problem, wenn Westeuropäer sich russischen Romanen nähern, aber Simonow macht es einem auch nicht leicht: Die positiven Figuren (und das sind die genannten alle) sprechen im Prinzip alle gleich. Tapfer, sachlich, kaum einer sagt mehr als nötig. Man macht keine unnötigen Worte. Umgekehrt sind die Schurken karikaturesker als bei Karl May angelegt. Ein komischer Typ stottert. Feige Typen sind überdies boshaft und boshafte Typen sind obendrein feige.
Für einen Kriegsroman gibt es erstaunlich wenig Kriegshandlungen. Wir sehen praktisch andauernd die unmenschlichen Konsequenzen. Und das ist Simonows Stärke.

Auf der ersten Seite des dritten Hefts

Komm, Lyrik, feinstes meiner Kunstgeschäfte!
Sollst die Gedanken durch die Formen leiten.
Wenn so die Schemen nur mein Denken weiten,
entfalten sich des Dichters pralle Kräfte.

Und wenn ich auch die alten Dichter äffte,
die das, was ich jetzt tu, getan vor Zeiten,
ich öffne gern die jungfräulichen Seiten
des dritten meiner fein linierten Hefte.

Vielleicht gelingt noch mal der große Bogen.
Vielleicht lass ich es mittendrin bewenden,
leis ahnend, dass ich nur mich selbst betrogen.

Bis dahin werd ich mich mit Lust verschwenden.
In vager Hoffnung, dass mir wer gewogen,
hier eine Warnung: Lasst euch ja nicht blenden.

Jetzt fehlte ihr ein Zahn

Er hatte es ja angekündigt.
Ich hätte besser aufpassen sollen.
Und nicht widersprechen.
Er hat auch seine guten Seiten,
zum Beispiel kann er lustig sein.
Manchmal. Wenn wir nicht streiten.
Ich provoziere ihn zu oft.
Ich muss wirklich besser aufpassen.
Er kann ja auch lieb sein.
Der Olli war ja viel schlimmer.
Eigentlich hab ich ihn nicht verdient.
Und die Küche hat er allein renoviert.
Er kann ja manchmal auch lieb sein.
Ich muss nur besser aufpassen.
Und provozieren darf ich nicht mehr.

Schmerz

Ich sink auf meine Knie nieder.
Mir ist, als ob ich heute beten müsst,
als verlör ich die Gabe zu lieben,
und nur ein Gott könnt helfen.

Ach, auch ich schrei aus tiefster Not zu dir.
Du döst gemütlich, trinkst Kakao.
Meine Stimme bleibt leer.

Mir ist, als schwebe mein Gebet
seifenblasengleich hinfort.
Und kaum begann es seine Reise,
ist es geplatzt,
als sei es nie gewesen.

Der Pessimist

Ick kann die Sonne sehen,
die unser Herz erfrischt,
und soll uff Arbeit gehen.
Dit wird doch allet nischt.

Ick gebe mir ja Mühe.
Für wen, frag ick, für wen?
Und ick muss uf die Knie,
wenn die am Zeiger drehn.

Wenn ick dann bei dir liege
und du ins Ohr mir zischt,
dann weeß ick, dit is Lüge.
Dit wird doch allet nischt.

Wahn

Halbe Freunde raunen leise,
doch mit Überzeugungsdrang:
Hinter all der schlimmen Scheise
steht doch ein Zusammenhang.

Und dann packt auch mich das Feuer,
das mir den Verstand fast raubt,
treibt mich in die Paranoia,
wenn man diesen Spuk bald glaubt,

Irre werden kann man nämlich,
wenn man ständig sucht nach Sinn.
Freu mich über jeden Tag, an dem ich
nicht verrückt geworden bin.

Begräbnis

Frapp, frapp, frapp!
Eine Handvoll Sand ins Grab.
Helle Schleife, Blumenstrauß.
Eine Blüte fällt heraus,
die sich heimlich löste.

Frapp, frapp, frapp!
Eine Handvoll Sand ins Grab.
Wir lebendig, du bist tot,
was uns allen einmal droht.
Wer ist wohl der Nächste?

Ruf

Auf seinen Namen ließ er nichts kommen.
Das Wichtigste sei die Reputation.
Wem einmal der gute Ruf genommen,
sei kaum mehr wert als sein eigener Klon.
So ließ er sich von der Vorsicht führen,
um nur nicht den guten Ruf zu verlieren.
*
Er hatte noch vierzehn Tage zu leben.
Die Augen erstarrt, der Leib ein Skelett.
Was sollte ich da ihm an Hoffnung noch geben?
Ich stand am A. Er stand am Z
und quälte sich zum Chefarzt-Erbarmen
und fürchtete immer noch um seinen Namen.

