199. Nacht

Endlich sind Kamar ez-Zamân und Marzuwân allein, und dieser berichtet dem Prinzen die ganze Geschichte.

Wenn je ein Freund der Freundin abhold ward,
Und immer in der Abkehr noch beharrt,
So eine und verbinde ich die beiden,
Gleichwie die Zapfen in der Schere Schneiden.

Und beide gingen ins Badehaus, wo sie sich den Leib badeten und sich wuschen.

196. Nacht

Marzuwân kommt zu sich, der Wesir erklärt ihm die Situation mit dem Prinzen und schärft Marzuwân ein, nicht den Prinzen anzustarren, wenn sie beim König eintreten. Logischerweise tut Marzuwân genau dies, denn er erkennt, dass es sich beim Prinzen um den Geliebten seiner Milchschwester handeln muss.

195. Nacht

Die Wogen treiben Marzuwân nun zufälligerweise genau unter den Palast des Prinzen, wo

ein Eunuch ihm die Fliegen verscheuchte.

König, Wesir und Würdenträger sind ebenfalls anwesend. Und der Wesir entdeckt durchs Fenster den Gestrandeten. Er bittet, diesen retten zu dürfen:

"… vielleicht wird Allah dessentwillen deinen Sohn aus seiner Not befreien."

Der König bleibt misstrauisch und fürchtet, der Halbertrunkene könne sich über ihn und seinen Sohn lustig machen. Wenn dies geschähe, würde er den Wesir köpfen,

"… denn du, Wesir, bis die Ursache all dessen, was uns widerfahren ist, von Anfang bis zu Ende."

Welch ein Horror, solch einem Vorgesetzten dienen zu müssen.

Tatsächlich rettet er Marzuwân, dessen Leib voller Wasser ist und dessen Augen bereits hervorquellen:

"Wisse, ich bin die Ursache deiner Errettung vor dem Ertrinken gewesen, sei du nun nicht die Ursache deines und meines Todes."

149. Nacht

Ein Regal mit Anthologien und uneinordenbaren Büchern zwischen Sachbuch und Belletristik.

Das elfte Buch von links:

„Ebersbach/Sa., Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan“

Erworben: Dezember 2005 im Ebersbacher Heimatmuseum auf dem Schlechteberg.
Status: durchgeblättert, wie man das eben bei Informationsbroschüren tut
Erster Satz: „Verehrte Gäste, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit dieser überarbeiteten Broschüre erhalten Sie eine Orientierungshilfe für Ebersbach/Sa., ganz gleich ob in öffentlichen, gewerblichen oder kulturellen Bereichen.“
Kommentar: Nicht viel mehr als eine Erinnerung. Bis zum Jahr 1979 war ich jährlich zwei Mal in Ebersbach. (Das „Sa.“ steht übrigens für Sachsen und wurde schon zu DDR-Zeiten immer mitgeschrieben, obwohl es das Land Sachsen eigentlich nicht mehr gab.) Winter- und Sommerurlaub in Ebersbach. Meine Großeltern wohnten in einer winzigen „guten Stube“, zur Küche über den Hausflur, den sie sich mit den Vermietern und Fräulein Schuppcher teilten. Fräulein Schuppcher, die Greisin musste sich täglich demütigen und einen Eimer Wasser bei meinen Großeltern aus der Küche erbitten. Man schlief auf dem Dachboden, in dem mehr oder weniger provisorisch zwei Schlafkammern eingerichtet waren, deren Geruch ich noch heute imaginieren kann. Im Schlafzimmer der Großeltern hingen zwei Mäcki-Bilder, die ich für außerordentlich exotisch hielt. Überhaupt schrieb ich alles Seltsame der Region zu, die sich ja schon durch eine völlig unverständliche Mundart ins provinzielle Abseits bugsiert hatte.


1972


1972


1972

Ebersbach im Dezember 2005


Bahnhof


Der enge Weg unter der Brücke

Das frühere Wohnhaus meiner Großeltern. Jetzt mit Spiel-Kneipe. Links der Bäcker.

Skilift zum Schlechteberg


Das Filmtheater, in dem ich bestimmt 40 Filme gesehen habe


Das Haus, in dem früher die Kneipe „Eiche“ war.

Schlieders Garten, in dem die beiden Fotos oben aufgenommen wurden.

Weil meine Mutter nicht von ihrer Oberlausitzer Gewohnheit lassen konnte, den Diminutiv mit dem Suffix -l an jeder passenden und unpassenden Stelle zu verwenen, bezeichnete ein Freund meiner Eltern später den Schlechteberg (Wahrzeichen Ebersbachs) als „Geschlechtl-Berg“.

center

***

Der Fuchs sinnt nun auf Rache. Und als er eines Tages die Falle eines Winzers hinter einer Mauer entdeckt, führt er den Wolf dorthin und lässt ihn hineinstürzen. Es folgt eine lange Diskussion zwischen den beiden, in denen der Wolf darum bittet, man möge ihm vergeben. Der Fuchs bleibt jedoch schadenfroh
Sie spicken ihre Argumente mit Gedichten, Sprichwörtern und der Fuchs schließlich auch mit der

Geschichte vom Falken und vom Rebhuhn

Einem Falken entwischt ein Rebhuhn. Er überredet es, aus seinem Versteck zu kommen, da er Körner für es habe. Es folgt ihm und er verspeist es, stirbt aber an Vergiftung. Ende.

Da der Wolf nun völlig zu bereuen scheint, hält ihm der Fuchs den Schwanz ins Loch. Aber statt sich daran herauszuziehen, zieht der Wolf den Fuchs mit hinein.

Haben doch die Weisen gesagt: „Wenn einer von euch seinen Bruder schmäht, weil dieser an den Zitzen einer Hündin säugt, so soll er auch daran saugen.

Blöd nur, dass jetzt beide zugrunde zu gehen scheinen. Der Fuchs schlägt nun dem Wolf vor, er möge sich auf die Hinterbeine stellen, der Fuchs spränge dann heraus und holte Hilfe.
Tatsächlich flieht der Fuchs und lässt ihn wissen, dass ihm nun sein Traum klar würde, den er sich von einem Deuter habe deuten lassen.

Nicht nur beten die Tiere zu Allah, sie haben auch Traumdeuter… Weiterlesen

148. Nacht

Das elfte Buch Nummer von rechts aus dem Regal Theaterstücke und Märchen:

Gustav Schwab: Deutsche Heldensagen

Erworben: Unklar.
Status: einige der Sagen gelesen.
Erster Satz: In jener alten Heldenzeit, da König Artus in Britannien mit seinen edlen Rittern Tafelrunde hielt, wohnte in den Niederlanden ein König mit Namen Sieghard, dessen Gemahlin einen einzigen Sohn hatte.
Kommentar: Schwab hat sich ja einerseits um die Verbreitung der Sagen verdient gemacht, andererseits ist ihm auch eine gewisse Verkitschung nicht abzusprechen. Von der üblen Deutschtümelei mal ganz abgesehen.

***

Die Geschichte vom Einsiedler und den Tauben

Ein frommer, ständig betender Einsiedler lebt mit einem Taubenpärchen zusammen, welches viele Nachkommen hat. Als der Einsiedler stirbt, zerstreuen sich die Tauben.

***

Die Geschichte von dem frommen Hirten

Ein Hirte lebt auf einem Berg mit Schafen und Ziegen und wird von Raubtieren verschont.

Klingt nach Schneewittchen – die reine Unschuld wird auch von Raubtieren respektiert.

Allah lässt ihn als Prüfung erkranken und schickt ihm einen als Frau getarnten Engel, der ihn verführen soll.

Die göttliche Prüfung ist ein Schema, das ich nie verstanden habe: Jesus wird zum Beispiel vom Satan versucht. Hiob durch Gott geprüft. Sind Engel und Teufel nur Agenten Gottes? Und wenn ja, dann kann doch der Teufel so bös auch nicht sein, wenn er denn Gottes Werkzeug ist. Oder Gott nicht so gut, wie immer behauptet wird. Oder die Unterteilung gut/böse stimmt nicht.

"Ich selbst biet mich dir an, weil du der weiblichen Dienste bedarfst; und wenn du mir beiwohnst, so wird deine Krankheit von dir weichen, und du wirst es bereuen, dass dir bisher in deinem Leben soviel von dem Verkehr mit den Frauen entgangen ist."

Aber ganz dem sexualfeindlichen Moralkodex gehorchend lehnt der Fromme ab.
Ein nicht weit entfernt wohnender Gottesmann erfährt von jenem frommen Hirten und will ihn aufsuchen. Als er den Berg besteigt, fliehen jedoch die Tiere vor ihm. Dies beklagt er, und wandert weiter zu dem Hirten, bei dem er in Gottesfurcht lebt, bis sie irgendwann sterben.

***

Da sprach der König: "Oh Schehrezâd, du hast mich nun schon gelehrt, meine Königsherrschaft für eitlen Tand zu erachten und die Hinrichtung so vieler Frauen und Mädchen zu bereuen! Sag, weißt du noch eine Geschichte von den Vögeln?"

Eigentlich könnte die Rahmenhandlung hier aufhören. Schehrijâr ist bekehrt. Ende gut, alles gut. Aber schließlich ist ja Schehrezâd seine Gattin und noch nicht am Ende ihrer Mission.

***

Die Geschichte vom Wasservogel und der Schildkröte

Ein Wasservogel entdeckt in einem Fluss einen menschlichen von Lanzenstichen entstellten, aufgequollenen Leichnam, der auf einen Fels gespült wird. Er will sich gerade von ihm ernähren, als ein Geier und ein Adler herbeifliegen, und der Wasservogel nimmt Reißaus. Auf einer Insel eines anderen Flusses trifft er eine Schildkröte, die ihn in seinem Kummer tröstet. Lange Zeit später fliegt er wieder zu dem Felsen, der Mensch besteht nur noch aus Knochen, die Raubvögel sind verschwunden. Die Schildkröte zieht mit ihm.

Unklar, ob er sie trägt oder ob sie jahrelang kriecht.

Sprichwort: Die Welt ist die Stätte dessen, der keine Stätte besitzt, und nur der lässt sich von ihr betören, der keinen Verstand besitzt.

Die beiden leben nun glücklich, bis ein hungriger Falke den Wasservogel tötet.

Und so hatte ihm auch seine Vorsicht nicht mehr genützt, als seine Zeit erfüllet war. Der Grund aber, weshalb er getötet wurde, war der, dass er es versäumte, Gott zu preisen.

