423., 424., 425., 426. Nacht

423. Nacht

Die gelehrte Frau fährt fort:

"Und auch der Prophet – Allah segne ihn und gebe ihm Heil! – hat gesagt: ‚Der Dinge, die ich in eurer Welt am liebsten habe, sind drei: die Frauen, die Wohlgerüche und mein Augentrost im Gebet."

Und sie rezitiert ein Gedicht gegen die Homosexualität:

Des Mannes Sehnsucht nach dem Rücken ist ein Rückgang;
Doch wer die freie Frau liebt, ist ein freier Mann.
Wie schön ergeht es dem, der bei dem Schwarzaug nächtigt,
Der Gattin, deren Blick ihm Seligkeit gewann.

Hier merkt der Übersetzer (Littmann) an: "In fünf weiteren ‚trefflichen Versen‘ werden diese Dinge noch näher ausgeführt; doch diese Verse sind so abstoßend, dass sie sich etwa nur mit Juvenals lateinischen Versen wiedergeben ließen."
Es fragt sich, ob er sich dann überhaupt aufs Übersetzen hätte einlassen sollen. Oder sollte Littmann immer noch von der Angst vor Zensur geprägt gewesen sein, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber nicht mehr gegriffen hätte? In der englischen Übersetzung Burtons lauten die Verse so:

Men’s turning unto bums of boys is bumptious;
Whoso love noble women show their own noblesse.
How many goodly wights have slept the night, enjoying
Buttocks of boys, and woke at morn in foulest mess
Their garments stained by safflower, which is yellow merde;
Their shame proclaiming, showing colour of distress.
Who can deny the charge, when so bewrayed are they
That e’en by day light shows the dung upon their dress?
What contrast wi‘ the man, who slept a gladsome night
By Houri maid for glance a mere enchanteress,
He rises off her borrowing wholesome bonny scent;
That fills the house with whiffs of perfumed goodliness.
No boy deserved place by side of her to hold;
Canst even aloes wood with what fills pool of cess!

Nichts da von Schwarzaug und Gattin! Stattdessen krasse Vulgarität. Die letzten zwei Verse hat sich Littmann also aus den Fingern gesogen!

Die Weise schließt an mit den Worten:

"Ihr Leute, ihr habt mich herausgetrieben aus den Regeln der Sittsamkeit und aus den Grenzen der edlen Weiblichkeit, so dass ich hässliche Worte in den Mund genommen, die den Weisen nicht frommen. Doch in den Herzen derer, die edelgeboren, sind die Geheimnisse wie in Gräbern verloren (…)" Darauf schwieg sie und gab uns keinerlei Antwort mehr. Nun machten wir uns auf und verließen sie, erfreut über den Nutzen, den wir durch den Wortstreit mit ihr empfingen, aber traurig, dass wir von ihr gingen.

***

Die Geschichte von Abu Suwaid und der schönen Greisin

Abu Suwaid erblickt in einem Garten

eine alte Frau, die ein schönes Antlitz hatte; doch ihr Haar war schon weiß geworden, und sie kämmte es mit einem Kamme aus Elfenbein.

Er fragt sie, warum sie sich die Haare nicht färbe.

***

424. Nacht

Sie antwortet

Ich färbte, was die Zeiten färbten. Was ich färbte,
War nicht von Dauer; doch es blieb der Jahre Färben.
Als ich noch einst im Kleid der Jugend stolz einherschritt,
Da konnt ich vorn wie hinten Freude mir erwerben.

Ist es so obszön gemeint, wie es dem aufgeschlossenen Leser erscheint? Die Antwort gibt Abu Suwaid selbst:

"Vortrefflich, du edle Greisin! Wie aufrichtig warst du in deiner Sehnsucht nach verbotenem Gut, und wie verlogen wärest du, wenn du behauptetest, dich reue der Übermut!"

***

Die Geschichte von dem Emir Ali ibn Mohammed und der Sklavin Munis

Der Emir kauft die wohlgebildete Sklavin Munis für siebzigtausend Dirhems, nachdem sie folgenden Dialog in Versen miteinander wechseln.

Was sagst du nur von dem, an dem die Krankheit frisst
Um deiner Liebe willen, so dass er ratlos ist.

Sie antwortet:

Wenn wir den, der liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.

und er zeugte mit ihr den Obaidallâh ibn Mohammed, einen Mann, der treffliche Eigenschaften besaß.

Und das war schon die ganze Geschichte.

***

Die Geschichte von den beiden Frauen und ihren Geliebten

Abu el Ainâ berichtet, zwei Frauen im Disput über ihre Geliebten belauscht zu haben. Die eine mit jungem, die zweite mit älterem Geliebten. Die mit dem jüngeren stört sich am stachligen Bart älterer Männer und bevorzugt den Flaum der jungen.

(Im Grunde werden hier nur die Argumente der Frau mit dem reiferen Geliebten wiedergegeben.) Ich wähle hier mal aus:

"Weißt du nicht, dass der Bart für den Mann das gleiche ist, was die Schläfenlocken für die Frau sind? (…) Du Törin, wie könnte ich daran denken, mich unter einen Knaben zu betten, der eilig sein Werk tut und schnell erschlafft? Und von einem Manne lassen, der, wenn er Atem holt, mich umfasst; wenn er eindringt, gemach handelt; wenn er fertig ist, wiederkehrt; wenn er sich bewegt, vortrefflich ist; und sooft er sein Werk beendet hat, wieder von neuem beginnt."

Die Geliebte des Knaben:

"Ich schwöre meinem Geliebten ab, beim Herrn der Kaaba!"

(= Allah)

Hier enden vorerst die Liebes-Anekdoten, und es beginnt endlich mal wieder eine etwas längere Geschichte.

***

Die Geschichte von dem Kaufmanne Ali aus Kairo

Ein reicher Kaufmann in Kairo namens Hasan wird "der Juwelier aus Bagdad" genannt. Er spürt sein Ende kommen und ruft seinen Sohn Ali zu sich.

Wenn man die bisherigen Story-Inhalte verfolgt, müsste ihm der Vater nun Mahnungen auf den Weg geben, die dieser in den Wind schlägt.

***

425. Nacht

Und tatsächlich: Nachdem Hasan ihn seine Ländereien und Güter aufzählt, ermahnt er ihn zu Gottesfurcht, Barmherzigkeit, gutem Umgang, Liebe.

Darauf begann der Kaufmann das Glaubensbekenntnis zu sprechen und Koranverse zu sagen, bis die Stunde da war; dann sprach er zu seinem Sohne: "Tritt nahe zu mir, mein Sohn!" Nun trat Ali nahe zu ihm: Der Vater küsste den Sohn und tat den letzten Seufzer. Seine Seele entfloh seinem Körper, und er ging ein zur Barmherzigkeit Allahs.

Stephen Cave beschreibt vier Story, mit denen wir hoffen, den Tod zu überlisten: 1. Die Elixir- oder Jungbrunnen-Story (inklusive Wundermedizin-Geschichten), 2. Auferstehungs-Story (inklusive Einfrierungs-Storys), 3. Die Geschichte der Seele, 4. Vermächtnis-Storys (an die sich auch einige Künstler-Kollegen klammern).

 

Der Vater wird in einer riesigen Zeremonie bestattet, und Ali hält nicht nur die vorgeschriebenen vierzig Tage Trauerzeit ein, sondern trauert auch noch darüber hinaus und besucht an jedem Freitag das Grab des Vaters.

Zur Zahl 40 gibt es verschiedene Angaben: Sie taucht in vorjudäischen Religionen auf, aber auch in der russischen Orthodoxie, in der muslimischen Praxis und scheint auch den psychologischen Prozess des Trauerns zu umfassen: Man braucht eben so lange, um die Phasen der Trauer soweit durchschritten zu haben, bis sich Akzeptanz festigen kann.

Irgendwann drängen die Freunde ihn, seine Geschäfte wieder aufzunehmen.

