336. – 345. Nacht

Ich habe 666 "friends" bei Facebook. Davon blende ich ca. die Hälfte aus. Vom Rest postet ein Drittel so gut wie nie. Vier Personen, die mich nicht kennen, habe ich "abonniert". So entsteht eigentlich eine hübsche personalisierte Tageszeitung. Nur – die Lektüre müsste man beschränken auf einmal pro Tag. Das Suchtpotential ist ja unbestreitbar.
Ab und zu schaue ich mir E-Mails von vor 10 Jahren an. Erstaunlich, wie oft darin "Microsoft" oder "Bill Gates" als das Synonym für das absolut Böse genannt werden. Wer redet heute noch von Microsoft? Facebook, Google und DER STAAT bedrohen unsere Daten, unsere Identität. Was wird uns in 10 Jahren ängstigen?

*

336. Nacht

Die Dicke beginnt ihren Beitrag zum Battle:

"Der Erhabene sprach: Und er brachte ein fettes Kalb. 336 (…)

Sag deinem Lieb Lebwohl! Die Karawane wandert;
Kannst du das Lebewohl ertragen, o du Mann?
Es ist, als sei ihr Gang im Hause ihrer Nachbarn
Der Fetten Gang; ihr haftet kein Fehl, kein Ekel an.

Und die Weisen sagen: Die Lust liegt in drei Dingen, Fleisch essen, auf Fleisch reiten und Fleisch in Fleisch stecken. Doch was dich angeht, du Dünne, so können deine Beine den Spatzenbeinen und den Ofenstochern gleich erscheinen; du bist ein kreuzförmiges Brett, ein Stück schlechten Fleisches ohne Fett."

Die Dünne rezitiert:

"Ich habe deinen Wuchs mit einem Rohr verglichen;
Ich habe mir dein Bild zum Stern des Glücks gemacht.
In heißer Leidenschaft bin ich dir nachgegangen
Voll Furcht, dass über dir ein böser Späher wacht.

Aber du da, du Fettwanst, wenn du issest, so frisst du nach Elefantenweise. (…) Lässest du Wasser, so spritzest du; lässest du Kot, so birst du, als wärst du ein Schlauch. (…)

So schwer wie die geschwollene Blase ist sie gar;
Zwei aufgetürmten Bergen gleicht ihrer Lenden Paar.
Schleppt sie im Land des Westens sich hin mit ihrem Schritt,
So bebt durch ihre Schwere sogleich der Osten mit."

*

337. Nacht

Die Gelbe:

"Ihr leuchtend Gelb ist wie der Sonne Strahlenschein;
und sie entzückt das Auge wie Golddinare fein.
Der gelbe Safran auch kann ihrem Glanz nicht gleichen.
Ja, selbst der Mond muss ihrer Schönheit weichen."

Die Schwarze rezitiert einen Dichter:

"Wer bringt mir eine Braune von vielbesungnem Wuchse,
Der braunen, schlanken Speere vom Samhar-Rohre gleicht,
it sehnsuchtsvollen Lidern und seidenweichem Flaume,
Die aus dem wunden Herzen des Liebsten nie entweicht?"

*

338. Nacht

Der Herr der Sklavinnen versöhnt sie wieder miteinander und beschenkt sie mit Gewändern und Juwelen.

Gibt es derartige Versöhnungsrituale auch bei Rap-Battles?

Als El-Mamûn diese Geschichte hört, begehrt er sofort diese Frauen und will sie ihrem Herrn abkaufen. Dieser willigt, als man ihm die Nachricht überbringt, tatsächlich ein. Doch nach einigen Wochen, in denen sich der Kalif mit den sechs Grazien vergnügt, reut es ihn und er schickt dem Kalifen ein Lied, der ihm die Sklavinnen zurückschickt und sechzigtausend Dinare obendrauf legt.

Fragen wir nicht, wie es den Sklavinnen bei solchem Hin und Her erging.

***

Die Geschichte von Harûn er-Raschîd, der Sklavin und Abû Nuwâs

Den Kalifen Harûn er-Raschîd plagt wieder einmal die Schlaflosigkeit und er wandelt durch seinen Palast, bis er an ein Gemach kommt, in dessen hinterem Ende er eine schwarze menschliche Gestalt entdeckt. Neben ihr einen Becher Wein.

Als der Beherrscher der Gläubigen das bemerkte, erstaunte er noch mehr in seiner Seele, und er sprach: "Gehört sich dergleichen für einen Schwarzen wie den da?"

Natürlich ist der Verstoß gegen das islamische Saufverbot Weißen wie dem Kalifen vorbehalten.

Drauf trat er näher an das Lager heran und sah, dass die Gestalt auf ihm eine schlafende Sklavin war, die ganz von der Fülle ihrer Haare bedeckt wurde.

Er küsst sie wach, und sie spielt auf einer Laute

einundzwanzig Weisen. Zuletzt kehrte sie zu der ersten Weise zurück.

*

339. Nacht

Die Sklavin berichtet, darunter zu leiden, dass sie, nachdem sie vom Sohn des Kalifen für zehntausend Dirhem gekauft worden war, dessen Ehefrau dafür sorgte, dass sie von seinen Gemächern ferngehalten würde. Der Kalif gewährt ihr eine Bitte:

"Ich erbitte mir von dir die Gnade, dass du morgen nacht bei mir verweilst."
"So Gott will."

Wie sah und sieht man eigentlich diese extreme Polygamie bei muslimischen Herrschern, wo doch der Koran von maximal vier Frauen spricht?

Am nächsten Morgen ruft Harûn seinen Dichter und Begleiter Abu Nuwâs zu sich, der aber in einer Schenke festgehalten wird, wo er tausend Dirhems für

einen schönen Knaben

ausgegeben hat. Der Kammerdiener, nachdem er die Schönheit des (Lust?)Knaben bei einer Art Striptease, der der Brautentschleierung nachempfunden wird 339, selber zuschauen konnte, zahlt die tausend Dirhem aus des Kalifen Kasse. Beide kehren zu diesem zurück, und dieser fordert vom Dichter:

"Sing mir ein Lied, in dem die Worte vorkommen: O Getreuer Gottes, was mag das sein?"

"Das klingt nach einem Lied" nennen wir das Impro-Spiel.

*

340. Nacht

Abu Nuwâs trägt dem Wunsch des Kalifen gemäß ein Lied vor, beschreibt darin jedoch genau dessen Erlebnis mit der schwarzhaarigen Sklavin in der letzten Nacht.

Da rief der Kalif: "Allah strafe dich! Es ist ja, als ob du bei uns gewesen wärest!"