***

Schehrijâr bittet um eine Geschichte über die Tiere des Feldes. Schehrezâd beginnt.

Die Geschichte vom Wolf und vom Fuchs

Der mit dem Wolf lebende Fuchs ermahnt eines Tages den Wolf, es nicht zu weit zu treiben, der Mensch könne ihn womöglich überlisten. Der Wolf antwortet:

"Wie kommst du dazu, über große und wichtige Dinge zu reden?" Dann gab er dem Fuchs einen Schlag auf die Backe, dass er bewusstlos niederfiel.

Und nicht etwa der Wolf, sondern der Fuchs entschuldigt sich:

Hab ich denn eine Sünde früher einmal begangen
Aus Liebe zu dir, und hab ich getan, was nicht frommt,
So reut mich mein Vergehen, und möge deine Verzeihung
Den Sünder umfassen, wenn er Vergebung erbittend kommt.

Ein Schelm, wer dabei an Didi und Stulle von Phil Tägert denkt

147. Nacht

Buch Nummer Elf von links aus dem Regal Theaterstücke und Märchen:

Gerhart Hauptmann: Der Biberpelz. Eine Diebskomödie

Erworben: Unklar.
Status: Reingeblättert.
Erster Satz: "Adelheid!"
Kommentar: Durch das vordergründige Berlinerisch, das einem heute noch in falsch klingenden Kolumnen der Berliner Zeitung oder der Morgenpost so widerlich serviert wird, werde ich jedes Mal derart abgeschreckt, dass ich nicht über Seite 2 hinauskomme.

***

Die Pfauenhenne rät der Ente, bei ihnen zu bleiben, und diese willigt nach einigem Zögern ein, bis eine Staubwolke aufwirbelt und eine Antilope auftaucht, die vor den Menschen flüchtet und sich, als sich der Schreck von Pfauin und Ente gelegt hat, nun auch auf der Insel niederlässt. Sie leben glücklich, bis ein Schiff kommt: Pfauin und Antilope fliehen, doch die Ente wird geschnappt. Dann leben Pfauin und Antilope bis ans Ende ihrer Tage.

Das könnte man verbuchen unter "Geschichten, die keine sind". Wichtiges Kriterium des konventionellen Storytelling ist die Wiedereinführung des einmal eingeführten Materials. Man fragt sich hier: Was soll das?

 

146. Nacht

Die Gedichte teilweise doch etwas ungeordnet. An elfter Stelle von links:

Francois Villon: "Die sehr respektlosen Lieder des Francois Villon"

Erworben: ca. 1992
Status: Innerhalb von zwei oder drei Tagen gelesen
Erster Satz: "Als ich, Francois Villon, noch ein Scholar
und fünfundzwanzig Jahre war,
hat freien Willens mein Verstand,
bar aller Leidenschaft erkannt,
dass man betrachte, was man tat,
wie es Vegetius erzählt,
der Große mit dem weisen Rat,
sonst hat sein Leben man verfehlt.

Kommentar: Das Buch ist nun ziemlich mitgenommen: Mehrere Wochen mit mir getragen und immer wieder darin begeistert geblättert.

***

Die Geschichte von den Tieren und dem Menschen

Ein Pfauenpärchen zieht aus Angst vor wilden Tieren auf eine Insel. Eine Ente flüchtet zu ihnen, aus Angst vor den Menschen.

"Allah sei gepriesen", rief die Ente, "Er der Kummer und Gram jetzt bei euch von mir nahm, da ich um eure Freundschaft zu gewinnen kam!"

Was ist das für eine Ente, die Allah preist?!

Sie berichtet nun, dass sie einen jungen Löwen getroffen habe, diese dann einen Esel, ein Pferd, ein Kamel, und schließlich ein alter kleiner Mann.

Ganz wie die Bremer Stadtmusikanten.

Alle beklagen sich über die Gefährlichkeit des Menschen. Alle bitten den Löwen um Schutz, und der alte Mann bietet ihm sogar an, ihm ein Haus aus den Brettern zu bauen, was er eigentlich dem Panther versprochen hatte.

Man ahnt, was geschieht:

Eilends legte er den Deckel über die Öffnung und nagelte ihn fest. Da schrie der Jungleu.

Die Ente entfernt sich und beobachtet, wie der Mensch den Löwen in eine Grube legt und die Kiste verbrennt.


Löwe in Flammen

145. Nacht

Das Gedichte-Regal ist alphabetisch sortiert, die Gedicht-Anthologien mehr oder weniger ungeordnet. Das Regal wird aufgefüllt mit Kollegenbüchern in alphabetischer Reihenfolge.

Vorn liegen ein Zeitungsausschnitt über B. Traven und zwei Mini-Gedichtbände, wie man sie gelegentlich zum Geburtstag geschenkt bekommt: "Die schönsten Gedichte von…" Im Regal würden sie verlorengehen.

 

Das elfte Buch von rechts:

Jochen Schmidt: "Seine großen Erfolge"

Erworben: Mai 2003 vom Autor geschenkt bekommen
Status: komplett gelesen, obwohl ich alle Geschichten schon von der Chaussee der Enthusiasten kannte
Erster Satz: "Normalerweise führt man nach Lesungen nur seelisch belastende Gespräche."
Kommentar: Für mich immer noch das beste Buch mit Lesebühnen-Texten. Durch mangelnde PR von der Presse fast völlig ignoriert.

***

Nachdem Nuzhat ez-Zamân ihren Peiniger getötet hat,

befahl sie den Sklaven, die Leiche an den Füßen hinauszuschleifen und sie den Hunden vorzuwerfen.

Der zweite Räuber ist der frühere schwarze Sklave el-Ghadbân, der Mörder von Abrîza, der auch prompt über diesen Vorfall berichtet.

Kaum aber hatte der Neger seine Worte beendet, so hieb ihm König Rumzân mit dem Schwerte die Kehle durch.

Der wirklich dümmste ist nun der dritte Räuber, der zugibt, der Kameltreiber zu sein, der damals Dau el-Makân nach Damaskus bringen sollte, ihn aber auf den Misthaufen warf, wo ihn der Heizer fand.
Und so kann nun auch Kân-mâ-kân Rache nehmen.

Stören wir uns nicht weiter an der Konstruiertheit dieser Geschichte, die notdürftig durch die Rache an den drei wichtigsten Schurken abgerundet wird. Eigentlich fehlt nur noch Dhât ed-Dawâhi.

Und tatsächlich schreibt Rumzân ihr einen Brief nach Konstantinopel, in dem er vorgibt, Bagdad sei von den Christen eingenommen und sie möge ihn doch besuchen.

Es stellt sich im Übrigen die Frage, welche Religion denn Rumzân ausübt. In Konstantinopel aufgezogen muss er doch Christ sein.

Tatsächlich lässt sich die Alte austricksen.

Dann aber führte man die alte Schawâhi , genannt Dhât ed-Dawâhi, umher, angetan mit einer roten Zipfelmütze aus Palmblättern, die mit Eselsmist gekrönt war, und vor ihr rief ein Herold aus: "Dies ist der Lohn derer, die sich an Königen und ihren Kindern zu vergreifen wagen!" Dann ward sie beim Stadttore von Bagdad ans Kreuz geschlagen.

Hier endet die Geschichte, die auf Befehl der Könige dokumentiert wird.

Dann verlebten sie den Rest ihrer Tage im schönsten Lebensglück, bis der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und der die Freundesbande zerreißt.

Ende!!!

Seit dem 15. April habe ich nun an dieser ziemlich zähen Geschichte gelesen, und ich muss sagen, sie hat nicht unbedingt meine Motivation erhöht, diesen Blog so regelmäßig zu führen, wie ich es mir einmal vorgenommen hatte. Aber sehen wir mal, wie es weitergeht:

Da sprach der König Schehrijâr zu Schehrezâd: "Ich wünsche, dass du mir eine Geschichte aus dem Leben der Vögel erzählst."

Das hätte ich mir jetzt auch gewünscht.

144. Nacht – Homer

Der noch farblich sortierte Bereich Belletristik geht in die Rubrik Dichtung über. Das elfte Buch von rechts

Homer: Ilias

Erworben: 1989 in einer Berliner Buchhandlung
Status: Erstes bis fünftes Buch gelesen. Dann aufgegeben.
Erster Satz: „Den Zorn des Peliden Achilleus besinge, Göttin, den verfluchten Zorn!“
Kommentar: Ja, schön geschrieben. Ja, Weltliteratur. Aber will man sich wirklich durch all diese Schlachtbeschreibungen durcharbeiten? Und dann bekommt man nicht einmal die gesamte Story geliefert? Bekanntlich endet die Ilias nicht mit der berühmten Holzpferd-Episode und der Einnahme der Stadt, sondern mit nur mit dem Besuch des Priamos bei Achilleus. Jetzt könnte man einwenden, die Lektüre der Ilias sei dann aber immer noch ergiebiger als dieser endlose, in die Erzählungen der Tausendundein Nächte eingebaute Roman. Und dem hätte ich nichts zu entgegnen außer, dass wir inzwischen bei der vorletzten Nacht dieser etwas zähen Story angekommen sind.

***

Man feiert ausgiebig.

Eine Weile lebten sie so dahin.

Bemerkenswert immer wieder, wie der Erzähler zwischen plaudernder Weitschweifigkeit und bürokratischer Erzähleffizienz pendelt.

Ein Kaufmann kommt klagend an den Hof, man habe ihn, der schließlich einen Freibrief des früheren Vizekönigs von Damaskus Scharkân habe, überfallen.

Wir ahnen bereits, dass es der Kaufmann ist, der damals Nuzhat ez-Zamân aus den Fängen des Beduinen befreite.

Mit einer Ritterschar begeben sich die Könige ins Tal, wo die verbliebenen Räuber lagern und nehmen drei Anführer gefangen.
Man gibt den Anführern eine Chance zu überleben, wenn sie gute Geschichten aus ihrer Zeit erzählen. Allerdings entblödet sich der dümmste von ihnen nicht, ausgerechnet die Episode zu erzählen, in der er Nuzhat ez-Zamân raubte. Keine Frage – Nuzhat ez-Zamân zückt bereits ihr Schwert, doch man möchte ihm noch eine allerletzte Chance geben, und so erzählt er seine Geschichte,

Die Geschichte des Beduinen Hammâd

Eine dürre Geschichte, die ich so zusammenfasse:

Der Räuber Hammâd geht mit Spießgesellen auf Jagd, trifft auf einen Prinzen und seine Schwester, die er rauben will. Der Prinz erschlägt im Kampf einen Ritter nach dem anderen, lässt aber unverständlicherweise den Anführer leben und gewährt ihm Gastrecht, das er missbraucht: Er tötet den Prinzen im Schlaf. Daraufhin stürzt sich dessen Schwester ins Schwert.

