Scheiter heiter oder bewusst scheiße spielen

Die Haltung, dass man heiter scheitern kann und dass das sogar für andere heiter sein kann, wenn man selber heiter bleibt, hat sich bei manchen Improspielern derart verfestigt, dass sie manche Games oder Rollen bewusst schlecht spielen, um des Lachers willen. Am Schlimmsten ist es beim Singen: Natürlich honoriert das Publikum oft schon den Ansatz. Dennoch: Gib dein Bestes. Du kannst scheitern, aber es nicht wenigstens zu versuchen, ist kein Scheitern, es ist billig. Und ist langfristig sogar der bessere Weg zum Herzen des Zuschauers, der das Mühegeben ja auch honoriert.

Die zehn Comedy-Regeln

Aus Scott Sedita: „The Eight Characters of Comedy“

  1. Wähle eine spezifische Figur mit spezifischen Merkmalen.
  2. Häng dich voll in deine Figur rein.
  3. Gute Comedy hat ihre Wurzeln in Schmerz und Konflikt.
  4. Füge kein Wort hinzu, ändere nichts, lass nichts weg; und folge der Interpunktion.
  5. In der Comedy wird nicht geflüstert. Sprich laut und deutlich.
  6. Halte das Tempo.
  7. Finde den Witz.
  8. Halte fürs (Zuschauer-)Lachen inne.
  9. Wenn ein Witz fällt, unterlasse körperliche Bewegung.
  10. Hab Spaß.

Man denke nach und übernehme, was passt. Erläuterung zu Punkt 9: Physische Bewegung ist immer auffällig und bindet Aufmerksamkeit, sie verwässert also den Gag.

Übertrainiert

Die Gruppe X wurde innerhalb weniger Monate aus dem Boden gestampft, gecastet und trainiert. Ein Show-Format wurde ihr von den Regisseuren geliefert. Und selbst bei den Shows waren immer ein, zwei Regisseure anwesend.
Der Eindruck, den diese Gruppe auf der Bühne machte, war anders als der anderer Impro-Novizen. Sie wirkten irgendwie übertrainiert. Vorsichtig, als müssten sie an tausend Dinge gleichzeitig denken, die man ihnen eingebleut hatte, statt frei zu spielen.
Die uninteressanten Storys, das teilweise Blockieren, Streiten usw. hätte man gern verziehen, wenn die Gruppe wenigstens etwas Wildheit und Spiellaune versprüht hätte.

Lampenfieber

Ich habe nie geglaubt, dass man „ein bisschen Lampenfieber braucht“, um gut zu spielen
Nun pflichten mir die Mediziner und Psychologen bei: Die Angst vor dem Urteil anderer (und das genau ist ja das Lampenfieber) belastet das Immunsystem und die Leistungsfähigkeit.
http://www3.interscience.wiley.com/journal/122596990/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0
Oder die deutsche Zusammenfassung bei Gehirn und Geist:
http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1012629

100% geben, auch bei nur wenig Zuschauern

Das erste Mal habe ich es in meinem Lehrjahr 1999 verstanden. Ein heißer Sommerabend bei den Surfpoeten im Bergwerk. Kaum mehr als 20 Zuschauer. Für die Surfpoeten ein schlecht besuchter Abend. Und Ahne stand am Ende der Show am Mikrofon und sang sein Herz aus, als gäbe es diese Gelegenheit nie wieder.
Später, als ich mit Sebastian Krämer zu Gast bei einer Show von Andreas Scheffler war, protestierte Sebastian heftig, als auch nur die Möglichkeit in Erwägung gezogen wurde, die Zuschauer heimzuschicken. Er würde auch für einen einzigen Zuschauer spielen.
2003 in New York sah ich (natürlich wieder an einem unglaublich heißen Tag) ein Impro-Theater mit acht Schauspielern, die vor vier Zuschauern spielten. Es war überhaupt keine Frage, ob man auftritt.
Schlimmer noch, als in Erwägung zu ziehen, abzubrechen, empfinde ich es, wenn nur eine halbe Show gespielt wird. Wieviel Eitelkeit muss bei Künstlern bestätigt werden, die ihren Einsatz von der Publikumszahl abhängig machen?
Vor einigen Wochen im Theater U. waren wir 14 Zuschauer. Aus finanziellen Gründen bräuchten sie mindestens 15 Zuchauer. Ich schlug den anderen Wartenden vor, dass wir alle zusammenlegten für den einen Fehlenden. Und so unwahrscheinlich es im sturen Brandenburg klingt: Alle waren einverstanden. Aber die Künstler lehnten trotzdem ab.
Und nun bekomme ich Bestätigung vom ehemaligen Record-Label-Chef von Island Records, der von seinem ersten U2-Konzert berichtet: „Ich sah sie mir in einem Londoner Vorort an. Es kamen vielleicht noch vier, fünf andere Leute mit zu dem Gig, und im Publikum standen auch noch ungefähr vier oder fünf Leute – aber man hätte geschworen, dass es 40.000 waren. Die Band hatte die gleiche Energie und Leidenschaft wie heute.