Doch wie sie so bei ihn waren, war auch der verfluchte Teufel unter ihnen, der ihnen einflüsterte; und während sie ihn zu überreden suchten, mit ihnen zum Basar zu gehen, versuchte der Teufel ihn so lange, ihnen nachzugeben, bis er einwilligte, mit ihnen das Haus zu verlassen.

Unklar: Wieso sollte es teuflisch sein, nach der vorgeschriebenen Trauerzeit, wieder die Geschäfte aufzunehmen?

***

426. Nacht

Aber sie führen ihn nicht zum Basar, sondern zu einem Garten, wo

sie aßen und waren guter Dinge und saßen plaudernd zusammen, bis der Tag zu Ende war.

Und so bedrängen sie ihn jeden Tag, nötigen ihn zum Weinkonsum, und irgendwann ist Ali mit Einladen dran. Ali verschwendet allmählich sein Geld, obwohl ihn sein Weib an die Ermahnungen des Vaters erinnert.

Sie begaben sich zur Nilinsel er-Rodâ und zum Nilmesser. Dort blieben sie einen ganzen Monat bei Speise und Tran und Saitenklang und Fröhlichkeit.

 

Dieses Leben führt er nun drei Jahre. Als das Geld zu Ende geht, verscherbelt er die Juwelen, dann die Häuser und Grundstücke, dann die Gärten und Landhöfe, dann den Marmor und das Holzwerk aus seinem Haus, und schließlich das Haus selbst. Seine Freunde lassen ihn schließlich, als er arm ist, im Stich.… Weiterlesen

419., 420., 421. und 422. Nacht

419. Nacht

Schehrezâd fährt fort:

Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, dass el-Amîn, als er die Sklavin anschaute und sah, was auf dem Saume des Hemdes geschrieben stand, nicht mehr länger an sich hielt, sondern ihr nahte und sie küsste. Und er wies ihr ein eigenes Gemach in seinem Palaste an; ferner dankte er seinem Oheim für die Gabe und verlieh ihm die Statthalterschaft von Rai.

Heute heißt diese Stadt Shahr-e Ray und ist ein Vorort von Teheran. (Früher war Teheran ein Vorort von Rai.) Rai war außerdem die Hauptstadt des alten Persien, die Hauptstadt des persischen Teils von Irak und sie ist die Geburtsstadt von Harûn er-Raschîd.

***

Die Geschichte von dem Kalifen el-Mutawakkil und el-Fath ibn Chakân

Als der Kalif el-Mutawakkil krank wird, schickt ihm el-Fath ibn Chakân

eine jungfräuliche Sklavin mit schwellendem Busen, die zu den schönsten Mädchen ihrer Zeit gehörte, dazu ein Kristallgefäß von rotem Godle, auf dem in schwarzen Lettern diese Verse standen:

Wenn der Imam der Krankheit nun entrann
Und Heilung und Gesundheit sich gewann
So kann für ihn kein besser Heiltrank sein
Als hier in diesem Becher dieser Wein.
Wenn er das Siegel löst von meiner Gabe,
So ist das nach der Krankheit schönste Labe!

Der Arzt Juhanna zieht sich daraufhin zurück.

Nach meinen Informationen war Juhanna erst viel später Arzt, nämlich zur Zeit des Mustasim.

Der Kalif nahm den Rat des Arztes an und gebrauchte jene Arznei, ganz wie sie in den Versen vorgeschrieben war. Allah machte ihn gesund und heil.

***

Die Geschichte von dem Streit über die Vorzüge der Geschlechter

Eine weise Frau namens Saijidat el-Maschâjich kommt von Bagdad nach Hama, wo sie

den Leuten von einem Stuhle herunter heilsame Ermahnungen predigte.

Dies betrifft Fragen des Rechts, moralische Fragen, Fragen der Lebensführung usw.
Der Erzähler der Geschichte sucht sie mit einem Freund auf und legt eine Frage

von solcher Art vor, die sich auf den Unterschied zwischen den Rechtsschulen bezog

Sie befindet sich bei diesem Gespräch hinter einem Vorhang, durch den sie allerdings hindurchschmulen kann. Dabei sieht sie, wie der Begleiter das Gesicht ihres jungen Brufders betrachtet.

"Mir scheint, du bist einer von denen, die den Männern den Vorzug vor den Frauen geben." (…) "Weil Allah das Männliche höher gestellt hat als das Weibliche."

***

420. Nacht

Der Begleiter benennt nun Stellen aus dem Koran und den Überlieferungen des Propheten, die ebendiese Position belegen sollen. Die Weise antwortet ihm auf seine langen Ausführungen:

"Du hast gut gesprochen, werter Herr; doch, bei Allah, du hast meinen Beweis wider dich mit der eigenen Zunge kundgetan."

So folgt ein längerer Schlagabtausch zwischen den beiden.

***

421. Nacht

Der Begleiter rezitiert

"Sie ist dem Knaben gleich und wiegt sich in den Hüften
Wie sich der schwanke Reis im Zephirwinde wiegt.

Wenn der Jüngling nicht trefflicher wäre, so wäre doch die Jungfrau nicht mit ihm verglichen worden. Wisse auch – Allah der Erhabene beschütze dich! -, dass der Jüngling leicht gelenkt werden kann; denn er passt sich den Wünschen an; er hat schöne Eigenschaften, und mit ihm lässt sich trefflich leben; denn er ist eher geneigt, zu willfahren als zu widerstreben, zumal wenn der zarte Flaum auf seiner Wange sprießt, wenn seine Oberlippe sich dunkel färbt und wenn der rote Jugendglanz in seinem Antlitz leuchtet, so dass er dem Monde gleicht, der zur Fülle kam."

Nach weiteren Gedichten ist Saijidat el-Maschâjich wieder an der Reihe:

"Ich bitte dich, wie kann ein Jüngling je den Rang einer Jungfrau erreichen? Wer will das Böcklein mit der Kitze vergleichen? Die Jungfrau hat sanfter Rede Gewalt und eine wunderschöne Gestalt; sie gleichet einem Basilikumreis, und ihre Zähne sind wie die Kamille so weiß; sie hat Zöpfe, die wie Halftern hangen, wie Anemonen sind ihre Wangen; ihr Antlitz ist wie ein Äpfelein, und ihre Lippe ist süß wie Wein; ihre Brust ist dem Granatapfel gleich, und ihre Gestalt ist wie ein Zweig so weich. Sie hat einen Wuchs, in dem das Ebenmaß waltet, und ihr Leib ist wohlgestaltet; sie ist wie die Schneide des glitzernden Schwertes so schmal und fein, und ihre Stirn ist blütenrein; sie hat zusammengewachsene Augenbrauen, unter denen tiefschwarze Augen schauen…"

***

422. Nacht

Weiterhin argumentiert sie und zitiert Abu Nuwâs:

Die schlanke Maid, die einem Knaben gleicht,
Taugt für den Wüstling und den Einbrecher.

 

398. Nacht – Schnell mal Barilla boykottieren?

Was ist das für ein seltsamer Shitstorm? Der Nudelchef Barilla wird gefragt, warum er keine Homo-Paare in seinen Werbespots filmt, und er antwortet, dass für ihn die Familie mit Frau heilig sei und dass er gegen ein Adoptionsrecht für Homopaare sei, da er die Erziehung bei gleichgeschlechtlichen Eltern für schwierig halte.
Die Interviewer lassen nicht locker: Ob er denn keine Angst habe, dass Homosexuelle jetzt andere Nudeln kaufen würden. Barilla lapidar: Mein Gott, wer mit dem Spot nicht leben kann, soll eben andere Nudeln essen.
Und das soll jetzt homophob sein? Vielleicht ein wenig konservativ. Aber er fügt noch hinzu, dass er sogar die Homo-Ehe unterstütze, was in Italien, wo es keinerlei rechtliche Anerkennung für gleichgeschlechtliche Paare gibt, schon revolutionär ist.
Anlass genug, um zum Nudel-Boykott aufzurufen? Als ob es im Kampf gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Italien keine dickeren Bretter zu bohren gäbe.