Er führt ihn zur Sklavin und macht ihn dort betrunken,

bis er seiner Sinne nicht mehr Herr war (…) Nun befahl der Kalif der Sklavin, den Becher aus seiner Hand zu verstecken; sie nahm ihm den Becher ab und verbarg ihn zwischen ihren Lenden. Darauf aber zückte der Kalif das Schwert, stellte sich zu Häupten des Dichters auf und stach ihn mit der Schwertspitze (…): "Trage mir ein Lied vor und sage mir darin, wo dein Becher ist, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen."

Eigentlich hat Abu Nuwâs keine Chance; denn da er diese Körperstelle nicht benennen darf ist er so oder so des Todes.

Was ich sage, das ist seltsam;
Die Gazelle war der Dieb!
Sie stahl meines Weines Becher,
Als aus ihm ein Zug mir blieb.
Sie verbarg ihn an dem Orte,
Der das Herze mir betört.
Ihn nenn ich aus Furcht nicht, weil er
Dem Kalifen angehört.

Verärgert und verwundert beschenkt Harûn seinen Dichter mit tausend Dinaren, und damit endet diese "Geschichte".

***

Die Geschichte von dem Manne, der die Goldene Schüssel stahl, aus der er mit dem Hunde gegessen hatte

Ein Mann gerät in tiefe Armut und verlässt Frau und Kind. In einer fremden Stadt folgt er einer Schar vornehmer Leute zu einem Palast, dessen Herr umringt wird von Dienern und Eunuchen,

als ob er einer von den Söhnen der Wesire wäre.

Eine interessante Form der Prachtbeschreibung: Es ist weder der Herrscher noch der Wesir, aber immerhin ein Wesirsohn. Oder sollten Wesirsöhne bekannt für ihre Prunksucht gewesen sein?

*

341. Nacht

Schließlich taucht ein vornehmer Mann mit vier Hunden an diesem Hof auf, die er aus goldenen Schüsseln fressen lässt. Der Arme kann sich vor Hunger kaum zurückhalten, aber es überwiegt die Furcht vor den Hunden.

Doch plötzlich sah einer der Hunde ihn an, und da Allah dem Tiere Kenntnis von dem Zustande des Armen verliehen hatte,

Der Arme isst von der Schüssel, und als er fertig ist, schiebt ihm der Hund die Schüssel zu. Der Alte nimmt sie mit, verkauft sie in der Stadt und aus dem Erlös treibt er Handel, so dass sich sein Wohlstand vermehrt. Eines Tages sagt er sich:

"Ich muss nun zu jener Stadt reisen, dorthin, wo der Besitzer der Schüssel wohnt; ich will ihm ein schönes und geziemendes Geschenk bringen und ihm den Preis der Schüssel bezahlen, die mir einer seiner Hunde geschenkt hat."

Doch er muss sehen, dass die Stätte inzwischen in Trümmern liegt.

Wie er sich umwandte, sah er einen armen Mann in einem Zustande, der die Haut erschauern machte und dem selbst der härteste Felsen Mitleid entgegenbrachte.

Es stellt sich heraus, dass dies der ehemalige Besitzer des Palastes ist. Der Händler bietet ihm nun Geld im Werte der Schüssel an.

Aber der Alte schüttelte den Kopf, weinte und klagte, seufzte und sagte: "Du da, ich glaube, du bist von Sinnen! So etwas tut ein verständiger Mann nicht. Wie wäre es möglich, dass ich eine goldene Schale, die einer unserer Hunde dir geschenkt hätte, wieder an mich nähme! (…) Wäre ich auch von grimmiger Not und Sorge beschwert, bei Allah, ich nähme nichts an von dir, und hätte es auch nur eines Nagelspans Wert!"

Der Händler kehrt um und rezitiert:

Nun sind sie alle fort, die Menschen und die Hunde;
Drum ruhe auf den Menschen und den Hunden Friede!

Die Moral der Geschichte etwas undurchsichtig, da sie beide Verhaltensweisen als sittlich gelten lässt.

 

***

Die Geschichte von dem Schelm in Alexandrien und dem Wachthauptmann

In Alexandrien lebt ein Wachthauptmann namens Husâm ed-Dîn.

Der Name taucht in der Geschichte nie wieder auf und ist auch wegen des Anekdotencharakters beinahe irrelevant. Dagegen hätte man es in der vorigen Geschichte schon gern ein wenig konkreter gehabt.

Zu diesem Hauptmann kommt eines Nachts ein Krieger der behauptet, ihm seien tausend Goldstücke im Chân Soundso geraubt worden.

Jetzt geht es wieder mit den Soundsos los. Das Schema, wann etwas konkret benannt und wann im Vagen gelassen, bleibt unklar.

Der Hauptmann befiehlt, alle Bewohner des Châns festzunehmen und Folterwerkzeuge zu bringen, um den Täter zu identifizieren.

So grausam es sein mag – die Folter könnte bei Diebstählen tatsächlich als  Mittel zur Wahrheitsfindung gedient haben: Nur der Täter hat die Möglichkeit, den Ausweg aus der Tortur zu finden, indem er gesteht. (Freilich in der Regel um den Preis einer Hand)

*

342. Nacht

Doch es drängelt sich jemand durch die Menschenmenge, der gesteht, den Beutel gestohlen zu haben und ihn vor dem Krieger und dem Hauptmann ablegt. Die Menge preist ihn daraufhin, und der Schelm sagt, das sei noch gar nichts, er werde den Geldbeutel ein zweites Mal stehlen. Er berichtet lang und breit, wie er den Krieger seit Tagen verfolgt habe und nun nachts zugeschlagen habe. Plastisch erzählt er schließlich:

"Alsbald schlich ich ganz leise zu ihm, schnitt die Satteltasche mit dem Messer auf und nahm den Beutel an mich." Mit diesen Worten streckte er seine Hand aus und nahm den Beutel vor den Augen des Hauptmanns und des Kriegers. Da traten die beiden und all das andere Volk zurück, um ihm zuzuschauen; denn sie glaubten, er wolle ihnen zeigen, wie er den Beutel aus den Satteltaschen genommen hätte. Er aber lief auf und davon und warf sich in einen Teich.

Es folgt eine erfolglose Jagd auf den Dieb.

All das geschah mit Wissen Allahs des Erhabenen.

Wir sind anscheinend mitten in einer Serie von Geld-Anekdoten

***

Die Geschichte von El-Malik en-Nâsir und den drei Wachthauptleuten

Eines Tages ließ Sultan El-Malik en-Nâsir die drei Wachthauptleute von Kairo, Bulak und Alt-Kairo zu sich kommen.