Die gehässige Art und Weise, wie hier im ganzen Roman über die Beduinen geschrieben wird, lässt diese Geschichte unter dem Blickwinkel betrachten, dass Beduinen sogar das heilige arabische Gastrecht missbrauchen.

Ende

Natürlich war es eine Dummheit von Hammâd zu glauben, sich ausgerechnet mit einer derartigen Geschichte das Leben zu erkaufen. Und so tötet ihn Nuzât ez-Zamân.

143. Nacht

Wenn es je eine Sphäre in meiner Wohnung gab, in der ich einigermaßen Ordnung gehalten habe, dann waren es meine Bücher.

  • Belletristik (alphabetisch sortiert)

  • Gedichte

  • Theaterstücke

  • Bücher von Kollegen

  • Comics

  • Kinderbücher

  • Bücher über Improvisation und Theater

  • Bücher über Musik

  • Bücher über Film

  • Wörterbücher und Lexika

  • Sprachlehrbücher

  • Reiseliteratur

  • Trash

  • Soziologie und Philosophie

  • Politische und juristische Literatur

  • Kinder- und Jugendliteratur

  • Naturwissenschaft

  • Gesammelte Werke

Die strikte alphabetische Ordnung in der Belletristik hatte allerdings zur Folge, dass ich einige Bücher überhaupt nicht mehr anrührte. Warum also nicht mal die Bücher nach Mädchen-Art sortieren, also nach Farbe?

Wie, so fragte ich mich heute früh, bin ich eigentlich zu meinen Büchern gekommen? Erinnere ich mich an sie? Welche habe ich nie angerührt und warum? Bei welchen bin ich über das erste Kapitel nie hinausgekommen?

Ich wähle aus den farblich sortierten Büchern das elfte jeweils von links und von rechts:

1. John Irving: "Eine Mittelgewichts-Ehe" (deutsche Übersetzung(

Erworben: ca. 2001, in der Mitnehme-Kiste unseres Hauses in der Libauer Str. 9.
Status: Ungelesen.
Erster Satz: "Meine Frau Utschka (deren Namen ich vor einiger Zeit zu Utsch verkürzt habe) könnte einer Zeitbombe Geduld beibringen."
Kommentar: Um John Irving mache ich instinktiv einen Bogen. Ich weiß nicht warum. Vielleicht fehlt mir ein Opinion-Leader, der mir sagt, was es mit John Irving auf sich hat. Seine Bücher geraten immer wieder in die Bestseller-Listen und werden in Kritiken gelobt, aber eben auch nicht so, dass ich mir eines kaufen würde. Seit 2001 besitze ich nun sechs John-Irving-Bücher, alle ungelesen. Eigentlich müssten sie mich alle überdurchschnittlich anziehen, denn die Cover haben die Ehre von meinem Lieblingszeichner Edward Gorey illustriert zu sein.

2. Ian McEwan: "Saturday"  (deutsche Übersetzung(

Erworben:2006, Vermutlich in meiner Lieblings-Buchhandlung Lesen und lesen lassen. Eventuell aber auch, ich wage es kaum zu schreiben, am Flughafen Schönefeld.
Status: Vollständig innerhalb von drei Tagen in Liverpool gelesen.
Erster Satz: "Henry Perowne, ein Neurochirurg, wacht einige Stunden vor Tagesanbruch auf, und merkt, dass er in Bewegung ist, dass er im Sitzen die Decke zurückschlägt und aufsteht."
Kommentar: Von den ca. zwölf Büchern, die ich bisher von McEwan gelesen habe, hat dieses mich am meisten gelangweilt. Was geschieht an einem Samstag in London – die Stadt in plakativer Aufregung über den Irakkrieg. Ein Flugzeugunfall. Kriminelle dringen in das Haus des Arztes ein. Ganz schön viel Action auf einmal, und doch hinterlässt es nur ein Achselzucken. Was McEwan sonst gelingt – den Leser in moralische Fallen tappen zu lassen – hier wirkt alles ein wenig aufgesetzt, selbst die Spannungs-Elemente konstruiert.

3. F. Scott Fitzgerald: "The Diamond as Big as the Ritz. And other Stories" (englisches Original)

Erworben:2001, in der Mitnehme-Kiste unseres Hauses in der Libauer Str. 9.
Status:Ungelesen.
Erster Satz: "There was a rough stone age and a smooth stone age and a bronze age, and many years afterward a cut-glass age."
Kommentar: Eines der Bücher, die sich gut anfassen, die beim Reinlesen einen guten Eindruck machen und man sollte sein Leben nicht beenden, ohne wenigstens eine Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald gelesen zu haben, wenn man sich schon nicht an den großen Gatsby wagt, ein Roman, der bereits durch seinen Titel ein wenig abschreckt. Ebenso abschreckend wie das angeschwulte Cover von "The Diamond as Big as the Ritz. And other Stories", weshalb ich das Buch wohl instinktiv immer in den Schrank zurückstelle, wenn es mir in die Hände fällt.

4. Jack London: "Feuer im Schnee"

Erworben: ca. 1990 in einem Berliner Antiquariat
Status: Gelesen irgendwann in den 90ern
Erster Satz: "Buck gehörte nicht zu denen, die täglich die Zeitung lesen, sonst hätte er gewusst, dass Unheil im Gange war, nicht nur für ihn selbst, sondern für jeden Hund."
Kommentar: Von keinem Autor habe ich so viel gelesen wie von Jack London. Dabei schreckten mich die Themen seiner Bücher als Jugendlichen ab. Wer lässt sich schon gern in die alaskische Kälte führen – keine sexy Umgebung. Erst der ZDF-Mehrteiler von Wolfgang-Staudte "Der Seewolf" ließ mich zu einem Buch von London greifen und seitdem lässt er mich nicht mehr los. Die hier vorliegende "Roman-Zeitung" – ein DDR-Produkt für 80 Pfennig Ladenpreis! – ist eine Sammlung von Alaska-Geschichten, die mit der Erzählung "Wenn die Natur ruft" ("Call of the wild") beginnt. London schrieb zwei Bücher aus der Sicht von Alaska-Hunden. Dieses Buch beschreibt den Weg eines Hundes mit einem Viertel Wolfsblut, der die menschlichen Zivilisation verlässt. "Wolfsblut", das in diesem Roman-Heft nicht enthaltende Gegenstück, zeigt eine Dreiviertel-Wölfin, die immer mehr von den Menschen fasziniert ist und am Ende in Kalifornien landet.

5. John Galsworthy: "Die Ersten und die Letzten" / "Ein Mann aus Devon"

Erworben:1992 aus dem Bücherkorb von Jutta Borostowski bei ihrem Auszug aus unserer Zweier-WG in der Libauer Str. 9
Status: Ungelesen
Erster Satz: "Um die sechste Abendstunde lag das Zimmer schon im Dunkel; nur eine Petroleumlampe mit grünem Schirm warf einen Lichtkegel auf den türkischen Teppich, auf die den Regalen entnommenen Bände, die Seiten eines aufgeschlagenen Buches, auf das kobaltblaue Kaffeegeschirr mit goldenem Rand, auf den antiken, mit orientalischer Stickerei bespannten Schemel."
Kommentar: Wahrscheinlich war es dieser erste Satz, der mich davon abhielt, das Buch auch nur anzufangen.

6. Robert Cormier: "Heroes" (deutsche Übersetzung)

Erworben:14.11.2002 von der Ebayerin maggiehexle
Status:Innerhalb von zwei Tagen im November 2002 gelesen.
Erster Satz: "Ich heiße Francis Joseph Cassavant und bin gerade nach Frenchtown zurückgekehrt, einem Stadtteil von Monument."
Kommentar: Auf Robert Cormier stieß ich im Sommer 1981 in einem Ferienlager in Brno. Jemand lieh mir das Buch "Der Schokoladenkrieg" – genau das richtige Buch für einen heranwachsenden Schüler – Sport, Masturbation, Schulgewalt, mafiöse Verhältnisse. Heroes hingegen ist eines seiner letzten Werke. Schlicht und in ergreifender Stille erzählt diese Novelle von Verrat und Vergebung. Ein würdiges Alterswerk.

7. Theodor Storm: "Erzählungen"

Erworben:12.12.2005 in einem Görlitzer Buchladen
Status: Einige der Novellen gelesen – Immensee, Der Schimmelreiter, Pole Popenspäler
Erster Satz: An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter wohlgekleideter Mann langsam die Straße hinab.
Kommentar: Sprachlich wohlgestaltete, norddeutsch-trockne Protestantenliteratur, die mich aber wegen ihrer romantischen Beigaben immer wieder anzieht.

8. Claudia Rusch: "Meine freie deutsche Jugend"

Erworben: 2.12.2003 bei der Ebayerin bolmsoe
Status: Gelesen innerhalb von 1 Tag
Erster Satz: "Ich bin an der Ostsee groß geworden."
Kommentar: Ich lernte Claudia Rusch 1987 kennen, als mein Freund Ralf sie mit einem anspruchsvollen Kinobesuch verführen wollte, dafür aber mich als moralische Unterstützung brauchte. Das Babylon zeigte damals die  Reihe "Milieu- und Sittenfilme aus den 20er und 30er Jahren", was schon recht versaut klang. Das letzte, womit wir allerdings gerechnet hatten, war eine Rühmann-Komödie. Und nun, aus der zeitlichen Ferne – mein Freund Ralf ist schon 1992 gestorben, wirkt dieses Buch wie ein Gruß von einem andern Kontinent. Claudia Rusch – die Schriftstellerkollegin. Ralf wäre wohl heute auch Schriftsteller.