***

398. Nacht

Kalif el-Mamûn versucht, in die ägyptischen Pyramiden einzubrechen und wendet sehr viel Geld dafür auf, doch nur aus einem kleinen Loch gelingt es ihm, Geld zu holen – genau die Summe, die die Bohrung verursacht hat.
Es folgen Lob und Beschreibung der Pyramiden sowie vier Lobeshymnen, davon das letzte:

Wo ist der Mann, der einst die Pyramiden baute?
Wie hieß sein Stamm? Wann war sein Tag? Wo ist sein Grab?
Die Werke überdauern die Männer, die sie schufen,
Nur kurz, dann kommt der Tod und stürzt auch sie hinab.

Die leise Hoffnung der atheistischen Künstler, wenigstens mit den Werken zu überleben, auch nur eine quasi-religiöse Ausweichbewegung hin zur Schimäre.

*

Die Geschichte vom Dieb und dem Kaufmann

Ein ehemaliger Dieb

hatte sich in aufrichtiger Reue wieder Allah zugewendet und einen Laden eröffnet, in dem er Stoffe verkaufte.

Ein schlauer Dieb zieht sich Kleider an, die denen des Kaufmanns ähneln und nähert sich abends dem Basar.

382. – 386. Nacht

382. Nacht

Abu Nuwâs vergnügt sich mit den Knaben bei Wein und Gesang.

Als aber die Trunkenheit den Abu Nuwâs übermannte, und er den Unterschied zwischen Hand und Haupt nicht mehr kannte, drang er mit Kuss und Umarmung auf die Jünglinge ein, legte Bein auf Bein hatte für Sünde und Scham keine Sinn und sprach diese Verse vor sich hin:

Vollkommne Freude bringet nur ein Jüngling,
Der trinkt in schöner Zeitgenossen Kreis.
Der eine singt ein Lied, der andre grüßt ihn.
Wenn er ihn mit dem Becher zu erquicken weiß.
Und hat er dann nach einem Kuss Verlangen,
So reicht ihm jener seine Lippe dar.
Gott segne sie! Schön war mein Tag bei ihnen;
Ein Wunder ist’s, wie er so herrlich war!
Nun lasst uns trinken, ob gemischt, ob rein.
Und wer da schläft, soll unsre Beute sein.

Für einen im Trunkesrausch Delirierenden improvisiert er doch noch recht flotte Verse.

Plötzlich tritt jedoch Kalif Harûn er-Raschîd hinzu, der am nächsten Tag seinem Schwertträger Masrûr befiehlt,

er solle dem Abu Nuwâs die Kleider herunterreißen, ihm den Packsattel eines Esels auf den Rücken binden, einen Halfter um seinen Kopf und einen Schwanzriemen um sein Gesäß legen und ihn so umherführen in den Gemächern der Sklavinnen.

*

383. Nacht

Der Kalif befiehlt außerdem, Abu Nuwâs anschließend das Haupt abzuschlagen.

Abu Nuwâs aber machte überall Scherze, und jeder, der ihn sah, gab ihm etwas Geld, so dass er mit vollen Taschen zurückkehrte.

Als Dscha’far der Barmekide hinzutritt und ihn fragt, was das soll, entgegnet er:

"Ich habe nichts verbrochen; ich habe nur unserem Herrn und Kalifen meine schönsten Verse als Geschenk dargebracht, und da hat er mir sein schönstes Gewand geschenkt."

Der Kalif lacht, begnadigt ihn zahlt ihm zehntausend Dinar aus.

Klassische Narrenfreiheit. Dem Dichter und Narren wird nur deshalb vergeben, weil er diese Narrenfreiheit auch bis ans Äußerste ausnutzt. Täte er es nicht, wäre er tot.

***

Die Geschichte von Abdallâh ibn Ma’mar und dem Manne aus Basra mit seiner Sklavin

Ein Mann aus Basra kauft eine junge Sklavin, die er erziehen und unterrichten lässt.

Er hing an ihr in leidenschaftlicher Liebe.

Aber als ihn die Armut bedrückt, meint sie zu ihm:

"Mein Gebieter, verkauf mich!"

Der Emir von Basra Abdallâh ibn Ma’mar kauft sie für fünfhundert Dinare, doch als er die Sklavin seufzend dichten hört,

rief er aus: "Bei Allah, ich will nicht zu eurer Trennung behilflich sein; denn ich weiß nun, dass ihr einander lieb habt. So nimm das Geld und die Sklavin, o Mann, und Allah gesegne dir beides!"
(…)
Und sie sind immerdar beieinander geblieben, bis der Tod sie geschieden hat – Preis sei Ihm, dem der Tod nicht naht!

Anscheinend nur eine Anekdote, um den Emir zu preisen.

***

Die Geschichte der Liebenden aus dem Stamme der Udhra

Ein Mann aus dem Stamme der Udhra verliebt sich unsterblich in eine Frau aus seinem Stamme, die ihn aber spröd zurückweist.

*

384. Nacht

Er verweigert die Nahrung, bis er im Sterben liegt. Erst dann besucht sie ihn.

"Hätte ich das gewusst, so hätte ich mich deiner Not angenommen und wäre nach deinem Wunsche zu dir gekommen."

Er stirbt nach dem Rezitieren:

Sie nahte sich, als schon der Tod uns beide trennte,
Und sie versprach Erhörung, als es nutzlos war.

Sie weint, fällt in Ohnmacht und stirbt drei Tage später,

und wurde in seinem Grabe bestattet.

***

Die Geschichte des Wesirs von Jemen und seines jungen Bruders

Der Wesir von Jemen, Badr ed-Dîn, hat einen schönen Bruder, den er behütet, allerdings verliebt sich der Scheich, der ihn unterrichtet, in ihn.
Die beiden verabreden sich eines Nachts heimlich, und der Scheich trinkt, schmust und singt mit dem schönen Jüngling. Der Wesir spürt sie schließlich auf, und als der Scheich ihn erspäht, singt er ihm zu

Er gab mir den Wein seiner Lippen zu trinken;
Mit Zierde des Wangenflaums trank er mir zu.
Und Wange an Wange, in meiner Umarmung,
Ging heute der Schönste der Menschen zur Ruh.
Der leuchtende Vollmond schein auf uns hernieder;
Nun bittet ihn: Sag es dem Bruder nicht wieder.

Die Güte des Herrn Badr ed-Dîn aber zeigte sich dadurch, dass er, als er diese Verse vernahm, ausrief: "Bei Allah, ich will euch nicht verraten!", und fortging, indem er die beiden ihren Freuden überließ.

***

Die Geschichte von dem Liebespaar in der Schule

Ein freier Jüngling und eine junge Sklavin besuchten einst die gleiche Schule; und der Jüngling wurde von der Liebe zu dem Mädchen ergriffen.

*

385. Nacht

Er schreibt ihr diese Verse:

Was sagst du nur von dem, der übergroße Liebe
Zu dir so krank gemacht, dass er ganz ratlos ist?
Es klagt das Leiden nun, in Sehnsucht und in Schmerzen;
Er kann nicht mehr verbergen, was ihm das Herz zerfrisst.

Sie antwortet ihm auf der selben Tafel darunter:

Wenn wir den, der da liebt, in seinem schweren Leid
Der Liebe schaun, so sei ihm unsre Huld geweiht.
Er soll den Liebeswunsch bei uns erfüllet sehn;
Und was geschehen soll, das möge dann geschehn!

Sowohl der Lehrer als auch der Herr der Sklavin finden ermutigende Verse. So schreibt letzterer:

Euch trenne Allah nie in eurem Leben;
Und wer euch feind ist, soll im Elend untergehn!
Jedoch der Lehrer ist, bei Gott, der größte Kuppler,
den meine Augen je in dieser Welt gesehn.

Er lässt den Kadi die Eheurkunde für die beiden schreiben, und das war’s.