Abschied von Buckow I – Die Perle

Es ruht der See, und faul sind heut die Mücken.
Die Villa duckt sich fast, sie will nicht prahlen.
Sie weiß durch ihre Schlichtheit zu verzücken.
Und könnt ich’s, würd ich dieses Bild wohl malen.

So hübsch der Ort, sie nennen ihn die Perle
in dieser sonst an Reizen armen Gegend.
Am Vormittag beharken rohe Kerle
das Unkraut zwischen Rosen. Wie bewegend!

Vier-Stern-Hotel, hier wird herumgenobelt.
„Sehr wohl, der Herr. Ein Bierschen. Mache ich.“
Doch bleibt man tief im Herzen ungehobelt.
„Salat auch ohne Schinken?“ – „Hamwa nich.“

Der Anwalt

Der Riedel holt dich da schon raus.
Du machst dir viel zu viele Sorgen.
Ein harter Hund. Der kennt sich aus.
Du siehst ihn ja am Dienstagmorgen.
Glaub an das Recht.
*
Das Raushaun hat nicht ganz geklappt.
Ich sitz hier drin schon sieben Jahre.
Den schlimmsten Anwalt wohl gehabt.
Wie ich hier rauskomm? Auf der Bahre.
Glaub an das Recht.

Balkonblick

Balkonblick Berlin. Zwei Uhr zwei.
Lebendiges Flackern und Glimmern.
In Wohnzimmern Fernseher schimmern.
Aus Angst oder Freude – ein Schrei.
Ich kann mich jetzt nicht darum kümmern.
Sie lachen und gehen vorbei.

Ein Fenster, ein Schicksal, ein Glück.
Von Lichtenberg schau ich nach Westen.
Charlottenburg, da sei’s am besten.
In jeder Wohnung ein andres Geschick.
Wir leben darin wie in Kästen.
In einer von ihnen wohn ick.

Impro im Alltag – eine Antwort auf Claudia Hoppe

In ihrem Blog-Eintrag vom 23. August 2017 wirft die Berliner Impro-Schauspielerin Claudia Hoppe die Frage auf, wie weit sich die heitere Sicherheit des Improvisierens in den Alltag übertragen lässt. Während wir beim Improtheater-Spielen, insbesondere bei Proben und Workshops, eine sichere Sphäre erschaffen, in der das Scheitern nicht nur toleriert, sondern geradezu gefeiert wird, trifft das ja, so Claudia Hoppe sinngemäß, im Alltag nicht zu: Wir stehen unter Beobachtung, werden kritisiert, und Scheitern ist oftmals eben keine Option.
Ich denke, dass sie hier ein wichtiges, heikles Problem anspricht, mit dem wir als Improspieler immer wieder konfrontiert werden: Auf der Bühne sind wir angstfrei und spontan, und vielleicht können wir den einen oder anderen Aspekt des Improvisierens auch in den Alltag retten, aber letztendlich strampeln wir uns ab wie die meisten anderen auch.
Allerdings haben wir eine Kleinigkeit unseren nicht-improvisierenden Mitmenschen voraus: Die Techniken und Geisteshaltungen, mit dem Scheitern kreativ umzugehen.
Allerdings ist die bewusste Übertragung des Impro-Handwerks nicht ganz so einfach wie man sich das manchmal denkt. Und das beginnt schon beim Improtheater selber. Ja, ein Improtheater-Workshop schafft im Idealfall eine sichere Sphäre. Man kann sich „freispielen“, Dinge ausprobieren, die sich am Ende vielleicht als völlig hirnrissig erweisen, man kann Unkorrektes sagen, ohne dass es einem übelgenommen würde.
Sobald wir als Improspieler auf die Bühne gehen, verlassen wir den sicheren Raum schon ein kleines Stück: Schließlich gibt es keine Garantie dafür, dass das Publikum uns für unsere Aufführung lobt. Eine schlechte Szene zu spielen und darüber herzlich zu lachen, ist das Eine. Aber was ist, wenn man einen ganzen Abend schlecht improvisiert hat? Was, wenn weder das Publikum noch die Mitspieler etwas mit der Leistung anfangen konnten (und du selber vielleicht auch nicht)?
Ich denke, dass Improvisation uns allenfalls die Geisteshaltung lehren kann, mit dem Scheitern umzugehen. Wir selber müssen es ausprobieren. Immer und immer wieder. Es ist nicht etwas, das man einmal gelernt hat und dann beherrscht. Wir selber schaffen uns unsere sichere Sphäre. Wir selber können die Heiterkeit des Scheiterns nach und nach ausdehnen. Wenn ich weiß, dass ich im Kurs ein Quatschlied enthusiastisch improvisieren kann, woraufhin alle klatschen, traue ich mich das vielleicht auch auf der Bühne. Und wenn es dort ein paar Mal funktioniert hat, werde ich nicht verzweifeln, wenn ich beim zehnten Mal keinen Applaus bekomme, sondern im Gästebuch steht: „Ihr seid so peinlich.“