Piep, Piep!

Wieder ausgegrabenes Spiel bei Johnstone, das ich völlig vergessen hatte und das gut geeignet ist, um Sprechern ein Gefühl für Publikumskontakt zu geben: Die Zuschauer haben den rechten Arm erhoben und senken ihn langsam. Der Sprecher hat die Aufgabe, während eines Monologs mit den Zuschauern immer wieder Augenkontakt herzustellen. Gibt es Augenkontakt hebt der betreffende Zuschauer wieder den Arm. Sinkt die Hand auf Kniehöhe macht dieser „piep-piep-piep“.
Johnstone macht in diesem Kapitel auch darauf aufmerksam, wie feindselig der „gleitende Blick“ wirkt. „Große Entertainer lösen das Problem, indem sie praktisch ununterbrochen Erkennungssignale aussenden – auch wenn die Lampen sie blenden – und überzeugen uns damit, dass sie uns gesehen haben.“

Become quieter – Zuschauerkontakt durch Stille

„The most reliable gauge of an audience’s interest is the extent to which they cough. A cough is a clear sign that a person has detached a little from the show and getting fidgety. I have heard that putting on a show is ‚the art of stopping people coughing.‘ (…) The lesson I quickly learned, which goes against every natural instinct when you are on stage showing off to people, is that they are losing interest and starting to cough, you must become quieter.“
Derren Brown: „Tricks of the mind“

Wullewupp Kartoffelsupp

Bei Helge Schneider im Admiralspalast.
Helge sicherlich nicht in Höchstform, ein wenig müde, aber selbst in diesen vergleichbar schwachen Momenten noch inspirierend.
Der Admiralspalast ein wenig ungeeignet. In der 14. Reihe fällt es schon schwer, optisch und akustisch zu folgen. Ob das an den Haustechnikern oder an der Crew von Helge liegt, ist schwer zu sagen.
Sehr schön die mexikanischen Trompeten. Gleitmanns Gymnastik. Die Statusspielchen mit dem Butler. Aber irgendwann würde man auch gern mal jemanden vom Ensemble was sagen hören. Trauen sie sich nicht? Oder sollen sie nicht, weil es Helge vielleicht doch schwerfallen würde, darauf zu reagieren?
Wunderbar: „Der Meisenmann“. Der Liedtext schön weiterentwickelt zu einer absurden Odyssee des Meisenmannes. Und selbst „Katzeklo“ klingt schön entspannt und wie ein gut abgehangener alter Jazz-Standard für Vibraphon.
Ehrenhaft, dass die ganze Band die Bühne räumt, damit Pete Yorke ein 5minütiges (Steffi meint, es seien mindestens 10 Minuten gewesen) Schlagzeugsolo hinlegt. Er bekommt auch seinen wohlverdienten Applaus, aber im Zusammenhang des Gesamtabends wirkt die Leistung Yorkes wie eine Arbeitsverweigerung von Helge.
Für die Zugabe holt er die Panflöte heraus, beginnt einen kleinen Monolog und verabschiedet sich. Als habe er aufs Flötespielen dann doch keine Lust mehr gehabt.
Dabei fraß ihm das Publikum wie gewöhnlich aus der Hand. Gelächter nach praktisch jedem Satz. Teilweise schon hysterisch. Seine Fernsehkritik und -parodien zu Casting- und Gerichts-Shows eher einfallslos, beinahe ranschmeißerisch. Prompter Gesinnungsapplaus.
Die musikalischen Beiträge insgesamt stärker. Sehr uneitel holt er diverse Instrumente heraus und spielt sie, ohne eine Sansation draus zu machen, als sei es eine Selbstverständlichkeit: Trompete, Akkordeon, Gitarre, Saxophon, Mundharmonika, Vibraphon. Und das einzige Instrument, das er im klassischen Sinne „gelernt“ hat, – das Klavier – lässt er an diesem Abend von einem anderen Musiker spielen.