***

Die Geschichte von el-Mutalammis und seine Weibe Umaima

Der Dichter el-Mutalammis flieht eines Tages vor der Tyrannei des en-Nu’man ibn el-Mundhir und muss dabei seine Gattin Umaima zurücklassen.
Nach einer Weile verheiratet man sie gegen ihren Willen, gerade an dem Tag als el-Mutalammis wieder zurückkehrt. Als sie unterm Baldachin traurig Verse über ihren verlorengegangenen Gatten rezitiert, ruft dieser zurück:

Ganz nah bei dir ihm Hause, o Umaima, wisse:
An jedem Halteplatz dacht ich in Treuen dein.

Der Bräutigam lässt dem anderen den Vortritt, natürlich in Bezug auf dessen Verse reimend:

Ich war im Glück; doch jetzo hat es sich gewendet;
Ein gastlich Haus und Raum schließt nun euch beide ein.

So verließ er die beiden und ging davon.

***

Die Geschichte von dem Kalifen Harûn er-Raschîd und der Herrin Zubaida im Bade

Harûn er-Raschîd lässt seiner Gattin einen Lustgarten mit einem baumumwachsenen Teich anlegen.

*

386. Nacht

Eines Tages, badet sie sich darin.

Sie blieb im Wasser, das nicht tief genug war, um den, der in ihm stand, ganz zu bedecken, aufrecht stehen, schöpfte mit einer Kanne aus reinem Silber und goss es über ihren Leib.

Der Kalif, als er hört, dass sie ein Bad nimmt, begibt sich zum Teich, um sie zu beobachten. Sie bemerkt ihn.

Aber aus Scham vor ihm legte sie ihre Hände auf ihren Schoß; freilich konnte sie ihn nicht ganz bedecken, da er so rund und groß war.

Wie bitte? Schwierig, etwas über derartige Schönheits-Ideale bei Google zu finden, ohne auf einschlägigen Seiten zu landen.

Der Kalif beginnt zu dichten:

Mein Aug erblickte, was mich traurig macht;
Und durch die Trennung ward mein Leid erfacht…

Allerdings kommt er mit seiner Dichtung nicht weiter und bitte also den Dichter Abu Nuwâs, das Gedicht zu vollenden.

Der natürlich wieder einmal vor das Problem gestellt wird, etwas Ungesehenes zu beschreiben und das Vermutete nicht benennen zu dürfen.

Er fährt also fort:

… von der Gazelle, die mich ganz bestrickt,
Als ich im Lotusschatten sie erblickt.
Und Wasser floss auf ihren Schoß, so klar,
aus einer Kanne, die von Silber war.
Als sie mich sah, da hat sie ihn bedeckt;
Doch ihre Hand hat ihn nicht ganz versteckt.
O könnte ich doch glücklich bei ihr sein,
Ein Stündlein oder auch zwei Stündelein.

Da lächelte der Kalif über seine Worte und machte ihm ein Geschenk; der Dichter aber ging erfreut von dannen.

***

Die Geschichte von Harûn er-Raschîd und den drei Dichtern

Wir beginnen klassisch:

Eines Nachts ward der Beherrscher der Gläubigen Harûn er-Raschîd von großer Unruhe geplagt.
Er begegnet einer betrunkenen Sklavin, deren Kleidung sich löst.

Er bat sie um ihre Liebesgunst; aber sie erwiderte ihm: "Lass mir bis morgen abend Zeit, o Beherrscher der Gläubigen! Ich bin nicht auf dich vorbereitet."

Als er sie am nächsten Tag zu sich bittet, lässt sie ihm ausrichten:

"Der helle Tag verwischt das Wort der Nacht."

Das ist nun aber wirklich beeindruckend: Die Sklavin kann den Wunsch des Beherrschers der Gläubigen abschlagen?

Drei Dichtern befiehlt er, daraus etwas zu dichten: er-Rakâschi, Abu Mus’ab und Abu Nuwâs.

Hier finden wir den Spruch: Ein Fluch von Abu Nuwâs in der Hölle enthält mehr Poesie als ein Lobspruch von er-Rakâschi im Himmel.

Nachdem sie ihre Arbeit getan haben, befiehlt der Kalif, den ersten beiden ein Geschenk zu machen, aber Abu Nuwâs den Kopf abzuschlagen, da er vermutet, der sei am Abend davor dabei gewesen. Der verteidigt sich, er habe den Inhalt nur aus dem Gesagten des Kalifen zusammengesetzt.

"Allah der Erhabene, der von allen die lauterste Wahrheit spricht, hat gesagt: Und den Dichtern folgen die Irrenden nach. Siehst du nicht, wie sie in jedem Wadi verstört umherlaufen, und wie sie reden, was sie nicht tun?"

Koran, Sure 26

Abu en-Nuwâs

Daraufhin lässt Harûn er-Raschîd ihm zwanzigtausend Dirhems auszahlen.

Die Impulsivität des Kalifen lässt ihn einem richtig ans Herz wachsen.

***

Die Geschichte von Mus’ab ibn ez-Zubair und Aischa bint Talha

Mus’ab ibn ez-Zubair verliebt sich in Aischa bint Talha.

Mus’ab ibn ez-Zubair war Heerführer des Gegenkalifen Abdallah ibn az-Zubair

Azza in Medina berichtet ihm:

"Ihr Antlitz ist schöner als die Gesundheit; sie hat große Augen und darunter eine Adlernase, glatte und runde Wangen und einen Mund gleich einer Blüte des Granatapfels. Ihr Hals gleicht einer silbernen Kanne, und darunter ist der Busen mit zwei Brüstlein, die wie ein Paar von Granatäpfeln sind; und weiter darunter hat sie einen schlanken Leib mit einem Nabel, der einem Elfenbeinbüchslein gleicht; Hüften hat sie wie zwei Sandhügel, und ihre Waden gleichen zwei Säulen aus Alabaster; doch ich sah, dass ihre Füße groß sind. Du wirst bei ihr die Zeit der Not vergessen." Nachdem Azza ihm Aischa mit solchen Worten beschrieben hatte, nahm Mus’ab sie zur Frau und ging zu ihr ein.

379. – 381. Nacht

379. Nacht

Die beiden Wesire der Könige Schâmich und Dirbâs ziehen nun gemeinsam los, um Uns el-Wudschûd zu suchen. Als sie die Insel Dschebel eth-Thekla erreichen, erklärt ihm Ibrahim, hier habe sich dereinst eine Dämonin niedergelassen, um mit ihrem menschlichen Liebhaber in Ruhe leben zu können. Wenn Seefahrer vorbeiführen, hörten sie das Wehklagen der Kinder. Der Eunuch öffnet dem Wesir das Schloss, und dieser erkundigt sich nach dem geistesentrückten Derwischmann im Hof, der natürlich kein geringerer ist als der gesuchte Uns el-Wudschûd. Wesir Ibrahim macht sich auf die Suche nach seiner Tochter, findet sie aber nicht und weint.

Wie er sich nun umwandte, sah er dort zwei Vögel, einen Raben und eine Eule; und da er ein böses Vorzeichen erkannte, begann er, in Seufzer auszubrechen.

Die Wesire geben nun die Suche auf, und in Erwartung seiner Entlassung zieht der Wesir des Königs Dirbâs  zurück und nimmt den mutmaßlichen entrückten Derwisch als Glücksbringer mit.

*

380. Nacht

Uns el-Wudschûd erwacht auf dem Maultierrücken, ohne zu wissen, wo er ist. Der Wesir lässt ihn mit Zuckerscherbett und Rosenwasser aufpäppeln.
Als sie sich der Stadt nähern, wagt der Wesir nicht, sie zu betreten; doch Uns el-Wudschûd antwortet ihm:

"Fürchte dich nicht! Geh zum König und nimm mich mit dir; ich bürge dafür, dass Uns el-Wudschûd kommt."

Als er vor den König geführt wird und dieser ihn fragt, wo Uns el-Wudschûd weilt:

"An einer Stätte, die sehr nah ist."

