Lernen

Man lernt mit Freude, Lachen und Genuss,
probiert das Denken, saugt das Wissen auf.
Doch nimmt das Lernen einen andren Lauf,
sobald man plötzlich dann zur Schule muss.

Im Gleichschritt lernen Girls und Boys.
Friss unsre Dogmen wie ein blödes Vieh.
Was du nicht heute lernst, das lernst du nie:
Binäres Denken und Multiple Choice,

Es streiten Bundesländer, Ministerien.
Es kämpfen Lehrer gegen Ma und Pa.
Der Rektor schließt die Tür: „Ich bin nicht da.“

So büffle weiter abends, in den Ferien.
Die Schulen voller Langeweile sind.
Das kannst du nicht verstehn, du bist ein Kind.

An den Zauderer

Schon klar, du willst es nicht versauen,
doch brauchst du erst mal Selbstvertrauen.

Wer zögert, fängt nie an zu bauen.
Beruhige dich, hab Selbstvertrauen.

Sonst werden sich die Zweifel stauen.
Du bist genug. Hab Selbstvertrauen.

Du wirst am Scheitern nicht lang kauen.
Nun lächle dich ins Selbstvertrauen.

Dann wird die Starre auch bald tauen,
denn nur durchs Tun wächst Selbstvertrauen.

Geheimnis

Im Frühling kamen sie sich nah.
Dezember, und das Kind war da.
Allein entbunden.
Der Vater sitzt derweil im Knast.
Sie nährt’s und pflegt’s und zählt die langen Stunden.
„Nun sag uns schon, von wem du’s hast.“
„Fragt nicht. Ich will doch mein Geheimnis hüten.“
Ist keiner, dem sie traut, noch hier,
nur Beff, ihr gelbes Kuscheltier.
Solln doch die Eltern wüten.
Der Knabe wird sechs Jahre alt.
Es kommt der Vater heim, sein Lachen schallt.
Er nimmt das Kind kurz auf den Schoß.
Dann muss er wieder los.

Gesicht

Ich glaub nicht, was ich sehe.
Ich fühl nicht, wo ich stehe.
Weiß nur, du bist bei mir.
Bedrückt von den Geräuschen,
die mich ja auch nur täuschen,
sie führn mich aus dem Jetzt und Hier.

Was ich auch riech und schmecke
– egal, den ich verrecke.
Das ist mein letzter Sieg.
Ihr Halluzinationen
wollt mich wohl bald verschonen,
wenn ich in meiner Urne lieg.

Krim1991

Der Dampfer fährt uns um die halbe Insel.
Gleich einem Bären ragt der Fels ins Wasser.
Auf einer harten Bank ruht der Verfasser.
Man hört von ihm der Seekrankheit Gewinsel.

Gursuf! Von Bord zum hübsch bescheidnen Schmause
mit Schaschlik, Portwein. Meine Freunde: Russen.
Zurück ins Camp in lebensmüden Bussen.
Dies schreib Jahrzehnte später ich zuhause.

Lied des Gleichmütigen

Trotz eures Hasses Glut
hab ich den Blick zum Wölkchen mir bewahrt.
Trotz eurer kreischen Wut
bleibt meine Stimme, wenn ich spreche, zart.

Im allerbeißten Schmerz
weiß ich, dass leise sie am Himmel zieht.
Geh ich schon höllenwärts,
so singt in mir doch tröstlich weich ihr Lied.

So bös ihr’s mit mir meint,
ich selber doch nichts böse meinen darf.
Und hab ich auch geweint,
ich weiß, die Sonne küsst das Schwebeschaf.

(Danke, Danke, Danke)

Danke, danke, danke!
Meine Lieb nie wanke.
Hast getröstet mich, gepflegt
und begleitet unentwegt.
Auf dem allerhöchsten Thron:
Unsre Kooperation,
die nur der begreifen kann,
der sie selber hat getan.

Danke, danke, sei bedankt.
Meine Lieb hat nie gewankt.
Wen auch immer man befragt,
jeder Gutes von uns sagt.
Liebe dich von A bis Z,
und jetzt komm zu mir ins Bett.

Marathontraining

Ich renne, fast brenne, am Ende ich hechle.
Nun sinke und trinke und sachte nur fächle
ich Kühle und fühle den High und ich lächle.
Am Ende des Walds
da brennt mir der Hals.
Vom Schweiß bleibt das Salz.
Alleine die Beine will ich heut noch pflegen.
Nach Hause zur Brause muss ich mich bewegen.
Bin schäbig, was gäb ich für’n klein wenig Regen.

Korruption

Ich bin die Makrele
und du ein toller Hecht.
Wenn ich von dir was stehle,
bekommst du freilich Recht.

Und hast du Recht bekommen,
dann machst du einen drauf,
bist rasch hierher geschwommen,
frisst meine Schwestern auf.

