Ich will nur ein bisschen bleiben.
Du willst’s mit mir weiter treiben.
Dein Kind kommt rein, will was zu essen.
Dein Ex will uns per Whatsapp stressen.
Wir wolln unsre Lieb entfachen.
Die Zeit will uns zu Greisen machen.
Scherzfrage (Adivinanza de Chile)
Zwischen linken und rechtem Bein
hab ich was, das ist zu klein.
Zwischen meinen großen Zehen
hätt ich gern was größres stehen.
(Ein Pferd)
Gordo lo tengo
más lo quisiera
que entre las piernas
no me cupiera.
(un caballo)
Flirt und Pflege
Ich flirtete dereinst im Gras
Mit einem Girl, das bei mir saß
Und spielte ihr ein Lied in Gis,
als plötzlich eine Saite riss
von der Gitarre, ach, o weh!
Es war (wie stets) die Saite D.
Ich schrubbte weiter. Mein Geklimper
klang so wie das von einem Stümper.
Am Schluss sprach sie „Ich muss nun geh’n.“
Ich hab nie wieder sie geseh’n.“
Moral:
Vermeide Unannehmlichkeiten:
Besorg dir immer frische Saiten.
Denn so verlor ich eine Braut
nur mangels der Gitarrenpflege.
Doch wenn ich’s recht mir überlege:
Vielleicht war auch der Text versaut.
Mahnung im Jahr 2021 (Corona #22)
Halte aus bis Herbst,
es sei denn, du sterbst.
Misserfolg 89
Ich bin dereinst im halben Land
nach einer Spieluhr rumgerannt,
sie dir zu geben in die Hand
als eindeutiges Liebespfand.
Die Händler gaben mir bekannt,
das sei ein rarer Gegenstand.
Und so verlief es sich im Sand.
Dein Herz sich an ’nen andren band,
als hättest du mich nie gekannt.
Doch auch ich selbst ’ne andre fand
(die freilich mir recht bald entschwand).
Mezzopiano (Corona 21)
Unser kleiner, wattierter Kosmos,
in dem wir nicht rufen,
nicht rennen,
nicht jammern und weinen,
nicht lachen und schreien,
nur halblaut was meinen
und vorsichtig schreiten
und lächeln und flüstern
und tapfer leis atmen,
wird nun noch gehüllt
in dick-nassen Schnee.
Verwegen plane ich
Unseren Sommerurlaub.
Ja, ja, geschneit
Ich geh heut nicht mit rodeln.
Ich will heut keinen Schnee.
Da kannste noch so jodeln –
zum Rodeln sag ich Nee.
Ich bleib in meiner Stube.
Ich will nichts Weißes sehn.
Bin heut ein fauler Bube.
Ich will nicht rodeln gehen.
Impro studieren, Schauspiel & Impro, Buchempfehlung
Sentimentale Minute
Ein seltner Nebel hält die Nachbarschaft gefangen.
Doch da es 18 Uhr, ist hektisch man wie eh.
Sah wer, wie sich die Schwäne dort kanalwärts schwangen?
Ich denk, die Antwort darauf ist wahrscheinlich: Nee.
Tu ich hier auch gefühlig – lang hielt ich’s nicht aus.
Rasch wurden Schuh und Kleidung klamm, ich ging nach Haus.
An den vor 30 Jahren verstorbenen Freund
Wir wollten an schöne Orte noch reisen
– nach Sidney, nach Belfast und Kirgistan.
Meine Träume noch jede Nacht um dich kreisen.
An unsre drei Orte bin ich noch nie gefahrn.
Wer/Wo/Was als Regel im Improtheater?
Als Antwort auf mein Video „Was tun beim Blackout?“ fragte mich Reinhard, ob nicht Regeln wie die, dass man rasch das Wo/Wer/Was klären solle oder dass Storys einen Anfang, ein Problem und eine Lösung bräuchten, nicht hinderlich seien für die Improvisation.
Ich habe darauf drei Antworten.