Uns el-Wudschûd bleibt geheimnisvoll und lässt sich gut einkleiden, erst dann gibt er sich per Gedicht zu erkennen. Die beiden heiraten, und König Schâmich wird darüber informiert und antwortet:

"Dieweil die Eheurkunde bei dir vollzogen ist, geziemt es sich, dass die Hochzeit und Brautnacht bei mir gefeiert werden."

Die Karawane zieht nach Ispahan und

dann ging Uns el-Wudschûd zu El-Ward fil-Akmâm ein und umarmte sie.

Sie rezitieren und weinen,

umarmten sich von neuem, und so blieben sie eng umschlungen, bis sie ohnmächtig niedersanken.

*

381. Nacht

Es wird sieben Tage lang gefeiert. Und am siebenten Tag verteilten sie

Gaben an das Volk, Geld und Kleider, und machten reiche Geschenke. Darauf gab El-Ward fil-Akmâm den Befehl, ihr Bad zu räumen, und sie sprach zu Uns el-Wudschûd: "Du mein Augentrost, es verlangt mich, dich im Bade zu sehen; und wir wollen dort ganz allein sein.

Du der seit alter Zeit mein Herz gewann –
Das Alte geht im Neuen nicht verloren.
O du, der mein Alles in der Welt,
Ich habe keine Freund als dich erkoren.
Komm mit ins Bad, o du mein Augenlicht;
Lass uns den Himmel in der Hölle sehen!
Wir lassen Aloe und Nadd erglühen,
Bis uns die Düfte überall umwehen.
Verziehen sei dem Schicksal alle Huld!
Ich rufe dann, seh ich dich dort vor mir:
Glückauf, mein Lieb, und Segen sei mit dir!

Die Hölle steht als Bild fürs Feuer unterm Bad. Nadd ist eine Mischung aus Ambra, Moschus und Aloe. Wenn jemand aus dem Bad kommt, segnet man ihn.

***

Die Geschichte von Abu Nuwâs mit den drei Knaben und dem Kalifen

Abu Nuwâs allein daheim rüstet zu einem Gastmahl und lädt sich drei Knaben ein, die er zufällig auf der Straße trifft,

noch frei von Bärten, so schön, als wären sie Knaben aus den Paradiesesgärten; ihre Farben waren von verschiedener Art, doch ihre Reize waren gleichmäßig zart. An ihren biegsamen Gestalten wurden Hoffnungen entzündet, so wie ein Dichter von ihnen kündet.

Abu Nuwâs lockt sie mit Versen:

Kommt her zu mir, und geht zu keinem andern!
Mein Haus ist voll von feinstem Proviant.
Ich habe alten Wein von klarer Farbe,
Gekeltert von des Klostermönches Hand.
Auch hab ich feines Fleisch vom jungen Lamme
Und vielerlei Geflügel, das da fleugt.
So esst davon und trinket von dem Weine,
Dem alten, der die Sorgen uns verscheucht!
Vergnüget euch dann einer an dem andern,
Und lasst auch mich in eurem Kreise wandern!

Weil nun die Jünglinge von seinen Versen bezaubert waren, so entschlossen sie sich, seinem Wunsch zu willfahren.

370.-375. Nacht

Der Wohnungsumbau geht in die zweite Phase, im Volksmund auch Nestbau genannt. Und wieder einmal zeigt sich, dass all die Rumschieberei von millimetergenau ausgeschnittenen Schnipseln im Wohnungsmodell überhaupt nichts bringt, weil einem erst wenn sie nebeneinanderstehen klar wird, dass das Billy-Birke-Regal und die alte Nussbaum-Büchervitrine nicht zueinander passen. Die Couch vor dem Esstisch ebenfalls nicht. Und die Gattin darf nicht mit anpacken, da der Fötus sonst gestört werden könnte. Dabei ist das Leben ist kein Ponyhof, das sollte er jetzt schon lernen. Gibt’s diese bescheuerte Redensart auch für Jungen? Was der Ponyhof für die Mädchen, ist World of Warcraft für die Buben. Das reimt sich nicht einmal. Das Leben ist kein World of Warcraft? Das Leben ist keine Welt des Kriegshandwerks? Dabei ist doch genau das gemeint: Das Leben ist kein Ponyhof, sondern eine Welt des Kriegshandwerks. Oder wie James Brown einst sang: "This is a mahahan’s world!" Die Wohnung sieht aus wie nach einem Einbruch der Hell’s Angels. Und während ich die Bücher doch wieder alphabetisch einsortiere statt nach den Prinzipien Farbe oder Reihenfolge des Lesens frage ich mich, ob ich jemals die Bobrowski-Erzählung "Litauische Claviere", den Feuchtwanger-Roman "Die Jüdin von Toledo" anfangen oder das völlig zerschrotete Exemplar von Plenzdorfs "Die Legende von Paul und Paula" zu Ende lesen werde, das ich an der Stelle unterbrochen habe, wo der Film endet, also zur Hälfte. Die Bank, die ich mir schön zum Schreiben an den Tisch gestellt habe, ist inzwischen völlig verbaut. Trotzdem gelingt es mir, mich über die Stapel aus Büchern, Klamotten, Holzleim, Tüten, Haufen mit Ich-weiß-nicht-was, einem sensiblen Kaktus und Erdnussflips zu kämpfen, wobei ich hier und da etwas abbreche, Flüssigkeiten verschütte, die Verstrebungen der Bank zerbreche und am Ende meinen Kugelschreiber vergesse. Ich fühle mich wie Elvis kurz bevor er seinen Fernseher erschoss. In einer Verfilmung wird fiktionalisiert, der König des Rock hätte damals draufgehalten, weil man schlecht über ihn berichtet habe. Ich glaube aber, er habe seine eigene Fernsehsucht erschießen wollen, und mit ihr gleich seine Fresssucht, seine Medikamentensucht, seine Unfähigkeit, dem Leben noch Sinn abzutrotzen. Tick-tick-tick! Der 28. Februar neigt sich seinem Ende zu. Heute Nacht wird die Uhr 24 zurückgestellt. Warum brauchen wir einen 29. Februar, wenn wir den 28. zwei Mal erleben könnten. Bei der Sommerzeit-Umstellung ist das doch auch kein Problem. Die Am-29.-Februar-Geburtstag-Habenden taten mir sowieso immer leid. Sie taten mir auf jeden Fall leider als die 24.-Dezember-Kinder oder die 1.-Januar-Kinder. Erster Januar?, fragt sich vielleicht jetzt die Leserin? Ja, am 1. Januar ist der Feier-Drops gelutscht. Auf den Straßen riecht‘s nach Schießpulver, und Schneematsch, Hundemist und abgebrannte Silvesterraketen zeugen von der Traurigkeit dessen, was nach einer Feier verbleibt. Am 1. Januar wird die Brause-Aspirin getrunken, auf Sekt hat nun keiner mehr Appetit, mit Ausnahme der Sekt-Alkoholikerinnen, die an Neujahrskindergeburtstagen die einzigen Gäste sind. Hinter Sekt lässt sich der Alkoholismus am elegantesten verbergen. Sekt signalisiert: Ich trinke ja nur ein Gläschen, wenn’s was zu feiern gibt. Aber zu feiern gibt’s immer was, wie der Russe weiß: Jeshednewno prasdnik! Der Russe, der den Sekt übrigens Schampanskoje nennt und auch in Zeiten, in denen Fernreisen nichts besonderes mehr sind, Freunde und Verwandte mit Sekt zum Bahnhof bringt oder von dort abholt. Wenn wir alle vier Jahre zwei Mal den 28. Februar zählten, würde sich die Zahl der Depressionen bei den am 29. Februar geborenen reduzieren, da es eben bald keine am 29. Februar geborenen mehr gäbe. Dafür mehr Freude bei den 28.-Februar-Kindern, die ihren Geburtstag zwei Mal feiern dürften: Doppelt so viele Geschenke, doppelt so viele Kuchen und Luftballons, doppelt so viele "Hoch sollse leben!", ein Lied, das leider vom unsäglichen Häppi-Börsdeh überrannt wurde. Ich kenne niemanden, der am 29.2. Geburtstag hat. Nicht einmal einer meiner Facebook-Friends. Ich habe zurzeit 666 Freunde. Ein 29.2. kommt alle 1460 Tage. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer meiner Freunde am 29.2. Geburtstag hat? Mir fällt die Berechnung gerade nicht ein, außer dass es nicht 666 dividiert durch 1460 sein kann. Hilft es meinem Karma, diese Zahl schnell zu ändern? Den 666. Friend zu entfernen oder wahllos jemand anderen hinzufügen. Irgendjemand von den "Ich-hab-dich-bei-der-Lesung-gesehen-du-kennst-mich-nicht-aber-egal"-Anfragen? Oder soll ich der Nummer 666 Hörner anmalen und sie künftig meiden? Stattdessen werden die riesigen Pappeln in unserem Hof abgeholzt, damit dort ein Kindergefängnis für die Eigentumswohnungsbesitzer-Kinder gebaut werden kann. Ich fordere eine Frauenquote für den Holzfällerberuf. Die Linken haben aus Gründen der Frauenquote und des Antifaschismus Beate Klarsfeld fürs Bundespräsidenten-Amt nominiert, weil sie Kiesinger geohrfeigt und Nazis "gejagt" hat. Sie lebt seit 1960 in Paris. Vielleicht keine schlechte Idee – man müsste eben die Gesetzestexte nicht mehr ins Bellevue, sondern in die Rue la Boétie chauffieren. Im Gegensatz zum Stadtschreiber von Charlottenburg könnte sie sich ja aussuchen, wo sie wohnen wollte. Die Politik würde sich vielleicht etwas beruhigen. Aber dann – warum nicht gleich einen Politiker, der in Sambia lebt, oder in der Antarktis. Am besten aber – auf dem Mond.