9. Anonymus: "Mit aller Macht" deutsche Übersetzung von "Primary Colors")

Erworben: 1998 als Geburtstagsgeschenk von Philipp Jäger
Status: 1999 innerhalb von ca. einer Woche gelesen
Erster Satz: "Er war kräftig gebaut, und auf den Straßen von Harlem, so mitten im Sommer, sah er verdammt bleich aus."
Kommentar: Eigentlich verbietet sich das Wort "verdammt" in einem ersten Satz, zumindest in einer deutschen Übersetzung. Dennoch ein gutes Buch, von dem ich glaube, dass es zur Standardlektüre von Politologie-Stundenten gehören sollte. Der Schlüsselsatz noch auf der ersten Seite: "Das Händeschütteln ist der Schwellenakt, der Beginn jeder Politik." Vielleicht ist das der Grund, warum Kurt Schumacher trotz seines Charismas erfolglos blieb.
Der Roman zeichnet bekanntlich, nur vage verschleiert, den Weg Clintons durch die Vorwahlen nach: Der Weg des guten Willens, der durch das Wissen, gute Ziele nur durch die Macht durchsetzen zu können, korrumpiert wird. Man kann nur hoffen, dass Barack Obama das gelesen hat. Bei Hillary kann man davon ausgehen, zumal schon hier von Bills Affären die Rede ist – lange Zeit vor Lewinsky.

10. Max Goldt: QQ

Erworben: Juli 2007 in einer Münchner Buchhandlung
Status: Innerhalb von einer Woche schön langsam gelesen
Erster Satz: "Wir schreiben das Jahr 900 nach Christi Geburt oder, wie es in der DDR hieß: nach unserer Zeitrechnung."
Kommentar: Von Max Goldt wusste ich lange Jahre nur, dass er die skurrile Band Foyer des Arts gegründet hatte und überall gelobt wurde für Kolumnen, die er in der Titanic schrieb. Aber ich las keine Titanic-Kolumnen. Erst mein Mitbewohner Timo Rehm lenkte meine Aufmerksamkeit auf den Autor Goldt. Rehm war sich nicht zu schade, mir nach dem Abendbrot komplette Geschichten aus "Ä" vorzulesen. Er beteuerte, seit seiner Max-Goldt-Lektüre sich gesünder zu ernähren. Wenn das keine schriftstellerische Leistung ist – durch Texte die Ernährungsgewohnheiten der Leser zu verändern.
Heut unterstreiche ich die völlig angemessene Lobhudelei Daniel Kehlmanns: "Max Goldt gehört gelesen, gerühmt und ausgezeichnet."

11. Ian McEwan: "On Chesil Beach" (englisches Original)

Erworben: Herbst 2007 in der Bahnhofsbuchhandlung des Ostbahnhof
Status: Innerhalb von drei Tagen gelesen.
Erster Satz: "They were young, educated, and both virgins on this, their wedding night, and they lived in a time when a conversation about sexual difficulties was plainly impossible."
Kommentar: Dies ist das einzige Buch, das mir nicht nur Tränen der Rührung in die Augen getrieben hat, sondern mich dazu brachte, schluchzend zu weinen.

12. Gottfried Keller: Hadlaub

Erworben: Ich habe dieses Buch noch nie gesehen, Euer Ehren.
Status: Ungelesen
Erster Satz: "Gleich unterhalb des aargauischen Städtchens Kaiserstuhl stehen die beiden Schlösser Schwarz- und Weiss-Wasserstelz, jenes mitten im Rhein, d. h. näher dem linken Ufer und jetzt noch von allerlei Leuten bewohnt, die es kaufen mögen, dieses zerfallen auf dem rechten Ufer."
Kommentar: Schöne Schrift, aber was soll ich sonst dazu sagen?

13. Rudyard Kipling: "Die schönste Geschichte der Welt" (Erzählungen)

Erworben: ca. 1989, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, in einem Antiquariat in Altenburg
Status: Die ersten 10 Seiten gelesen
Erster Satz: "Er hieß Charlie Mears; er war der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe, und wohnte im Norden von London."
Kommentar: Eines jener Bücher, bei denen man denkt, man müsse mal etwas mehr von diesem bekannten Autor lesen als nur seinen Hit, und dann langweilt man sich doch.

 

14. Jack London: "Menschen des Abgrunds"

Erworben: ca. 1992 in irgendeinem Antiquariat in Berlin
Status:innerhalb von ca. 1 Woche gelesen
Erster Satz: "’Aber das können Sie nicht machen‘, sagten Freunde, die ich um Unterstützung bei dem Vorhaben ersuchte, mich in das East End von London zu stürzen."
Kommentar: Lektüre zu der Zeit, als ich alles von Jack London verschlang, was ich in die Finger bekam. Eine Art Wallraff-Studie des beginnenden 20. Jahrhunderts.

 

15. Thomas Wolfe: "Der verlorene Knabe" (Erzählungen)

Erworben:1994 in einem Berliner Antiquariat
Status:ein paar Seiten in der Straßenbahn gelesen und wochenlang in meinem Rucksack mitgeschleppt.
Erster Satz: "Das Licht ging und kam wieder, die Rathausuhr dröhnte ihre mächtig-bronzenen Dreiuhr-Schläge über die Stadt hin, der Springbrunnen zerstob im leichten Aprilwind zu regenbogenfarbenen Tüchern und wurde wieder ein pulsierender Federbusch – da bog Grover zum Marktplatz ein.
Kommentar: Nachdem mir im Sommer meine amerikanische Freundin Jessica Lissy sein Buch "You can’t go home again" ("Es führt kein Weg zurück") empfohlen hatte und ich dieses mit Eifer und Faszination gelesen hatte, war ich eine Weile auf der Suche nach weiteren Wolfe-Schätzen, blieb aber in diesen Erzählungen hängen.

 

16. René Depestre: "Der Schlaraffenbaum"

Erworben:vermutlich 1992 aus dem Bücherkorb von Jutta Borostowski bei ihrem Auszug aus unserer Zweier-WG in der Libauer Str. 9
Status:ungelesen
Erster Satz: "Es war einmal ein tatkräftiger Mann, den der Staat gezwungen hatte, einen kleinen Handel zu betreiben, und zwar am nördlichen Eingang einer tropischen Stadt."
Kommentar: Ich kenne nicht einmal den Namen dieses Autors.

17. Salman Rushdie: "Des Mauren letzter Seufzer"

Erworben:1999, nachdem eine damals Angebetete, der ich meine 1996er Hardcover-Ausgabe, die mir meine Eltern zum Geburtstag geschenkt hatten, geliehen hatte, sich nicht mehr meldete
Status:ca. vier Mal gelesen. Erstmals im Juli 1997 in Ghana
Kommentar: Dieses Buch gehört auf jeden Fall in die Top Ten meiner Literatur-Highlights, man kann es immer und immer wieder lesen: Als Parabel auf die Einsamkeit, eine Geschichte über die ewige Suche nach Liebe, die Untiefen der Kunst, als Familien-Roman, als Indien-Panorama.

***

(Fortsetzung der Geschichte vom Haschischesser)

Der Verletzte nimmt also ein Bad und isst dabei ein Stück Haschisch, das ihm nun allerlei Halluzinationen eingibt, u.a. dass er von diversen Sklaven betreut würde:

Der Eunuch aber brachte ihm Stelzsandalen, und die zog er an.


Falls jemand nicht weiß, wie Stelzsandalen aussehen.

Und weiter sah er im Traume eine Jungfrau an seinem Busen; die küsste er und legte sie zwischen seine Schenkel; dann kniete er vor ihr, wie der Mann vor der Frau zu knien pflegt, nahm seine Rute in die Hand und zog und presste die Jungfrau an sich.

Es kommt, was kommen muss: Der Haschischesser wird geweckt von umstehenden Leuten:
"Schämst du dich nicht, Haschischesser, hier nackt mit aufrechter Rute zu schlafen?"

Ende.

Kân-mâ-kân fällt vor Lachen über diese Posse auf den Rücken, und die Alte Bakûn fährt fort, ihm Geschichten zu erzählen, bis er einschläft. Sie zückt nun den Dolch, um ihn zu ermorden.

Ist dies eigentlich eine Referenz auf die Macht von Schehrezâd, die sich selbst ja auch darüber klar sein müsste, dass sich eine solche Demonstration der Macht der nächtlichen Geschichtenerzählerinnen fatal für sie auswirken könnte?

Doch da tritt Kân-mâ-kâns Mutter ein, und Bakûn verlässt fluchtartig das Zimmer. Am nächsten Tag flieht Kân-mâ-kân aus der Stadt und vereinigt sich mit dem Wesir Dandân.

Nach seinem Fortgange aber ereigneten sich Dinge zwischen König Sasân und Nuzhat ez-Zamân, die auch sie zwangen, die Stadt zu verlassen.

Eine eher ungewöhnliche Sach-Komprimierung des Erzählens bei der sonst gerade in diesem Roman übliche Weitschweifigkeit. Aber es kommt noch schlimmer.

Sie unternehmen einen Rachefeldzug nach Kleinasien.

So brachen sie denn auf zum Kriege gegen die Romäer; aber die fielen in die Gefangenschaft des Königs Rumzân, des Herrschers von Kleinasien, nachdem sich noch manche andere Dinge zugetragen haben, wie aus dem folgenden hervorgeht.

Da hat man sich schon durch über 400 Seiten durch endlose Beschreibungen gekämpft, und dann werden einem die wichtigen Fakten erspart, weil dies "zu weit" führen würde! Mit Romäern sind anscheinend die orthodoxen Christen, die sich als Nachfolger der Römer verstehen, gemeint.

Rumzân hat einen seltsamen Traum, den er von Wesir Dandân dahingehend deuten lässt, dass ein naher Verwandter in der Nähe ist.
Doch Rumzân lässt den Henker holen, um den Gefangenen die Köpfe abzuschlagen, damit er seinen Feinden Angst einjagen könne, wenn man die Köpfe in Richtung der Feindesheere werfe.

Die Wikipedia vermerkt dazu: "Es wurden, wie mit anderen Wurfwaffen auch, oft auch zusätzlich Materialien wie z. B. Fäkalien oder Kadaver, Bienenstöcke oder lebende Gefangene in die feindlichen Festungen geschleudert, um den Gegner einzuschüchtern, Nahrungsvorräte belagerter Städte zu verunreinigen oder Krankheiten auf die belagerten Menschen zu übertragen."

Doch bevor Rumzân den Henker sein Werk vollenden lässt, schreitet Rumzâns Amme Mardschâna ein, die ihm erzählt, dass er der Sohn der Abrîza sei und somit der Onkel Kân-mâ-kâns und der Bruder Nuzhat ez-Zamâns. Man vergleicht die um den Hals hängenden Edelsteine und tatsächlich sind sie gleich.

Einer der seltenen Fälle dieses Romans, wo einmal ein früheres Motiv wieder eingebaut wird.

König ez-Ziblikân erhält die Vizekönigschaft von Damaskus.

Wer ist das denn eigentlich?

Rumzân und Kân-mâ-kân teilen sich auf Anraten des Wesirs Dandân die Regierung von Bagdad.