Helge vor leeren Häusern

Helge Schneiders zweite Freundin, Heide Jansen, berichtet, wie Helge in der Anfangszeit selbst dann spielte, wenn nur ein einziger Zuschauer im Saal saß: „Ich saß an der Kasse, und da war eine Mark drin.“
Der Dokumentator: „Leere Säle durch kompesniert Helge durch die ihm eigene Mischung aus blinder Besessenheit und unglaublicher Musikalität.“

Manierismen

Manierismen sind wie eine ansteckende Krankheit. Altbekannt: Die Novizen wollen den großartigen Schauspieler kopieren und machen dann doch nur seine Oberfläche nach. Der Stil eines Brando z.B. ist eben nicht kopierbar. Man kann vielleicht eine Pate-Parodie abgeben, aber sein kreatives Verhältnis zur Schauspielerei wird nur von wenigen erfasst.
Im Improtheater hat das Kopieren von Maierismen stellenweise groteske Züge angenommen. Genre-Gags werden übernommen, das (hier schon oft erwähnte Einzählen), und anscheinend nur schon ins dritte Jahrzehnt gehend: Der Haar/Kinn-Streich-Gag fürs Publikums-Warm-Up. Für Uneingeweihte: Der Gag ist so übel nicht. Der Moderator weiht die Zuschauer augenzwinkernd ein, sie müssten klatschen, wenn er sich übers Haar streicht, und sofort damit aufhören, wenn er sich am Kinn berührt.
Man sollte annehmen, dass man als Bühnenmensch schon ein schlechtes Gewissen haben sollte, so einen Trick überhaupt zu klauen oder ihn gar in derselben Stadt zu verwenden. Aber inzwischen verwendet ihn jede zweite Theatersporttruppe.

Impro-Tips für Frauen

  1. Bändigt eure Haare. Ihr geratet in einen automatisierten Tiefstatus, wenn ihr ständig damit beschäftigt seid, euch die Haare aus dem Gesicht zu schieben.
    Tragt keine Accesoires, die immer wieder gerichtet werden müssen.
  2. Tragt bequeme Schuhe und einen BH. Röcke schränken bekanntlich die Bewegungsfreiheit ein, Miniröcke noch mehr.
  3. Versucht nicht, niedlich zu sein.
  4. Seid ausreichend bekleidet. Arschgeweih und Bauchnabelpiercing sind für offstage OK.
  5. Fangt offstage keine Stutenbeißereien an. Eure Bühnenpartnerinnen müssen nicht eure „besten Freundinnen“ sein.
  6. Wenn du die Älteste im Team bist, wirst du wahrscheinlich öfters als „Mutter“ angespielt. Nimm’s nicht persönlich. Sei schneller und nenne deine Mitspielerin „Mutter“.
  7. Wenn du als „Prostituierte“ angespielt wirst, nimm die Rolle ernst. Wirst du vom selben Typen drei mal hintereinander als „Prostituierte“ angespielt, sprich mit ihm nach der Show darüber, dann lacht und trinkt ein Bier.
  8. Wenn ihr eine reine Frauentruppe seid, müsst ihr das nicht im Namen deutlich machen.
  9. Wenn ihr das Gefühl habt, die Typen geben euch nicht den Platz auf der Bühne, der euch zusteht, nehmt ihn euch.
  10. Seid nicht höflich auf der Bühne: Geht ins Gegenteil eures Partners (charakterlich und statusmäßig), Habt keine Angst, den anderen zu unterbrechen.
  11. Nicht jede Show muss eine Liebesszene enthalten.
  12. Wenigstens einmal ausprobieren, wie es ist, auf der Bühne aggressiv zu sein.

Monolog – Hände

In Monologen sei man klar mit den Händen. Die Frage, wohin mit den Händen, erübrigt sich, wenn wir sie benutzen, um Sachverhalte zu verdeutlichen.
Klare einfache Gesten, mit denen man den Raum teilt, statt Fingergefitzel, das den Zuschauer/Zuhörer eher verwirrt. Wenn man aufzählt, nicht mehr als drei Dinge nennen – mehr führt eher zu Unklarheit. Diese zwei, drei Dinge symbolisch und klar im Raum verankern, bzw, den Raum teilen.