**

370. Nacht

Dass sich die Prinzessin schon einigermaßen erholt zeigt, freut den griechischen König sehr. Und so willigt er ein, sie zum Ebenholzpferd zu führen, damit der prinz

dort den Teufel austreibe.

Vom Prinzen erfahren wir übrigens in einem Nebensatz, dass er

noch immer als Arzt gekleidet war.

Wir haben nie vorher gehört, woher er diese Kleidung erhalten habe, noch dass er mit dieser gewandert sei.

Die beiden heben ab,

und die Krieger starrten ihnen nach, bis er ihren Blicken entschwand. Der König wartete einen halben Tag lang. (…) Schließlich gab er die Hoffnung auf.

Es wäre freilich noch interessant zu wissen, welcher "König" das gewesen sein mochte. Da der Prinz an einer Stelle meint, Sassanidenprinz zu sein, wäre es durchaus möglich, dass wir es mit dem byzantinischen Reich zu tun haben. "Griechenland" also für "Christen" steht.
Der Prinz kümmert sich offenbar auch nicht darum, dass der "Weise" noch lebt, den der griechische König auf den Perser hetzen könnte.

In seiner Heimatstadt angekommen bereitet er

große Festmahle für das Volk der Stadt.

Bereitete er sie allein?

*

371. Nacht

Sein Vater aber zerbrach das Ebenholzpferd.

Seinem Schwiegervater im Jemen sendet der Prinz jährlich Geschenke und besteigt, als sein Vater stirbt, den Thron.

***

Die Geschichte von Uns el-Wudschûd und El-Ward Fil-Akmâm

Die Namen der 1001 Nächte tragen nur wenig zu unserer Namensfindung bei. Unsere Freunde und Verwandten würden wohl aufstöhnen, wenn wir unseren Sohn "Uns" nennen würden. Klingt ein wenig nach " Uns Uwe".

Die Tochter des Wesirs Ibrahim nennt sich El-Ward Fil-Akmâm. Sie ist schön;

doch liebte sie die Gelage und den Wein.

Beim jährlichen Schlagball-Spiel erscheint auch ein Jüngling namens Uns el-Wudschûd, und die beiden verlieben sich mit Blicken.
Die Wesirstochter improvisiert ein Gedicht, das sie auch zu Papier bringt und in dem es heißt:

Ja, du bist einzigartig unter allen Menschen;
"Du bist der Schönheit Herr", ist aller Zeugen Ruf.
Und deine Braue gleicht einem Nûn, dem schön geschriebenen;
Dem Sâd dein Augenstern, den der Allgüt’ge schuf.

Nûn:ن
Sâd: ص

Das Blatt hüllt sie

in ein Stück goldgestickter Seide und legte es unter ein Kissen.

Eine Kammerfrau entdeckt es und bietet ihr an, Liebesbotin zu spielen.

*

372. Nacht

Leider verliert die Kammerfrau eines Nachts einen der Briefe. Dieser wird von einem Eunuchen gefunden, der ihn dem Wesir übergibt, welcher

so bitterlich weinte, dass sein Bart von den Tränen benetzt ward.

Seine Gemahlin indes

hielt ihre Tränen zurück.

Doch der Wesir offenbart ihr, dass auch der Sultan Zuneigung zu Uns el-Wudschûd hege und er deshalb um sich selbst und um den Sultan fürchte.

Wird hier auf die Homosexualität des Sultans angespielt?

*

373. Nacht

Die Gemahlin antwortet dem Wesir:

"Warte, bis ich das Gebet um die rechte Leitung verrichtet habe!"

Nach zwei Rak’as schlägt sie ihm vor, der Tochter ein Schloss auf dem Berg Dschebel eth-Thakla im Meere von el-Kunûz zu bauen und sie dorthin zu verbannen.

Und fertig ist der Ausgangspunkt für eine Story der getrennten Geliebten. Das wird noch viele Ohnmachtsanfälle, Krankheiten und ausgeweinte Augen geben.

Mitten in der Nacht ruft der Vater zum Aufbruch, und schreibt Uns el-Wudschûd als Botschaft einen letzten Vers an die Tür. Die Karawane verschifft El-Ward Fil-Akmâm, und das Schiff wird auf Geheiß des Sultans nach Rückkehr der Leute verbrannt.
Uns el-Wudschûd jedoch findet die an ihn gerichtete Botschaft, wird wie von Sinnen, verkleidet sich und wandert aufs Geratewohl los. Als er endlich ruht, um zu trinken, nähert sich ihm ein Löwe.

Er wandte sich in die Richtung der heiligen Stadt und bereitete sich auf den Tod vor. Nun hatte er aber in den Büchern gelesen, dass der Löwe sich durch den, der ihm schmeichelt, betrügen lässt, da er durch freundliche Worte getäuscht und durch Lobsprüche besänftigt werden kann. (…) "O Löwe des Dickichts, du Leu der weiten Flur, du stolzer Held, du Meister, du Ritter, du Sultan der Tiere des Feldes, siehe, ich bin ein Liebender, verzehrt von der Sehnsucht Macht, von Liebe und Trennungsleid dem Tode nahe gebracht. (…)" Als der Löwe diese Worte vernahm, wich er von ihm zurück, setzte sich nieder auf seine Hinterbeine, hob seinen Kopf zu ihm empor und begann mit dem Schwanz zu wedeln und mit den Pfoten zu winken.

Uns el-Wudschûd improvisiert noch schnell ein Gedicht.

Als er diese Verse zu Ende gesprochen hatte, erhob sich der Löwe und kam auf ihn zu.

*

374. Nacht

Der Löwe führt Uns el-Wudschûd in die Steppe, wo er die Fußspuren der Entführer von El-Ward Fil-Akmâm findet. Er folgt ihnen bis ans Meer.

An jener Stätte gab er alle Hoffnung auf.

Er sieht keinen Menschen, und da er sich vor Tieren fürchtet,

stieg er auf einen hohen Berg,

wo er auf einen Einsiedler trifft, dem er sein Leid klagt. Dieser erwidert, er habe zwanzig Jahre lang keinen Menschen mehr gesehen, aber gestern eine Menge Leute,

die auf dem Rücken des Meeres gefahren sind.