Das Scheitern lernt man nicht nur im watteweichen Impro-Workshop, sondern gerade dadurch, dass man es mit in die harte, kritische Welt mitnimmt. Wenn es mir gelingt, nach und nach die verschiedenen Facetten des Lebens spielerisch aufzufassen, dann verliert das Scheitern seinen Schrecken. Eine Szene ist nur eine Szene. Eine Show ist nur eine Show. Ein Bewerbungsgespräch ist nur ein Bewerbungsgespräch. Eine Liebesnacht ist nur eine Liebesnacht. Und ja: Auch das Leben ist eben nur das Leben. Wir können ihm nichts abverlangen, wir können aber spielen mit dem, was es für uns bereithält. Das ist die so schwer umzusetzende Lektion die wir für den „Alltag“ aus unserem Improtraining herausziehen können.

Impro im Off (8) – Der Bühnenschleicher

Schleicht nicht über die Bühne, wenn ihr eigentlich im Off seid. Manchmal steht man tatsächlich auf einer ungünstigen Seite: Zum Beispiel man steht rechts, die gerade szenisch etablierte Tür ist aber links. Sich dann während der Szene auf die andere Seite zu schleichen, lenkt die Zuschauer nicht nur ab, es sieht auch meistens ziemlich dämlich aus.
„Aber wie komme ich dann auf die andere Seite der Bühne?“, fragt der verzweifelte Improvisierer.
Ich wiederhole: Der Improvisierer!
Improvisiere eben einen Grund! Wenn eine Wohnungstür auf der anderen Seite etabliert wurde, dann spiele eben, dass du im Hintergrund das Treppenhaus betrittst. Szenen, die im öffentlichen Raum spielen, kann man als Passagier überqueren – als Spaziergänger, Autofahrer, Polizist usw.
Eine von hibbeligen Spielern viel zu selten genutzte Option: Die großartige Idee, die man eben hatte, fallenzulassen und sehen, was sich von selber anbietet.

(Ende der Impro-im-Off-Serie)

Impro im Off (7) – Szene betreten, um neue Szene zu beginnen

In mehrszenigen Impro-Stücken kommt den Mitspielern im Off auch die Funktion zu, eine Szene zu beenden, indem man eine neue beginnt. Die große Falle, in die man hier leicht tappen kann, ist, die nächste Szene schon zu planen, während man noch im Off ist. Viel wichtiger als der Inhalt der nächsten Szene ist aber das Timing der aktuellen Szene. Das Ende der aktuellen Szene sollte präzise gesetzt werden. Betritt also die Bühne ruhig, um die Szene zu beenden und nicht so sehr, um deine neue Idee hineinzuquetschen. Wenn wir dem Improvisieren genügend vertrauen, dürfte das auch kein Problem sein: Wir haben der Szene zugehört, also wissen wir, worum es geht. Wir sind in die emotionale Welt involviert, also können wir den narrativen Schwung ausnutzen. Wir sind formbewusst, also können wir durch unsere Figuren Kontraste setzen.
Wenn du im Off wach bleibst, dann ist ziemlich klar, was alles noch in der Story fehlt. Du brauchst daher keinen Haufen Ideen zusammenzutragen, sondern musst nur aufmerksam bleiben, für das, was ohnehin schon geschieht.
Generell helfen Kontraste:

  • Spiele einen anderen Schauplatz an, um die Szene reichhaltiger zu gestalten.
  • Gehe in eine andere Körperlichkeit als die bisher auf er Bühne etablierte.
  • Schlüpfe in eine Figur, die das Erzählte abrundet.

Gegen Ende solltest du bereits etablierte Story-Elemente wiedereinführen. Bleib wach! Es liegt alles auf der Hand.