Es könnte Saladin sein, aber auch El-Malik en-Nâsir Muhammad. Den Zusatz haben sich wohl einige gegeben.

"Ich wünsche, dass ein jeder von euch mir das Merkwürdigste berichtet, das er während der Zeit seiner Amtsführung erlebt hat."

*

343. Nacht

Die Geschichte des Wachthauptmannes von Kairo

Der Wachthauptmann von Kairo berichtet, er habe lange Zeit versucht, zwei Männer wegen Dirnenliebe, Weingenuss und Zuchtlosigkeit vor Gericht zu stellen, die aber

in allen Fällen von Blutschuld und Leibesverletzungen als rechtsgültige Zeugen auftraten.

Eines Nachts erfährt er von einem Mann:

"Herr, wisse, die beiden ehrenwerten Zeugen sind jetzt an dem und dem Orte in der und der Straße im Haus des Soundso, und sie treiben große Greuel."

Der Wachthauptmann macht sich auf den Weg und wird von den beiden offenherzig empfangen. Sie bieten ihm an, sie sofort zu strafen oder dreihundert Dinar anzunehmen.

Ich sagte mir nun: "Nimm dies Gold von ihnen und beschütze sie noch dies eine Mal; wenn du sie aber das nächste Mal in die Gewalt bekommst, dann zieh sie zur Rechenschaft."

Das Unheil lässt nicht lange auf sich warten. Der Besitzer des Bordells verklagt den Wachthauptmann vor dem Kadi, zeigt einen Schuldschein über dreihundert Dinar vor und bringt die beiden Hurenböcke als Zeugen vor.

Das Zeugnis der beiden wurde vom Kadi als gültig angesehen. (…) Und ich ging tief beschämt von dannen.

*

Die Geschichte des Wachthauptmannes von Bulak

Dieser Wachthauptmann berichtet, einmal dreihunderttausend Dinare Schulden gehabt zu haben.

So verkaufte ich alles, was hinter mir, vor mir und in meiner Hand war.

Das wird wohl heißen: Sein Erspartes, seine Forderungen und sein Bar-Vermögen.

*

344. Nacht

Eines Nachts klopft es an seiner Tür, und es ist eine Diebesbande,

halbnackt und mit Fell bekleidet

die sich als edel erweist, ihm ihre Beute aus Gold und Silber zu überlassen. Er dankt es ihnen und lässt sie mit seinen letzten hunderttausend Dinaren ziehen.

Beachtlich: Die cartooneske Darstellung der Diebe mit Fell. Vielleicht als Klischee damals verbreitet wie die maskierten Räuber bei Micky Maus.

Am nächsten Morgen stellt er freilich fest, dass er mit vergoldetem Kupfer hereingelegt worden war.

*

Die Geschichte des Wachthauptmannes von Alt-Kairo

Einst ließ ich zehn Diebe hängen, jeden an einen besonderen Galgen, und ich schärfte den Wächtern ein, gut auf sie achtzugeben.

Am nächsten Morgen sieht der Hauptmann, dass nun an einem Galgen zwei Männer hängen. Die Wächter gestehen, geschlafen zu haben, und einer der Gehängten soll gestohlen worden sein. Und so ergriffen sie einen zufällig des Wegs kommenden Bauern, den sie, aus Furcht, bestraft zu werden, aufhängten, bloß damit die Zahl der Gehängten stimme. Der Wachthauptmann befiehlt, den Reisesack des Bauern zu öffnen.

Und siehe da, in ihm befand sich die zerstückelte Leiche eines Mannes! Wie ich das nun sah, sprach ich verwundert zu mir selber: "Preis sei Allah! Dieser Bauer ist doch nur deshalb gehängt, weil er den Mord da begangen hat! Und dein Herr ist nicht ungerecht gegen seine Diener."

Die Schuld wird externalisiert. Das formalisierte Rechtsverständnis, wonach die Wächter sich schuldig gemacht haben, wird aufgehoben zugunsten eines magisch-religiösen: Allah wird’s schon richten.

 

***

Die Geschichte vom Geldwechsler und dem Dieb

Eine Bande von Dieben beobachtet einen Geldwechsler mit dickem Geldbeutel, und einer von ihnen wettet, den Beutel stehlen zu können. Sie folgen ihm bis zu seinem Haus, wo er den Beutel auf dem Sims ablegt.

Rasch drang der Dieb hinein, ergriff den Beutel, eilte zu seinen Kumpanen zurück und erzählte ihnen, was geschehen war.

*

345. Nacht

Er kann sich seiner Tat noch nicht recht rühmen, denn seine Kumpane wenden ein, dass nun die Sklavin, die dem Geldwechsler Wasser holen sollte, statt des Diebes bestraft würde.

"Ja wenn du ein echter Schelm bist, so musst du die Sklavin vor Prügel und Strafe bewahren."

Ein interessantes Feld: Die Ehre der Verbrecher. Ein Dieb ist ja per se jemand, dem man nicht vertrauen kann. Und dennoch bildet sich anscheinend in jeder dauerhaften Verbrechergemeinschaft auch eine Art Kodex, so wie wir es auch hier beobachten: Bestiehl ruhig den Reichen, aber lass nicht jemand anderen dafür büßen.

Der Dieb kehrt zurück zum Haus des Geldwechslers, der gerade sich anschickt, die Sklavin zu verprügeln, und gibt ihm den Geldbeutel zurück mit den Worten, der Herr habe den Beutel auf dem Basar liegengelassen.

"Ich bin der Diener deines Nachbarn in der Basarhalle."

Als sich der Geldwechsler wieder abwendet, um dem scheinbaren Diener eine Quittung für dessen Herrn auszustellen, stiehlt der Schelm das Geld zum zweiten Mal.

Und die Sklavin war vor der Strafe bewahrt.

***

Die Geschichte vom Wachthauptmanne von Kûs und dem Gauner

Zum Wachthauptmann von Kûs in Ägypten kommt ein Mann, der sich als Straßenräuber zu erkennen gibt.

"Ich will jetzt von meinem Tun ablassen und unter deiner Führung zu Allah dem Erhabenen zurückkehren."

In der Truhe befinden sich Gegenstände im Wert von vierzigtausend Dinaren. Er erbittet tausend in bar,

"damit ich durch sie ein Kapital gewinne, das mir dazu verhilft, mich zu bessern, und es mir möglich macht, von dem bösen Tun abzulassen."

Der Hauptmann willigt ein angesichts der

Juwelen, Edelmetalle, Siegelsteine und Perlen.

