427., 428., 429., 430. Nacht

427. Nacht

Mit dem bisschen Geld, dass die Gattin von einer Freundin leiht, begibt Ali sich auf Reisen, um einen Weg aus der Not zu finden. Von Bulak aus fährt er auf einem Schiff nach Damiette, wo ihn ein Kaufmann aus Mitleid aufnimmt. Dort bleibt er eine Weile;

aber schließlich sagte er sich: "Wie lange soll ich noch in fremder Leute Häuser wohnen?" Darum verließ er das Haus und suchte sich ein Schiff, das nach Syrien fuhr.

Für eine fiktive Geschichte macht diese Episode so gar keinen Sinn, da sie praktisch nur überbrückt. Es sei denn, der Erzähler will zeigen, dass er die Stationen einer Reise bis nach Bagdad kennt; oder dass Ali sich nun aktiv auf die Suche begibt.

Mit etwas Wegzehrung reist er nach Damaskus, wo er wieder von einem "gütigen Mann" aufgenommen wird. Eines Tages erblickt er eine Karawane auf dem Weg nach Bagdad, der er sich anschließt.
Kurz vor Bagdad wird diese von Wegelagerern überfallen. Ali flieht Richtung Bagdad und kommt gerade vor Sonnenuntergang am Haupttor an, wo er dem Torwächter vom Überfall erzählt, allerdings gespickt mit der Flunkerstory, er habe

Waren, Maultiere, mit Lasten, Sklaven und Diener.

Der Torwächter bietet ihm seine Hilfe an und macht ihn mit einem Kaufherren aus Bagdad bekannt, der ihn einkleidet und ihn ins Badehaus führt.

Die Erzählperspektive wechselt nun seltsamerweise bis zum Ende der 427. Nacht:

"Ich ging nun", so erzählte Ali aus Kairo, der Sohn des Kaufmannes Hasan, des Juweliers, "mit ihm ins Badehaus…"

Als sie wieder herauskommen, gibt er ihm einen Sklaven namens Mas’ud mit, er möge am anderen Ende der Stadt sich eines von zwei Häusern für die Unterkunft aussuchen. Allerdings steht ein großes drittes daneben, das der Sklave aber nicht aufschließen möchte:

"Weil es dort spukt. Jeder, der dort nächtigt, ist am andern Morgen tot. Wir öffnen auch nicht einmal die Tür, um den Toten hinauszuschaffen, sondern wir steigen auf das Dach eines der beiden anderen Häuser und holen ihn von dort aus herauf."

Kann ich mir nicht bildlich vorstellen.
Die Richtung der Geschichte scheint sich an dieser Stelle abrupt zu ändern. Von einer Moral-Geschichte in eine Spukgeschichte. Oder sollte beides noch verknüpft werden?
Als Grimm-Sozialisierter denkt man natürlich gleich an "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen".

Ali besteht darauf, in dem großen Haus zu nächtigen.

Denn ich sagte mir in meinem Herzen: "Das ist es, was ich suche! Ich will dort nächtigen, und dann bin ich morgen früh tot und kann von all dieser Not, die ich leide, ausruhen."

***

428. Nacht

Der Kaufmann willigt nur unter der Bedingung ein:

"Stelle mir eine Urkunde aus, dass ich nicht für dich verantwortlich bin, wenn dir etwas zustößt." – "So sei es!", erwiderte Ali. Darauf ward ein Zeuge vom Gericht geholt, und Ali stellte dem Kaufmann die Urkunde aus; der nahm sie in Empfang und gab dem Ägypter den Schlüssel.

Ali befreit ihn sozusagen per Vertrag von der Haftpflicht. Was mit dem "Zeugen" gemeint ist, ist unklar. Vielleicht eine Art Notar?

Nach der zeremoniellen Waschung, den obliegenden Gebeten und dem Abendessen beschließt er "oben" zu schlafen.

Dort entdeckte er eine prächtige Halle, deren Decke vergoldet und deren Boden und Wände mit buntem Marmor bedeckt waren. Er breitete sein Lager aus und setzte sich nieder, indem er Sprüche aus dem hochherrlichen Koran sprach. Doch ehe er sich dessen versah, rief plötzlich ein Wesen die Worte: "O Ali, o Sohn des Hasan, soll ich dir das Gold hinabsenden?"

Das Gold fließt auf Ali herab, und der Geist erklärt,

"dies Gold ist ein Schatz, der von alters her auf deinen Namen verzaubert war."

Dies ist natürlich nur denkbar, wenn man prädestinativ denkt; denn der Schatz muss ja dort liegen, bevor an Alis Geburt überhaupt nur zu denken war.
Unklar: Ist der Geist, der hier den Schatz bewacht, ebenfalls "von alters her" hier? Ist der Schatz älter als das Haus?

Und deshalb wurden alle anderen Besucher getötet. Der Geist eröffnet ihm, es läge für ihn noch ein Schatz im Jemen, und bittet darum, freigelassen zu werden. Aber Ali verlangt von ihm, den jemenitischen Schatz herbeizuholen und ebenso Weib und Kind. Der Geist bejaht.

Dann nahm er Urlaub von ihm auf drei Tage, innerhalb deren all dies bei ihm sein sollte, und eilte fort.

"Urlaub"? Siehe dazu Grimms Wörterbuch

Am frühen Morgen sucht und findet Ali hinter einer Marmorplatte ein Versteck für den Schatz.
Dann setzt er sich auf die Bank und wartet auf den Sklaven des Hausherrn.

Allein wie der ihn dort ruhig sitzen sah, lief er eilends zu seinem Herrn zurück.

***

429. Nacht

Dem Kaufmann verrät Ali nichts vom Erlebten. Aber nun dreht sich seine Lüge gegenüber Kaufmann und Torwächter zur Wahrheit: Seine Güter treffen innerhalb von drei Tagen ein. Man erblickt eine Staubwolke am Horizont.

die tat sich aber auf, und es erschienen unter ihr Maultiere, Männer, Packleute, Zeltaufschläger und Fackelträger, die singend und tanzend daherkamen.

Ausgestorbene und gleichzeitig unklare Berufe: Zeltaufschläger.
Die Diener kommen singend und tanzend daher, da sie angesichts der Stadt das Ende der Reise (und ihrer Plackerei) feiern.

***

430. Nacht

Die Kaufleute der Stadt schicken ihm Geschenke.

Unklar: Warum tun sie das? Vielleicht, um ihn in ihrer Mitte willkommen zu heißen? Oder eigennützig gedacht: Um sich bei ihm einzuschmeicheln?

Der gastgebende Kaufmann bleibt noch bei Ali, und dieser beauftragt ihn, den Eunuchen und Sklaven mit den Mauleseln Gelegenheit zu geben, sich auszuruhen.

Sie konnten kaum warten, bis er ihnen die Erlaubnis dazu gab, und so nahmen sie alsbald Abschied von ihm, zogen zur Stadt hinaus und flogen durch die Luft zu ihren Stätten davon.

Also sind auch diese Geister?

Als sie allein sind, berichtet Alis Weib ihm, wie sie und ihr Sohn sanft durch die Luft geflogen wurden. Ali zu ihr:

"Das alles ward uns durch die Güte Allahs des Erhabenen zuteil."

Wer den Schatz verzaubert hat und ihn an den Geist gebunden hat, bleibt im Dunklen. Allah selber?