Du kräftig, wir gebrechlich,
du Massenmörder, du!
Der Richter ist bestechlich
und drückt ein Auge zu.

Das Urteil voller Löcher.
Ich rief: „Mein lieber Specht!
Der Richter – ein Verbrecher –
der war wohl auch ein Hecht.“

(Makrelen gibt’s in Meeren.
Der Hecht lebt gern im Fluss.
Er kann sie nicht verzehren.
Der Reim doch bleiben muss.)

Die Pumper

Die Fäuste fleischig und der Trizeps prall,
als ihr die eignen Körper gründlich wuscht:
Als kämen sie aus einem noblen Stall,
so wurden sie behutsam abgeduscht.
Gegelt und eingecremt, trainiert und fit
glicht ihr den Göttern, die sich selber schufen.
Ich ging mit euch noch bis zur Treppe mit,

ihr keuchtet nach nur einundzwanzig Stufen.

Entsagung

Beim großen Dharma-Haus am Teich,
da traf ich ihn und sprach sogleich:
„Bin gewiss nicht der Erste, der zu fragen wagt:
Warum hast du all dem Schönen entsagt?
Den Frauen, dem Spielen, dem Trinken, dem Tanz?“

„Das Ganze wird halb, und das Halbe wird ganz.“

Dann schwieg er. Ach ja, man weiß ja, wie’s ist,
erwartet man Antworten von ’nem Buddhist.
Das ist nun schon viele Jahre her.
Zu verstehn, was er meinte, fällt mir immer noch schwer.
Und wenn ich kurz glaube, ich wüsste Bescheid,
verfliegt mein Verstehen hinweg in die Zeit.

Lachen

Ich habe gelacht
mit früheren Freunden, die heute mir ferne,
mit denen, die heute mir nah und teuer.
Ich habe gelacht.

Ich habe gelacht
über den Unsinn des Daseins und unser Streben,
das Scheitern des Starken, den Stolz des Dummen.
Ich habe gelacht.

Wenn ich mal sterbe,
und mein Existieren verkürzt auf bebende Schlacke,
so sei mein letztes Atmen
ein Lachen.

Wahrheit

Aus sich verziehndem Nebel taucht’ sie auf so klar,
mit plattem Fahrrad, in orangnem Kleide.
Und ihr Gesicht bezeugte pure Freude
– so ungetrübt, so scharf und ungeheuer wahr.

Ein Blick – als läs sie die behüteten Gedanken.
Spräch ich sie an, so wärn wir bald ein Paar,
denn solch Vertrautheit nie auf Erden war.
Sie bricht des Zweifels und des Hochmuts feste Schranken.

Ich sah die Wünsche, sah die heimlichen Gebete.
Das Lächeln ist ein Feuer, das nicht raucht.
Ich dank dem Gotte täglich, der sie zu mir wehte.

In Liebe will man nicht auf seine Rechte pochen.
Bescheidnes Nehmen, Geben, wie man’s braucht.
Bleibt festzustelln: Ich habe sie nicht angesprochen.

Hunger

Nichts als der Hunger aufeinander,
dabei war’n wir schon voll von des andern Schweiß.
Gehüllt im Wäscheduft: Oleander.
Fauchender Atem, von Gier so heiß.

Als hätte man uns etwas vorenthalten,
als kennten nur wir den wahren Preis.
Jedes Haar, alle Narben, jeder Blick, alle Falten,
bald weißt du von mir mehr, als ich von mir weiß.

Erschöpft in der Küche, die Fenster verhangen,
als ob ein Stück Stoff je den Hunger verbirgt.
Gesättigt und doch ein ewig Verlangen.

Zwei Nächte, ein Tag, was sollte uns Zeit?
Hätt’s länger gewährt, hätten wir uns erwürgt.
Am Ende – zweisame Einsamkeit.

Zeit

Ja, auf Schönes in der Ferne
freuet sich ein jeder gerne.
Doch auch in vergangnen Tagen
schwelgt man doch mit viel Behagen.
Unsre Gegenwart indessen
können wir sehr leicht vergessen.

Hast dich prima abgelenkt
und die Zeit betrogen.
Wenn man nur an andres denkt,
ist das Jetzt verflogen.

Der Mensch

Den größten Teil des Lebens meint
der Mensch, er blieb vom Tod verschont,
da doch die Hoffnung in ihm wohnt,
dass nichts so übel ist, wie’s scheint.

Der Eine glaubt, man würd ja sehn:
Gott hilft uns schon beim Auferstehn.
Der Andre meint, es würd bald geben
’ne Medizin, um fortzuleben.

Doch unser Leben währt am längsten,
wenn wir uns lösen von den Ängsten.
Drum atme und genieß dein Brot.
Am Ende bist du mausetot.