269. Nacht – Strickkleider und Schnarch-Lacher

(12.4.07)

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Strickkleider und Schnarch-Lacher

Angeblich sind die Zwischenansagen des Kapitäns und der Stewardessen auch auf Deutsch. Erkennen kann man es nicht, der Tonfall und der Klang sind dieselben.
Als wir in Moskau ankommen, jammert Jochen, er habe im Flugzeug nicht schlafen können. Somit ist Jochen Schmidt der einzige Mensch, den ich kenne, der auch im Wachsein schnarcht, von ein paar Schnarchlachern abgesehen, deren Vorkommen in meiner unmittelbaren Umgebung in den letzten Monaten zugenommen hat. Ein Schnarchlacher ist ein Mensch, dessen Lachen zwar einigermaßen verhalten klingt, der dann aber beim Luftholen kräftig grunzt. Haben die dafür zuständigen Ärzte den Grund für dieses Phänomen schon mal untersucht? Ich glaube nicht.
Passkontrolle. Jochen wird angeschnauzt, weil er unverschämterweise kein Einreiseformular ausgefüllt hat. „Ot kuda?“, fragt er und will wahrscheinlich wissen, woher man diese Papiere bekommt, ich vermute aufgrund der barschen Reaktion der Flughafenaufpasserin einen Vokabelfehler. Willkommen in Russland.
In der Nähe des Flughafencafés, von dem wir abgeholt werden sollen, legen wir uns auf die Wartebänke zwischen die jemand Videosäulen gebaut hat, auf denen ein Drei-Minuten-Video des World Wildlife Funds läuft. Ein Jaguar und ein Hirsch. Der Hirsch, dann wieder der Jaguar. Der Jaguar im Schnee, der Hirsch im Schnee. Der Hirsch bei Nacht, der Jaguar bei Nacht. Wie in einem Liebesfilm fragt man sich: Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht? Oder anders gefragt: Unter welchen Umständen kriegen sie sich? Aber der Zuschauer wird enttäuscht. Wie in einer Liebeskomödie aus den 50er Jahren sieht man das Paar erst am Morgen danach. Der Jaguar kaut schon etwas übersättigt an den Hirschresten. Hab ich etwas verpasst? Ich habe in den nächsten 5 Stunden genug Gelegenheit, meine Filmanalyse zu verifizieren, denn der dreiminütige Jaguar-Hirsch-Clip läuft hier als Endlos-Schleife.
Unsere deutsche Begleiterin Dana, die man uns für die nächsten Tage als Beschützerin zugeordnet hat, können wir gar nicht erkennen, so russisch ist sie gekleidet. Aber das ist ein Schicksal, das anscheinend jedem widerfährt, der länger als ein halbes Jahr hier lebt. In der Schule konnte man früher auch die Russischlehrerinnen, die ein Jahr lang in Moskau studiert hatten, an ihrer Vorliebe für unvorteilhafte Strickkleider, altmodische Tropfenformbrillen, unzweckmäßige Plastegürtel und eigenwilliges Naschwerk identifizieren.
Der Binnenflughafen Scheremetjewo 1, zu dem uns Dana lotst, wirkt, als hätten ihn russische Leibeigene vor der Erfindung der zivilen Luftfahrt erbaut. Die slawische Rustikalität des Gebäudes und der hier angebotenen Nahrung kontrastiert auf beeindruckende Weise mit der distinguierten Preisgestaltung der Cafeteria.
Ein gleichzeitig geschäftsmännisch aber auch polit-mafiös wirkender Bartträger, den ich instinktiv-rassistisch als Armenier einordne, setzt sich, drei Russen nehmen neben ihm Platz, und ein Sonnenbrillenträger baut sich ostentativ als Personenschützer am Eingang des Cafés auf. Die drei Russen sind die Idealtypen des russischen Mannes:
1. der fette Alkoholiker-Macho á la Jelzin
2. der fetthaarige Funktionär á la Karpow
3. der Bodybuilder á la Iwan die Kampfmaschine in Rocky IV
Um ein Binnenflugzeug in Russland zu besteigen, muss man sich beim Sicherheits-Check fast bis auf den Leoparden-Schlüpper ausziehen. Ich vermute, dass sie nur von ihrer mangelhaften Durchleuchte-Technik ablenken wollen. Wenn man kein Messer mitnehmen darf, warum gibt es dann in der Ersten Klasse Stahlbesteck und Glasflaschen?
Die Sitzreihen sind diesmal so eng, dass sogar Jochen Probleme hat. Falls sich mein Vordermann anlehnt, werde ich mir die Kniescheiben brechen. Jochen hat den Gangsitz, aber sobald er seine Beine etwas rausschiebt, pfeifen ihn die Stewardessen zusammen. Müssen die eigentlich auch einen Freundlichkeitskurs belegen. Der Umstand, dass sie auf diesem Flug nur sachlich und nicht mürrisch sind, scheint das zu belegen.
Ankunft Jekaterinburg. Die übliche Hektik bei der Landung. Diesmal ist das Flugzeug gerade erst einmal aufgedetscht und noch nicht mit dem Bremsen fertig, als schon einige Eifrige aufstehen. Es nutzt ihnen nichts. Beim Warten aufs Gepäck sehen wir uns alle wieder. Eine Gruppe Kaukasier hat Pech gehabt. Das Gepäck ist auf dem Rollfeld vom Laster gefallen, aber jetzt ist leider Mittagspause in Jekaterinburg, da könne man nichts machen. Kaukasier sind in Russland eben nur Kaukasier und stehen in der sozialen Hierarchie irgendwo zwischen Dieb und Hund. Und so müssen die Kaukasier bis zum nächsten Flug warten und der kommt in fünf Stunden.

Als genuesische König erwacht,

sah er Alâ ed-Dîn und seine eigene Tochter auf seiner Brust sitzen,

die ihn auch noch mit Waffengewalt überreden wollen, zum Islam zu konvertieren.

So könnte im Jahre 2008 ein Horrorfilm beginnen: Ein Staatsoberhaupt wacht auf, und auf seiner Brust sitzt seine plötzlich zum Islam konvertierte Tochter, begleitet von einem grimmigen Moslem.

Da zückte Alâ ed-Dîn den Dolch und durchschnitt ihm die Kehle von Ader zu Ader. Dann schrieb er auf ein Blatt, was sich zu getragen hatte, und legte es ihm auf die Stirn.