376.-378. Nacht

376. Nacht
Uns el-Wurdschûd entdeckt die Käfige mit den Vögeln, die
darin sangen und priesen den Herrn.
Vor dem Käfig der Turteltaube, der Ringeltaube, der Spottdrossel, der Nachtigall und der wilden Taube beginnt er zu weinen, als er ihre Äußerungen vernimmt. Er rezitiert auf die Schnelle ein paar Verse und fällt hier und da in Ohnmacht.
*
377. Nacht
Aber die Waldtaube gurrt,
bis schließlich ihr Gurren wie menschliche Rede erklang:
O du, der Liebe Knecht, du hast mich jetzt erinnert
An jene Zeit, da mir die Kraft der Jugend schwand,
Und den geliebten Freund; von Wuchse war er herrlich,
Und seine Schönheit verwirrte den Verstand.
Ach, wenn er in den Zweigen dort auf dem Hügel gurrte,
Dann galt die traute Stimme mir mehr als die Schalmei.
Allein der Vogler stellte ein Netz, und der Gefangne
Hub an und klagte laut: O, ließ er mich doch frei!
Ich hoffte wohl, er sei ein Mann der milden Sinnes
Beim Anblick meiner Liebe mit mir Erbarmen kennt.
Doch möge Gott den Mann erschlagen, da er grausam
Von dem geliebten Wesen auf ewig mich getrennt!
Nun wird in mir die Sehnsucht nach ihm noch immer größer.
Mich hat der Trennungsschmerz mit Feuersglut durchwühlt.
O Gott, behüte jeden, der fest in seiner Treue
Mit seiner Liebe ringt und meinen Kummer fühlt!
Und sieht er mich gefangen hier in dem Käfig mein,
So mög er für den Freund aus Mitleid mich befrein!
Der Eunuch verrät, dass der Wesir das Schloss für seine Tochter hat bauen lassen.
„Nur einmal im Jahr öffnen wir die Burg, wenn Vorräte für uns kommen.“ Da sprach Uns el-Wurdschûd in seiner Seele: „Jetzt habe ich mein Ziel erreicht; doch ich muss noch lange warten.“
In ihrer Trauer verweigert indessen El-Ward fil-Akmâm Nahrung und Trank. Stattdessen dichtet sie. Und schließlich, bis sie den Erdboden erreichte; sie trug aber die prächtigsten Gewänder, die sie besaß, und um ihren Hals lag eine Kette aus Edelsteinen.
stieg sie zur Dachterrasse des Schlosses hinauf, nahm einige Kleider aus Baalbeker-Stoffen, band sich damit fest und ließ sich hinab.
Gemeint ist wohl: reißfestes Leinen.
Dann wandert sie durch die Einöde, bis sie ans Meer kommt, wo sie einen Fischer trifft, den sie bittet, sie mit fortzunehmen. Auf gut Glück vertrauen sie sich dem Meer an. Und nach drei Tagen gelangten sie
zu einer Stadt am Meeresufer.
*
378. Nacht
Von seinem Fenster aus entdeckt der König der Stadt, Dirbâs, die im Boot schlafende El-Ward fil-Akmâm,
die so schön war wie der Vollmond am Himmelsrande; an ihren Ohren hingen Geschmeide aus kostbaren Ballasrubinen, während um ihren Hals Juwelenketten herrlich schienen. (…)
„Ich bin die Tochter Ibrahims, des Wesirs von König Schâmich.“
So erfahren wir nun auch den Namen des Königs, der bisher immer nur „Soundso“ genannt wird.
Dirbâs schickt nun seinen Wesir mit einem ungeheuren Schatz zu König Schâmich, um ihn zu bitten, den Untertan Uns el-Wurdschûd zu senden, damit sich El-Ward fil-Akmâm vor Ort vermählen könne. Den Inhalt des Briefes, in welchem Dirbâs behauptet, es ginge um die Vermählung der eigenen Tochter, kennt der Wesir nicht. Der König droht dem Wesir, ihn seines Amtes zu entheben, wenn er ohne Uns el-Wurdschûd zurückkehre.
Schâmich weint beim Lesen des Briefs und lässt nach Uns el-Wurdschûd suchen, von dem man nun feststellt, dass er seit einem Jahr verschwunden ist.
Das ist seltsam, da es doch hieß, dass Schâmich „große Zuneigung“ zu Uns el-Wurdschûd spüre.
Schließlich schickt Schâmich seinen eigenen Wesir mit auf die Suche.

370.-375. Nacht

Der Wohnungsumbau geht in die zweite Phase, im Volksmund auch Nestbau genannt. Und wieder einmal zeigt sich, dass all die Rumschieberei von millimetergenau ausgeschnittenen Schnipseln im Wohnungsmodell überhaupt nichts bringt, weil einem erst wenn sie nebeneinanderstehen klar wird, dass das Billy-Birke-Regal und die alte Nussbaum-Büchervitrine nicht zueinander passen. Die Couch vor dem Esstisch ebenfalls nicht. Und die Gattin darf nicht mit anpacken, da der Fötus sonst gestört werden könnte. Dabei ist das Leben ist kein Ponyhof, das sollte er jetzt schon lernen. Gibt’s diese bescheuerte Redensart auch für Jungen? Was der Ponyhof für die Mädchen, ist World of Warcraft für die Buben. Das reimt sich nicht einmal. Das Leben ist kein World of Warcraft? Das Leben ist keine Welt des Kriegshandwerks? Dabei ist doch genau das gemeint: Das Leben ist kein Ponyhof, sondern eine Welt des Kriegshandwerks. Oder wie James Brown einst sang: "This is a mahahan’s world!" Die Wohnung sieht aus wie nach einem Einbruch der Hell’s Angels. Und während ich die Bücher doch wieder alphabetisch einsortiere statt nach den Prinzipien Farbe oder Reihenfolge des Lesens frage ich mich, ob ich jemals die Bobrowski-Erzählung "Litauische Claviere", den Feuchtwanger-Roman "Die Jüdin von Toledo" anfangen oder das völlig zerschrotete Exemplar von Plenzdorfs "Die Legende von Paul und Paula" zu Ende lesen werde, das ich an der Stelle unterbrochen habe, wo der Film endet, also zur Hälfte. Die Bank, die ich mir schön zum Schreiben an den Tisch gestellt habe, ist inzwischen völlig verbaut. Trotzdem gelingt es mir, mich über die Stapel aus Büchern, Klamotten, Holzleim, Tüten, Haufen mit Ich-weiß-nicht-was, einem sensiblen Kaktus und Erdnussflips zu kämpfen, wobei ich hier und da etwas abbreche, Flüssigkeiten verschütte, die Verstrebungen der Bank zerbreche und am Ende meinen Kugelschreiber vergesse. Ich fühle mich wie Elvis kurz bevor er seinen Fernseher erschoss. In einer Verfilmung wird fiktionalisiert, der König des Rock hätte damals draufgehalten, weil man schlecht über ihn berichtet habe. Ich glaube aber, er habe seine eigene Fernsehsucht erschießen wollen, und mit ihr gleich seine Fresssucht, seine Medikamentensucht, seine Unfähigkeit, dem Leben noch Sinn abzutrotzen. Tick-tick-tick! Der 28. Februar neigt sich seinem Ende zu. Heute Nacht wird die Uhr 24 zurückgestellt. Warum brauchen wir einen 29. Februar, wenn wir den 28. zwei Mal erleben könnten. Bei der Sommerzeit-Umstellung ist das doch auch kein Problem. Die Am-29.-Februar-Geburtstag-Habenden taten mir sowieso immer leid. Sie taten mir auf jeden Fall leider als die 24.-Dezember-Kinder oder die 1.-Januar-Kinder. Erster Januar?, fragt sich vielleicht jetzt die Leserin? Ja, am 1. Januar ist der Feier-Drops gelutscht. Auf den Straßen riecht‘s nach Schießpulver, und Schneematsch, Hundemist und abgebrannte Silvesterraketen zeugen von der Traurigkeit dessen, was nach einer Feier verbleibt. Am 1. Januar wird die Brause-Aspirin getrunken, auf Sekt hat nun keiner mehr Appetit, mit Ausnahme der Sekt-Alkoholikerinnen, die an Neujahrskindergeburtstagen die einzigen Gäste sind. Hinter Sekt lässt sich der Alkoholismus am elegantesten verbergen. Sekt signalisiert: Ich trinke ja nur ein Gläschen, wenn’s was zu feiern gibt. Aber zu feiern gibt’s immer was, wie der Russe weiß: Jeshednewno prasdnik! Der Russe, der den Sekt übrigens Schampanskoje nennt und auch in Zeiten, in denen Fernreisen nichts besonderes mehr sind, Freunde und Verwandte mit Sekt zum Bahnhof bringt oder von dort abholt. Wenn wir alle vier Jahre zwei Mal den 28. Februar zählten, würde sich die Zahl der Depressionen bei den am 29. Februar geborenen reduzieren, da es eben bald keine am 29. Februar geborenen mehr gäbe. Dafür mehr Freude bei den 28.-Februar-Kindern, die ihren Geburtstag zwei Mal feiern dürften: Doppelt so viele Geschenke, doppelt so viele Kuchen und Luftballons, doppelt so viele "Hoch sollse leben!", ein Lied, das leider vom unsäglichen Häppi-Börsdeh überrannt wurde. Ich kenne niemanden, der am 29.2. Geburtstag hat. Nicht einmal einer meiner Facebook-Friends. Ich habe zurzeit 666 Freunde. Ein 29.2. kommt alle 1460 Tage. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer meiner Freunde am 29.2. Geburtstag hat? Mir fällt die Berechnung gerade nicht ein, außer dass es nicht 666 dividiert durch 1460 sein kann. Hilft es meinem Karma, diese Zahl schnell zu ändern? Den 666. Friend zu entfernen oder wahllos jemand anderen hinzufügen. Irgendjemand von den "Ich-hab-dich-bei-der-Lesung-gesehen-du-kennst-mich-nicht-aber-egal"-Anfragen? Oder soll ich der Nummer 666 Hörner anmalen und sie künftig meiden? Stattdessen werden die riesigen Pappeln in unserem Hof abgeholzt, damit dort ein Kindergefängnis für die Eigentumswohnungsbesitzer-Kinder gebaut werden kann. Ich fordere eine Frauenquote für den Holzfällerberuf. Die Linken haben aus Gründen der Frauenquote und des Antifaschismus Beate Klarsfeld fürs Bundespräsidenten-Amt nominiert, weil sie Kiesinger geohrfeigt und Nazis "gejagt" hat. Sie lebt seit 1960 in Paris. Vielleicht keine schlechte Idee – man müsste eben die Gesetzestexte nicht mehr ins Bellevue, sondern in die Rue la Boétie chauffieren. Im Gegensatz zum Stadtschreiber von Charlottenburg könnte sie sich ja aussuchen, wo sie wohnen wollte. Die Politik würde sich vielleicht etwas beruhigen. Aber dann – warum nicht gleich einen Politiker, der in Sambia lebt, oder in der Antarktis. Am besten aber – auf dem Mond.

**

370. Nacht

Dass sich die Prinzessin schon einigermaßen erholt zeigt, freut den griechischen König sehr. Und so willigt er ein, sie zum Ebenholzpferd zu führen, damit der prinz

dort den Teufel austreibe.