Impro im Off (6) – Was fehlt? Drehtür versus Möwe

Im Off sollten wir uns immer die Frage stellen: Fehlt etwas in der Szene? Und wenn ja, kann und soll ich helfen? In den bereits genannten Beispielen haben wir gesehen, wie man helfen kann, das Thema bzw. die Protagonistin zu finden.
Bisweilen sind die szenischen Fehler oder fehlenden Definitionen kleiner und weniger dringend, etwa
unklarer Schauplatz und unklare Umgebung
unklares Genre
fehlende Namen
mangelnde Körperlichkeit
Man muss aber als Außenstehender nicht bei jeder kleinen Unklarheit auf die Bühne springen.
Ein beliebter Publikums-Vorschlag für einen Schauplatz ist bekanntlich „Strand“. Vermutlich sind viele Impro-Schauspieler unabhängig voneinander einmal auf die Idee gekommen, diesen Vorschlag mit einer kreischenden Möwe zu untermalen. Inzwischen wimmelt die Impro-Welt von Kreisch-Möwen. Sie sind hierzulande schon dermaßen zu einem Impro-Klischee geworden, dass es bei einigen Theatersport-Shows Möwen-Strafpunkte gibt. Lasst die Möwe im Kasten, vor allem wenn die Szene schon läuft. Denn so manche scheinbare Szenen-Unterstützung ist eben keine Unterstützung, sondern lenkt ab und kann eher dem billigen Gagging zugerechnet werden.
Wir können aber durchaus helfen, die Atmosphäre zu bereichern, wenn wir den Fokus nicht rauben, sondern den Spielern Anknüpfungs-Punkte geben:

Ein schüchternes Pärchen trifft sich zum Blind Date in einem Café.
–> Ein während des Gesprächs der beiden auftauchender Kellner hilft nicht nur, den Schauplatz plastischer zu machen, sondern gibt den beiden auch Anknüpfungspunkte, um ihren Charakter deutlicher zu machen: Das Aufgeben der Bestellung kann über ihre Figuren mehr verraten.

oder

Ein junger Mann wird nachts in eine verlassene Gegend der Stadt geschickt.
–> Die Mitspieler malen die Atmosphäre aus: Drogenhändler, Bettler, Prostituierte. Diese Typen können reine Szenen-Passagiere im Hintergrund bleiben, aber sie „füttern“ die Szene und den Helden.

Je nach Verlauf der Story können wir als Passagiere den Helden aufbauen oder ihm Probleme bereiten. Eine einfache Technik ist der Drehtür-Auftritt.
Beim Drehtür-Auftritt betritt man die Szene als außenstehender Spieler nur für eine kurze Sequenz, die aus nicht viel mehr als ein, zwei Sätzen besteht. Eine solche Szene kann eine Rückblende sein, eine Phantasie, eine Erinnerung oder auch eine parallele Handlung, die für die anderen Charaktere nicht sichtbar ist. „Drehtür“, weil man, kaum dass man aufgetaucht ist, schon wieder verschwunden ist. Der ursprüngliche Spielpartner bleibt in der kurzen Zeit der Drehtür-Sequenz auf der Bühne.
Drehtür-Angebot als Rückblende:

„Das gesamte Grundstück wollen Sie mir abkaufen?“
„Natürlich. Die Parkraum-Equity AG bietet ihnen 10 Millionen.“
„Dann könnte ich meiner Tochter ihre Karriere als Tänzerin finanzieren.“
–> Drehtür-Angebot Alter Mann auf Sterbebett: „Und denke daran, mein Sohn, dieses Natur-Reservat gehört unserer Familie schon seit 1688. Halt es stets in Ehren.“ (stirbt. Ab.)

Drehtür-Angebote als Rückblende und Parallel-Szene:

„Ihr kennt euch also nur aus dem Internet über diese Flirt App?“„Ja, er ist der charmanteste Typ, den du dir vorstellen kannst?“–> Drehtür-Angebot: Charmanter Junge mit Profil-Foto-Lächeln„Und heute Abend triffst du ihn das erste Mal richtig?“„Ja, wir treffen uns am verlassenen Bootshaus hinter dem stillgelegten Hafen.“„Wie aufregend!“–> Drehtür-Angebot: Charmanter Junge diesmal düster lächelnd, der sich Handschuhe überzieht und seine Waffe einsteckt.

Das Drehtür-Angebot ist ein Montage-Mittel, das aus dem Film entlehnt ist. Es ist sehr effizient und kommt unseren durch den Film geprägten Seh-Gewohnheiten sehr entgegen.