Fast wie im heutigen Bagdad

142. Nacht

Tatsächlich besucht Kudija-Fakân ihren Vetter Kân-mâ-kân noch in derselben Nacht und empört sich darüber, dass er schläft.

Wärest du treu in der Liebe, du hättest
Dich dem Schlummer nicht hingegeben!
Der du behauptest, auf Pfaden der Liebe
Leidenschaftlich voll Sehnsucht zu leben –
Ja, bei Gott, mein Vetter, der Schlaf kann
Augen der wahrhaftigen Lieb nie umweben.

Mit anderen Worten: Er hätte in den letzten Wochen überhaupt nicht schlafen dürfen. Unklar bleibt, ob die beiden miteinander geschlafen haben.

Da Kudija-Fakân ihren Schnabel nicht halten kann und sich einigen ihrer Sklavinnen anvertraut, gelangt die Kunde darüber bald zu König Sasân, der sie töten will. Seine Frau Nuzhat ez-Zamân kann ihn gerade noch davon abbringen.
Kân-mâ-kân indessen kündigt seiner Mutter an:

"Ich habe mich entschlossen, auf Raub auszureiten, die Wege zu belagern und Rosse, Kamele, Neger und weiße Sklaven zu erbeuten. Hab ich dann Geld und Gut und wieder Ansehen in der Welt, so werbe ich um meine Base Kudija-Fakân bei meinem Oheim König Sasân."

Die Mutter versucht, ihm das auszureden, nicht etwa wegen der Verwerflichkeit, sondern wegen der Gefährlichkeit solchen Tuns.

Er bestieg seinen Hengst el-Katûl.

Den hat er doch neulich dem König geschenkt.

Am Stadttor trifft er den Beduinen Sabbâh ibn-Rammâh wieder, den Wegelagerer, der ihn nun, da er gut gekleidet ist, als Herrn akzeptiert und sein Gepäck durch die Wüste schleppt.

Am fünften Tag aber erblickten sie einen hohen Hügel; an dessen Fuße befanden sich Frühlingslager der Nomaden und ein Teich mit fließendem Wasser zumal; Kamele, Rinder, Kleinvieh und Rosse erfüllten Berg und Tal, und ihre Jungen spielten um die Hürden überall. Kaum sah Kân-mâ-kân dieses Bild, da war er herzlich froh, und seine Brust war von Freude erfüllt; und er beschloss, den Angriff zu wagen.

Der Beginn dieses Absatzes hätte auch von Ludwig Uhland stammen können. Der Rest von Hindenburg.

Er prescht gegen die Nomaden vor und erkennt, dass ihr Anführer jener Kahardâsch ist, der der alten Dhât ed-Dawâhi das Ross genommen hatte. Dieser wiederum hält das Ganze für einen Trick seiner künftigen Braut, die ihm geschworen hatte, ihn nur zu heiraten, wenn er sie im Kampf besiegen würde.

Offenbar eine Referenz auf die Mann/Weib-Kämpfe zwischen Scharkân und Abrîza.

Doch Kân-mâ-kân verspottet ihn. Sie kämpfen gegeneinander, und Kân-mâ-kân offenbart sich. Daraufhin gibt Kahardâsch auf,

"denn durch deinen Vater ward uns manche Güte und Wohltat beschieden."

Kân-mâ-kân verspottet ihn abermals und tötet ihn mit der Lanze

Mit dieser Tumbheit, Gewalt- und Mordlust überbietet er sogar seinen Oheim Scharkân.

Sein Diener Sabbâh, der den Kampf aus sicherer Entfernung beobachtet hat, darf ihm den Kopf abschneiden, auf eine Lanze stecken, und mit der Beute ziehen sie bejubelt vom Volk in Bagdad ein.
König Sasân fürchtet sich nun, und befiehlt seinen Vertrauten, Kân-mâ-kân zu töten.

Aber die Hauptleute sagten sich von ihm los, und die Truppen weigerten sich, den Waffendienst zu tun, bis sie gesehen hätten, was sich begeben würde; denn sie sahen ja, dass der größere Teil des Heeres bei dem Wesir Dandân war.

Wenig später geht Kân-mâ-kân auf Jagd und erjagt zehn Gazellen, von denen er eine frei lässt, da sie Junge hat. Seinen Diener Sabbâh, der darum bittet, ebenfalls freigelassen zu werden, stößt er in den Schmutz.
Einer der Emire wird nun mit seinen Rittern vorausgeschickt, Kân-mâ-kân zu töten, doch er überwindet sie, und das Volk ergreift König Sasân, schlägt ihn und legt ihn Fesseln.
Des nachts begibt sich Kân-mâ-kân zum Kerker, lenkt die Hunde mit Fleischstückchen ab und befreit Sasân, der ihm schwört, ihm nicht mehr nach dem Leben zu trachten.

Das zog das Volk mit Trommeln und Flöten ihm entgegen.

Kann noch jemand folgen? Verhält sich hier irgendwer noch nachvollziehbar?

Sasân vertraut sich nun wieder seiner Frau Nuzhat ez-Zamân an, er wolle Kân-mâ-kân umbringen. Ihre Gegenargumente tut er mit der Drohung ab:

"Tät es nicht Schimpf und Schande eintragen, dich zu erschlagen, fürwahr, ich hiebe dir den Kopf ab und brächte dich alsbald ins Grab."

Auch keine angenehme Grundlage für eine dauerhafte Beziehung.

Aus Angst rät sie ihm nun sogar, wie man den Mord am besten bewerkstelligen könnte – nämlich mit Kân-mâ-kâns altem Kindermädchen Bakûn.

Die Zahl der sympathischen Charaktere in diesem Roman waren noch nie besonders hoch. Und nun – gibt es eigentlich noch einen guten Protagonisten?

Diese ist auch tatsächlich zur Schandtat bereit, lässt sich einen vergifteten Dolch bringen, geht eines nachts zu Kân-mâ-kân, und schleicht sich in sein Vertrauen, indem sie ihm eine Geschichte erzählt:

Die Geschichte vom Haschischesser

Ein einst reicher und nun verarmter Mann, tritt mit seinem Zeh in einen Nagel und versucht, seine Schmerzen im Badehaus zu lindern.

141. Nacht

Korrektur zur 140. Nacht: Der Pferdedieb stahl es nicht dem Anführer der Christen, sondern dem Anführer der muslimischen Kaufleute, der es wiederum den christlichen Eindringlingen abgenommen hatte. Die Christen unter Führung der alten, uns sattsam bekannten Dhât ed-Dawâhi wurden von dem Anführer der muslimischen Kaufleute Kahardâsch gefangengenommen, aber durch das Zureden der Alten ließ man sie wieder frei, und in diesem Moment schnappte der Pferdedieb zu, nicht ohne verletzt zu werden.
In der Hoffnung, es vielleicht doch noch in seine Heimat zu schaffen, versucht Kân-mâ-kân, ihn auf sein Pferd zu heben, doch er sagt einen letzten Reuevers, spricht das Glaubensbekenntnis und stirbt.
Inzwischen hat sich der Wesir Dandân gegen den ehemaligen Kammerherrn und jetzigen König Sasân empört und das halbe Heer an sich gerissen, mit diesem ist er

bis zu den Indischen Insel, bis zum Berberlande und bis in den Sudan gekommen.

Wieder einmal sehr schwer vorstellbar, wie man sich diese Wanderung vorzustellen habe. Das halbe Heer übers Meer zu irgendwelchen Inseln zu transportieren, erscheint äußerst unrealistisch und nur schwer vorstellbar. "Indische Inseln" zumal unklar. Als solche wären Sri Lanka oder Indonesien denkbar. Beides eigentlich unerreichbar für das Heer. Sudan hingegen zumindest denkbar (Syrien, Ägypten ist das "Berberland", da damals einige Berberstämme dort wohnten), wenn auch nicht in dem kurzen Zeitraum, von dem hier die Rede ist.

Sasân sieht, wie ihm die Felle davonschwimmen und er sendet Kân-mâ-kân, von dessen Ankunft er erfährt, Emire und Ehrengeleite entgegen. Tatsächlich kommt dieser wohlgesonnen und schenkt dem König den Hengst el-Katûl,

und er erkannte, dass es derselbe war, den er gesehen hatte, in dem und dem Jahr, damals, als er die Kreuzesverehrer belagerte, mit des Prinzen Vater Dau el-Makân und zur Zeit der Ermordung seines Oheims Scharkân.

So muss das Pferd wohl inzwischen 18 Jahre alt sein, wenn wir davon ausgehen, dass es damals mindestens sechs Jahre alt war und Kân-mâ-kân vier Jahre.

Kân-mâ-kân wird mit Geschenken und Ehren überhäuft, da Sasân

um den Ausgang der Unternehmung des Wesirs Dandân besorgt war.

Kân-mâ-kân besucht nun zunächst seine Mutter und dann eine Kupplerin, um sich die Liebe Kudijâ-Fakâns zu versichern.

140. Nacht

Der Oberkammerherr, der inzwischen König Sasân genannt wird, lässt einen der Emire, die ihm die Nachricht übermitteln, Kân-mâ-kân sei verschwunden, am Galgen hinrichten.

Eine Reaktion, die ich nie verstanden habe, die aber anscheinend allzu menschlich ist: Wir tendieren zu Personalisierung. Und dies sollte man wohl auch bei bedenken, wenn man Hiobsbotschaften zu überbringen hat: Entweder positiv formulieren oder eine Lösung in petto haben.

Sasân lässt erfolglos nach ihm fahnden. Kân-mâ-kân indessen irrt durch die Wüste, bis er auf eine Oase stößt, wo er sich erfrischt, betet und des nachts jemanden in Versen wehklagen hört. Am nächsten Morgen sieht er, dass es sich um einen Beduinen handelt,

und die Spuren der Liebesqual waren an ihm zu erkennen.

Doch lässt er es an Respekt vermissen, weil Kân-mâ-kâns Kleider etwas heruntergekommen sind. Er heißt Sabbâh, und auch sein Onkel verweigerte ihm die Cousine, indem er eine horrende Brautgabe forderte:

fünfzig Rosse, fünfzig starke Reitkamelinnen, fünfzig Lastkamele mit Weizen beladen und ebenso viele mit Gerste beladen, zehn Sklaven und zehn Sklavinnen.

Unklar, warum das Reitkamel weiblich sein muss.