Wem verzeiht man was?

Ich glaube, ich lege unterschiedliche Maßstäbe an, wenn ich Improvisierer sehe.
Jungen Spielern verzeihe ich am ehesten Gagging und beschränkte schauspielerische Fähigkeit, am wenigsten Lahmarschigkeit und Mangel an Engagement.
Älteren Spielern verzeihe ich mangelnde physische Beweglichkeit, aber keine vorsätzliche Doofheit.
Ähnliches könnte man ausführen für Anfänger vs. Routiniers, Frauen vs. Männer, Langform-Spielern vs. Game-Spielern usw.

Wahrer Monolog – Formen

Ich muss sagen, ich bin ein großer Fan von wahren Monologen auf der Impro-Bühne. Sie erden die oft abgedrehte Improvisation auf angenehme Art. Man sei offen, ohne die Hosen runterzulassen: Oft wird „wahrer Monolog“ missverstanden als Spiel wie „Wahrheit oder Pflicht“. Ist es aber nicht. Erzähl einfach irgendetwas, was dir zu einem Thema, einem Wort, einer Sequenz oder einer Idee einfällt.

  1. Eine erlebte Episode
  2. Ein persönliches positives oder negatives Statement („Ich steh auf Kampfsport.“
  3. Eine Information aus dem Bereich „Was ich alles weiß“. D.h., man nicht immer Anekdoten aus der Kindheit ausbuddeln, sondern kann einfach mal etwas objektiv berichten. Viele unterschätzen ihr eigenes Wissen. Die Erfahrung zeigt: Jeder kann Detailwissen auffahren, dass für 90% der Anwesenden völlig neu ist.

Die Monologe seien klar und zielgerichtet. Plauderton lenkt oft vom Fokus ab.

Obama, der Improvisierer

Während Obamas Reden gibt es immer wieder Zwischenrufe, manchmal konstruktiv, manchmal einfach begeistert, aber nichtssagend, und manchmal auch störend. Bemerkenswert ist seine blitzschnelle Reaktion, zu entscheiden, ob er auf eine kleine Störung eingeht und sie in seine Rede einbaut oder nicht. Im extremen Fall geht er direkt auf eine Gruppe hinter ihm positionierter Störer ein.

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Das Publikum, das du verdienst

In gewissem Maße hat man auf lange Sicht das Publikum, das man verdient:
Spielt man trashig oder lädt zu Trashigkeit ein, wird sich das Publikum ermutigt fühlen, auch entsprechende Vorschläge zu machen. Intelligente Comedy zieht intelligentes Publikum an. Fangen die Shows generell zu spät an, kommt auch das Publikum zu spät (nicht umgekehrt!).
Ist man freundlich zu den Zuschauern, sind sie es ebenfalls.
Das ist freilich lediglich eine Tendenz. Gegen die angetrunkene Truppe, die sich in der Show geirrt hat und deren vom Gröhlen heiserer Oberkasper Heinzi glaubt, der Lustigste im Raum sein zu müssen, gibt es nur selten bessere Hilfsmittel als einen höflichen aber durchtrainierten Einlasser.
Damit ist allerdings noch nichts über die Anzahl der Zuschauer gesagt, die zwar oft mit der Qualität der Shows korreliert, aber auch von vielen anderen Dingen, wie clevere PR, glückliche Umstände von Zeit und Ort usw. usf. abhängt, auf die manchmal als Spieler wenig Einfluss hat.

