Der Ehebruch

Als er eines Abends nach Hause kam,
vom Einkauf waren die Taschen so schwer,
da nahm sie, wie immer, ihn in den Arm
und merkte dabei: Ich lieb ihn nicht mehr.

Die Große saß an den Hausaufgaben.
Der Kleine war in der Wanne Pirat.
Sie dachte an all die Seelennarben
und empfand ihr Leben plötzlich so fad.

Ob wir nach dem Abendbrot alles besprechen?
Dann kommt es endlich sofort aufs Tapet.
Oder soll ich ganz einfach die Ehe mal brechen?
Ob zwischen den Männern und mir noch was geht?

Und so verrauchten die letzten Flammen
der Liebe, obgleich’s ihr im Herz manchmal stach.
Sie blieb bis er starb mit ihm noch zusammen.
Und schließlich war er’s, der die Ehe brach.

Besserung

Wir haben dich, du Bösewicht.
Heut stehst du endlich vor Gericht.
Du hast die Richterin bedroht,
schlugst ihren Perserkater tot.

Hast in die Bibliothek gepisst,
obwohl das auch verboten ist.
Du hast die eigne Frau erwürgt
und einen Fahrausweis getürkt.

Im Schwimmbad warst du viel zu laut
und hast ein kleines Kind beklaut,
im Parlament wild randaliert,
den Hund der Nachbarin kastriert.

Bald wanderst du dafür in’ Knast,
weil du das ausgefressen hast.
Dort lernst du wohl, was sich gebührt
und wirst rasch resozialisiert.

Überreif

Meine Kirschen auf dem Tische
sehen nicht mehr knackig aus,
(Ich verpasste ihre Frische.)
warten überreif im Haus.

Noch nicht schlecht, man könnt sie essen,
doch ich warte Tag um Tag,
lass mich von ihrem Anblick stressen,
weil ich Kirschen gerne mag.

Ob ich wohl den Kirschen gleich’?
Leute geh’n an mir vorüber.
„Ach, der Herr ist reif und weich.
Frischer wäre er mir lieber.“

Erinnerung an ein Weihnachtswestpaket

Ein Riegel Mars. Brav eingeteilt.
Er musste bis Januar reichen.
An jedem Häpschen aufgegeilt.
Ein Geschmack zum Herzerweichen.

Und heute krieg ich’s im Überfluss,
rasch nebenbei noch weggefressen.
Die Sucht wird gestillt ganz ohne Genuss.
Vom kleinsten Mangel lasse ich mich stressen.

Hab ich denn je im Ernst geglaubt,
man könnte Genuss sich erkaufen?
So bin ich meiner Freude beraubt,
man könnt im Vergnügen ersaufen.

Besonnenheit

Ich gliche gern dem Kapitän im Sturme,
des Handeln weder Furcht noch Zorn bedrückt,
der unverzagt auf dem Kommandoturme
entscheidet und dabei den Tod erblickt.
Nicht übermannt vom Wirrwarr der Momente,
und was zu tun ist, wird auch ohne Klag getan.
Selbst wenn noch neben ihm das Steuer brennte,
er hielte aus wie Maynard, unser Steuermann.
Doch statt mich an Fontanes Held zu messen,
der schließlich auch verbrannte wie ein Docht,
sollt ich beim Schreiben nicht die Milch vergessen,
die grad in meiner Küche überkocht.

Über Geld…

Ich würde über Geld nichts sagen,
tät ich’s in meinen Taschen tragen.
Ich führt’ Gespräche mit Nivau,
erzählte Witze voller Schärfe,
statt dass ich euch mit Unglück nerve,
dem Unglück einer armen Sau.

Ach, leider muss ich euch jetzt quälen
und euch von meinem Leid erzählen,
von meinen finanziellen Sorgen.
Ja, bald könn’ wir uns amüsieren
und über Kunst philosophieren.
Doch jetzt: Könnt ihr mir mal was borgen?