Um an diese Waren zu gelangen, will er vor den Toren Bagdads einem reichen Kaufmann auflauern und ihn berauben.
Als sich Kân-mâ-kân vorstellt, will der Beduine ihn als Geisel nehmen, um so auf einfacherer Weise an Geld zu gelangen. Ähnlich wie Karl May packt er ihn bei der Ehre:

"Wenn du mich als Gefangenen und als deinen Diener mit dir schleppen willst, so wirf deine Waffen hin, lege deine Oberkleider ab, tritt zu mir heran und ringe mit mir!"

Kân-mâ-kân ringt ihn nieder und will ihn in den Fluss werfen, lässt sich aber von des Beduinen Beteuern einlullen und lässt ihn frei, woraufhin dieser, ebenfalls ganz nach der Art der Schurken, die wir aus Karl Mays Romanen kennen, zu seinen Waffen springt. Kân-mâ-kân erbittet den Schild, während der Beduine mit dem Schwert kämpft und schließlich erwartungsgemäß verliert. Daraufhin schwört er den heiligsten Eid, ihn

immer als Freund zu geleiten und auf allen Wegen zu begleiten.

Die beiden essen und beten zusammen und begeben sich nach Bagdad, Sabbâh voraus. Während Kân-mâ-kân noch wartet, da er sich schämt, als Bettler zurückzukehren. Kurz danach begegnet ihm ein sterbender Reiter auf einem edlen Pferd, der ihm berichtet, dass das Pferd dem König Afridûn gehöre und er es  von ihrer Anführerin Dhât ed-Dawâhi stahl, kurz bevor sie Bagdad erreichten.

139. Nacht

Der Oberkammerherr begibt sich zu seiner Frau Nuzhat ez-Zamân und befiehlt, seinem Stiefneffen Kân-mâ-kân den Zugang zu Frauen zu verweigern. Als dieser davon erfährt, begibt er sich vor Trauer an den Stadtrand. Erst als seine Mutter wieder zum Sultanspalast kommt, um Nahrung für sich und ihren Sohn zu holen, erfährt sie von Kudijâ Fakân, dass diese ihn eigentlich liebte, ihn aber wegen seiner Feinde abwies.

Denn sieh, meine Sehnsucht nach ihm ist doppelt so groß wie die seine nach mir; ach meine Zunge kann meine Leidenschaft für ihn gar nicht beschreiben.

O meines Oheims Sohn, ich trag in meiner Sehnsucht
Das gleiche, was dein Herz erträgt in bittrer Pein.
Doch ich verbarg den Menschen meine heiße Liebe –
Warum verbargst du nicht auch die Liebe dein?

Er erfährt davon und quält sich nun noch mehr. Und als er siebzehn Jahre alt wird, flieht er in die Wüste. Schon bald erfährt das Volk Bagdads vom Verschwinden Kân-mâ-kâns:

Und klagend über die Härte des Schicksals sprachen sie: „Was widerfuhr wohl dem Kân-mâ-kân, dass er seine Heimat verließ, von hier verbannt, während durch seinen Vater jeder Hungernde Sättigung fand, und jener einst mit Gerechtigkeit und Güte herrschte im Land?“

Erstaunlich, dass sie Dau el-Makân so in Erinnerung behalten haben, wo er sich doch jahrelang in Griechenland getummelt hat.

138. Nacht

Sowohl Kân-mâ-kân als auch Kudija-Fakân wachsen zu schönen jungen Menschen heran, wie in beispielhaften Versen betont wird.
Kân-mâ-kân erdreistet sich auf einem Fest, ihre Schönheit zu loben und seine Liebe zu gestehen, nicht ohne dieses Bekenntnis in Verse zu kleiden:

Wann wird das Herz des Betrübten geheilt vom Schmerz des Fernseins?
Wann lächelt des Wiedersehen Mund? Wann hat die Trennung ein End?
O wüsste ich doch, ob ich je einmal eine Nacht verbringe
Nahe der Lieben, die selbst einen Teil meiner Qualen kennt!

Kudija-Fakân ist darüber empört und droht Kân-mâ-kân, dies dem Oberkammerherrn zu melden, der ja nun inzwischen Sultan von Bagdad und Chorasân ist.

Völlig unklar: 1. Wie ist denn deren Verhältnis, wenn die beiden doch eigentlich "vermählt" sind? 2. Wieso wird der jetzige Sultan immer noch "Oberkammerherr" genannt, ohne dass wir je seinen Namen erfahren?

137. Nacht

Tâdsch el-Mulûk feiert einen Monat lang Hochzeit mit Dunja.

und sie lebten hinfort immerdar herrlich in Freuden, bis der Zerstörer aller Wonnen zu ihnen kam.

***

Fortsetzung der Geschichte des Königs ibn en-Nu’mân und seiner Söhne.

Der Wesir Dandân hat seine Geschichte beendet, und allgemein wird festgestellt, dass man ja nun schon seit vier Jahren vor Konstantinopel lagert, die Truppen murren. Und Dau el-Makân beginnt, sich nach Weib und Kind zu sehnen.

Alles gute Gründe für die Beendigung eines jeden Krieges.

Man zieht also zurück nach Bagdad

Die Daheimgebliebenen scharten sich um die Heimkehrenden, und jeder Emir ging in sein Haus. Der König aber zog zu seinem Schlosse und begab sich zu seinem Sohne Kân-mâ-kân, der nun schon sein siebentes Lebensjahr vollendet hatte und bereits auszureiten pflegte.

Hab ich da etwas in der Zeitrechnung versäumt? Ich denke, es waren nur vier Jahre vor Konstantinopel?

Meinen ersten alleinigen Ausritt habe ich übrigens mit 9 Jahren gewagt. Das Fahrrad hatten mir meine Eltern zum Geburtstag mit der Bedingung geschenkt, ich dürfe mich damit nur durchs Wohngebiet bewegen. Also in den Grenzen Wilhelm-Guddorf-Str./Frankfurter Allee/Harnackstr.


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Sorina Albrecht überredete mich, die Spritztour auszuweiten, und so radelten wir bis zum Tierpark, und da die Straße „Am Tierpark“ damals noch nicht so dicht befahren war wie heute, erlaubten wir uns, singend schöne Schlängellinien mit unseren Fahrrädern auf der Schnellstraße zu fahren. Der Weg nach Hause gestaltete sich ein wenig schwierig, da wir ein wenig die Orientierung verloren hatten. Als ich gegen 20 Uhr zuhause eintraf wurde der Ärger meiner Eltern nur unwesentlich von ihrer Erleichterung mich wohlbehalten wiederzusehen relativiert. Mein Vater hatte bereits die Jacke angezogen, um die Polizei zu verständigen, meine Schwester hatte durch eine Lippenverletzung den Stress in der Familie noch befördert. Seltsamerweise wurde die Beschränkung aufs Wohngebiet nach diesem Vorfall nicht etwa verschärft, sondern aufgehoben. Komisch, diese Erwachsenen.

Der Heizer, der Dau el-Makân damals so viel geholfen hatte, soll nun endlich seinen Lohn erhalten.

Nun war jedoch der Heizer dick und fett geworden, und sein Gesicht wie der Bauch eines Delphinen gar. Auch war er stumpfen Geistes geworden, da er sich nie von der Stätte, an der er sich befand, gerührt hatte.

Nach einigem Hin und Her, Nichtwiedererkennen, zu bescheidene Bitten usw. macht man ihn zum Statthalter von Damaskus.

Max Weber unterscheidet drei Typen legitimer Herrschaft: rationale, traditionale und charismatische Herrschaft. Womit mag man es hier zu tun haben? Das Charisma eines Delphinbauchs.

Er möge, so Dau el-Makân beim Abschied, sich binnen zwei Jahren zum Kampf gegen die Ungläubigen bereitmachen.

Ein fetter Heizer als Heerführer?

Kudija-Fakân, die Tochter Scharkâns, wird von Dandân, der den Heizer zur Amtseinsetzung begleitete nach Bagdad zurückgebracht. Sie und Kân-mâ-kân wachsen gemeinsam auf.

Nur zeigte es sich, dass Kudija-Fakân umsichtig und verständig war und auf den Ausgang einer Sache achtete, während Kân-mâ-kân großherzig und freigebig war.

Nach weiteren vier Jahren setzt Dau el-Makân, der inzwischen Todesahnungen hat, seinen Sohn zum Sultan ein und bestellt den Oberkammerherrn zum Vormund über ihn.
Außerdem werden Kân-mâ-kân und Kudija-Fakân miteinander verheiratet,

was beachtlich ist, da Kudija-Fakân ja schon immerhin die Tochter von Bruder und Schwester war. Aber Vermeidung von Inzucht wird in dieser Geschichte und überhaupt in der damaligen islamischen Aristokratie nicht groß geschrieben.

Dau el-Makân spürt den Tod kommen und beauftragt nun seinen Sohn, die Rache für Scharkân zu übernehmen und Dhât ed-Dawâhi zu bestrafen.
Als Dau el-Makân nach vier Jahren Krankheit stirbt, setzt das Volk von Bagdad Kân-mâ-kân ab.

Historisch ziemlich unwahrscheinlich, dass das „Volk“ daran einen Anteil gehabt haben soll. Eher die Würdenträger und Machthaber, die um ihre beim Oberkammerherrn erworbenen Privilegien fürchten.

Kân-mâ-kâns Mutter, die Witwe von Dau el-Makân, wendet sich nun ihrer Trauer an Nuzhat ez-Zamân, ihre Schwägerin, die ihr Ehrenkleider und eine Wohnung in ihrem Schloss zuweist.… Weiterlesen

136. Nacht

An dieser Stelle vielleicht völlig unpassend: Aber kann mir mal jemand die Popularität des Radio-Journalisten Jörg Tadeusz erklären. In seiner angeblichen Wissenschaftssendung "Die Profis" auf Radio Eins stellt er sich absichtlich doof (zumindest kann ich das für ihn nur hoffen) und nimmt keinen seiner Gesprächspartner auch nur im Geringsten ernst. Den Anrufern beim Scanner-Spiel stellt er persönliche bis intime Fragen, was vielleicht noch in Ordnung wäre, wenn er sich dafür interessierte, aber es ist ihm eigentlich scheißegal. Den Vogel schoss er am vergangenen Sonnabend ab, als er anlässlich des Jahres der Mathematik einen Mathematikprofessor interviewte und diesen bat, "uns allen" doch nun ein für allemal die Prozentrechnung zu erklären, Stoff aus der siebten Klasse also. Der Professor ist sich dann auch nicht zu fein, das auch noch mal langsam und von vorn zu tun, und aus jedem "Aha" von Tadeusz hört man heraus, dass er nicht einmal zuhört, also gar nicht begreifen will. Koketterie mit mathematischer Dummheit ist zwar verbreitet, steht aber einem "Wissenschaftsjournalisten" nicht besonders zu Gesicht. Nicht dass bestimmte mathematische Sachverhalte nicht schwierig wären, aber wie ernst soll ich Tadeusz nehmen, der nicht einmal das Minimum an geistiger Wachheit besitzt, wissen zu wollen?