1. Sinn der Regeln
Schauen wir uns zunächst einmal an, was diese Lehrsätze überhaupt für einen Zweck haben: Die meisten Impro-Spieler wollen, sobald das Stadium des unmittelbaren Impro-Games überschritten haben, freier spielen und zumindest kleine, sinnvolle Geschichten improvisieren. Das kann gut gehen, wenn die Improvisierer ein gewisses Gespür für Storys mitbringen oder sich zumindest schon mal theoretisch mit Storystrukturen beschäftigt haben. Falls nicht (und das ist nach meiner Beobachtung bei mindestens der Hälfte aller Impro-Schüler der Fall), brauchen wir ein paar Handreichungen. So wirken Szenen oft lahm und blutleer, wenn die Akteure im Nichts agieren, wenn sie nicht wissen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen oder unklar ist, wo sie sich befinden. Sie scheuen dann davor zurück, auch nur ein Objekt physisch zu etablieren, das den Ort klarmachen würde (etwa Hand ins Weihwasserbecken tauchen und sich bekreuzigen) oder das Gegenüber anzusprechen (etwa: „Herr Pfarrer“). Wenn aber Spieler davor zurückschrecken, schon diese simplen Gegebenheiten zu etablieren, werden sie meist auch andere Details im Vagen lassen, anstatt sie zu spezifizieren. Das Allgemeine ist aber der Feind der Kunst, das Spezifische ihr Freund.
2. Verlust des Moments
Wenn man als Impro-Spieler solche Regeln bekommt, kann sich das Spielen zunächst etwas steif anfühlen. Man verliert manchmal den Moment, da man ja an die Regel denkt. Das spricht aber zunächst noch nicht gegen die Regel. Denn alles, was ungewohnt ist und unsere Gewohnheiten verändert, braucht Übung und kann zum Stocken führen. So spielen manche Anfänger bisweilen mit dem Rücken zum Publikum, und man muss sie öfter darauf hinweisen, dass sie so nicht gesehen werden. Beim Klavierlernen gibt es für Anfänger recht bald einen Punkt, an dem sie Fingersätze lernen müssen, was sich auch erst mal „künstlich“ anfühlt. Aber paradoxerweise wir brauchen diese Hinweise, um freier spielen zu können. (Übrigens ist jedes Impro-Game mit einer Regel versehen, die uns in irgendeiner Weise einschränkt. Aber gerade diese Einschränkung ist es oft, die die Kreativität zum Fließen bringt.)
3. Ohne Regel
Haben wir diese Freiheit erlangt, können wir die Hilfsmittel auch wie Krücken von uns werfen. Wenn man um die Wirkung weiß, kann man sich dann zum Beispiel bewusst mit dem Rücken zum Publikum wenden. Und um zum Thema zurückzukommen: Wenn man bereit und in der Lage ist, jederzeit zu definieren und spezifisch zu sein, mit Emotionen, Situationen, Figuren usw. zu spielen, dann kann man auch auf das Wo/Wer/Was als starre Regel verzichten und darauf vertrauen, dass durch die Art, wie wir miteinander spielen, sich die Beziehung schon klären wird, dass durch unsere Körperlichkeit in einem bestimmten Setting sich der Raum auch schon klären wird. (Um ein prominentes Beispiel zu geben: In der Auto-Szene in Pulp Fiction sehen wir nur Jules und Vincent, die miteinander plaudern. Sie scheinen befreundet zu sein, aber erst nach zwei Minuten erfahren wir, dass sie Auftragsmörder sind.) Das Impro-Duo TJ & Dave hat übrigens die Methode, ohne Plattform zu starten, popularisiert: In der fokussierten Wahrnehmung des Gegenübers, entsteht wie von selbst ein Gefühl dafür, wie nah oder fern man zueinander steht (soziale Beziehung) und dafür, ob die Situation emotional aufgeladen oder entspannt ist.
Ich bin also nicht unbedingt dafür, das Wer/Wo/Was komplett aus dem Curriculum zu streichen, aber ich denke, wir sollten diese wie auch andere Regeln nicht dogmatisieren.
+90jährige, Arena, Januar 2021 (Corona 20)
8 Uhr 10. Es ist soweit.
Ärzte stehn auch schon bereit,
um Menschen (die mit Rollatoren)
Spritzen in den Arm zu bohren.