Vom Prinzen erfahren wir übrigens in einem Nebensatz, dass er

noch immer als Arzt gekleidet war.

Wir haben nie vorher gehört, woher er diese Kleidung erhalten habe, noch dass er mit dieser gewandert sei.

Die beiden heben ab,

und die Krieger starrten ihnen nach, bis er ihren Blicken entschwand. Der König wartete einen halben Tag lang. (…) Schließlich gab er die Hoffnung auf.

Es wäre freilich noch interessant zu wissen, welcher "König" das gewesen sein mochte. Da der Prinz an einer Stelle meint, Sassanidenprinz zu sein, wäre es durchaus möglich, dass wir es mit dem byzantinischen Reich zu tun haben. "Griechenland" also für "Christen" steht.
Der Prinz kümmert sich offenbar auch nicht darum, dass der "Weise" noch lebt, den der griechische König auf den Perser hetzen könnte.

In seiner Heimatstadt angekommen bereitet er

große Festmahle für das Volk der Stadt.

Bereitete er sie allein?

*

371. Nacht

Sein Vater aber zerbrach das Ebenholzpferd.

Seinem Schwiegervater im Jemen sendet der Prinz jährlich Geschenke und besteigt, als sein Vater stirbt, den Thron.

***

Die Geschichte von Uns el-Wudschûd und El-Ward Fil-Akmâm

Die Namen der 1001 Nächte tragen nur wenig zu unserer Namensfindung bei. Unsere Freunde und Verwandten würden wohl aufstöhnen, wenn wir unseren Sohn "Uns" nennen würden. Klingt ein wenig nach " Uns Uwe".

Die Tochter des Wesirs Ibrahim nennt sich El-Ward Fil-Akmâm. Sie ist schön;

doch liebte sie die Gelage und den Wein.

Beim jährlichen Schlagball-Spiel erscheint auch ein Jüngling namens Uns el-Wudschûd, und die beiden verlieben sich mit Blicken.
Die Wesirstochter improvisiert ein Gedicht, das sie auch zu Papier bringt und in dem es heißt:

Ja, du bist einzigartig unter allen Menschen;
"Du bist der Schönheit Herr", ist aller Zeugen Ruf.
Und deine Braue gleicht einem Nûn, dem schön geschriebenen;
Dem Sâd dein Augenstern, den der Allgüt’ge schuf.

Nûn:ن
Sâd: ص

Das Blatt hüllt sie

in ein Stück goldgestickter Seide und legte es unter ein Kissen.

Eine Kammerfrau entdeckt es und bietet ihr an, Liebesbotin zu spielen.

*

372. Nacht

Leider verliert die Kammerfrau eines Nachts einen der Briefe. Dieser wird von einem Eunuchen gefunden, der ihn dem Wesir übergibt, welcher

so bitterlich weinte, dass sein Bart von den Tränen benetzt ward.

Seine Gemahlin indes

hielt ihre Tränen zurück.

Doch der Wesir offenbart ihr, dass auch der Sultan Zuneigung zu Uns el-Wudschûd hege und er deshalb um sich selbst und um den Sultan fürchte.

Wird hier auf die Homosexualität des Sultans angespielt?

*

373. Nacht

Die Gemahlin antwortet dem Wesir:

"Warte, bis ich das Gebet um die rechte Leitung verrichtet habe!"

Nach zwei Rak’as schlägt sie ihm vor, der Tochter ein Schloss auf dem Berg Dschebel eth-Thakla im Meere von el-Kunûz zu bauen und sie dorthin zu verbannen.

Und fertig ist der Ausgangspunkt für eine Story der getrennten Geliebten. Das wird noch viele Ohnmachtsanfälle, Krankheiten und ausgeweinte Augen geben.

Mitten in der Nacht ruft der Vater zum Aufbruch, und schreibt Uns el-Wudschûd als Botschaft einen letzten Vers an die Tür. Die Karawane verschifft El-Ward Fil-Akmâm, und das Schiff wird auf Geheiß des Sultans nach Rückkehr der Leute verbrannt.
Uns el-Wudschûd jedoch findet die an ihn gerichtete Botschaft, wird wie von Sinnen, verkleidet sich und wandert aufs Geratewohl los. Als er endlich ruht, um zu trinken, nähert sich ihm ein Löwe.

Er wandte sich in die Richtung der heiligen Stadt und bereitete sich auf den Tod vor. Nun hatte er aber in den Büchern gelesen, dass der Löwe sich durch den, der ihm schmeichelt, betrügen lässt, da er durch freundliche Worte getäuscht und durch Lobsprüche besänftigt werden kann. (…) "O Löwe des Dickichts, du Leu der weiten Flur, du stolzer Held, du Meister, du Ritter, du Sultan der Tiere des Feldes, siehe, ich bin ein Liebender, verzehrt von der Sehnsucht Macht, von Liebe und Trennungsleid dem Tode nahe gebracht. (…)" Als der Löwe diese Worte vernahm, wich er von ihm zurück, setzte sich nieder auf seine Hinterbeine, hob seinen Kopf zu ihm empor und begann mit dem Schwanz zu wedeln und mit den Pfoten zu winken.

Uns el-Wudschûd improvisiert noch schnell ein Gedicht.

Als er diese Verse zu Ende gesprochen hatte, erhob sich der Löwe und kam auf ihn zu.

*

374. Nacht

Der Löwe führt Uns el-Wudschûd in die Steppe, wo er die Fußspuren der Entführer von El-Ward Fil-Akmâm findet. Er folgt ihnen bis ans Meer.

An jener Stätte gab er alle Hoffnung auf.

Er sieht keinen Menschen, und da er sich vor Tieren fürchtet,

stieg er auf einen hohen Berg,

wo er auf einen Einsiedler trifft, dem er sein Leid klagt. Dieser erwidert, er habe zwanzig Jahre lang keinen Menschen mehr gesehen, aber gestern eine Menge Leute,

die auf dem Rücken des Meeres gefahren sind.

Er rezitiert ein Gedicht, das mit folgenden Versen endet:

Drum hoffe in der Liebe auf Glück nicht ohne Qualen,
Da bei dem Glücke gleich das Unglück immer liegt.
Die Liebe hat bestimmt für ihrer Jünger Scharen:
Als Ketzerei verboten ist’s, sie nicht zu wahren.

*

375. Nacht

Nach den Versen umarmt der Einsiedler Uns el-Wudschûd, und beide weinen,

dass die Berge von ihren Klagen verhallten, und sie weinten so lange, bis sie beide in Ohnmacht sanken.

Sagte ich’s nicht?

Inzwischen ringt auch El-Ward Fil-Akmâm mit ihrer Einsamkeit. Sie lässt Vögel der Insel mit Schlingen fangen und sie in Käfige sperren, die sie an ihre Fenster hängt. Tag und Nacht rezitiert sie Gedichte.
Der Eremit indes rät unserem Helden, sich aus Fasern von Palmstämmen ein Netz zu flechten, in das er getrocknete Kürbisse legen soll. Auf dieses Floß soll er sich setzen.

"Fahre auf ihm mitten ins Meer hinaus, vielleicht wirst du dein Ziel erreichen; denn wer nicht wagt, kommt nicht ans Ziel."

Dies tut er,

und er lernte die Wunder und die Schrecken des Meeres kennen,

bis er schließlich starb und die Geschichte aus war. durstig und hungrig auf der Insel Dschebel eth-Thakla landet, wo er Wasser und Früchte findet. Schließlich gelangt er ans Schlosstor, wo er auf einen Eunuchen trifft, der ihn nach seiner Herkunft fragt. Sie stellen fest, dass beide aus

Ispahan

kommen.

Ispahan? In früheren Erzählungen war von Isfahan nicht in der französischen Schreibweise die Rede.

357. – 369. Nacht

Wird es eine solche Rolle spielen, ob Gauck Präsident wird oder nicht? An eine ähnliche Debatte erinnere ich mich nur zu Zeiten der Wahl von Roman Herzog, den man für einen erzkonservativen Hund hielt. Heute erinnert man sich noch an die Ruck-Rede, aber als konservativen Fuchs hat man ihn eher in seiner Zeit als Baden-Württembergischen Innenminister wahrgenommen. Was kann er schon tun? Dem Grundgesetz nach nicht viel. Seine Aufgaben und Befugnisse gleichen eher denen eines Notars. Aber natürlich befürchtet man reaktionäre Reden, die in pastoralem Geseiere ihre Wirkung entfalten. Herzog war als Konservativer viel zu liberal und reflektiert, als dass er in dieses Fettnäppfchen treten würde. Der Stern bezeichnet Gaucks "Eigensinnigkeit" als Vorteil für den Job. Seit wann wäre jemand für ein öffentliches Amt gerade durch ein Überwiegen des Eigensinns gegen den Gemeinsinn geeignet. "Eigensinnig und unbequem" – das war der österreichische Schnurrbartträger auch.

**

357. Nacht

Als sie von der Plage und ihrer Lust befreit ist, bleibt die Prinzessin bei dem jungen Mann

bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt und der die Freundesbande zerreißt. Preis sei Ihm, dem Lebendigen, der nimmer vergeht, und bei dem die Herrschaft auf Erden und im Himmel steht.