Maryam Schumacher: „War das auch wirklich improvisiert?“

Artikel in der heutigen taz über die Jackpot-Show von Paternoster.
Es gelingt ihr nicht, sich über die Improvisation als solche zu freuen, über das Entstehen im Augenblick. Stattdessen immer wieder der Verdacht, dass sei ja alles clever vorbereitet und die Aufgabe des Publikums sei es, den Schauspielern in die Parade zu fahren. Dass es auch die Möglichkeit gäbe, gemeinsam mit ihnen etwas aufzubauen, kommt Maryam Schumacher gar nicht in den Sinn.
Aber natürlich sind wir Improspieler auch nicht schuldlos. Solange wir Improtheater als Sensation aufziehen (und Formen wie Matches, Theatersport oder auch Jackpot verführen dazu), ändert sich auch die Haltung des Publikums nicht. Die Zuschauer stehen dann wie vor einem Zauberkünstler, dessen Tricks sie erraten wollen (natürlich gibt es auch bei solchen Shows Zuschauer, die sich auf die Magie des Moments einlassen). Die zerstörerische Haltung des Publikums wird angeheizt, wenn wir in den Vordergrund stellen, dass wir (Sensation, Sensation) aus wirklich allem etwas improvisieren können. Kein Wunder, dass dann Vorschläge wie Actionporno kommen.

Gewohnheiten

Drei Wochen lang kann ich wegen einer Sehenenverklemmung in der Schulter den linken Arm nur eingeschränkt bewegen. Dann macht es „Derrrrr“ und die Sehne dengelt zurück in ihre Ausgangsposition.
Aber immer noch bewege ich meinen Arm vorsichtig, und manche Bewegungen wirken dadurch unnatürlich.
Wieviele Gewohnheiten hat man durch kleinere körperliche und seelische Verletzungen angenommen, ohne sie wahrzunehmen? Und wie schwierig ist es, sie loszuwerden?

Abkupfern

Um ein Gefühl fürs Spielerische zu bekommen kann man auch ruhig mal Bühnengehabe nachmachen. Live auf der Bühne ist es hingegen eher unangenehm und auf Dauer tödlich. Das konventionelle Theater lebt von diesem Getue seit Jahrzehnten, das Improtheater nicht weniger. Natürlich kann es einem helfen, auch mal Effekte auszuprobieren, aber gerade im Schauspielerischen sollten wir eher von der Welt des realen Miteinanders ausgehen, als davon, wie andere Schauspieler darstellen. Stanislawski scheint unter dieser Mache besonders gelitten zu haben. Seine Kommentare zu diesem Thema füllen mehrere Kapitel seiner schwer lesbaren Bücher.

Moderation

Beobachtungen aus den Moderations-Workshops die ich in den letzten Wochen gegeben habe:
Aufgabe: Das Publikum mit dem ersten Satz zum Klatschen zu bringen. Es ist erstaunlich, dass das Publikum immer weiß (und sich immer einig ist), ob es ein guter Moment zum Applaudieren ist oder nicht, oder ob man zögerlich oder begeistert klatscht.
In den üblichen Workshops ist es einigermaßen schwierig zu lehren, wie man vor einem großen Publikum spricht (nicht nur vor 5-12 Kollegen). Wir dehnen den imaginären Zuschauerbereich aus.
Ein allgemeines Problem ist die Frage der Authentizität. Ich gehe davon aus, dass Moderationen grundsätzlich vom authentischen Ich kommen sollten, nicht von einer entertainernden Bühnenfigur und schon gar nicht, wie es leider vor allem beim Theatersport immer wieder der Fall ist, von „ulkig kostümierten Witzfiguren“. (Dies sei als Geschmacksurteil vorausgeschickt.) Das Problem, das wir nun zu bearbeiten haben, besteht darin, dass sich das Moderieren und die tendenzielle Maipulation des Publikums (sie zum Klatschen zu Animieren usw.) für viele überhaupt nicht authentisch anfühlen, einfach weil es nicht das übliche soziale Verhalten ist. Wie aber soll man dann an das authentische Ich anknüpfen? Ich wähle zwei Ansätze:

  1. Der authentische Ansatz: Sprich zunächst als Du selbst zu uns als kleiner Gruppe und erzähle ein Erlebnis. Stell dir dann vor, wir seien 50 Leute, etwa bei einer Geburtstagsfeier unter Freunden und du kündigst eine Überraschung an. Im dritten Schritt moderierst du eine Impro-Show an.
  2. Der Dieter-Thoma-Heck-Ansatz: Mach ein kleines Spiel daraus, den schleimigsten Moderator, den du kennst nachzuahmen. Wirf dann 95% von dessen Schrott und Gehabe weg und behalte die 5%, die für dich als Technik funktionieren.

Man vermeide Schlagworte, die abgekupfert oder ausgedacht klingen (Meinedamunherrn). Wenn man freundlich ist und das ganze Publikum anspricht, macht es überhaupt nichts, wenn man sich verspricht, also ist es überhaupt nicht nötig einen Text auswendig zu lernen, wenn man weiß, was man sagen will.