Taxis spucken dicht am Haus
Hunderte von Greisen aus.
Bulle fuchtelt, Fahrer schimpft.
Heut wird 90-Plus geimpft.
Besucher harr’n im Wind allein,
dürfen leider nicht hinein.
Im Regen warten sie auf Kohlen,
um ihren Opa abzuholen.
Nach einer Stunde wolln wir gehen,
hab’n den Opa nicht gesehn.
Ach, man tut halt, was man kann.
Bald sind wir ja selber dran.
Wunsch (Corona 19)
Mögen die Biergläser klingen, mögen vor Freude wir singen,
wenn wir uns im Sommer erleichtert in den Armen liegen.
Impro-Fragen: Was tun, wenn man nicht mehr weiter weiß?
In den kommenden Wochen möchte ich hier einige Fragen von Impro-Spielern, Impro-Schülern und Interessierten beantworten.
Die erste Frage lautet: „Was machst du, wenn du auf der Bühne nicht mehr weiter weißt?“
Damals im November
Früh bin ich heut aufgestanden,
und mein Kummer war noch da.
Dein Geruch im Bett vorhanden,
auch wenn ich dich nicht mehr sah.
Seit gestern schläfst du nicht mehr hier.
Jetzt ist Ich, was damals Wir.
Die Frühe heut war sternenlos.
Niemand sah mich weinen.
Keiner hört’ mein Klagen.
Ich ahne, deine Freud’ ist groß,
bist ja bei dem Einen.
Musst es mir nicht sagen.
Ritual (Corona 18)
Jeden Morgen, kaum erwacht,
Mutter, Vater, Bube,
wird sich auf den Weg gemacht.
Raus aus dieser Stube!
Manchmal rennen, meistens gehn,
immer ohne Ziel.
Gibt’s was Schönes anzusehn,
bleiben sie (ganz kurz nur) stehn.
Täglich Morgenspiel.
Neue Zeiten
Der böse Mann ist abgedüst.
Er hat uns so die Zeit vermiest.
Nun schauen wir erfrischt nach vorn:
Wem gilt ab morgen unser Zorn?
Minus 1 Grad (Corona 17)
Anstatt zu klagen wollt spazieren ich. Von wegen!
Zur Trübsal hat das trübe Wetter sich gesellt.
Und so verengt sich enger noch die enge Welt,
in der wir Halbversperrten uns noch halb bewegen.
Kaum schrieb ich was, könnt ich ins Bett mich wieder legen.
Zum Frühstück Brötchen und zum Mittag Bohnen.
Gleich einem fetten Kater fress ich die Portionen.
Ein kurzer Blick zum Fenster: Wind und Schnee und Regen.
Voll Selbstmitleid. Dabei könnt ich die Bude fegen.
Adrenalin durch Horror-News aus Übersee.
Die vierte Tasse (fair gehandelter) Kaffee.
Ich geb zum Jammern mir den jämmerlichen Segen.
Grauer Tag
Starr sind heute die Wolken
da oben festgedübelt.
Starr mein Gemüt, und ich hoffe,
dass keiner mir es verübelt,
wenn ich mich heute nur wenig bewege
und mich vom Ruhen zur Ruhe lege.
Starr’ aus dem Fenster, ich habe
noch lang nicht genug gegrübelt.
Ruhe (Corona 16)
Ach, einen Tag mal Ruhe!
Ach, einmal nur pausieren.
Ach, einen Tag nichts hören
von den Coronaviren.
Bodhisathvas
Finde das Leere im Vollen.
Finde das Volle im Leeren.
Löse dich vom Begehren.
Löse dich vom Sollen.
Finde die Kraft im Leichten.
Finde im Leichten die Kraft.
Was immer wir auch erreichten.
Was immer wir auch geschafft.
Der sehr lustige Witz
Beim Witz vom Stuhl gekullert
und hast, wie jämmerlich,
beim Lachen eingepullert
und deshalb schämst du dich.
Wär lustiger mein Späßchen,
wär größer auch die Scham.