Introspektion

Wenn die Selbstschau ist beendet
und du kennst dich nackt und gut,
sei bewusst dir deiner Schwächen,
denn sonst wird sich’s übel rächen.
Vor dir selber sei auf der Hut.
Dabadi dabndi dabndei.

Allerdings, wenn Selbsterkenntnis
nicht zu deinen Stärken zählt,
dann ist Hopf und Malz verloren,
und du brauchst nicht mehr zu bohren,
der entscheidende Nerv dir fehlt.
Dabadi dabndi dabndei.

Impro im Off (5) – Wie man eine Szene rettet

Als Improspieler ist es deine große Aufgabe, deinen Mitspielern aus der Patsche zu helfen. Wenn du also aus dem Off bemerkst, dass eine Szene vor deinen Augen kurz davor ist, sich zu verheddern, wirr zu werden, unklar oder bedeutungslos zu werden, dann sollte dein Hirn auf Hochtouren arbeiten, getrieben von der einen Frage: Wie rette ich die Szene?

1) Inhalte verstärken
Manche Spieler verfallen, wenn sie bemerken, dass die Szene abrutscht, in Aktionismus und bieten irgendetwas Lustiges an, was mit der ursprünglichen Szene nur am Rande zu tun hat. Sie wischen quasi das bereits Etablierte beiseite und hoffen, nun mit „etwas Besserem“ die Szene zu retten.

Romina und Thea sind verloren in einer Laber-Szene. Sie haben schon vier verschiedene Themen angesprochen: Ihre Jobs, ihre Töchter, die letzten Wahlen und die Frage, ob die katholische Kirche Feuerbestattung zulassen sollte.
Energievoller Auftritt Markus: „Schatz, unser Pinguin ist aus dem Swimmingpool abgehauen!“

Wenn auch die Energie zu loben ist und man nur hoffen kann, dass die beiden Spielerinnen auf das kuriose Angebot eingehen werden, so muss man doch sagen, dass Markus die Szene nicht eigentlich gerettet, sondern eine völlig neue Szene begonnen hat.
Zuhören! Nicht ausdenken!
Nimm etwas, das bereits in der Szene etabliert wurde und mach das groß. Warum einen Pinguin erfinden, wenn bereits eine Tochter etabliert wurde?

Energievoller Auftritt Markus : „Schatz, Cora ist verschwunden!“

In dieser Szene sind wir als Zuschauer froh, dass Markus die beiden gerettet hat. In der ersten Variante kann er sich allenfalls einiger Lacher sicher sein und der Tatsache, die Szene gekillt zu haben.
Welches Material wiedereingeführt wird, ist ziemlich unerheblich. Tendenziell wohl das, was am meisten emotionalen Schwung verspricht. Der Rest steht uns als später zu integrierendes Material immer noch zur Verfügung.

2) Helden verstärken
Gerade in Anfangsszenen bleibt es zwischen den Spielern manchmal unklar, um wen es geht, selbst wenn sie das Thema schon gefunden haben.

Hannah: Mama, dieses Studium wäre für mich der Traum meines Lebens.
Mutter: Hannah, ich kann dir das nicht finanzieren. Ich brauche das Geld für meine nächste Ausstellung.
Hannah: Ich habe die Zusage vom Dekan von Harvard persönlich.
Mutter: Und ich muss jetzt alles in die Werbung stecken. Diese Ausstellung ist meine letzte Chance.

Das Verhältnis der beiden ist klar. Ebenso der Konflikt. Beide Figuren haben Helden-Potential, aber als Zuschauer werden wir uns kaum für beide Figuren mit derselben Intensität interessieren. Als außenstehende Mitspieler ist unsere Aufgabe, zu sehen, ob es den beiden gelingt, sich bald zu einigen und notfalls helfend einzugreifen. Indem man eine der beiden Figuren stärker fokussiert, wird sie von größerem Interesse, ein Signal, das die Spielerin der anderen Figur hoffentlich erkennen wird.

Hannah: Ich habe die Zusage vom Dekan in Harvard persönlich.
Mutter: Und ich muss jetzt alles in die Werbung stecken. Diese Ausstellung ist meine letzte Chance.
Vater (betritt die Szene, gestisch unterstreichend, er habe zugehört): Dann muss deine Ausstellung eben warten. Die Ausbildung deiner Tochter hat Vorrang.