Sport

Wer Sport treibt, züchtigt seinen Leib,
wer Sport treibt.
Wer schlabbrig, schlapp und fett will bleiben,
muss aufhörn, immer Sport zu treiben.
Wer Sport treibt.

Oh Sport, oh Sport, du drillst den Geist,
oh Sport, oh.
Ich war so lang unkonzentriert,
bevor ich fleißig hab trainiert
mit Sport, oh.

Lebenspläne

Hat der Storch die Rückkehr aus dem Süden,
bevor er uns verließ, bereits geplant?
Er findet unser Dorf und hat geahnt,
dass sein Nest noch auf dem Schlot hockt. Wie denn!

Sind auch meine Pläne nur Instinkt,
nachgeschob’ne Gründe meines Tuns?
Mein Hirn nicht weiter als das Hirn des Huhns,
das kopflos rennt, bevor’s zur Erde sinkt?

Das Nichtgetane streng mich warnend mahnt,
da’s mit dem Bummeln kurios verzahnt:
Verlass dich nicht allein auf dein Gespür!

Drum auf Instinkt und Intellekt ich horch.
Ich plane. Ach, was gäbe ich dafür,
wär konsequent und klar ich wie der Storch.

Fanatismus

In der Menge stand
einst ich in hellem Herbst.
Dröhnend scholl der Gesang:
Tragende Welle schob’s
zwischen die sehnenden Leiber hindurch.
Fahnen, Lachen und Wut.
Selbstgerecht trunken die Masse bewegt.

Meine Seele, ein Segelboot, geschubst,
schwamm, wie unsichtbar
heimlich vom Menschenmeer hinweg,
taumelnd und ohne Einigkeit.
Ob mich jemand gesehn?

Grillen im Juni in Berlin

Luftig lockt die unberührte Wiese
Fachgerecht gehackte Schweineteile.
Bald schwebt eine leichte Kohlenbrise
durch den Park. Verweht nach einer Meile.
Zwölf Familien. Türken und Deutsche.
Fett tropft in die Glut, mit Pilsner löschen.
Wurst im Wanst und Alkohol im Blute.
Karin mampft wie eine fette Stute.
Heute Abend wird er sie verdreschen.
Der Zitronenfalter kann den angebrannten Flügel nicht mehr retten.

Klagelied

Pfeifend saust die Krankheitspeitsche nieder.
„Gewähre Gnade!“, ächzen meine Glieder.
Mein Hirn ein Moshpit. Tanzende Gedanken
hüpfen auf den Nerven eines Kranken.

Beginnt die Heilung mit Verschlimmerung?
Was aß ich heut? Und wen traf ich noch gestern?
Fieberwahn gebiert Erinnerung.
Vision und Wahrheit wie zwei längst zerstrittne Schwestern.

Ängste, Klammern, Multiplikationen.
Trotz Stirnenfeuer will die Peitsche mich nicht schonen.
Halbgläubig hoffend, gleich dem von seinem Herrn geschlagnen Hund
bitt ich mein Kissen: Gott, mach mich gesund.

Oack ne jechn!

Ich hab mir den Fuß gestoßen.
Genauer: Den rechten Zeh.
Den Kleinen, nicht den großen.
Es tut so unfassbar weh.

Am Stuhlbein. Um zehn Millimeter
hab ich mich beim Gehen verschätzt.
Ich dacht, ich sei spät. Jetzt wird’s später.
Ich geb zu, ich bin vorhin gewetzt.

„Wenn du’s eilig hast, nimm den Umweg“,
rät lächelnd mir der Buddhist.
Und „Eile mit Weile!“ ein Deutscher.
Mir tut der Zeh weh. So’n Mist!

Beim Waschen der Füße nach langer Reise

Nun hab ich euch, Füße, in fremden und
bisweilen recht fernen Ländern probiert,
mal mühelos, geschmeidig, vertraut fast,
als wäre ich längst schon dort heimisch.