Sei froh, dass in die Höschen
nicht etwas Größres kam.
Irgendwann (Corona 15)
Irgendwann
irgendwann in diesem Jahr
werde ich ihm nachgeben
dürfen
dem menschlichen Instinkt
dich nach all der Zeit
zwanglos wieder
zu umarmen.
Sport (Corona 14)
Am Spielplatz der Jugend – ein ranziger Ort
– da stehen drei Menschen und treiben Sport.
Ein Kind, sein Vater und dessen Frau.
Tischtennis spieln sie, dabei schneit es wie Sau.
Der Ball springt zu flach, der Ball springt quer.
Nach zwanzig Minuten wolln sie nicht mehr.
Sie spielen täglich seit Corona begann.
Das Kind, seine Mutter und deren Mann.
Schneeschmelze (Corona 13)
Nach dem Nebel kam der Schnee,
hat uns mild gestimmt,
weil er Schmerz und Leid und Weh
und die Sorgen nimmt.
Heute schmolz er. Grau und nass.
Und erinnert mich daran,
dass ich traurig bin und dass
ich dich nicht besuchen kann.
Wohltemperiertes Klavier
Es Moll Adagio Präludium.
Seit dreieinhalb Jahren treibt es mich um.
Ich greif oft ins Schwarze, denn sechsmal ein B
verleiht diesem Stück den besonderen Dreh.
Bisweilen ein Triller den Oberton ziert.
Das Klavier (wie gewünscht) ist wohltemperiert.
Ich scheitre meist dreimal an diesen Stellen,
dabei sind das nicht mal die überaus schnellen.
Das Ende in Dur (die Picardische Terz)
belebet den Geist und erleichtert das Herz.
Dass man so etwas Schönes spielen kann
Dank dafür Johann Sebastian.
Weihnachtsende
Heut ist sechster Januar.
Weihnachten vorbei,
Hatten so wie jedes Jahr
einen Baum dabei.
Weihnachten – der letzte Hauch.
Bäumchen (ohne Schmuck und Zeug)
fliegt, so will’s der Neujahrsbrauch
auf den Bürgersteig.
Schon vorbei, man glaubt es kaum,
ist nun die Saison.
Heben auf vom Weihnachtsbaum
zwölf Zweiglein fürn Balkon.
Drei Regeln des Duos Joko & Klaas
(Vorbemerkung: Ich werde anscheinend immer mehr bei Medien und Technik zum Spät-Adaptierer. Um Podcasts habe ich immer einen großen Bogen gemacht, und nun bin ich ganz gefangen von Baywatch Berlin, ein Podcast den ich rückwärts höre. Inzwischen bin ich beim Oktober 2020 angekommen. Er ist wunderbar improvisiert, mit genau dem richtigen Mix aus Fokus und Abgedrehtheit, den wir in den besten Momenten auch bei der Chaussee der Enthusiasten hatten. Ende der Vorbemerkung)
Klaas verrät die drei Regeln des Duos Joko & Klaas:
1. Ein-Mann-Veto: Man macht nichts gemeinsam, was einer nicht will.
2. „Alabama“: Das Safe-Word für abgefahrene Aktionen.
3. Keine Verbesserungsvorschläge. Diese Regel bezieht sich, wenn ich es richtig verstanden habe, darauf, sich bei Fernsehproduktionen auf die Rolle des Performers zu beschränken und sich nicht in die Arbeitsbereiche einzumischen, die andere professionell betreuen, selbst wenn man genau sieht, dass man das beim nächsten Mal des besseren Effekts halber anders aufziehen müsste.
2021 (Corona 12)
Sacht betrete ich den Pfad,
der ins 21 führt,
fürcht, dass das, worum ich bat,
sich am Ende doch verliert.
Meine Hoffnung lass ich fahren,
dafür rüst ich mich mit Mut.
Weiß: Von den gelebten Jahren
warn die allermeisten gut
Er und ich (Corona 9)
Leben wird auf Eis gelegt.
Draußen wird es kälter.
Unsre Freundschaft – ungepflegt.
Und wir werden älter.