***

Die Geschichte vom Ebenholzpferd

Ein König

Die Breslauer Ausgabe redet von Schapûr – also wird’s in Persien spielen.

hat drei Töchter und einen Sohn. Eines Tages kommen drei Weise zu Besuch, die drei Geschenke mitbringen: Einen goldenen Pfau, der zu jeder vollen Stunde mit den Flügeln schlägt und ruft.

Kuckucksuhren sind seit dem frühen 17. Jahrhundert bekannt

Ein Messinghorn, das die Feinde erkennt, und ein Ebenholzpferd, das es einen an jeden Ort durch die Luft trägt wohin man nur will. Den ersten beiden Weisen gewährt der König einen Wunsch und sie erbitten sich eine Prinzessin. Das Pferd hingegen soll vorher noch getestet werden – und zwar vom Prinzen. Dieser steigt auf und hat schon Angst um sein Leben.

358. Nacht

Doch dann erlernt er das Fliegen beim Fliegen. Er segelt irgendwann wieder zur Erde herab und landet in einer schön gebauten Stadt. Er fliegt auf eine Dachterrasse und schwört

"Wenn Allah, der Erhabene meinem Leben noch eine Spanne Zeit gewährt und mich wohlbehalten in mein Land und zu den Meinen zurückkehren lässt und mich mit meinem Vater vereint, so will ich diesem Weisen jede Wohltat gewähren…"

Im ganzen Schloss kann er jedoch keinen Mucks vernehmen.

359. Nacht

Doch gerade da gewahrt er

eine Mädchenschar, und unter ihnen eine Maid an Schönheit reich, mit einem Wuchse dem Alif gleich.

ا

Der Prinz überwältigt den Eunuchen. Und die Prinzessin, da sie glaubt, er sei der Sohn des indischen Königs, ist erstaunt; denn dieser soll dem Vernehmen nach hässlich sein. Schreiend und sich die Kleider zerreißend rennt der Eunuch zum König, um diesem von dem Zwischenfall zu berichten. Als dieser hinzutritt, bezeugen die Sklavinnen, dass sich unser Prinz nur sittlich betragen habe.

Nun konnte der König sich nicht mehr vor Eifersucht halten, aus Eifersucht um die Ehre seiner Tochter; er hob den Vorhang empor, trat mit dem gezückten Schwerte in der Hand ein und stürzte sich auf die beiden wie ein Wüstendämon.

Inzwischen beherrscht Schehrezâd die Cliffhanger aus dem Effeff.

*

360. Nacht

König und Prinz streiten um das Gastrecht und um die Ehre:

"Wahrlich, ich wundere mich über die Kürze deines Verstandes! Sag, kannst du dir für deine Tochter einen besseren Gemahl wünschen als mich?"

Erinnert an "The Godfather". Als Michael Corleone in Sizilien um Appolonias Hand anhält, tut er das so: "There are people who’d pay a lot of money for that information… But then your daughter would lose a father …instead of gaining a husband."

Doch er fordert den König noch mehr heraus, indem er meint, am nächsten Morgen allein gegen das gesamte Heer antreten zu wollen.

*

361. Nacht

Das Heer tritt an. König und Prinz ziehen aus,

bis sie zum Blachgefilde kamen.

Das Wort Blachgefilde taucht bei Goethe und in der Ilias-Übersetzung bei Homer auf. Die Bedeutung ist mir trotzdem unklar. Blache wird auch i.S.v. Zeltleinwand benutzt. Ergibt das einen Sinn?

Als der König ihm seine Rosse anbietet, entscheidet sich der Prinz aber natürlich für das

"auf der Dachterrasse",

und der König muss glauben, nun sei der Jüngling wirklich übergeschnappt, ein Glaube, der, als er das Pferd sieht, noch verstärkt wird.

*

362. Nacht

Der Prinz steigt auf in die Lüfte und verschwindet, woraufhin die Prinzessin in schlimme Trauer verfällt:

"Bei Allah, ich will keine Speise anrühren, keinen Trank trinken, bis Gott mich wieder mit ihm vereinigt hat."

*

363. Nacht

Der Prinz segelt zurück zu seinem betrübten Vater, der den dritten Weisen inzwischen in den Kerker hatte werfen lassen. Man holt ihn wieder heraus, gibt ihm

ein Ehrengewand der Genugtuung und erwies ihm höchste Huld; doch er gab ihm seine Tochter nicht zur Gemahlin. Darüber ergrimmte der Weise gewaltig.

Eine seltsame Anwandlung für einen Weisen.

Der Prinz fliegt nach kurzer Zeit wieder zurück in die Stadt, von der er erfahren hat, dass es San’â ( Sanaa) ist. Wieder ist sein Vater betrübt und schwört bei sich, das Pferd zu vernichten, sobald der Prinz heimkehrt.

*

364. Nacht

Der Prinz entführt heimlich die Tochter aus Sanaa und gibt nichts auf das Wehklagen ihrer Eltern. Immerhin ist die Prinzessin damit einverstanden. Er führt sie

in einen Kiosk, der für seinen Vater hergerichtet war. Dort ließ er das Ebenholzpferd an der Tür stehen,

um das Schloss für den Empfang herrichten zu lassen.

*

365. Nacht

Nach meiner Planung zu Beginn dieses Unternehmens, die Erzählungen der 1001 Nächte, endlich zu lesen, hätte ich bei dieser Nacht am 31.12.2008 angekommen sein müssen.

Man lässt alles herrichten, doch als der Prinz zum Kiosk zurückkommt, ist die Prinzessin verschwunden. Die Wächter meinen:

"Wir haben niemanden diesen Garten betreten sehen außer dem persischen Weisen, der hineinging, um Heilkräuter zu sammeln."

*

366. Nacht

Der Weise war einfach dem Wohlgeruch gefolgt, und als er das Pferd sieht,

untersuchte er alle seine Teile.

Ich kann mir nicht helfen, diese Geschichte klingt irgendwie nach Renaissance-Konstruktion. Andererseits waren die Moslems wohl lange Zeit Vorreiter auf dem Gebiet der Mechanik.

Er nähert sich der Prinzessin mit der Angabe, ein Herold des Prinzen zu sein, sie aber ist zunächst von deinem hässlichen Gesicht überrascht.

"Gerade um meines hässlichen Aussehens und meiner abschreckenden Gestalt willen hat der Prinz mich für die Botschaft ausersehen, da ihn die Liebe zu dir mit Eifersucht erfüllt hat."

*

367. Nacht

Der "Weise" entführt sie bis ins Land der Griechen;

dort ließ er sich auf eine grüne Wiese nieder, wo Bäche flossen und Bäume sprossen.

Zu seinem Pech ist der König des Landes gerade bei einem Jagdausflug.

Auch ein beliebtes erzählerisches Motiv, um dem Zufall auf die Sprünge zu helfen, wenn es darum geht, in die Nähe des Herrschers zu gelangen. Es findet sich auch in Noah Gordons Phantasie-Mittelalter-Orient-Roman Der Medicus.

Die Prinzessin berichtet dem griechischen König von ihrer Entführung. Dieser lässt den Weisen ins Gefängnis werfen.

Die Jungfrau aber und das Pferd nahm der König ihm fort, obwohl er nicht wusste, was es mit dem Pferde auf sich hatte. (…) Wenden wir uns nun von dem Weisen und der Jungfrau wieder dem Prinzen zu.

Typische Wendung, die für uns umständlich wirkt. Die moderne Erzählweise ist dann doch eher zeitlich linear. Perspektivsprünge finden, wenn sie denn vorkommen, selten zeitlich parallel statt.

Der Prinz also begibt sich auf die Suche nach ihr, selbst nach Sanaa, ohne etwas von ihr zu erfahren.

*

368. Nacht

Der Prinz gelangt schließlich auch nach Griechenland. Und am Stadttor nimmt man ihn fest, und er erfährt über das Vorgefallene,

das uns in indirekter Rede in aller Ausführlichkeit noch einmal berichtet wird.

*

369. Nacht

Gegenüber dem König behauptet der Prinz, Arzt zu sein. Der König ist darüber erfreut, da die Prinzessin seit ihrer Ankunft im Wahn liegt. Freilich nur im vorgetäuschten, um nicht dem König als Sklavin dienen zu müssen. Der Prinz meint, er müsse als erstes das Pferd untersuchen, da es mit der Krankheit der Prinzessin im Zusammenhang stehe. Er untersucht es natürlich nur, um zu sehen, ob es noch heil ist. Man führt ihn zur Prinzessin und flüstert weiht er sie in seinen Plan ein.

244. Nacht – fremde europäische Länder

Europäische Länder, die ich noch nicht bereist habe:

  • Norwegen

  • Schweden

  • Island

  • Finnland

  • Dänemark

  • Estland

  • Lettland

  • Albanien

  • Moldawien

  • Serbien

  • Montenegro

  • Kosovo

  • Liechtenstein

  • Andorra

  • Monaco

  • Luxemburg

  • Rumänien

  • Bulgarien (1 x Flughafen)

  • Mazedonien

  • Kasachstan (wenn man den kleinen Zipfel dazurechnen will)

  • Irland

  • San Marino

  • Vatikanstadt

  • Slowenien

***

Die Alte kann den kastrierten Kammerherrn noch abwimmeln und Ni’ma macht sich auf den Weg, verzählt sich aber bei den Türen und landet in einem äußerst reich eingerichteten Zimmer.

