Vorteile (Corona 31)

Corona muss man so mal sehn:
Ich musste nicht zur Arbeit gehen.
In Bussen, Läden und Passagen
sah ich nicht lauter Drecksvisagen.
Und was ich auch gar nicht vermisse,
ist das Von-Fremden-Abgeküsse.
Auch bin ich wirklich fasziniert:
Die Fliegerei ist reduziert.
(Ich weiß, wer mich so reden hört,
glaubt wohl, ich sei komplett gestört.)

Trotz diesen supertollen Gründen
kann jetzt Corona gern verschwinden.

Schwieriges Verzeihen

Ach, könnte ich dir nur verzeihen
für den Verrat, den du begingst.
Wie konntst die Freundschaft du entweihen,
an der du doch auch selber hingst?

Ich geh durchs Wäldchen unsrer Zeiten,
in dem wir uns die Treue schwor’n
und dass wir immer uns begleiten.
Die Freundschaft wurde so gebor’n.

Ich hatte seitdem viele Mühen.
Und mein Gewissen du beschwerst.
Ich hätt vielleicht dir schon verziehen,
wenn du nicht schon gestorben wärst.

April-Depri

Hat sich doch des Frühlings
Drängen nicht erfüllt.
Hat die Eichhornbabys
die Krähe doch gekillt.

Müssen wir doch weiter
den Winter akzeptiern
und im Sonnenaufgang
bei Minusgraden friern.

Angestrengt und heiter
seh ich Wolken dräu’n
will mich dennoch weiter
auf den Sommer freu’n.

Symptome (Corona 29)

Hart im Blick und lätschig in der Birne
– zwei übersehne Folgen der Pandemie.
Wo einst klare Zärtlichkeit, herrscht nun
trübsinnige Feindschaft.

Wir haben verlernt, nicht übereinzustimmen
und doch Freunde zu bleiben, wenngleich auf Distanz.
Der Krebs des Unmuts breitet im Magen sich aus.
Mit Freundlichkeit sollt’ man sich impfen.

Nicht-Verstehen

Als du lagst in der Kapelle,
sprach der Pfaff’ von Gott.
Du hieltst so was stets für Schrott,
doch konntest nicht von dieser Stelle.

Als die Blumen und der Sarg
unterm Sand verschwanden,
mein Gesicht ich rasch verbarg.
Hab’s bis heute nicht verstanden.

Krim ’94

Und als ich damals keine Münze
schleuderte ins Schwarze Meer,
als ich nicht wehmütig zurückschaute
auf die sanften Wellen am geliebten Strand,
als ich den Zug in Simferopol
mit Bitterkeit bestieg und flüsterte: Poka!,
da wusste ich: Der Abschied ist für immer.

Was ich nicht ahnte, als durch schmutzige Scheiben ich starrte:
Der eignen Jugend sagte ich Adé.

Frühlingsgruß

Ein sanfter Klang, dein Morgensang
der lässt mich froh erwachen.
Ich spüre neuen Lebensdrang,
hör ich dich drüben lachen.

Der Bärlauch sprießt, die Amsel grüßt,
mich ruft’s hinaus ins Freie.
Am Fluss ein Mann im Klappstuhl liest.
Der Frühling ruft aufs Neue.

Die Christen zu Ostern

Sie danken dem Herrn Jesu Christ,
dass er für sie gestorben ist.
Das find ich doch recht schräg gedacht:
als hätt er selbst sich umgebracht.

Er nahm auch auf sich ihre Sünden,
die sind jetzt nur bei ihm zu finden.
So läuft es für die Christen glatt.
Die Logik setzt’s derweil schachmatt.

Sie schmücken sich, was jeder kennt,
mit einem Folterinstrument.
Und wer es dann noch krasser kann,
trägt Kruzifix mit Leiche dran.

Doch weinet nicht, seid ohne Not.
Der Jesus ist nicht wirklich tot.
Das Grab war leer. Ganz ohne Scheiß –
das ist der Aufersteh-Beweis.

Jetzt

Jetzt bleimse ma schön ruhig und locker.
Jetzt schreinse mich ma nich so an.
Jetzt kommse runter von dem Hocker.
Jetzt lassense ma los den Mann.

Jetzt wird sich nich jekloppt.
Jetzt wird hier nich jeprahlt.
Jetzt wird erst ma jestoppt.
Jetzt wird erst ma bezahlt.

Jetzt mach ma Trab.
Jetzt nimm den Hut.
Jetzt hau ma ab.
Und jetzt is jut.
(Dan Richter)

Inbalance

Spiegelblick: Seh aus als hätt ich Magenkrämpfe.
Kann die schlechte Laune mir nur schwer verzeihn.
Bitter stimmen mich die nicht gekämpften Kämpfe,
denn die trägt am End’ man aus mit sich allein.

Etwas schallt im Raum: Es ist mein eignes Lachen.
Könnt’ nicht sagen, was mich heute fröhlich stimmt.
Waren’s Klänge (in B Dur), die leicht mein Glück entfachen?
Eine Kerze, die im Fenster drüben glimmt?