Die Prinzessin ist in der Lage, den Zauberstein zu bedienen, den sie reibt. Es erscheint ein Ruhelager, mit dem sie sich in die Lüfte erheben und fliehen. Der Stein versetzt sie außerdem in die Lage,

  • in einem öden Tal Bäume wachsen und einen Fluss fließen zu lassen, an dem sie die religiöse Waschung vollziehen können

  • einen Tisch mit Speisen erscheinen zu lassen

  • einen Ritter erscheinen zu lassen, der die Truppen bekämpft, die der Bruder der Prinzessin ihnen hinterhergeschickt hat

vgl. Tischlein-deck-dich bei Grimms, wo der Reiter seine Entsprechung im Knüppel-aus-dem-Sack hat

Man reist weiter nach Alexandrien, wo sie Ahmed ed-Danaf treffen. Mit dem fliegenden Ruhelager reisen sie über den Umweg Kairo, wo Alâ ed-Din seinen Vater wiedertrifft, nach Bagdad, wo er seinen nun zwanzigjährigen Sohn Aslân zum ersten Mal sieht. Der Kalif führt den Erzdieb Ahmed Kamâkim vor.

Sofort zog Alâ ed-Dîn sein Schwert und schlug ihm den Kopf ab.

Der Kalif lässt den Ehevertrag für Alâ ed-Dîn und die genuesische Prinzessin Husn Marjam schreiben.

Als er dann zu ihr einging, fand er, dass sie eine undurchbohrte Perle war.

Aslân wird zum Hauptmann der sechzig ernannt.

Hier endet die Geschichte, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass am Ende Zauberstein und Dämonen quasi hervorgezaubert wurden, um die Handlungsstränge zusammenzuknoten. Die Idee von einer erzählenswerten Geschichte ist hier völlig anders – es geht viel mehr ums Erzählen selbst, die Geschichte von Alâ ed-Dîn ist die einer seltsamen Biografie, weniger die von einer seltsamen Begebenheit.

Ende

Die 269. Nacht wird zwar fortgesetzt, ist aber außergewöhnlich lang, da Galland hier die (wahrscheinlich von ihm selbst erfundene) Geschichte von Alâ ed-Dîn und der Wunderlampe eingefügt hat.… Weiterlesen

268. Nacht – Eigenwilliges Naschwerk und Leopardenschlüpper für österreichische Experimental-Oboistinnen

Helge Schneider: "Ich bin kein Kirchist."

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Im April 2007 durfte ich mit Jochen Schmidt nach Sibirien reisen. Den Bericht darüber habe ich bisher bei der Chaussee der Enthusiasten vorgelesen, aber sonst noch nicht veröffentlicht. Es ist an der Zeit.

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Eigenwilliges Naschwerk und Leopardenschlüpper für österreichische Experimental-Oboistinnen

 

Man hatte die Hoffnung ja schon längst aufgegeben, dass sich ein Goethe-Institut-Knecht finden würde, der die Chaussee der Enthusiasten auf eine Lese-Tour nach Russland einladen würde. Dabei lag es ja auf der Hand: Kurze, leicht übersetzbare, aber anspruchsvolle Geschichten, vorgetragen von anmutigen Autoren, die aus ihrem Russland-Faible nie einen Hehl gemacht hatten, sondern ihn wie einen Pionierwimpel vor sich hertrugen. Was hatte ich nicht alles getan: Ich hatte dem Institut ein Chaussee-der-Enthusiasten-Buch und einen ganzen Stapel unserer Hefte geschickt, auf unsere erfolgreichen Auftritte in Amsterdam und Lille verwiesen, meine Scham überwunden und schlechten Gewissens eine von mir einmal verlassene Freundin wieder angerufen, von der ich wusste, dass sie jemanden kannte, der jemanden kannte, der im russischen Goethe-Institut arbeitete, wir hatten uns sogar nach einer Moskauer Straße benannt. Stattdessen setzte man in Moskau lieber darauf, Dichterinnen, die vor 10 Jahren mal bei einem Provinz-Poetry-Slam den dritten Platz belegt hatten, oder gar österreichische Experimental-Oboistinnen wieder und wieder ins Russenreich zu karren, weil das ja die anderen Goethe-Institute auch so praktizierten. Und so kam die E-Mail mit der Einladung nach Sibirien etwas unerwartet. Sie hatten den Zeitpunkt gut abgepasst. Ich war knapp unter Vierzig, und so konnten sie mich noch unter der Kategorie „Junger Schriftsteller“ ankündigen, aber dieses Etikett gilt in Deutschland vielleicht für jeden, bei dem man sich noch keine Gedanken machen muss, mit welchen Vorrichtungen man den Rollstuhl auf die Bühne gehievt kriegt.
Ich arbeitete an einer Übersetzung, trat viermal pro Woche auf, unterrichtete 2 Improvisationsheaterklassen, ermunterte meine an Frühschwangerschaftskotzerei leidende Schwester, und vertröstete meine Gefährtin Woche für Woche, Regale, Lampen, Lichtschalter, Vorhänge und Bilderrahmen anzubringen, die seit unserem Einzug vor 3 Monaten immer noch vorwurfsvoll im Korridor standen. Kein günstiger Zeitpunkt, um sich nach Sibirien zu verpissen. Aber Russland war ein Magnet für mich, es zog mich an und stieß mich ab. Ich hatte mich Anfang der 90er mit jungen Moskauer Punkbands befreundet, wir waren viermal auf die Krim gereist, ich hatte 1991 den Putsch gegen Gorbatschow live vom Fenster eines Freundes miterleben dürfen, und ebenso die Beschießung des Parlaments zwei Jahre später, ich hatte eine russische Patentochter, die ich fast nie sah, meine Mutter war in russischer Kriegsgefangenschaft entstanden, ich liebte russische Musik und das raue russische Essen, und ich verabscheute die „russische Seele“, die die russischen Rohlinge immer dann aus dem Sack ließen, wenn sie ihre Grobheit in Wodka ertränkt hatten, dann aber nicht etwa zärtlich wurden, sondern schlicht zur allergröbsten Grobheit nicht mehr in der Lage waren. Kurz gesagt: Ich musste nach Sibirien.
***
Als ich in der Abreisenacht rucksackbeladen und wegen eines Auftritts leicht verspätet, um 23.30 Uhr vom Bahnhof Treptower Park meinen Reise- und Lesebegleiter Jochen Schmidt auf dem Handy anrufe, damit er die Damen auf dem Flughafen davon abhalten möge, das Check In zu früh zu beenden, ich würde mich schon beeilen, wundere ich mich über die fehlenden Flughafen-Hall-Geräusche am anderen Ende der Leitung. Schmidt ist noch nicht einmal aus seiner Wohnung gegangen, und so bleibt es mir überlassen, die Damen auf dem Flughafen zur Verlängerung des Check In zu Jochens Gunsten überreden.
Wir sind die letzten Passagiere, bei der Sicherheits-Überprüfung nimmt man uns schon nicht mehr ernst und schäkert untereinander, nicht wissend, dass aufmerksame Schriftstellerohren die Metalldetektorpforte durchqueren. Der Dialog in diesem Setting zwischen der einen Politesse an der Durchleuchtmaschine und der anderen mit der ulkigen Detektorlupe könnte der Beginn eines Tarantino-Films sein:
„Wat willste denn da nach Thailand extra nô Hemden mitnehmen?“
„Na, een T-Shirt dô wenigstens!“
„Nö, da loofen wa dô alle nackee rum! Ne Zahnbürschte und ’n Leoparden-Schlüppa, dit muss reichen.“
„’n Leoparden-Schlüppa? Du hast ’n Leoparden-Schlüppa! Ick fasset nich!“
Wir müssen weiter, dürfen nicht mehr mitlauschen, aber im Geiste drehe ich den Film weiter: Nach uns letzten beiden Passagieren kommt noch der Sky-Marshall angehetzt, bei dem (wie immer) der Alarm piept. Er lässt (wie immer) einen flotten Spruch fallen, man kichert. Im Flugzeug stellt er sich heraus, dass der Sky-Marhall selber ein Entführer ist. Cut! Zeitsprung. Er wurde von seinem sadistischen SM-Partner dazu gezwungen. Cut! Der Pilot vertuscht seit Jahren seine starke Sehbehinderung, aber er hängt an dem Job wegen der nymphomanischen Stewardessen. Als der kriminelle Sky-Marshal droht, dem Piloten die Augen auszustechen, lacht der nur, da das für ihn ja keinen Unterschied mehr macht. Das Flugzeug landet nun immer wieder auf verschiedenen Flughäfen in aller Welt, kein Land fühlt sich zuständig, und kein Innenminister nirgends will die Befreiung der Geiseln unternehmen, da das Risiko zu klein ist, und man sich somit keine Lorbeeren als harter Bulle verdienen kann. Inzwischen ist der sadistische Partner des Sky-Marshalls in Thailand angekommen, wo er sich zu seiner eigenen Überraschung, nicht mit einer Thai-Prostituierten, sondern einer deutschen Touristin vergnügt, in die er sich verliebt hat. Sie belustigen sich im Swimmingpool des Hotels, doch als er sie dort für seine Sado-Spielchen ausnutzen will, wehrt sie sich. Am nächsten Morgen findet das Personal seine Leiche auf dem Grund des Swimmingpools. Sie stellen fest, dass er mit einem Leoparden-Schlüppa erwürgt wurde.
***
Wir heben ab, Jochen setzt sich seine Schlafmaske auf und klemmt sich Ohropax in die beiden dafür vorgesehenen Körperöffnungen. Mit diesen Utensilien, die für ihn so wichtig sind wie für Asthmatiker ihr Spray, eliminiert er zwei wichtige Wahrnehmungsformen, und glaubt irrigerweise, ihre Benutzung garantierten ihm Schlaf.
Um drei Uhr nachts wird das Frühstück serviert. Und während ich wieder einmal meine Knie abwechselnd in den Gang, in Jochens Magengrube und gegen die Rückenlehne meines Vordermanns platziere, frage ich mich, ob diese Nahrungsersatzverabreichung auf kurzen Flügen nicht lediglich dazu dient, die Fahrgäste bei Laune zu halten, da sie sich sonst wie Kinder benehmen: Ich muss mal, ich will was zu trinken, mir ist warm, ich muss mal, wann sind wir endlich da, nein der da hat angefangen, wieso darf ich mir denn keine Mütze aus dem Security-Prospekt basteln?
 