Und als er so großen Reichtum schaute, wusste er nicht, was im Verborgenen für ihn geschrieben stand.

Eine Art Schicksalsbuch Gottes?

Es stellt sich heraus, dass das Zimmer der Schwester des Kalifen gehört. Diese tritt ein und fragt, wer denn das schöne Mädchen sei. Ni’ma antwortet aber mehrmals nicht. Sie wird zornig und

legte ihre Hand an Ni’mas Brust, und als sie fühlte, dass er keine Mädchenbrüste hatte, wollte sie ihm sein Gewand abnehmen.

Warum überhaupt diese Brust-Antatsch-Aktion? Wollte die Schwester des Kalifen dem fremden Mädchen Gewalt antun?

Ni’ma aber erzählt ihr seine Geschichte. Inzwischen gelangt die Alte ins Zimmer von Nu’m und man ist erschrocken, dass Ni’ma noch nicht eingetroffen ist. Doch die Schwester lädt die beiden zu sich aufs Zimmer und verspricht, alles in Ordnung zu bringen.

219. Nacht

El-Amdschad liest den Brief und ist nicht amüsiert:

"Weh dir, du elender Mohr! Bringst du die Botschaft, die Verrat birgt, von der Frau deines Herrn? Bei Allah, an dir ist nichts Gutes, du Schwarzgesicht, dessen schwarze Taten im Himmelsbuche stehen, du Kerl von hässlichem, törichtem Wesen und eklig anzusehen!"

Mit diesen Worten köpft er ihn.

Wenige Seiten zuvor wurden noch Anmut und Herzensbildung des Prinzen gelobt. Einen Befehle ausführenden kastrierten Sklaven rassistisch zu beschimpfen und ihn anschließend zu töten, spräche wohl eher dagegen.

Sowohl el-Amdschad als auch Hajât en-Nufûs können in dieser Nacht vor Kummer nicht schlafen.
Als am nächsten Tag el-As’ad auf dem Thron sitzt, schreibt ihm Königin Budûr einen Liebesbrief.

Man bedenke: Dieselbe Budûr, die vor wenigen Kapiteln noch als Jungfrau von Dämonen bewundert wurde.

Der gereimte Brief wird mit starkem Moschus eingedieselt und ebenfalls mit Haarbändern verknotet.
Auch in diesem Fall wird die Überbringerin des Briefes – eine alte Frau – geköpft.

Eine hübsche Erzähl-Parallele: Aufpasser von Kamar ez-Zamân war ein Eunuch, Budûr wurde von einer alten Frau bewacht, die ebenfalls getötet wurde.

Die Brüder berichten verschämt einander von den Briefen, die sie von der Mutter des jeweils anderen bekommen hätten und geloben einander, ihrem Vater nichts davon zu erzählen.

Aber sie unterschätzen die Listigkeit ihrer Mütter.

Diese berichten Kamar ez-Zamân bei dessen Rückkehr, es sei umgekehrt gewesen: Sie hätten Liebesbriefe bekommen und wären vergewaltigt worden.

Dass aufgrund dieser Lügen ihre Söhne nun in Lebensgefahr sind ahnen sie entweder nicht oder sie nehmen es in Kauf.

218. Nacht

Kamar ez-Zamân reitet aus, und während el-Amdschad auf dem Thron sitzt, schreibt ihm die Gattin seines Vaters einen langen, gereimten Liebesbrief.

Für dieses Verwandtschaftsverhältnis fehlt im Deutschen offenbar das Wort, denn die Stiefmutter kann es wohl kaum sein, wenn der Vater auch noch mit der Mutter verheiratet ist.

Der Brief legt sie in ein Tuch, das mit Haarbändern umschlungen wird. Ein Eunuch muss el-Amdschad diesen Brief bringen.

205. Nacht

Budûr liest die Nachricht und wird im Nu gesund. Sie improvisiert ein Gedicht.

Nach diesen Worten erhob sich die Herrin Budûr alsbald, presste ihre Füße fest gegen die Mauer und zerrte mit der ganzen Kraft an dem eisernen Ring, bis sie ihn am Halse zerbrochen und auch die Kette zerrissen hatte.

Erinnert an Zampanos Kettentrick in "La Strada".

Dann eilte sie hinter dem Vorhange hervor, war sich Kamar ez-Zamân entgegen und küsste ihn auf den Mund, gleichwie die Tauben sich schnäbeln.

Der Eunuch berichtet dem König von der Heilung. Dieser geht zu ihr.

Als sie ihn erblickte, sprang sie auf, verhüllte ihr Haupt…

Unklar: Hauptverhüllung vor dem eigenen Vater, während sie sich vor "Sterndeuter" und Eunuch unverhüllt zeigen darf!

Kamar ez-Zamân berichtet nun dem König seine ganze Geschichte, und der König lässt die beiden sich vermählen.

Und in selbiger Nacht ruhte Kamar ez-Zamân bei ihr und erreichte bei ihr das Ziel seiner Wünsche; und auch sie stillte ihr Verlangen nach ihm und genoss seine Schönheit und Anmut.

Nach einiger Zeit erblickt Kamar ez-Zamân jedoch seinen Vater im Traum, der ihn mahnt.

204. Nacht

Kamar versucht, die Prinzessin zu heilen, ohne direkt in ihr Gemach zu gehen.

Verwundert über seine Worte entgegnete der Eunuch: "Wenn du sie von hier aus heilest, so ist das ein größerer Beweis deiner Vortrefflichkeit."

Kamar ez-Zamân setzt sich nieder, lässt sich Schreibzeug bringen und beginnt gereimte Prosa und Verse zu schreiben, u.a.

Ich schreibe, und mein Herz begehrt nur dein zu denken,
Das Auge ist mir wund vom Blute, das es weint.
Den Leib bedeckt das Feuer der Sehnsucht und er Trauer
Mit einem Hemd der Hagerkeit, dem Leid sich eint.
Ich klage die Liebe an bei dir, seit sie mich peinigt
Und der Geduld ist mir die Stätte weggerafft:
Sei huldvoll, hab Erbarmen, bezeuge deine Neigung:
Mein Herze ist zerrissen durch der Liebe Kraft.

Allein Kamar ez-Zamâns gereimte Unterschrift ist eine Seite lang.

Und zuletzt schrieb er auf die Rückseite des Briefes

Ich sende deinen Ring, den ich einst eingetauscht,
Als wir uns nahe waren, schick du mir deinen Ring.

Der Eunuch spielt nun den Postillon d’amour.

203. Nacht – Freuds Witz

Regal Religion, Psychologie, Ökonomie

Elftes Buch von links

Sigmund Freud: "Der Witz"

Erworben: ca. 1997 in einem Antiquariat
Status: Gelesen, einige Passagen übersprungen.
Erster Satz: "Wer einmal Anlass gehabt hat, sich in der Literatur bei Ästhetikern und Psychologen zu erkundigen, welche Aufklärung über Wesen und Beziehungen des Witzes gegeben werden kann, der wird wohl zugestehen müssen, dass die philosophische Bemühung dem Witz lange nicht in dem Maße zuteil geworden ist, welches er durch seine Rolle in unserem Geistesleben verdient."
Kommentar: Freud ist natürlich wie immer recht unterhaltsame Lektüre, wenn man ihn nicht zu ernst nimmt. Das Wesen von Witz und Komik hat wohl kaum ein bedeutender Autor so unzutreffend beschrieben wie Freud. Aber immerhin versucht er, auch hier seine immer noch neue Wissenschaft, die Psychologie, anzuwenden.

**

Kamar ez-Zamân lässt sich weder von den Bewohnern der Stadt abbringen noch vom König, der ihn vorlädt und selber warnt:

"Um Gottes willen, mein Sohn, wenn du kein Sterndeuter bist, so setze dein Leben nicht aufs Spiel und geh nicht auf meine Bedingung ein! Denn ich habe es mir zur Bedingung gemacht, dass ich einem jeden, der zu meiner Tochter hineingeht und sie nicht heilt, den Kopf abschlagen lasse; aber wer nur immer sie gesund macht, den will ich mit ihr vermählen. Lass dich durch deine Schönheit und Anmut nicht irreführen; bei Gott, bei Gott, wenn du sie nicht heilst, so werde ich dir den Kopf abschlagen lassen!"

Ein wesentlich angenehmerer König als Kamar ez-Zamâns Vater. Er lässt dem Jüngling noch einen Ausweg.

Auch der Eunuch warnt ihn.

195. Nacht

Die Wogen treiben Marzuwân nun zufälligerweise genau unter den Palast des Prinzen, wo

ein Eunuch ihm die Fliegen verscheuchte.

König, Wesir und Würdenträger sind ebenfalls anwesend. Und der Wesir entdeckt durchs Fenster den Gestrandeten. Er bittet, diesen retten zu dürfen:

"… vielleicht wird Allah dessentwillen deinen Sohn aus seiner Not befreien."

Der König bleibt misstrauisch und fürchtet, der Halbertrunkene könne sich über ihn und seinen Sohn lustig machen. Wenn dies geschähe, würde er den Wesir köpfen,

"… denn du, Wesir, bis die Ursache all dessen, was uns widerfahren ist, von Anfang bis zu Ende."

Welch ein Horror, solch einem Vorgesetzten dienen zu müssen.