Er rezitiert ein Gedicht, das mit folgenden Versen endet:

Drum hoffe in der Liebe auf Glück nicht ohne Qualen,
Da bei dem Glücke gleich das Unglück immer liegt.
Die Liebe hat bestimmt für ihrer Jünger Scharen:
Als Ketzerei verboten ist’s, sie nicht zu wahren.

*

375. Nacht

Nach den Versen umarmt der Einsiedler Uns el-Wudschûd, und beide weinen,

dass die Berge von ihren Klagen verhallten, und sie weinten so lange, bis sie beide in Ohnmacht sanken.

Sagte ich’s nicht?

Inzwischen ringt auch El-Ward Fil-Akmâm mit ihrer Einsamkeit. Sie lässt Vögel der Insel mit Schlingen fangen und sie in Käfige sperren, die sie an ihre Fenster hängt. Tag und Nacht rezitiert sie Gedichte.
Der Eremit indes rät unserem Helden, sich aus Fasern von Palmstämmen ein Netz zu flechten, in das er getrocknete Kürbisse legen soll. Auf dieses Floß soll er sich setzen.

"Fahre auf ihm mitten ins Meer hinaus, vielleicht wirst du dein Ziel erreichen; denn wer nicht wagt, kommt nicht ans Ziel."

Dies tut er,

und er lernte die Wunder und die Schrecken des Meeres kennen,

bis er schließlich starb und die Geschichte aus war. durstig und hungrig auf der Insel Dschebel eth-Thakla landet, wo er Wasser und Früchte findet. Schließlich gelangt er ans Schlosstor, wo er auf einen Eunuchen trifft, der ihn nach seiner Herkunft fragt. Sie stellen fest, dass beide aus

Ispahan

kommen.

Ispahan? In früheren Erzählungen war von Isfahan nicht in der französischen Schreibweise die Rede.

255. Nacht – Geburtstagskinder

Mit mir Geburtstag haben

***

Der Beduinenhäuptling Adschlân lässt seine Soldaten umkehren, um nach dem Führer der Karawane zu suchen. Tatsächlich finden sie ihn trotz seiner Blut-Tarnung. Man erhebt gegen ihn den Speer, doch ruft Abd el-Kadîr, den Heiligen, an, so dass der Speer umgelenkt wird

und Alâ ed-Dîn war gerettet. Dann machten sich die Araber mit den beladenen Maultieren auf und davon.

Unklar: Ließen sie ihn, da ihre Speere umgelenkt wurden, in Ruhe? Das Ganze erinnert auch an die von Gott umgelenkten Kugeln in Pulp Fiction:

 

Als Alâ ed-Dîn nach einer gewissen Zeit flieht, wird er wieder erspäht, und einer der Beduinen setzt ihm auf einer Stute nach. Alâ ed-Dîn versteckt sich in einem Brunnengehäuse, und als der Araber nach ihm sucht, wird er, als Alâ ed-Dîn die Schutzheilige Herrin Nafîsa anruft, von einem Skorpion gestochen.
Er lässt von ihm ab, und nach einer Weile erreicht der andere Teil der Karawane inklusive dem Schein-Moslem und Klemm-Homo Balchi die Tränke. Er hilft dem Überlebenden des Massakers, reist mit ihm nach Bagdad, kleidet ihn, bewirtet ihn, nur um abermals zu versuchen,

ihm einen Kuss zu rauben.

Alâ ed-Dîn wehrt ihn ab, aber el-Balchi versucht ihn zu überreden:

Nach Überlieferung von einem seiner Meister
Sprach Abu Bilâl, der Scheich, der uns mehr als andere gilt:
Wer liebt, wird durch Umarmen und Küssen nie geheilet
Von seinem Leid, – nein, nur wenn er den Trieb gestillt.

Es ist Nacht, und Alâ ed-Dîn flieht in eine Moschee. nach einer Weile hört er Schritte, und einer der zwei Männer (wenn man von den Sklaven, wie hier üblich, absieht), bittet seinen Oheim:

"Gib mir meine Base zurück."

Der Alte darauf wirft ihm vor:

"Hab ich dich nicht schon viele Mal zurückgehalten, während du die Scheidung gleich der Heiligen Schrift immer nur im Munde führst?"

Man entdeckt Alâ ed-Din, und dieser stellt sich den beiden vor.… Weiterlesen

254. Nacht – Mein Ebay

Mein Ebay am heutigen Tag:

587 Punkte, davon 1 negative und 2 neutrale Bewertungen

695 abgegebene Bewertungen. Da bin ich wohl fleißiger.

Auswahl von Käufen

  • 17.3.00: Keyboard Yamaha PSS-26

  • 9.7.01: CD Clifford Brown – Paris Session

  • 26.2.02: Samy Molcho: Pantomime Körpersprache

  • 12.4.02: Haarschneidemaschine

  • 6.3.03: Buch „Trümmerleben, Münchnerinnen“

  • 31.7.04: Geldkassette mit Hartgeldeinsatz

  • 4.10.05: Gitarren-Wandhalter

  • 27.11.05: Fünf Klammappen

  • 16.2.06: Cardia Designer Hemd weiß

  • 30.1.07: Kopie des Bilds von Monet: Wasserlilien

  • 28.2.08: DVD „The Oxbow Incident“

***

Die Karawane zieht macht nacheinander Halt in Aleppo, Damaskus und Bagdad. In jeder dieser Städte besitzt der heimliche Magier Mahmud el-Balchi Häuser. Und bei jeder Rast lädt er Alâ ed-Dîn zu einem Festmahl ein. Der Leiter der Karawane, ein Vertrauten seines Vaters, rät ihm jedes Mal ab, aber vor den Toren Bagdads lässt sich Alâ ed-Dîn auf die Einladung ein. Während des Essen versucht der Magier, Alâ ed-Dîn

einen Kuss zu rauben.

Dieser zuckt zurück, doch der Magier schlägt ihm vor,

„Wir wollen die Worte des Dichters auslegen:

Kannst du nicht zu mir kommen, nur ein Augenblickchen,

So lang wie ein Schäfchen gemolken, ein Ei gebraten wird,

Und, was an zartem Feinbrote dir nur zusagt, essen,

Und nehmen, was an silberner Münze dir entgegenklirrt,

Und ohne Müh ertragen, was dir behagen soll,

Ein Zöllchen oder ein Spännchen oder ein Händchen voll?“

Darauf wollte Mahmûd el-Balchi den Jüngling vergewaltigen.

Wie nun? Erst mit Lyrik verführen, dann vergewaltigen?

Alâ ed-Dîn wehrt sich mit dem Schwert und beschwert sich beim Karawanenführer:

„Der da ist ein Wüstling!“

Wüstling – auch ein Wort, dessen Verlust zu betrauern wäre.

Alâ ed-Dîn überredet den Karawanenführer, ohne el-Balchi und dessen Leute aufzubrechen, um noch vor Anbruch der Nacht Bagdad zu erreichen. Dieser rät ihm aus Sorge vor den Beduinen ab. Alâ ed-Dîn entgegnet:

„Du, Mann, bist du Diener oder Herr?“

Diese Sorglosigkeit kostet mehreren Menschen des Leben, denn in der Tat werden sie im Hundetal von der Bande des Beduinenführers Adschlân Abu Nâîb überfallen. Alâ ed-Dîn überlebt, indem er seine kostbaren Kleider auszieht und sich im Blut der Toten wälzt, damit er selber für tot gehalten wird.

252. Nacht – My little history of Suchmaschinen

Beim Frühstück hört man ein Lied im Radio, Melodie und Stimme kommen einem bekannt vor. Aber wer mag das sein?

  • Kabellosen Laptop an.

  • W-LAN aktivieren.

  • Beliebige Liedzeile googeln.