***

Die Prinzessin spricht zu einer Begleiterin

"Du hast mich aufgeheitert, Zubaida!"

Und so erkennt Alâ ed-Dîn, dass diese Zubaida seine Gattin ist, die doch eigentlich tot sein müsste.
Die Prinzessin fährt fort, Zubaida zu trösten, Alâ ed-Dîn sei

in dieser Kammer dort und hört, was wir reden."

Sie rennen auf einander zu und sinken ohnmächtig zu Boden. Es stellt sich heraus, dass eine im Dienst der Prinzessin stehende Dämonin in den Körper von Zubaida gefahren war und Zubaida auf diese Weise zur Prinzessin gelangte.

Deus ex machina.

Dieser Prinzessin war durch ihre Großmutter geweissagt worden, sie würde eines Tages Alâ ed-Dîn heiraten.
Alâ ed-Dîn geht auf das Angebot ein, vorausgesetzt, sie ist Muslimin. Das ist sie tatsächlich, denn sie

las die vier Bücher, die Tora, das Evangelium, die Psalmen und den Koran.

Das hat sie bekehrt. Zubaida nimmt das neuerliche Eheversprechen ihres Gatten klaglos hin.
Außerdem klärt ihn die Prinzessin über die Vorgänge in Bagdad seit seiner Abreise auf. Den fünfeckigen Zauberstein habe sie übrigens von ihrer Großmutter, und sie hatte ihn Alâ ed-Dîn zukommen lassen Der Kapitän war einer ihrer Verehrer, den sie losschickte, um Alâ ed-Dîn nach Genua zu holen. Ihr Vater wiederum hat eine große Angst vor Alexandriern, die er alle hinrichten lässt, da ihm durch seine Mutter geweissagt wurde, er würde durch einen Mann aus Alexandrien getötet.

Man ahnt schon, wer ihres Vaters Mörder sein wird.

Am Abend betäuben sie den König mit Wein und Bendsch, fesseln ihn und geben ihm

das Gegenmittel gegen Bendsch.

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267. Nacht – Angeostetwerden und Karl der Dicke

Text der Woche:

Wie ich mal vom ewigen Angeostetwerden die Nase voll hatte

Mal wieder auf den Fernsehturm gehen müsste man. Warum lässt man sich als Berliner den Aufenthalt in den hier doch in üppiger Zahl verteilten annehmbaren Sehenswürdigkeiten vermiesen durch die Gegenwart Bekannter dritten Grades, die meistens über eine Nervigkeitswucht ersten Grades verfügen? Ich war noch nie ohne Begleitung von Touristen oder Berlin-Neulingen am Brandenburger Tor oder auf eben auf dem Fernsehturm. Ich besitze gar keinen Fernseher mehr. Bekommt von dem Fernsehturm-Eintrittsgeld das Fernsehen womöglich etwas ab? Dann spare ich mir den schönen Ausblick. Nicht dass ich auch noch schuld bin an dem Dreck, der da produziert wird. Hinterher will wieder keiner etwas gewusst haben. Wenn mich dereinst meine Enkel fragen: Großvater, was hast du damals getan, gegen den TV-Wahn, dann werde ich mich outen müssen, auf dem Fernsehturm gewesen zu sein. Und mehr noch – dass ich selber ein Kulturschaffender gewesen bin, der diesen ganzen Wahnsinn mit am Laufen gehalten hat. Die Kulturindustrie wurde von den Herrschenden geschaffen, um am Abend das erstarrte Grinsen der Verkäuferinnen aufzulockern. Hoppla, da habe ich mich wohl ein bisschen veradornoisiert. Horkheimer, Adorno, Brecht, Eisler – die ganze deutsche 40er-Jahre-Emigranten-Truppe – sie alle waren deutsche Angepisstheit gewohnt und konnten sich nicht vorstellen, warum Verkäuferinnen freiwillig lächeln könnten. Sie versuchten, mit ihren Dramen, Gedichten und theoretischen Abhandlungen den amerikanischen Kapitalisten die Lächel-Maske vom Gesicht zu zerren, die Verhältnisse zu enthüllen. Doch die Amis zuckten nur mit den Schultern – das wussten sie schon lange, und lächelten trotzdem.
Die Oberlächler sind bekanntlich die Ost-Asiaten, die einen hierzulande Geborenen oft regelrecht wahnsinnig machen mit ihrer Lächlerei. Der West-Asiate hingegen wohnt im Iran und in Afghanistan und wirkt auf uns grimmig, weil wir in ihm den Islamisten vermuten, der er manchmal auch ist. Der Ex-Vietnamese Thich Nhat Hanh – einer der Chef-Lächler und auch im Westen populären Zen-Meister – meint, dass das Lächeln einerseits, wenn man glücklich ist, von selber komme. Andererseits könne man auch sein eigenes Glück herbeiprovozieren, einfach in dem man lächle. Die Mitteleuropäer – von schlechtem Wetter und einer leidenden Religions-Ikone geprägt, wollen immer nur heulen. Und wenn man einem von ihnen sagt: "Du bist lustig", nippt der an seinem Bier und sagt: "Bin ich nicht."

 

Jetzt sieht es so aus, als wolle ich Lächelei auf religiöse Ursachen zurückführen. Schnickschnack! Die größten Lächler leben auf den Philippinen und in Indonesien – Katholiken und Moslems also. Also was nun? Ist der Wohnort das entscheidende Kriterium, oder wirken die Asiaten womöglich nur so, als ob sie lächeln, und in Wirklichkeit haben sie nur ein breites Gesicht? Auf diese Rutschbahn, die direkt in die Rassistenvorhölle führt, möchte ich mich auch nicht setzen.
Auf eine Rutschbahn der etwas anderen Art hätte mich kürzlich beinahe ein Experiment geführt. Improvisationstheater, mit dem ich mich nun schon seit einigen Jahren beschäftige, macht sich die Klarheit einer einfachen Regel zunutze: "Sag einfach Ja." Dahinter steckt die Idee: Wer Nein sagt, gewinnt Sicherheit. Wer Ja sagt, gewinnt Abenteuer. Was geschieht nun, so mein Gedanke, wenn man mal eine Woche lang übermäßig oft bejaht statt verneint. Ein kleines Spiel mit mir selbst: Jasagen in Situationen, die ich sonst instinktiv verneinen würde. Erstaunt hat mich dabei eigentlich, wie selten ich Angebote verneine. Immerhin war ich netter als sonst, und zwar auch zu Grobianen und hatte Glück, dass mich meine Freundin nicht darum bat, ihre Putzarbeiten zu übernehmen. Und doch gab es ein Ansinnen, auf das ich trotz meines Experiments nicht einging: Einer Dame, von der ich auf einer Party eine halbe Stunde lang angeostet wurde, meinen Personalausweis zu zeigen, um die Echtheit meines Vornamens zu beweisen, da im Osten ihrer besoffenen Meinung nach dieser Name nicht existierte. Überhaupt muss die Anosterei ein Ende haben. Ich will:
– keine Komplimente dafür, dass ich aus dem Osten bin und schon gar nicht dafür dass man mir das ansieht
– keine Vorwürfe dafür, dass ich eine Band, einen Film, einen thüringischen Dichter oder Liedermacher nicht kenne, weil ich den doch kennen müsse, wenn ich aus dem Osten käme.
– nicht darüber belehrt werden, wie man dies oder jenes früher im Osten genannt habe und ob ich denn nun schon völlig verwestlicht sei, weil ich Führerschein sage
– nicht, dass man mir unterstellt, ich hätte gern "Als ich fortging" von Karussell gern gehört, das hätten wir doch alle gern gehört.
– nicht hören, die NVA sei doch eine lustige Truppe gewesen.
– nicht, dass man mir sagt, im Osten hätte keiner Ost-Jeans getragen, das sei peinlich gewesen.
Ich musste Ost-Jeans tragen, weil ich zu den wenigen Ostlern gehörte, die weder Westverwandte hatte noch Ostverwandte, die in der Partei waren. Weder hatte ich was mit der Opposition zu schaffen, noch ging ich drei Jahre zur Armee. Ich war nicht in der Kirche und trotzdem sangen wir zuhause nicht die Ost-Weihnachtslieder, sondern die religiösen. Ich war in der FDJ, aber nicht in der DSF. Ich habe nie Urlaub in Bulgarien gemacht. Ich war weder Fan von Kurt Demmler, noch von Stephan Krawczyk. Obwohl wir nur 300 Meter von der Hauptzentrale der Staatssicherheit wohnten, habe ich von deren Aktivitäten nie etwas mitbekommen. Ich bin einmal wegen Verdacht auf Republikflucht verhaftet worden, wäre aber trotz meines extremen DDR-Frusts nicht einmal im Herbst 89 auf die Idee gekommen zu flüchten.

***

Alâ ed-Dîns Laden indessen scheint weniger gut zu laufen:

Der hatte inzwischen alles verkauft.

Als besonders cleverer Händler wurde er uns auch nicht eingeführt.

Das Letzte, was ihm bleibt, ist ein geschliffener fünfeckiger Stein mit Zaubernamen und Zeichen. Reiben bringt hier allerdings gar nichts. Und so verkauft er das Ding einem europäischen Konsul.

Anscheinend war "Konsul" zeitweise im arabischen Raum eine allgemeine Bezeichnung für reiche Europäer.

Der Konsul bittet Alâ ed-Dîn, mit auf sein Schiff zu kommen, wo er das Geld aufbewahre. Dort betäubt er ihn mit Scherbett, in welches Bendsch gemixt wurde.
Das Schiff legt ab und der "Konsul" ist in Wahrheit ein Kapitän, der auf der Reise auch noch

ein Schiff mit vierzig muslimischen Kaufleuten

plündern lässt. Sie erreichen Genua.