Doch birgt die Scheinvertrautheit Tücke,
und bald hielt Einsamkeit mich gefangen,
schlimmer als an jenen Gestaden,
wo ich nie Tritt zu fassen vermochte.

So wasch von euch ich den Staub der Fremde,
die ihr mich trugt, oft unbeachtet.
Fremd oder daheim, ihr fragt nicht.
Ihr tragt mich.

Ehegelöbnis

In unserem Zusammenleben
soll Fairness unsre Regel sein.
Man halte nicht den andern klein,
so dass wir zwei zum Glücke streben.
Und sollten wir einander stressen,
so schenken wir uns Raum und Zeit,
dass Friede kommt nach jedem Streit,
Wir wolln das Spielen nicht vergessen.
Die Zärtlichkeit sei unser Netz.
Und Liebe unser Grundgesetz.

Noblesse oblige

Zwanghaft wolln sie alten Glanz bewahrn.
Dinosaurier der modernen Zeiten.
Zähln sich immer noch zu edlen Leuten.
Doch es ist vorbei seit hundert Jahrn.

Während Privilegien entgleiten,
muss man doch in altem Stil verharrn,
darf sich stets nur miteinander paarn
und am Ende übers Erbe streiten.

Dass sich bitte keiner hier beschwere!
Hältst du dich brav an die Etablierten –
Netzwerkarbeit, feine Weine trinken –
können Geld und Macht und Ruhm dir winken,
eine glänzende Finanzkarriere
und ein Foto in der Illustrierten.

Morgendliche Lektion

Meines Spiegels scharfe Reflexionen
lehrn mich unbarmherzige Lektionen.
Ins Gesicht des frühren glatten Jungen
ist die äußre Welt scharf eingedrungen.
„All das ist Erfahrung“, könnt ich mich belügen.
Doch das Alter würd’ die Haut auch so besiegen.
Und so pflügt die Zeit des Antlitz’ Falten.
Lach gequält ich: Alles bleibt beim Alten.
Aber durch des Lächelns heitres Spiel
lern ich: Schenk dir selber Mitgefühl.

Unglaube

Im Lebenswirrwarr dieser Postmoderne
kann man sich leicht im Nirgendwo verlieren.
Wenn wenig gilt, so schaut man in die Ferne.
Ein Glaube hilft, sich klar zu orientieren.

Doch was der Glaube nicht verändern kann,
ist, dass in ander’n auch ein Glaube ruht.
So kommt’s zum Glaubensüberbietungswahn.
Wer wenig glaubt, erzeugt in euch die Wut.

Und wer nicht glaubt, den schlagt ihr einfach tot,
als wüsche fremdes Blut die eignen Sünden rein.
Wenn nicht zu glauben euren Gott bedroht,
wie wacklig muss dann euer Glaube sein.

Sympathie

War’s ein flüchtig Lächeln, das ich glaubt’ zu haschen?
Hallte ihre Stimme in mir nach?
Kurz blieb ich stehen, doch mit raschen
Schritten folgt ich ihr. Und in mir sprach
die Stimme meines Sehnens, meiner Lüste.
Wie töricht diese Stimme ich auch achte –
ich hör ihr zu, obwohl ich’s besser wüsste.
Das Herz schlägt seinen Beat zu irren Tänzen
der Sympathie ganz ohne Konsequenzen.

Kein Wunder

Handaufleger, Homöopathen,
Wunderheiler aller Arten.
Tibet-Salze, Wasser-Schwingung.
Nur der Glaube ist Bedingung.

Schicksals-Lenkung durch die Sterne.
Böse Pharmazie-Konzerne.
Lieber Zuckerkugeln schlucken
als denen Geld in’ Rachen spucken.

Wi-Wa-Wunder bitte sehr.
Ick wunder mir über jar nischt mehr.
Quacksalbern das Ohr geliehn,
die aus der Tasche Geld dir ziehn.