Dadurch, dass der Vater sich auf die Seite der Tochter stellt und dass er die Mutter direkt anspricht, verstärkt den Fokus auf die Mutter. Denn auch wir fragen uns: Wird die Mutter ihre Karriere zugunsten ihrer Tochter nun endgültig beerdigen oder nicht? Zu diesem Zeitpunkt wäre die Intervention aber auch umgekehrt plausibel:

Hannah: Ich habe die Zusage vom Dekan in Harvard persönlich.Mama: Und ich muss jetzt alles in die Werbung stecken. Diese Ausstellung ist meine letzte Chance.Vater (betritt die Szene): So ist es. Nimm Rücksicht auf deine Mutter. Außerdem wirst du es als Frau in Geometrie immer schwer haben – eine Männerwelt, was will man machen? Bleib noch ein Jahr bei uns in Reutlingen, hilf mir bei der Buchhaltung, und wenn du dann immer noch so versessen auf Mathematik bist, wirst du auch in Stuttgart einen Studienplatz finden.

Tod

Ein Knips, dann gehen die Lichter aus für immer,
kein Klang, keine Wärme und kein Gedanke.
Der Knipser wird kommen,
doch du weißt nicht wann.

Wir schwanken, wir wanken, suchen und fluchen.
Was könnten wir strebend dem Leben entnehmen?
Geschrei und Gebrabbel.
Bald ist es still.

Komm, Tod, sei mein Freund,
der mich stündlich erinnert,
das Leben ist kostbar,
verplemper es nicht.

Plemper, Plemper.

Sommernacht

Und es war alles gesagt
Und sie hatten alles gesehen
Und ihre Hand fand seine.

Und schwül war die Nacht
Und doch zitterte er
wie beim schluchzenden Weinen.

Und da war keine Lüge
Und es gab nichts zu verbergen
Keine Schuld, kein Verzeihen.

Und später würden sie schwitzen
Und staunend erschauern
Und schreien.

Aber jetzt war da nur
die ungeheure, nackte
Wahrhaftigkeit.

Impro im Off (4) – Wann betrete ich eine gute Szene?

Trotz der Faustregel, nicht in eine gute Szene reinzugrätschen, kann es sein, dass du in einer guten Szene gebraucht wirst.

1. Zum Szenen-Beenden
Wenn bei euch diejenigen Spieler die Szene abwinken, die nicht an der Szene beteiligt sind, dann ist die Chance groß, dass du derjenige sein wirst, den man dafür benötigt. Hier brauchst du ein gutes Ohr für letzte Sätze: Welcher Satz sticht aus den Übrigen heraus, zum Beispiel dadurch, dass er die „Moral der Geschichte“ zusammenfasst? Aber auch ein Schluss-Gag, eine Pointe oder eine überhöhte Dialog-Zeile können den Schluss markieren.

2. Um die nächste Szene einzuleiten
Die Szene, in der du gerade nicht mitspielst, ist vielleicht nur sehr, sehr kurz, möglicherweise lediglich eine Übergangsszene in einer längeren Story. In solchen Szenen musst du bereit sein, rasch auf die Bühne zu gehen und eventuell einen Mitspieler abzutippen.

3. Um die Szene zu betreten
Betrachten wir die gestern erwähnte Strand-Szene. Nehmen wir die bereits erwähnte Strand-Szene

„Du hast all die Jahre abgesessen? Für mich?“
„Sie hätten dir dafür die doppelte Zeit aufgebrummt.“
„Ach, all die verlorene Zeit unserer Gemeinsamkeit!“
„Wir könnten uns schon bald wiedersehen.“
„Was heißt bald? Komm doch jetzt mit zu mir?“
„Ich darf ja nur tagsüber auf Kurz-Freigang. Ich kann keinen Schritt ohne meine Bewährungshelferin gehen.“
Mitspielerin betritt die Bühne und mimt aus dem Wasser zu kommen und sich abzutrocknen: „Frau Osterberg, es wird Zeit loszufahren.“

Im Gegensatz zum Eisverkäufer verschärft die Bewährungshelferin die Szene.
Die Kunst beim unterstützenden Auftritt besteht darin, den Fokus nicht völlig auf sich zu ziehen, was nicht immer ganz einfach ist, denn jede neue Figur, jede Bewegung lenkt die Aufmerksamkeit der Zuschauer ab.