Was wiederum ein Hinweis dafür sein könnte, dass es sich doch um einen Konsul handelt, da dies in Genua ein Titel von Staatsbediensteten war.

Der Kapitän/Konsul schenkt einer verschleierten Dame den Stein. Die vierzig muslimischen Kaufleute werden zum "König der Stadt" geführt.

Völlig unklar, wer hier gemeint ist. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Karl der Dicke(römischer Kaiser zur Zeit Harûn er-Raschids) als König von Genua bezeichnet wird. Wahrscheinlicher ist ein bürgerliches Stadtoberhaupt oder eben die reine Phantasie beim Zurechtspinnen dieser Geschichte.

Man fragt jeden der muslimischen Kaufleute, woher er komme. Und jeder antwortet:

"Aus Alexandrien."

Daraufhin lässt man sie köpfen.

Seltsam, dass sich niemand bemüht, die Antwort zu variieren. Auch Ala ed-Dîn nicht,

der auch hingerichtet werden soll, doch da greift eine Alte ein, die den König daran erinnert, er habe ihr einen Gefangenen zur Klosterarbeit versprochen. Der König überlässt ihr nun Alâ ed-Dîn, und dieser soll übermäßig Frondienste für die Kirche tun. Dies überlastet ihn dermaßen, dass er sich fast lieber hinrichten lassen will. Aber die Kloster-Chefin gibt ihm den Rat, mit einem Kreuzstab durch die Stadt zu ziehen und durch diese Autorität könne er reich und arm, hoch und niedrig zur Arbeit für die Kirche verdonnern.
Dies geht eine Weile gut. Eines Tages beurlaubt ihn die Alte, da die Tochter des Königs zur Kirche wallfahren möchte und ihr niemand im Wege stehen soll. Aber Ala ed-Dîn  verbirgt sich hinter einer Mauer, um die Prinzessin Husn Marjam zu beobachten. Er verliebt sich in sie.

Vergessen sind Zubaida und Jasmin. Letztere immerhin der Grund, warum er in dieser Situation steckt.
Als König von Genua wird nun "Johannes" genannt.… Weiterlesen

265. Nacht – Video Trainingslauf Tips

Trainingslauf durch den Plänterwald für den Berlin-Marathon 2008. Joggingtips zu

  • Schlüsselmitnahme

  • Starttempo

  • Hunden

  • Brennnesseln

  • Sowjetisches Ehrenmal

  • Plänterwald-Ganoven

  • Tempo-Erhöhung

Video zu lang? Zu verwackelt? Ja.

 

***

 

Ahmed ed-Danaf beschließt, Alâ ed-Dîn nach Alexandrien zu bringen:

"Das ist eine gesegnete Stadt, ihre Schwelle ist grün, und das Leben in ihr ist angenehm."

Sie verlassen die Stadt und begegnen außerhalb zwei jüdische Steuereintreiber des Kalifen, von denen Ahmed Danaf je hundert Dinare Schutzgeld fordert. Sie geben sie ihm,

danach erschlug Ahmed ed-Danaf die beiden, nahm die Mauleselinnen und bestieg die eine, während er Alâ ed-Dîn auf der anderen reiten ließ.

Dieser Mord erscheint völlig selbstverständlich und die Lakonie der Erwähnung ist eigentlich nur durch puren Judenhass zu erklären. Denn immerhin müsste Ahmed ed-Danaf davor zurückschrecken, Diener des Kalifen zu ermorden. Selbst die Beute rechtfertigt die Tötung nicht: Zwei Maulesel und zweihundert Dinare hätte Ahmed ed-Danaf sicher leicht selbst besorgen können.

Sie erreichen Ajâs und reisen von dort aus mit dem Schiff nach Alexandrien weiter. Auf dem dortigen Markt ersteigern sie einen Altwarenladen, und Alâ ed-Dîn wird so zum Händler,

"denn Allah der Erhabene hat den Handel gesegnet."

Als Ahmed ed-Danaf nach Bagdad zurückkehrt, wird er Zeuge einer Unterredung zwischen dem Kalifen und dem Wesir Dscha’far. Harun er-Raschîd will die Leiche des gehängten Alâ ed-Dîn sehen. Man geht zum Galgenfelde, und dem Kalif kommen Zweifel an der Identität des Toten, die Dscha’far auszuräumen versucht:

  • Die Leiche ist ja länger als Alâ ed-Dîn

  • "Ein Gehängter wird länger."

  • "Dieser da hat ein dunkles Antlitz."

  • Der Tod macht schwarz.

  • Auf den Fersen des Toten stehen die Namen der ersten beiden Kalifen 265

  • "Preis sei Allah, der die verborgenen Dinge kennt. Wir wissen nicht, ob dieser da Alâ ed-Dîn ist oder ein anderer."

Großmutter, warum hast du so große Augen?

Man verscharrt die Leiche und Alâ ed-Dîn gilt fürderhin als verschollen.
Ebenso verscharrt man Habzalam Bazzâza, der aus Liebeskummer stirbt. Jasmin aber bringt einen Knaben zur Welt, den sie Aslân nennt.

Sie säugte ihn zwei volle Jahre.

Zur Vorbeugung gegen Allergien wird derzeit für die ersten 6 Monate ausschließliches Ernähren durch Muttermilch empfohlen.

Als der Knabe laufen lernt, rennt er eines Tages davon und dem Polizeipräfekten in die Arme, der die Ähnlichkeit mit Alâ ed-Dîn erkennt. Er rät der Mutter aus Sicherheit für das Kind auf etwaige Nachfragen zu behaupten, es sei der Sohn des Präfekten.
Er lässt den Knaben beschneiden, lehrt ihn lesen, schreiben und den Koran auswendig lernen, das Kriegshandwerk, bis er mit vierzehn Jahren den Rang eines Emirs erreicht.
Eines Tages trifft dieser den Erzdieb Ahmed Kamâkim, der die gestohlene Juwelenlampe des Kalifen mit sich führt und ihm, ohne Namen zu nennen, die Geschichte des Diebstahls und des Todes von Habzalam Bazzâza und der Hinrichtung des falschen Diebs berichtet.
Auf dem Heimweg begegnet er Ahmed ed-Danaf.

Welch ein Zufall! Von diesem war ja jetzt vierzehn Jahre lang keine Rede mehr.

Nun berichtet seine Mutter Jasmin ihm die ganze Wahrheit.

 

 

 

265 D.h. Abu Bakr und Omar. Dies impliziert, der Tote sei Schiit, da Schiiten sich angeblich die Namen der ersten Kalifen auf die Fersen tätowieren lassen um auf ihnen herumtrampeln zu können.

 

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