Tatsächlich rettet er Marzuwân, dessen Leib voller Wasser ist und dessen Augen bereits hervorquellen:

"Wisse, ich bin die Ursache deiner Errettung vor dem Ertrinken gewesen, sei du nun nicht die Ursache deines und meines Todes."

193. Nacht – Randy Dixon – Im Moment

Elftes Buch von rechts

Randy Dixon: "Im Moment. Theaterkunst Improtheater Reflexionen und Perspektiven"

Erworben: ca. 2002
Status: In einem Ruck durchgelesen. Dann immer wieder abschnittsweise.
Erster Satz: "Zwei Improspieler betreten an einem Samstagabend die Bühne."
Kommentar: Dieses Buch beschäftigt sich vor allem mit Storytelling in Langformen: Wie erschaffen wir klare Geschichten und bleiben dabei leicht und im Moment, ohne vorauszudenken. Völlig unklar, warum dieses Buch, dessen Autor einer der führenden Impro-Theoretiker ist, nicht in den USA publiziert wurde. Im Literaturteil empfiehlt Dixon Stephen Nachmanovitch: "Free Play. Improvisation in Life and Art". Im Frühjahr 2003 fand ich dann dieses Buch in einem Chicagoer Buchladen. Es sollte mein Leben verändern. Und schließlich übersetzte ich es. Es erschien bei O.W. Barth unter dem Titel Das Tao der Kreativität.

**

Prinzessin Budûr rastet, als die Alte darauf besteht, es habe keinen Jüngling gegeben, regelrecht aus:

Sie zückte ein Schwert, das sie bei sich hatte, traf die Aufseherin damit und schlug sie tot.

Lehre für die Väter jugendlicher Töchter, die ihre Emotionen nicht im Griff haben: Schwerter unter Verschluss halten.

Der Eunuch aber und die Sklavinnen und Nebenfrauen schrien über sie, eilten zu ihrem Vater und taten ihm kund, was mit ihr geschehen war.

Man legt ihr eine Kette um den Hals und schließt sie am Fenster des Palastes an. Der König ruft Ärzte, Sterndeuter und Talismanschreiber um Hilfe.

Unklarer Beruf: Talismanschreiber

Keiner kann helfen, und er bestraft sie entsprechend:

Und so geschah es denn, dass er alle, die zu ihr gingen und sie nicht heilten, enthauptete und ihre Köpfe vor dem Tore des Palastes aufpflanzen ließ, bis er um ihretwillen vierzig Ärzte hatte köpfen und vierzig Sterndeuter hatte kreuzigen lassen; da hielten sich alle von ihr fern.

Prinzessin Budûrs Milchbruder Marzuwân kehrt von einer Reise zurück und will sie wiedersehen. Seine Mutter lässt ihn sich als Mädchen verkleiden und beredet den Eunuchen, der sie gewähren lässt.

Angeblich gilt aber das Einandersehen-Verbot nicht für Milchgeschwister, weshalb ja auch kürzlich eine Fatwa erlassen wurde, die das Stillen von Erwachsenen für islamisch erlaubt erklärt, damit nichtverwandte Männer und Frauen in denselben Büros aufhalten können. Unverständlich also der Aufwand, der hier getrieben wird.

Marzuwân erkennt, dass seine Milchschwester liebeskrank ist.

187. NAcht

Der Sklave meint nun, er würde Kamar ez-Zamân die
Wahrheit berichten, müsse aber erst seine zerrissenen Kleider ordnen. Direkten
Wegs läuft er zum König, der mit dem Wesir im Gespräch ist und berichtet ihm,
sein Sohn sei wahnsinnig geworden. König Schehrimân erzürnt und befiehlt seinem
Minister, die Sache aufzuklären. Der Wesir geht zu Kamar und dieser flippt
wieder aus.

186. Nacht

Für die Dämonin Maimûna scheint der Fall gelöst:

"Hast du gesehen, Verfluchter, wie stolz und zurückhaltend mein Geliebter gehandelt hat, und wie leidenschaftlich sich deine Geliebte an meinen Geliebten gedrängt hat? Kein Zweifel, mein Geliebter ist schöner als deine Geliebte, doch ich vergebe dir."

q.e.d.

Auf Befehl von Maimûna tragen Kaschkasch und Dahnasch die Prinzessin zurück.
Am nächsten Morgen verlangt Kamar ez-Zamân vom Eunuchen, ihm die Jungfrau zu bringen. Dieser weiß natürlich nicht, wovon die Rede ist. Kamar ergrimmt:

Du Verfluchter, mein Vater hat dich das Betrügen gelehrt, Komm her!" Nun trat der Eunuch an Kamar ez-Zamân heran; der packte ihn an seinem Kragen und warf ihn zu Boden, wobei dem Erschrockenen ein Wind entfuhr.

Kamar ez-Zamân fesselt ihn und lässt ihn in den Brunnen hinab, so dass er Ertrinkensängste erleidet.

Eine effektive Foltermethode auf die die US-Streitkräfte gut 1.000 Jahre später im Irak und auf Guantánamo zurückgreifen.

135. Nacht

Es gelingt der Alten, den Eunuchen einzuschüchtern, und so wird sie selbst zur Türhüterin, während sich Tâdsch el-Mulûk mit Dunja amüsiert

mit Armen umwunden und innigst verbunden.

Am Morgen wird er in ein anderes Zimmer geschickt, damit Dunja mit ihren Sklavinnen spielen kann.

Und in dieser Weise blieben sie einen Monat beieinander.

Azîz und der Wesir fürchten nun, dass man Tâdsch el-Mulûk gefangen genommen habe und kehren zu dessen Vater Sulaimân Schâh zurück, der gleich nichts besseres zu tun hat, als zum Heiligen Krieg zu rüsten.

mit einem Heere so groß, dass es den Horizont versperrte

Gewalt, um es mit Michael Stein zu sagen, ist nichts weiter als beschleunigter Dialog. Oder systemtheoretisch gesehen: Wer aus den Kommunikationssystemen ausgeschlossen ist, dem bleibt noch der Zugriff zum Körper. Nun kann man beim König wohl nicht von Exklusion sprechen, eher von fehlender Evolution der entsprechenden symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien oder aber auch einfach von Inkompetenz, diese anzuwenden.

In der Zwischenzeit überreicht der Vorsteher der Goldschmiedezunft dem König Schehrimân ein goldenes Kästchen, welches dieser der Prinzessin bringen lässt. Der Eunuch Kâfur findet dabei unser Paar in flagranti. Flugs wird er vor den König gebracht, der befiehlt, ihn zu enthaupten. Der Scharfrichter zögert noch…

Bemerkenswert in diesem Beruf.

Doch der König droht ihm, ihn selbst zu enthaupten, und so hebt der Scharfrichter den Arm,

bis das Haar unter der Achsel sichtbar ward.

134. Nacht

Selbst die Absagen einer Prinzessin werden noch in Verse gekleidet, die das Flirtfeuer am Lodern halten:

O der du um die Schläge des Schicksals dich nicht kümmerst,
Dir ist der Weg, der zur Vereinigung führet versagt!
Ja, glaubst du den, Vermessner, du könntest die Suhâ gewinnen,
Und kannst den Mond nicht erreichen, der hell am Himmel ragt?
Wie kannst du nur auf mich hoffen und denken, dich mir zu nahen,
Auf dass die Freude den schlanken Leib zum empfangen dir blüht?
Lass ab von diesem Plan aus Furcht vor meinem Zorne
An einem finsteren Tage, der graue Scheitel zieht.

Zur Erklärung der Metapher: Suhâ ist der altarabische Name für einen mit bloßem Auge nur schwer erkennbarer Stern im Sternbild "Großer Bär", auch Alkor genannt.

Suha Reiterlein

Tâdsch el-Mulûk schreibt einen neuen Brief, und auch diesen überbringt die Alte:

"Ich habe doch mein Leben mit List und Trug verbracht, bis ich neunzig Jahre alt geworden bin; wie sollte ich da nicht zwei vereinen können, auch wenn es eine Sünde ist?"

Nach europäischem Sonnenjahr gerechnet ist sie allerdings "erst" 87 Jahre alt.

Sie wagt es nicht, den Brief Dunja persönlich zu überbringen, verbirgt ihn in ihrem Haar und bittet die Prinzessin, ihr die Haare zu lausen.

Die Prinzessin laust die Dienerin – ein bemerkenswertes Dienerverhältnis.

Wieder schreibt die Prinzessin eine Ablehnung, und wieder der Prinz einen Liebesbrief. Doch diesmal rastet die Prinzessin Dunja aus:

"An allem, was mir widerfährt, ist diese Unglücksalte schuld! (…) Packt diese verfluchte Alte, die Ränkeschmiedin, und schlagt mit euren Sandalen auf sie ein."

Man wirft sie vor die Tür, doch nachdem sich die Alte erholt hat, geht sie wieder zu Tâdsch el-Mulûk, der sich nach dem Grund für den Männerhass von Dunja erkundigt.

Es läge, so die Alte, an einem Traum, den Dunja als junges Mädchen gehabt habe. In dieser fabelartig angelegten Story, hilft eine weibliche Taube dem Täuberich, aus dem Netz des Vogelfängers zu entkommen. Als das Weibchen jedoch in dieselbe Situation kommt, lässt sie der Täuberich im Stich, was die Prinzessin zu dem Urtail kommen lässt:

"Ein jeder Mann ist wie dieser Täuber; an ihm ist nichts Gutes, und an allen Männern ist nichts Gutes für die Frauen!"