Impro im Off (3) – Gute Szenen laufen lassen

Maja und Johannes spielen eine Szene am Strand. Sie sind ein Paar, das sich nach langer Trennung zufällig wiederbegegnet. Dabei findet er heraus, dass sie im Gefängnis war, um ihn zu schützen. Die Szene wird emotional intensiv.
„Du hast all die Jahre abgesessen? Für mich?“
„Sie hätten dir dafür die doppelte Zeit aufgebrummt.“
„Ach, all die verlorene Zeit unserer Gemeinsamkeit!“
Roberto betritt als Eisverkäufer die Bühne: „Gelato! Gelato!“ …
Das Publikum lacht, aber die Szene ist hin.
Darauf angesprochen, meint Roberto, die Strand-Szenerie unterstützt zu haben
.

Gerade für aktive Spieler liegt die Versuchung nahe, sich an einer guten Szene beteiligen zu wollen. Und leider spielt auch manchmal die Eitelkeit eine gewisse Rolle: Das Publikum ist bewegt oder lacht, also will man selber von der guten Stimmung etwas abhaben. Aber gute Szenen unterstützt man vor allem dadurch, dass man sie laufen lässt, insbesondere dann, wenn es intensive Zweier-Szenen sind. Auch in Games, die gerade unter den Beteiligten auf der Bühne entstehen, sollte man sich nicht unbedingt einmischen. Deine aktive Rolle als Improspieler besteht hier darin, deinen Mitspielern den Raum zu geben, den sie brauchen.

Impro im Off (2) – Position des Off

Wenn du also auch im Off für die Szene mitverantwortlich bist, bedeutet das, das du auch hören und sehen können musst, was gerade gespielt wird. Nur wenige Theater sind so ausgestattet, dass man sehen und hören kann, ohne selbst gehört oder gesehen zu werden.

Seitenflügel (möglichst leicht schräg zur Bühne)
Diese Version scheint mir die sinnvollste im Improtheater. Man hat einen idealen Blick auf die Bühne, ohne gesehen zu werden und kann ohne Verzögerung die Bühne betreten.
Wenn ihr die rare Möglichkeit habt, euch ein eigenes Theater auszustatten, dann rate ich zu dieser Variante.

Auf der Bühne seitlich stehend.
Dies ist eine akzeptable Variante, wenn es kein bauliches Off gibt. Von der Seite hat man einen sehr guten Einblick.

Am hinteren Bühnenrand.
Die „amerikanische“ Variante. Wird auch häufig im Theatersport und bei Shows mit vielen Spielern praktiziert. Manchmal ist es aus bühnentechnischen Gründen nur so handhabbar. Ansonsten würde ich von dieser Off-Position abraten. Erstens lenkt es die Zuschauer von der Szene ab, wenn sich hinten noch andere Personen befinden, und zweitens ist die Szene von der Rückseite meist schwerer einsehbar als von der Seite.

Warnungen:

  1. Ich rate dringend davon ab, sich hinter dem rückseitigen Vorhang zu verstecken. Meist bekommt ihr dort zu gut wie nichts von der Szene mit. Vertraut nicht auf die Akustik. In einer guten Szene beruht ein Großteil der Angebote auf Gesten und pantomimischem Etablieren.
  2. Ebenso wichtig ist es, die verbalen Angebote auf der Bühne zu verstehen. Vermeidet daher Positionen in schallschluckenden Off-Bereichen. Manche Bühnen sind leider so gebaut, dass man in einigen Nischen, die sich scheinbar als Off eignen, außer undeutlichem Gebrabbel so gut wie gar nichts von der Bühne hören kann.
  3. Ich habe schon die nötige Wachsamkeit angesprochen. Lasst euch also nicht dazu verleiten, euch im Off an Wände zu lehnen, auf Hocker zu lümmeln. Positioniert euch nicht hinter anderen Spielern, wenn ihr dann nicht die Möglichkeit habt, locker auf die Bühne zu gehen.
  4. Die Spieler auf der Bühne sollte einigermaßen klar sein, welche ihrer pantomimischen Angebote von ihren Mitspielern im Off wahrgenommen werden können und welche nicht. Wenn ich also mit großem körperlichem Einsatz mime, ein Loch zu schaufeln, kann ich davon ausgehen, dass das jeder erkennen wird, auch wenn er mich nur von hinten sieht. Wenn ich mir jedoch danach heimlich einen gemimten Ring vom Finger ziehe und ihn ins geschaufelte Loch lege, muss ich dafür sorgen, dass das von allen Mitspielern wahrgenommen wird, da das wahrscheinlich handlungsrelevant ist. Wenn ich dagegen mime, mir nach dem Schaufeln die Hände an einem Tuch abzuwischen, ist das eher Charakter-Arbeit und weniger handlungsrelevant.
  5. Keine Gespräche im Off. Wenn du mit anderen im Off darüber diskutierst, was gerade auf der Bühne stattfindet, wirkt es, als sprecht ihr euch ab. Außerdem verminderst du deine Aufmerksamkeit. Maximal eine Verständnisfrage, etwa wenn man einen Namen nicht richtig verstanden hat, wäre OK.