An/Aus

Die Unterscheidung zwischen An und Aus (On/Off) auf der Bühne: In gemeinsamer Aktion, sei es in der Szene, beim Singen oder Tanz – auch wenn man nicht „dran“ ist, sollte man die Spannung des Dranseins erhalten.
Vielleicht gerade bei kleinen Bühnen, bei denen man nicht von der Bühne abgehen kann, ist aber auch das Aus-Sein als Haltung wichtig: Entspanntere Haltung, physisch und mimisch.

Vorschläge

Noch mal zum Thema Vorschläge: Im Grunde ist jeder Vorschlag wertvoll, solange er uns inspiriert. Aber wie geht man mit den uninspirierenden Vorschlägen um? Zunächst: Sehr, sehr oft werden Vorschläge als „schlecht“ abgetan, nur weil sie ein heikles Thema berühren. Was aber geschieht, wenn wir die Themen ernstnehmen? Einer der besten Harlds, die ich je sah, haben die Gorillas zum Thema Gynäkologe gespielt, obwohl der Zuschauer, der diesen Vorschlag gab, den Schauspielern sicherlich ein Bein stellen wollte.
Tatsächlich gibt es Vorschläge, die man als öde wahrnimmt. Das kann verschiedene Gründe haben. Z.B. gibt es als Vorschlag für einen Ort extrem häufig „Schwimmbad“. (Wieviele gescriptete Theaterstücke gibt es eigentlich, die in einem Schwimmbad spielen?) Nun kann man das tatsächlich ablehnen, und wenn man es sympathisch macht, weren die Zuschauer schon nicht einschnappen. Aber wir können auch lernen, damit zu leben. Dann wird es nämlich keine Schwimm-Lehrszenen mehr geben, sondern wir werden das Schwimmbad als Hintergrund für echtes Drama (oder meinetwegen auch Comedy) nutzen.
Anscheinend hat es oft mit ersten Assoziationen zu tun, was das Publikum vorschlägt. Z.B werden bei freien Vorgaben („Ein Wort, bitte!) oft Lebensmittel genannt. Ich habe Harolds zu Leberwurst, McDonalds, Orangensaft, Karpfen u.v.m. gespielt. Wenn ich heute solch einen Vorschlag bekomme, lehne ich ihn ab, weil ich das Gefühl habe, das Thema Futter ddurchdekliniert zu haben. Wer weiß, in zwei Jahren ist das wieder anders.

Interview Jack White & Keith Richards

Jack, what did you learn about the Stones when you opened for them?
White: How good they were. You could see the comfort level between them, in Keith’s guitar playing and Ron’s slide playing. It’s impressive, man, when that confidence is exuded. Someone once told me when I first started playing – you get a lot more respect if you act like you own the joint. If you fumble around, you don’t gain respect.
Richards: You could have asked me that question back when we went from clubs to opening for Bo Diddley, Little Richard and the Everly Brothers on one tour [in 1963]. I learned more in those six weeks than I would have learned from listening to a million records.

***

Richards: I loved listening to music – the pure beauty of listening – before I ever learned an instrument. I realize, in a way, that I tainted that beauty, because now I know how certain things are done. But brother, you’ve made your deal now. The only thing you can do is pass it on.
(Ist das wirklich so? Dass man die Schönheit des Kunstgenusses zerstört, wenn man weiß, wie es gemacht wird? Ich glaube eher, der Genuss ist dann auf einer anderen Ebene. – DR)

Pennerhaftigkeit

Eine ältliche Musikertruppe zu Gast bei der Chaussee der Enthusiasten. Einerseits kommen sie in sympathischer hemdsärmeliger Lockerheit daher und bringen ihren eigenen Bierkasten mit, den sie im Laufe des ersten Drittels bereits leeren. Der Alkoholpegel steigt und parallel dazu das unkollegiale Verhalten der Musiker: demonstratives Desinteresse (in Wirklichkeit können sie nicht mehr folgen) und Altherren-Sprüche.
So kann’s kommen, denke ich. Gut dass sie da waren, so wird es einem klar vor Augen geführt, was geschieht, wenn man sich gehen lässt und wie man dann auf andere wirkt.