Billiger als Freud.

Man beginnt nun, an einem Plan zur Überlistung der Prinzessin zu spinnen. Den Laden verschenkt Tâdsch el-Mulûk an Azîz. Die beiden gehen mit dem Wesir zum Garten, in dem sich die Prinzessin alle zehn Tage aufhält und bestechen den Gärtner, ihnen den Garten zu zeigen. Der Wesir bestellt nun Anstreicher, Maler und Goldschmied und gibt ihnen den Auftrag, ein Triptychon zu erstellen, das den Traum der Prinzessin nachstellt, ergänzt um eine Szene, die darstellt, dass der Täuber nicht kommen konnte, da er von einem Raubvogel gefangen wurde.
Die Nacht des Wartens vertreibt Azîz dem Tâdsch el-Mulûk durch Gesänge:

Es meinte Avicenna bei Leitsätzen seiner Lehre,
Für Liebeskrankheit wäre die Arzenei der Sang,
Die Nähe einer Maid, die der Geliebten gleiche,
Dazu ein edler Garten, Naschwerk und Trank.
So nahm ich denn einmal eine andre als dich, zur Genesung,
Als Zeit und Möglichkeit mir ihren Beistand liehn:
Doch ich erkannte, die Liebe ist eine tödliche Krankheit,
Und nur Gefasel ist Avicennas Medizin.

Das würde die Gesamtgeschichte zeitlich eingrenzen, da Avicenna (ابو علی سینا‎) erst um 1000 zu wirken begann, und sein Ruhm erst ab 1025 begann.

Die Prinzessin hat sich inzwischen wieder in ihrem Zorn gegen die Alte beruhigt und lässt sie rufen, da sie nur mit dieser im Garten zu spazieren pflegt. Tâdsch el-Mulûk legt sich inzwischen sein königliches Gewand an, verbirgt sich im Garten und wartet auf ein mit der Altenverabredetes Zeichen. Trickreich überredet die Alte die Prinzessin, die Eunuchen fortzuschicken. Tâdsch el-Mulûk verfolgt das Mädchen mit seien Blicken.

Doch sooft er sie nur sah, wurde er durch den Anblick ihres strahlenden Liebreizes ohnmächtig.

Alte und Dunja kommen an dem Triptychon vorbei, Dunja ändert sofort ihre Meinung zu Männern. So konditioniert erträgt sie auch leicht den Anblick des Tâdsch el-Mulûk, der nun hervortritt und ebenso schnell wieder verschwindet. Die Sehnsucht ist geweckt. Sowohl Prinz als auch Prinzessin versprechen der Alten 1000 Dinare und ein Ehrenkleid, falls die Vereinigung gelingt. Sie hilft Tâdsch el-Mulûk am nächsten Tag, in den Palast zu gelangen, indem er sich als Frau verkleidet und den Gang der Frauen lernt. Doch als sie ihn in die Gemächer der Prinzessin leiten will, stellt sich ihnen der Obereunuch in den Weg.

126. Nacht

Die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" will unseren Helden Azîz natürlich nicht ohne Grund schlachten:

"Ich muss an dir eine Spur hinterlassen, zum Schmerze für jene schamlose  Metze, die dich von mir ferngehalten hat."

Die Sklavinnen fesseln ihn, holen eine Pfanne und braten Käse an.
Der Vers der Base kann die "Tochter der listigen Ränkeschmiedin" immerhin noch dazu bewegen, von der Ganzkörperschlachtung Abstand zu nehmen:

Sie band einen Strick um meine Hoden; die Enden des Stricks nahm sie in die Hand, reichte sie zwei Sklavinnen und befahl ihnen, daran zu ziehen. (…) Nun trat sie mit einem scharfen Rasiermesser an mich heran und schnitt mir das Glied ab, so dass ich nunmehr wie ein Weib war.

Azîz kriecht zurück zum Haus seiner Gattin, die als sie entdeckt, dass er entmannt wurde, ihn zur Tür hinauswirft.

75. Nacht

Nachdem Dau el-Makân, immer noch nichts ahnend, ein weiteres Gedicht improvisiert hat, schiebt seine Schwester Nuzhat ez-Zamân den Vorhang der Sänfte beiseite.

Sie aber warf sich ihm entgegen, und er riss sie an die Brust, und beide fielen ohnmächtig nieder. Als der Eunuch die beiden so sah, da staunte er, warf eine Decke über sie und wartete, bis sie wieder zu sich kamen.

Das ständige In-Ohnmacht-Gefalle der Protagonisten ist schon beachtlich. Es erinnert an bürgerliche Damen des 19. Jahrhunderts (bzw. aus Romanen des 19. Jahrhunderts), bei denen aber unzureichende Bewegung auch eine Rolle gespielt haben dürfte. Natürlich kann man auch spekulieren, ob diese kurzen Bewusstlosigkeiten nicht auch antrainiert sind, eine Art psycho-soziale Konditionierung: Man fällt in Ohnmacht, "weil es sich so gehört".
Dass diese Anfälle nicht so schlimm sein können, beweist der Eunuch, der lakonisch die Decke über die beiden wirft und wartet, anstatt beispielsweise lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Dennoch bleibt es unklar, ob es sich eher um ein Synkope (Kurzes Wegtreten) oder um eine längere Bewusstlosigkeit handelt.

Das Zwillingspaar berichtet einander über die Ereignisse der letzten Monate, und Dau el-Makân nimmt es erstaunlich gelassen hin, dass sein Bruder Scharkân die Schwester schwängerte. Der Kammerherr (inzwischen schließlich der Gatte von Nuzhat ez-Zamân) tritt hinzu und erfährt nun zum ersten Mal, mit einer Königstochter verheiratet zu sein:

und so sprach er bei sich selber: "Mein Geschick wird sein, dass ich Vizekönig werde in irgendeiner Provinz."

Zu hohe Hoffnungen, vor allem gepaart mit Gier, sind eine Steilvorlage für Tragödien. Man darf gespannt sein, welche Rolle diese Hoffnung noch spielt.

Dau el-Makân wird fürstlich bewirtet und erhält ein fürstliches Ross. Der Eunuch erhält Anweisung, für den Heizer zu sorgen.

74. Nacht

Eine gewisse ironische Wendung nimmt die Geschichte, als Dau el-Makân ohne es zu wissen die eigen Schwester beschimpft, nachdem der Eunuch ihn bittet, ihn zu seiner Herrin zu begleiten:

"Woher ist denn diese Hündin, die nach mir sucht? Gott verfluche sie und verfluche mit ihr ihren Gatte!"

Da es dem Eunuchen verboten wurde, Gewalt anzuwenden, überredet er Dau el-Makân mit den 1000 Dinaren und der Aussicht auf weitere Geschenke.

Der alte Onkel-mit-Bonbons-Trick.

Der Heizer aber schlich hinter ihm her und behielt ihn im Auge, indem er bei sich selber sprach: "Wehe um seine Jugend! Morgen werden sie ihn hängen."

In der Nähe von Nuzhat ez-Zamân wird er aufgefordert, weitere Verse zu rezitieren, und als sie seine Stimme vernimmt,

schluchzte sie noch heftiger als zuvor.

Dau el-Makân:

"… ich bin von allen getrennt; aber die liebste von ihnen war mir meine Schwester, die mir das Schicksal entriss. Als Nuzhat ez-Zamân seine Worte hörte, schwieg sie eine Weile, dann rief sie aus: "Allah der Erhabene vereinige ihn wieder mit der, die er liebt!"

Unklar hier: In welcher räumlichen Situation befinden sie sich? Sitzt Nuzhat ez-Zamân in der Sänfte oder in einem Zelt? Wie ist überhaupt das Lager organisiert, wenn die Karawane rastet und nächtigt? In der 73. Nacht wurde angedeutet, dass Wächter durch das Lager patrouillieren und jeden ergreifen, der nicht an seinem Platz bleibt. Befindet sich das Lager außerhalb oder innerhalb der Stadt?

73. Nacht

Nervös macht sich der Eunuch nun auf die Suche nach dem die Nachtruhe störenden Rezitator. Der Einzige, den er wachend findet, ist der Begleiter von Dau el-Makân, der Heizer,

den er mit unbedecktem Kopfe dasitzen sah.

Welche Art von Indiz das sein soll, ist unklar. Zu welchem Anlass nimmt man denn die Kopfbedeckung ab?

Der Heizer streitet abermals ab, der Verfasser der Verse zu sein.

Darauf küsste er dem Eunuchen das Haupt und sprach ihm gut zu, bis dieser ihn verließ.