***

Es erschallen Schreie.

Die Leute schlossen ihre Läden.

Ähnlich wie bis vor wenigen Jahren in Kreuzberg am 1. Mai.

Der König rief dem Scharfrichter zu: "Halt ein!"

Die Truppen kommen herbei, und die Gesandten von Sulaimân Schâh treten auf den König Schehrimân zu, unter ihnen der Wesir.

den König Schehrimân seltsamerweise nicht wiedererkennt.

Der Wesir richtet Schehrimân aus, dass man auf der Suche nach dem Königssohn Tâdsch el-Mulûk sei. Schehrimân könne mit Dank und Ehre rechnen, wenn dieser denn lebe, ansonsten würde das

Reich zur Wüste werden.

Was uns die Weisheit und Güte Sulaimân Schâhs in neuem Lichte erscheinen lässt.

Der Wesir entdeckt Tâdsch el-Mulûk auf dem Blutleder, man löst ihm die Fesseln, Tâdsch el-Mulûk fällt vor Freude in Ohnmacht.
Man badet und pflegt Tâdsch el-Mulûk.
Schehrimân flitzt zu seiner Tochter Dunja, die gerade im Begriff ist, sich ins Schwert zu stürzen und bittet sie, ihm zuliebe davon Abstand zu nehmen, er stünde einer Vermählung nun nicht mehr im Wege. Sie darauf:

"Hab ich dir nicht gesagt, dass er der Sohn eines Sultans ist? Bei Allah, nun muss ich ihn gewähren lassen, wenn er dich an ein hölzernes Kreuz schlägt, das zwei Dirhems wert ist."

Selbst in dieser eingebauten Story können sie nicht von ihrer Kreuzigungsobsession lassen.

Man rüstet zum Aufbruch und Schehrimân lässt Sulaimân Schâh Geschenke bringen:

hundert Renner, hundert edle Dromedare, hundert Mamluken, hundert Odalisken, hundert Sklaven und hundert Sklavinnen.

Odalisken sind bisher in den Erzählungen noch nicht aufgetaucht. Deshalb hier ein Bild, wie man sich diese im Europa des 18. Jahrhunderts vorstellte:

So jedenfalls in der Phantasie von Francois Boucher

Tâdsch el-Mulûk verabschiedet sich nun von Azîz, den er mit Geschenken überhäuft.

Ob diese ihn für den Ärger entschädigen können, den Prinzen mit der Stickerin zusammen zu sehen, deren Werke letztlich dazu beitrugen, dass ihm Glied und Ei abhanden kamen?

Zuhause angekommen findet Azîz seine Mutter vor einem ihm gewidmeten Grabmal weinend.

Aus der Mode gekommene Praxis: Die Haare über ein Grabmal ausbreiten.

Tâdsch el-Mulûk nimmt seiner Gemahlin nun das Mädchentum.

Fragt sich, was sie in den anderen Monaten getan haben: Harmloses Petting?

Oder andere Formen der Innigkeit, die die "Mädchenschaft" nicht verletzen?

Man reist ab.

135. Nacht

Es gelingt der Alten, den Eunuchen einzuschüchtern, und so wird sie selbst zur Türhüterin, während sich Tâdsch el-Mulûk mit Dunja amüsiert

mit Armen umwunden und innigst verbunden.

Am Morgen wird er in ein anderes Zimmer geschickt, damit Dunja mit ihren Sklavinnen spielen kann.

Und in dieser Weise blieben sie einen Monat beieinander.

Azîz und der Wesir fürchten nun, dass man Tâdsch el-Mulûk gefangen genommen habe und kehren zu dessen Vater Sulaimân Schâh zurück, der gleich nichts besseres zu tun hat, als zum Heiligen Krieg zu rüsten.

mit einem Heere so groß, dass es den Horizont versperrte

Gewalt, um es mit Michael Stein zu sagen, ist nichts weiter als beschleunigter Dialog. Oder systemtheoretisch gesehen: Wer aus den Kommunikationssystemen ausgeschlossen ist, dem bleibt noch der Zugriff zum Körper. Nun kann man beim König wohl nicht von Exklusion sprechen, eher von fehlender Evolution der entsprechenden symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien oder aber auch einfach von Inkompetenz, diese anzuwenden.

In der Zwischenzeit überreicht der Vorsteher der Goldschmiedezunft dem König Schehrimân ein goldenes Kästchen, welches dieser der Prinzessin bringen lässt. Der Eunuch Kâfur findet dabei unser Paar in flagranti. Flugs wird er vor den König gebracht, der befiehlt, ihn zu enthaupten. Der Scharfrichter zögert noch…

Bemerkenswert in diesem Beruf.

Doch der König droht ihm, ihn selbst zu enthaupten, und so hebt der Scharfrichter den Arm,

bis das Haar unter der Achsel sichtbar ward.

134. Nacht

Selbst die Absagen einer Prinzessin werden noch in Verse gekleidet, die das Flirtfeuer am Lodern halten:

O der du um die Schläge des Schicksals dich nicht kümmerst,
Dir ist der Weg, der zur Vereinigung führet versagt!
Ja, glaubst du den, Vermessner, du könntest die Suhâ gewinnen,
Und kannst den Mond nicht erreichen, der hell am Himmel ragt?
Wie kannst du nur auf mich hoffen und denken, dich mir zu nahen,
Auf dass die Freude den schlanken Leib zum empfangen dir blüht?
Lass ab von diesem Plan aus Furcht vor meinem Zorne
An einem finsteren Tage, der graue Scheitel zieht.

Zur Erklärung der Metapher: Suhâ ist der altarabische Name für einen mit bloßem Auge nur schwer erkennbarer Stern im Sternbild "Großer Bär", auch Alkor genannt.

Suha Reiterlein

Tâdsch el-Mulûk schreibt einen neuen Brief, und auch diesen überbringt die Alte:

"Ich habe doch mein Leben mit List und Trug verbracht, bis ich neunzig Jahre alt geworden bin; wie sollte ich da nicht zwei vereinen können, auch wenn es eine Sünde ist?"

Nach europäischem Sonnenjahr gerechnet ist sie allerdings "erst" 87 Jahre alt.

Sie wagt es nicht, den Brief Dunja persönlich zu überbringen, verbirgt ihn in ihrem Haar und bittet die Prinzessin, ihr die Haare zu lausen.

Die Prinzessin laust die Dienerin – ein bemerkenswertes Dienerverhältnis.

Wieder schreibt die Prinzessin eine Ablehnung, und wieder der Prinz einen Liebesbrief. Doch diesmal rastet die Prinzessin Dunja aus:

"An allem, was mir widerfährt, ist diese Unglücksalte schuld! (…) Packt diese verfluchte Alte, die Ränkeschmiedin, und schlagt mit euren Sandalen auf sie ein."

Man wirft sie vor die Tür, doch nachdem sich die Alte erholt hat, geht sie wieder zu Tâdsch el-Mulûk, der sich nach dem Grund für den Männerhass von Dunja erkundigt.

Es läge, so die Alte, an einem Traum, den Dunja als junges Mädchen gehabt habe. In dieser fabelartig angelegten Story, hilft eine weibliche Taube dem Täuberich, aus dem Netz des Vogelfängers zu entkommen. Als das Weibchen jedoch in dieselbe Situation kommt, lässt sie der Täuberich im Stich, was die Prinzessin zu dem Urtail kommen lässt:

"Ein jeder Mann ist wie dieser Täuber; an ihm ist nichts Gutes, und an allen Männern ist nichts Gutes für die Frauen!"

Billiger als Freud.

Man beginnt nun, an einem Plan zur Überlistung der Prinzessin zu spinnen. Den Laden verschenkt Tâdsch el-Mulûk an Azîz. Die beiden gehen mit dem Wesir zum Garten, in dem sich die Prinzessin alle zehn Tage aufhält und bestechen den Gärtner, ihnen den Garten zu zeigen. Der Wesir bestellt nun Anstreicher, Maler und Goldschmied und gibt ihnen den Auftrag, ein Triptychon zu erstellen, das den Traum der Prinzessin nachstellt, ergänzt um eine Szene, die darstellt, dass der Täuber nicht kommen konnte, da er von einem Raubvogel gefangen wurde.
Die Nacht des Wartens vertreibt Azîz dem Tâdsch el-Mulûk durch Gesänge:

Es meinte Avicenna bei Leitsätzen seiner Lehre,
Für Liebeskrankheit wäre die Arzenei der Sang,
Die Nähe einer Maid, die der Geliebten gleiche,
Dazu ein edler Garten, Naschwerk und Trank.
So nahm ich denn einmal eine andre als dich, zur Genesung,
Als Zeit und Möglichkeit mir ihren Beistand liehn:
Doch ich erkannte, die Liebe ist eine tödliche Krankheit,
Und nur Gefasel ist Avicennas Medizin.

Das würde die Gesamtgeschichte zeitlich eingrenzen, da Avicenna (ابو علی سینا‎) erst um 1000 zu wirken begann, und sein Ruhm erst ab 1025 begann.

Die Prinzessin hat sich inzwischen wieder in ihrem Zorn gegen die Alte beruhigt und lässt sie rufen, da sie nur mit dieser im Garten zu spazieren pflegt. Tâdsch el-Mulûk legt sich inzwischen sein königliches Gewand an, verbirgt sich im Garten und wartet auf ein mit der Altenverabredetes Zeichen. Trickreich überredet die Alte die Prinzessin, die Eunuchen fortzuschicken. Tâdsch el-Mulûk verfolgt das Mädchen mit seien Blicken.

Doch sooft er sie nur sah, wurde er durch den Anblick ihres strahlenden Liebreizes ohnmächtig.