Impro im Off (1) – Paukistenhaltung

Ich bin immer wieder beeindruckt von den Paukisten in Sinfonie-Orchestern, die minutenlang auf ihren Einsatz warten müssen, im extremen Fall kommen sie erst nach einer Dreiviertelstunde in den letzten drei Minuten des Finales dran. Am Klang der Aufführung würde sich wohl nichts ändern, wenn sie in der „Wartezeit“ in der Kantine Kaffee trinken würden. Aber sie sind permanent wach und aufmerksam. Sie sind Teil der Aufführung.
Diese Wachsamkeit und Präsenz des Paukisten brauchen wir im Off. Im Grunde müssen wir sogar noch wacher, noch präsenter sein, da jederzeit die Möglichkeit besteht, dass unser Einsatz auf oder hinter der Bühne gefragt ist. Unsere innere geistige Grundhaltung sollte so sein wie die auf der Bühne: Ich unterstütze die Szene.
Im Off unterstütze ich die Szene

  • durch Nichteinmischung,
  • durch Off-Unterstützung wie Geräusche, Off-Stimmen usw.,
  • indem ich Enden setze und Übergänge schaffe oder
  • indem ich mich entscheide, die Szene zu betreten.

Die geistige Haltung des Unterstützens hat eine körperliche Entsprechung: Wir brauchen eine wachsame Ruhe.
Das heißt, erstens sollte man nicht zu unterspannt sein. Wenn man mit guten Improvisierern spielt, verfallen einige Spieler im Off in eine Zuschauerhaltung. Sie lehnen sich zurück  und lassen sich von der Szene berieseln, als säßen sie vorm Fernseher, als habe das alles nichts mit ihnen zu tun. Das aber ist viel zu passiv. Wir müssen wachsam genug sein, um jederzeit einspringen zu können. Im Off haben wir den Luxus, uns ganz dem Adlerblick für die Szene zu widmen. Wir sehen alles, ohne dabei involviert zu sein. Aber im richtigen Moment stoßen wir dazu.
Zweitens sollten wir ruhig bleiben. Hibbeligkeit stört natürlich besonders dann, wenn die Off-Spieler vom Zuschauerraum aus zu sehen sind. Denn schließlich lenkt jede Bewegung vom Geschehen auf der Bühne ab. Aber die äußere Unruhe ist oft gepaart mit einer inneren Unruhe. Unruhige Spieler warten oft nur darauf, schnell selber wieder spielen zu können. Sie hören nicht recht zu, gehen zu früh auf die Bühne und mischen sich in Szenen ein, in denen sie nichts verloren haben, verpassen dann aber den Moment, an dem man sie wirklich braucht.
Sei bereit. Sei wach. Sei der Paukist.

Resignation

Die Ziegen werden sterben, und zwar bald,
da hege ich gar keine Illusion.
Ich raste hier. Bedenke: Ich bin alt.
Und dieses kranke Maultier ist der Hohn.

Geh du ruhig weiter, doch auch dich erwischt’s.
Dein Leib ist ebenfalls komplett verstrahlt.
Das Schicksal lacht, und unsre Karten mischt’s.
Wir sterben, und wer überlebt, der zahlt.

Zukunftspläne

Für meine Zukunft hätt ich gerne Sicherheit,
nach einem klaren Leben ich mich sehne.
Für kurze und für lange Fristen fass ich Pläne,
auf dass ich mir zum Freunde mach die künftge Zeit.

Egal, was meine Zukunft hält für mich bereit
– ich will nicht wissen, ist’s das Hässliche, das Schöne.
Vergieße um die alten Pläne keine Träne.
Bleib ich spontan, hab ich mich von der Zeit befreit.

So muss ich mein Spontan-Sein hübsch in Bahnen leiten.
Die frische Freiheit braucht als Zügel den Verstand,
sonst ist es einst die Dummheit, die die Freiheit bannt.

Trotz Plänen will ich stets durch die Momente gleiten,
das Leben täglich Kreuze durch die Pläne macht.
Halb Plan und halb spontan scheint’s angebracht.