Bleibe ich der Spielball meiner Emotionen?
Man sagt, ich sei zu lesen wie ein offnes Buch.
Soll mein Wille über den Gefühlen thronen?

Warum kämpf ich mit dem Lachen und den Tränen?
Ohne Spiel wird jede Emotion zum Fluch.
(„Lächle, und dann knirschst du nachts nicht mit den Zähnen.“)

„… wird’s still“ (Corona 28)

In der fremdgewählten Stille
zieh ich meine kleinen Bahnen.
Meine Challenge: Lebensfülle.
Muss mich zum Aktivsein mahnen.

Meine Stimme nicht vergessen
und die Eleganz beim Tanzen
statt mich selbst im Frust zerfressen
und von innen zu verranzen.

„Ohne Kunst wird’s still“, sie sagen.
Doch was will ich mich beschweren.
Nur wer still ist, kann sich fragen
und die eigne Stimme hören.

Fort und geblieben (Corona 27)

Verschwunden sind die Instrumentenspieler,
die alte Filmmusiken dilettieren.
Im Görli hoffnungsarm die Drogendealer,
die zukunftsbange sich den Arsch abfrieren.

Verschwunden ist die alte Kiezverrückte,
die immer dienstags auf der Kreuzung schrie
und die dir manchmal in die Augen blickte,
als kennte sie Moralphilosophie.

Ich will mich hier ja nicht beschweren,
nur wissen, ob sie wiederkehren.

Winterende (Corona 26)

In all dem Hin und Her sucht’ ich noch einen Sinn.
Was sollt ich lassen und was sollt’ ich machen?
Ein närrisch Weltgeist scheint, vergnügt uns auszulachen.
So geb ich mich ganz dem, was uns erwartet, hin.

Das Aufbegehren bringt nur meinem Stolz Gewinn.
Werf meine Energie dem Nichts in seinen Rachen.
Die Stille um mich – künstlich. Dabei müsst’ es krachen.
Ich dreh mich um mich selbst und weiß nicht, wer ich bin.

Hat uns das letzte Jahr was Bleibendes gelehrt?
Vielleicht ja gar nichts, wenn sich jeder wichtig nimmt.
Man fühlt gekränkt sich, weil man kurz etwas entbehrt.

Die Emotionen wurden längst auf lau gedimmt.
Vom Ein und Aus und Auf und Ab bin ich benommen.
Ach, Frühling! Spute dich mit deinem Kommen.

Zwischenzeit

Zwischen zwei geworfnen Bällen
und zehn Liegestützen
will mit kleinen Witzen
ich dein trüb’ Gemüt erhellen.

Zwischen zwei gehauchten Küssen
wird ich stummer.
Teilst den Kummer,
der dich letzte Nacht zerrissen.

Zwischen zwei verliebten Blicken
sind wir einig,
leise wein ich,
streichle ruhig deinen Rücken.

Ungeduld (Corona 25)

Wie gerne würd’ ich jetzt verreisen.
Doch darf ich’s nicht. Und überhaupt:
Mit euch im Schusterjungen speisen
ist leider auch nicht mehr erlaubt.

Wie gerne stünd ich jetzt auf Bühnen.
Wie gerne hielt ich dich im Arm.
Wie gern würd ich jetzt Geld verdienen.
Ach, wär’s doch nur ein Fehlalarm.

Wie gerne lauschte ich jetzt Chören.
Wie gerne säh ich ein Ballett.
Wie gerne ging ich zur Friseurin,
wenn ich denn noch Haare hätt.

Fast ein Jahr (Corona 23)

War fast beruhigt: Wir übertreten eine Schwelle,
doch horch! Sie sprechen von der dritten Welle,
und es klingt, als rede man vom Krieg.

Tausend Tote weniger. Ein Sieg.
Wer hat die Kraft, das alles anzuhören?
Ein Hamsterrad. Man rennt und tritt doch auf der Stelle.

Fühl mich am besten, wenn ich auf dem Sofa lieg
und was notier und auf die Schnelle
nebenbei von dir ein Küsschen krieg.

Februar im Park

Trunkne Närrin auf dem halbzermatschten Rasen
sucht vergeblich, ihre Straßenmischung zu dressieren.
Doch die Hunde lenken heute ihre schlauen Nasen
umeinander, um einander zu kapieren.

Wo der Schneemann letzte Woche heiter winkte,
ist geblieben eine Handvoll grauer Harsch.
Der Winter sich heut dreist auf Happy Frühling schminkte.
Er zeigt uns lächelnden Gesichts den blanken Arsch.

Ich wusste…

Ich wusste, ich müsst’ ehrlich sein.
Ich wusste, heut gäb’s kein Zurück.
Ich wusste, Du und ich,
das hatte keine Zukunft.

Ich wusste, du würdst es tapfer nehmen.
Ich wusste, ich würd’s an der Tür Dir schon sagen.
Ich wusste, Du und ich
kämen bald drüber hinweg.

Du öffnetest die Tür, ich sagte nichts.
Dein Duft, ich musst dich in die Arme nehmen.
Kein Zurück. Du und ich
wir hatten nur das Jetzt.