Eine etwas aus der Mode gekommene Praxis: Einen Ordnungshüter aufs Haupt küssen um ihn zu besänftigen.

 woraufhin sich der Eunuch versteckt, da er es nicht wagt, ohne Dichter zu Nuzhat ez-Zamân zurückzukehren. Und wieder beschwört der Heizer den aus der Ohnmacht erwachenden Dau el-Makân, mit dem Rezitieren aufzuhören. Ohne Erfolg:

Ich weise jeden Tadler zurück;
Denn sein Tadel quälte mich.
Er schilt mich, aber das weiß er nicht:
Durch sein Gebaren reizte er mich.
Verleumder sprachen: "Er fand Trost."
"Durch Liebe zur Heimat", sagte ich.
Sie fragten: "Was ist schön an ihr?"
Ich sprach: "Was trieb zur Liebe mich?"
Sie fragten: "Was macht sie so wert?"
Ich sprach: "Was trieb ins Elend mich?"
Von ihr zu lassen – das sei fern,
und tränkte der Kelch des Leidens mich!
Auf einen Tadler höre ich nicht,
Schilt er wegen Liebe mich.

Der Eunuch tritt auf Dau el-Makân zu, und beide begrüßen sich höflich.

72. Nacht

Der Einzige, den der Eunuch wach findet, ist der Heizer, von dem Dau el-Makân begleitet wird. Gefragt, ob er es gewesen sei, der die Verse rezitierte oder ob er den Rezitator sah, streitet er aus Angst ab. Nachdem sich der Eunuch verzogen hat, erwacht Dau el-Makân, und der Heizer ermahnt ihn, nun doch still zu sein:

"Mein Lieber, als du in Ohnmacht lagst, kam der Eunuch mit einem langen Stab aus Mandelholz in der Hand." 72

Dau el-Makân scheint nun besessen zu sein:

"Wer sollte mir verbieten, Verse zu sprechen? Ich tue es doch, komme, was da kommen will; denn ich bin dicht bei meiner Heimat und kümmere mich um niemand."

Selbst die Mahnung, dass alle anderen gerade ihre wohlverdiente Nachtruhe halten, kann unseren jungen Helden nicht abhalten:

Wir lebten dahin; uns waren die Tage Diener des Glückes,
Im schönsten Lande umfing uns innigste Einigkeit.
Wer kann das Haus meiner Lieb mir wiederbringen, darinnen
"Das Licht des Ortes" weilte und auch die "Wonne der Zeit". 72

Nach diesen Versen schrie er laut dreimal, dann fiel er ohnmächtig zu Boden.

Bei aller Liebe zu selbstverfasster Lyrik: Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass sich jemand derart an den eigenen Gedichten aufgeilt.

Und wieder schickt Nuzhat ez-Zamân den Obereunuchen in die Spur, den Sänger zu finden, diesmal mit der Drohung, den Eunuchen verprügeln zu lassen, wenn er ohne Sänger käme und mit einhundert Dinaren, die er dem etwaigen Sänger geben solle.

 

72 Warum der Eunuch ausgerechnet einen Stab aus Mandelholz bei sich führt, konnte ich nicht eruieren. Auf jeden Fall handelt es sich um wertvolles Hartholz, das sich als Material für Prügelwaffen ganz gut einsetzen lässt.

Die letzte Zeile des Gedichts muss als Anspielung auf die Namen des Geschwisterpaars Dau el-Makân und Nuzhat ez-Zamân verstanden werden.

39. Nacht

Die beiden Kinder des Kaufmannes erben unter anderem

hundert Kamellasten von Seidenstoffen, Brokaten und Moschusblasen; und auf jedem Ballen stand geschrieben: "Dies ist bestimmt für Baghdad."

Ghânim ibn Aijûb reist nun tatsächlich nach Bagdad, um dort Handel zu treiben. Seine Reise ist glücklich. Nach einer Ruhepause begibt er sich mit einem Stoffballen zum

Laden des Marktvorstehers, dem er das Bündel übergab. Der öffnete es, zog die Stoffe hervor und verkaufte sie mit einem Nutzen von zwei Dinaren auf jeden Dinar des Einkaufspreises.

Diese Makler- und Marktvorsteherfunktion wird mir nicht so recht klar: Was ist denn dessen Funktion? Ist es die Glaubwürdigkeit? Wird der Marktvorsteher nur in bestimmten Fällen aktiv?
Außerdem unklar: Der "Nutzen von zwei Dinaren" – Ist das der Gewinn oder der Erlös?

Er tat so ein volles Jahr lang.

Nach einem Jahr findet er den Basar verschlossen, weil einer der Kaufleute verstorben ist. Man bewegt ihn dazu, zur Trauerfeier mitzugehen. Als die Gruppe ankommt, sehen sie,

dass die Verwandten des Verstorbenen über der Gruft ein Zelt errichtet und es mit Lampen und Wachskerzen versehen hatten.

Seltsamer Brauch: Zelt über der Gruft.

Die bislang größte Trauerfeier an der ich teilnehmen durfte, war 1997 in Ghana. Ähnlich wie der Held dieser Geschichte, wurde ich da hineingezogen, ohne zu wissen, was mich erwartete: Der Onkel einer Kollegin, ein Dorf-Häuptling, hatte das Zeitliche gesegnet. Und da er recht populär war, fanden sich zirka 2.000 Menschen zu seiner Beerdigung ein. Für die Anwesenden war es eine besondere Ehre, dass sich auch ein Deutscher eingefunden hatte. Man bekam 1/8 Apfel als Leichenschmaus. Das Merkwürdigste aber: Ich habe zu keinem Zeitpunkt einen Sarg oder eine Urne gesehen. Ich weiß bis heute nicht, wo der Verstorbene beerdigt wurde.

Ghânim ibn Aijûb ist in Sorge über sein Haus, das vielleicht von Räubern überfallen werden konnte. Als er sich endlich frei machen kann, schafft er es doch nicht mehr rechtzeitig: Die Tore der Stadt sind verschlossen.

Er fand ein Heiligengrab: vier Mauern schlossen es ein, drin war ein Palmbaum, und es hatte ein Tor aus hartem Stein. Und da das Tor offen stand, ging er hinein.

Er kann nicht einschlafen, geht noch einmal hinaus und entdeckt einen Lichtschein, der sich auf ihn zubewegt. Aus Angst klettert er auf die Palme. Zum Glück, denn es sind drei schwarze Sklaven namens Kafûr, Sawâb und Buchait.

Und bisher haben schwarze Sklaven noch immer Unglück über die Helden unserer Erzählungen gebracht.

Sie wundern sich über das verschlossene Tor, aber Buchait meint:

"Wie dumm seid ihr! Wisst ihr nicht, dass die Besitzer der Gärten öfters von Baghdad aus hierher kommen? Wenn dann der Abend sie überrascht, so treten sie hier ein und schließen das Tor, aus Furcht, Schwarze wie wir könnten sie fangen, braten und verzehren.

Kannibalismus als weiteres Laster schwarzer Sklaven, neben der bisher erwähnten Gier, Hinterhältigkeit, Hurerei und Schmutzigkeit.

Nun klettert einer über die Mauer, öffnet den beiden, und da sie müde sind, lassen sie die Arbeit ruhen (und offenbar auch den Gedanken an etwaige Eindringlinge auf der Palme) und erzählen sich die Geschichten über ihre Entmannung.

Die Geschichte des Eunuchen Buchait

Buchait wurde im Alter von fünf Jahren aus seiner Heimat geraubt und einem Unteroffizier verkauft. Als Kind darf er mit dessen Tochter spielen. Als er zwölf Jahre alt ist und sie zehn, kommt sie aus dem Bad. Es folgt die bisher drastischste Beschreibung einer sexuellen Beziehung:

Nun begann sie mit mir zu spielen und ich mit ihr. (…) So richtete sich mein Glied auf, bis es einem großen Schlüssel gleich ward. Sie stieß mich zu Boden, so dass ich auf den Rücken fiel, setzte sich mir rittlings auf die Brust und fing an sich auf mir herumzuwinden, bis mein Glied entblößt war. Als sie es aufrecht dastehen sah, nahm sie es in die Hand und begann damit, vor ihrer Hose an den Lippen ihrer Scham zu reiben. (…) Und ehe ich mich dessen versah, zerriss mein Glied ihr die Hose und vernichtete ihr Mädchentum.

Die Sache wird dem Vater verschwiegen, und die Mutter des Mädchens gibt vor, die Angelegenheit zu vergessen, bis zum Tag der Hochzeit, als man den Sklaven schnappt und "verschneidet".

In der Hochzeitsnacht schlachteten sie eine Taube und sprengten Blut in ihr Hemd.

Die Geschichte des Eunuchen Kafûr

Der Makel des noch kindlichen Sklaven Kafûr besteht darin, dass er jedes Jahr einmal lügt. Doch ein Kaufmann erwirbt ihn dennoch für 600 Dirhems. Als eines Tages der Kaufmann mit seinen Kollegen speist, befiehlt er dem Sklaven aus seinem Hause etwas zu holen. Dort angekommen, behauptet er, der Kaufmann sei von einer umstürzenden Mauer erschlagen worden. Angesichts dieser Botschaft verzweifelt die Gattin es Kaufmanns und beginnt das Geschirr zu zerdeppern,

zerbrach die Fenster und Läden, beschmierte die Wände mit Lehm und blauer Farbe und rief: "Heda, Kafûr! Komm, hilf mir und reiß den Schrank um, zerbrich die Gefäße und dies Porzellan und alles andere dazu!"

Er gehorcht, und nun erfahren auch die Freunde und Verwandten vom angeblichen Unglück.

Und sie folgten mir mit unverschleierten Gesichtern und unbedeckten Köpfen.

So ziehen sie zum Präfekten, um ihm alles zu berichten.