Alte und Dunja kommen an dem Triptychon vorbei, Dunja ändert sofort ihre Meinung zu Männern. So konditioniert erträgt sie auch leicht den Anblick des Tâdsch el-Mulûk, der nun hervortritt und ebenso schnell wieder verschwindet. Die Sehnsucht ist geweckt. Sowohl Prinz als auch Prinzessin versprechen der Alten 1000 Dinare und ein Ehrenkleid, falls die Vereinigung gelingt. Sie hilft Tâdsch el-Mulûk am nächsten Tag, in den Palast zu gelangen, indem er sich als Frau verkleidet und den Gang der Frauen lernt. Doch als sie ihn in die Gemächer der Prinzessin leiten will, stellt sich ihnen der Obereunuch in den Weg.

133. Nacht

Nach einer geraumen Zeit betritt eine Alte mit zwei Sklavinnen den Laden.

Alte Frauen haben bisher in den Erzählungen aus Tausendundein Nächten fast immer nur Unglück gebracht.

Da erblickte sie seine ebenmäßige Gestalt und seiner Schönheit liebliche Gewalt, und vor lauter Erstaunen über sein herrliches Aussehen nässte sie ihre Hose.

Fragt sich nur, um welche Flüssigkeit es sich hier handelt.

Dabei plauderte sie mit ihm und rieb sich zwischen den Schenkeln mit der flachen Hand.

Eine bei Frauen eher seltene Geste in der Öffentlichkeit, wahrscheinlich damals wie heute.

Als sie fort ist, spricht Tâdsch el-Mulûk zu sich selbst:

O Herr, du lässest die Wünsche gewinnen
durch die alten Kupplerinnen.

Und tatsächlich preist die Alte gegenüber der Prinzessin die Vorzüge des „Kaufmannes“. Obwohl Dunja erzürnt ist, gewährt sie ihm doch einen Wunsch, da er

durch sein Kommen unser Land und unsere Hauptstadt geehrt

habe. Und so schreibt Tâdsch el-Mulûk ihr einen Vers-Brief:

Ich schreibe einen Brief für dich, o Ziel meiner Hoffnung
Mit all dem Trennungsschmerze, der sich mir geweiht.
Die erste Zeile erzählt vom Feuer in meinem Herzen,
Die zweite von meiner Liebe und sehnsuchtsvollem Leid.
Die dritte besagt: Mein Leben und meine Geduld ist geschwunden.
Die vierte: All die Qual der Leidenschaft bleibt bestehen.
Die fünfte: Wann wird mein Auge jemals dich erblicken?
Die sechste: Wann ist der Tag, da wir uns vereint sehen?

Ein Flirtberater würde man dem jungen Mann wohl raten, die Sache etwas diplomatischer anzugehen.

Und so ist die Prinzessin nicht nur wegen des Antrages, sondern auch wegen der Tatsache, dass sich da jemand aus dem Volk erdreistet, erbost:

„Bei Allah, wenn ich mich nicht vor dem Allmächtigen fürchtete, ich würde ihn totschlagen und an seinem Laden kreuzigen lassen.“

Die Alte rät der Prinzessin nun, ihm ruhig mit dem Tode zu drohen. Gegenüber Tâdsch el-Mulûk hingegen behauptet sie, die Angelegenheit noch einfädeln zu können.

Diese Alten!

132. Nacht

Die beiden Jünglinge Azîz und Tâdsch el-Mulûk werden vom Wesir ins Badehaus geführt.

und im Badehaus schien es, als habe der Dichter ihnen die Worte geweiht:

Wohl seinem Badediener, wenn dessen Hand berühret
Den Leib, der wie aus Wasser und Licht geschaffen ward!
Ohn Unterlass übt er sein Handwerk fein behutsam,
Dann ist’s, als gewönne er Moschus vom Leibe wie Kampfer so zart.

Gemeinsam mit dem Vorsteher begeben sie sich zurück zum Markt und gehen vor ihm her.

Nun sah er ihre Hüften sich bewegen, und da begann die Leidenschaft sich in ihm immer stärker zu regen; er schnaubte und schnaufte und konnte sich kaum noch beherrschen, er wollte sie mit den Augen verschlingen und begann, diese Verse zu singen:

Das Herz liest das Kapitel alleinigen Besitzes;
Den Abschnitt über die Teilung mit anderen schlägt es nicht auf.
Kein Wunder ist’s, wenn es ob solcher Last erhebet;
Bewegen sich doch am Himmel die Sphären im Lauf.

und ferner sprach er:

Mein Aug erblickte die zwei, die auf die Erde traten –
Die beiden liebt ich auch, wenn sie ins Aug mir träten

Man stelle sich heute einen Marktvorsteher (Börsenvorstand) vor, der solche Lieder singend den Markt betritt.

Als sie solches von ihm hörten, beschworen sie ihn, mit ihnen wieder ins Bad zu gehen.

Dies nun scheint völlig unklar. Sind sie auf einmal selbst nicht abgeneigt, Dunja hin oder her? Oder sind sie für die erotische Komponente der Verse völlig taub?
Außerdem unklar: Azîz ist ja nun kastriert. Ist dies dem Vorsteher entgangen oder ist es gerade das, was ihn anmacht?

Tâdsch el-Mulûk besteht darauf, den Vorsteher selber waschen zu dürfen.

Früher hätte man gesagt: "Ist ja nur ein Märchen."

Man lobt die Vorzüge des Bades. Und nach diesem Tag spricht sich die Schönheit von Tâdsch el-Mulûk in der Stadt herum.

131. Nacht

Der König Schehrimân verliert ob der Weigerung der Prinzessin völlig die Nerven und will schon in den Krieg ziehen, kann aber von seinem Wesir gerade noch abgehalten werden.
Tâdsch el-Mulûk beschließt, sich in Verkleidung zu den Kampferinseln zu begeben, in der Hoffnung, sich so ihr nähern zu können. Azîz (der nun zum dritten Mal die Kampferinseln bereist) und der Wesir begleiten ihn.

Unklar, welche Inseln eigentlich mit den Kampferinseln gemeint sind. Da der Campherbaum seinen Ursprung vor allem in Japan und Taiwan hat, ist zu vermuten, dass eine dieser Inseln gemeint sein könnte.

Zwei Monate ziehen sie dahin, während unser Prinz an Liebeskummer leidet. Dann erreichen sie das Weiße Schloss.

Seltsam allerdings, dass nicht von einer Schifffahrt die Rede ist, sondern von Tälern, Wüsten und Steppen. "Insel" also nur im übertragenen Sinne? Oder liegt ein Übersetzungsfehler vor?

In der Stadt angekommen, ziehen die verkleideten Kaufleute in den Chân, um dann auf dem Markt als Tuchhändler aufzutreten.

Die Kaufleute sehen Tâdsch el-Mulûk und ließen

die Augen auf seiner Schönheit ruhen.

Weitere Anspielung auf ihre Homosexualität?

Der Vorsteher des Basars hilft ihnen bei den Formalitäten und verschafft ihnen Annehmlichkeiten.

Dieser Vorsteher nämlich ward hingerissen von bezaubernden Blicken, und er ließ sich von der Neigung zu Knaben mehr als von den Mädchen berücken; und so gab er sich der Knabenliebe hin. Jetzt sprach er bei sich: "Dies ist ein schönes Wild. Preis ihm, der sie aus verächtlichem Wasser geschaffen und gebildet hat."

Ein Laden wird für die beiden

mitten in der großen Kaufhalle

errichtet.

130. Nacht

Ähnlich wie sein Wesir ihm selbst damals empfiehlt der König nun seinem Sohn Tâdsch el-Mulûk, sich eine Sklavin zu wählen.

"Lieber Vater, ich will niemals eine andere als sie, die Künstlerin der Gazellen, die ich gesehen habe."

Auch dies der Traum des Künstlers, schon allein seiner Werke wegen sexuell verehrt zu werden.

Der Vater hat ein Einsehen:

"Vielleicht wird Allah dir zu deinem Wunsche verhelfen. Wenn aber ihr Vater nicht einwilligt, so werde ich sein Land erschüttern durch ein Heer, dessen Nachhut noch hier bei mir ist, während der Vortrab schon bei ihm steht."

Der Wesir reist wie damals in Begleitung von Azîz zu den Kampferinseln, um um die Hand der Tochter des Königs anzuhalten. Dieser ist durchaus freundlich und nicht abgeneigt, gibt aber zu bedenken,

seine Tochter liebe die Männer nicht

Zum ersten Mal wird hier weibliche Homosexualität nicht nur unterschwellig angedeutet, sondern alsLebensform benannt.

Ein Diener, den man zu Dunja schickt, wird von ihr mit Schlägen und den Worten fortgejagt:

"Wenn mein Vater mich zur Ehe zwingt, so werde ich den töten, mit dem ich vermählt werden soll."

Eine beachtliche Militanz für eine stickende Lesbe.

129. Nacht

Azîz berichtet, dass er einen alten Gärtner bestach, um die schöne Dunja sehen zu können, dass sie zwar schön sei, er ja aber nun aufgrund seiner verlorengegangenen Mannheit mit ihr nichts anfangen könne.
Tâdsch el-Mulûk bestimmt

für Azîz ein eigenes Haus und versorgte ihn mit allem, dessen er Speise und Trank und Kleidung bedurfte.

Grundeinkommen für eine einzige Geschichte, das würde sich so mancher Lesebühnenautor wünschen.

Tâdsch el-Mulûk hingegen ist völlig aus dem Häuschen und verliebt sich schon des Berichtes wegen in die Prinzessin Dunja.

128. Nacht

Azîz erfährt nun, dass die Tochter des Königs der Kampferinseln diese Tücher stickt und dass sich die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" in den Besitz eines der Tücher gebracht hat, um Männer zu behexen.
So reist er zu den Kampferinseln, um sein Unglück zu vergessen und um die Prinzessin Dunja zu besichtigen.

126. Nacht

Die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" will unseren Helden Azîz natürlich nicht ohne Grund schlachten:

"Ich muss an dir eine Spur hinterlassen, zum Schmerze für jene schamlose  Metze, die dich von mir ferngehalten hat."

Die Sklavinnen fesseln ihn, holen eine Pfanne und braten Käse an.
Der Vers der Base kann die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" immerhin noch dazu bewegen, von der Ganzkörperschlachtung Abstand zu nehmen:

Sie band einen Strick um meine Hoden; die Enden des Stricks nahm sie in die Hand, reichte sie zwei Sklavinnen und befahl ihnen, daran zu ziehen. (…) Nun trat sie mit einem scharfen Rasiermesser an mich heran und schnitt mir das Glied ab, so dass ich nunmehr wie ein Weib war.

Azîz kriecht zurück zum Haus seiner Gattin, die als sie entdeckt, dass er entmannt wurde, ihn zur Tür hinauswirft.