  • Informationen über Eric Clapton bei Wikipedia erspähen. (Eric Clapton – auch so eine Halb-Bildungslücke, die ich wohl auch deshalb nie ganz schließen werde, weil ich scho einsehe, dass Clapton kein schlechter Musiker ist, er mich aber trotzdem langweilt.)

Aber wie lange hätte man vor 10-15 Jahren gebraucht, um sich diese Informationen zu beschaffen? Vor 15 Jahren hätte man wohl in die Bibliothek gemusst. Vor 10 Jahren hätte ich für die Liedzeile der Suchmaschine Webcrawler vertraut und dann versucht, Informationen über Clapton bei Yahoo! über die Kategoriensuche zu finden.

My little history of Suchmaschinen:

  • 1996-1997: Webcrawler und Yahoo!

  • 1998-1999: Lycos und Altavista

  • ab 1999: Google. In seltenen Fällen auch Altavista

***

Doch als die zweihundertundzweiundfünfzigste Nacht anbrach, sprach ihre Schwester Dinazâd zu ihr: "Schwester, erzähle uns deine Geschichte weiter, wenn du wach bist und noch nicht schläfst."

Lange nichts mehr von Dinazâd gehört. Warum muss sie gerade jetzt ihre Schwester ermahnen, fortzufahren? Bekanntlich ging Schehrimân zu Schehrezâd ein. Es könnte also sein, dass sie nun schon im 9. Monat schwanger und entsprechend erschöpft ist. Vielleicht hat sie sogar gerade ein Kind geboren, und Dinazâd bangt um ihr beider Leben. Wie auch immer – Schehrezâd fährt fort.

Alâ ed-Dîns Vater bereitet ein großes Gastmahl und deckt zwei Tische – einen für die Jünglinge, einen für die Männer:

"Wisse, der bartlose Jüngling scheut sich, mit den Männern zu essen."

Seltsame Tradition oder Scheu.

Die Jungen vergnügen sich. Die Alten reden

von Wissenschaft und von den Überlieferungen des Propheten. (…)
Unter ihnen war ein Kaufmann des Namens Mahmûd el-Balchi; der war nach außen hin ein Muslim, aber im Innern ein Magier.

Dies steht in bemerkenswertem Gegensatz zur vorigen Geschichte, in der ein bösartiger Magier nur das Glaubensbekenntnis zu sprechen braucht, und alle Missetaten werden ihm vergeben.

Dieser Magier verliebt sich in Alâ ed-Dîn und besticht die anderen Jünglinge mit kostbaren Gewändern, ihn zu überreden, den Magier auf einer Handelsreise zu begleiten.
Diese beginnen nun mit ihren Reiseerlebnissen zu prahlen, ziehen Alâ ed-Dîn auf und machen ihm den Mund wässrig, so dass dieser schließlich seinen Vater bittet, reisen zu dürfen.

 

251. Nacht – Matti und Bau

Mein Neffe Matti reagiert erstaunlich freudig auf Bau, den "Nüdlüchen Hund"

 

***

Erst von den Dienern erfährt Alâ ed-Dîn, dass sein Vater Vorsteher der Kaufmannsgilde ist,

"und er gilt als Fürst unter den Arabern."

Er gestattet es sogar seinen Sklaven, bis zum Wert von 900 Dinaren, Geschäfte ohne seine Zustimmung abzuschließen.

Sklaven als Prokuristen?

Alâ ed-Dîn bittet nun seine Mutter, seinen Vater umzustimmen, damit er gegenüber den anderen Händlern als Sohn seines Vaters angesehen werde und dadurch in den Genuss dieser Privilegien komme, falls sein Vater stürbe.
Der Vater ist einverstanden. Man ist und trinkt Scherbette. Als sie jedoch nach dem Bad zum Basar gehen, ernten sie misstrauische Blicke, und die Kaufleute wollen ihn absetzen, da sie glauben, er hege

unerlaubte Liebe und Neigung zu ihm.

Als er sie aufklärt, wünschen sie ihm Glück:

"Der Herr behüte die Wurzel und den Zweig!"

verlangen aber ein Geburtsfest für die Kollegen.… Weiterlesen

216. Nacht

Budûr lässt am folgenden Tag den Kapitän vor ihren Thron bringen und fragt ihn, woher er die Schläuche habe. Sie versiegelt die Warenhäuser der Kaufleute und droht, diese töten zu lassen, wenn man ihr nicht den „Gärtner“ brächte, da dieser ihr Geld schulde.

Den wahren Grund – er ist ja ihr Gatte – verrät sie natürlich nicht.

Die Kaufleute flehen den Kapitän an:

„Mache, dass wir von diesem ungerechten Tyrannen loskommen.“

Der Kapitän segelt zurück und schnappt Kamar ez-Zamân:

„Du bist ein Schuldner des Königs Armanûs; du willst ihm sein Geld stehlen.“

Kamar ist entsetzt, als er zu den Ebenholzinseln gebracht wird. Budûr hebt die Sperre über die Kaufleute auf und beschenkt den Kapitän. Sie beschenkt aber auch Kamar ez-Zamân.

Als sie ihn erblickte, zwang sie ihr Herz sich zu gedulden, bis sie ihr Vorhaben ausgeführt hätte.

Sie befördert ihn zum Schatzmeister und Kamar ez-Zamân tritt in ihren Dienst. Nach einer Weile bittet er aber um Entlassung. Budûr treibt aber weiterhin ihr Spiel mit ihm, befördert ihn zum Wesir, schmeichelt seinem Äußeren und deutet erotisches Begehren an.

Wie entzieht man sich diesen Wünschen eines Sultans?

Kamar ez-Zamân argumentiert:

„O König, ich bin nicht gewöhnt, solche Dinge zu tun; und nicht stark genug, dass solche Lasten auf mir ruhn, die selbst ein älterer als ich kaum ertragen kann, geschweige denn ich ganz junger Mann!“

Man tauscht gereimte Argumente aus, darunter auch Budûr:

Der Mann erhebt die Hände zum Gebet;
Die Frau erhebt die Füße, wenn sie fleht.
O welch ein fromm Beginnen ist es doch;
Und Gott erhebt es in der Tiefe hoch.

Kamar ez-Zamân willigt schließlich voller Scham ein, unter der Bedingung, dies wäre das letzte Mal. Sie liegen also beieinander:

„Lege deine Hand zwischen die Schenkel an die Stelle, die dir bekannt; vielleicht, dass es dann, nachdem es lag, wieder aufstehen kann.“

Völlig verwirrt tut er auch das und glaubt, nachdem er „nichts“ findet, einen Zwitter vor sich zu haben. Und endlich löst Budûr ihren Scherz auf. Liebend und reimend fallen sie einander in die Arme.
Am nächsten Morgen verkündet man dem Sultan Armanûs die ganze Geschichte, und dieser bietet Kamar ez-Zamân seine Tochter an, da diese ja noch unberührt ist. Kamâr willigt ein, nicht ohne Budûr um Einwilligung zu bitten, damit keine Eifersucht zwischen den beiden Frauen entstünde.

Man könnte meinen, die Geschichte sei so gut wie vorbei, nur König Schehrimân müsse noch informiert werden.

170. Nacht

Die Geschichte von Kamar ez-Zamân

Wieder haben wir es mit einem König – namens Schehrimân – zu tun, der in hohem Alter noch keinen Sohn hat und ob dieses Problems seinen Minister befragt.

Jener Wesir antwortete ihm: "Vielleicht wird Gott doch etwas geschehen lassen. Drum vertraue auf Allah, o König, und bete zu ihm inständigst!"

Was sonst sollte der Wesir auch raten. Vielleicht ist das inständige Beten übrigens tatsächlich auf eine Art hilfreich. Immerwährendes Beten erschöpft, so wie das ständige Sprechen eines Wortes, es verliert den Wortsinn für den Sprecher. So kommt man in einen Zustand des inneren Loslassens. Vielleicht nicht unwichtig für einen alternden König mit Erektionsproblemen.

Er hält sich an des Wesirs Anweisung und tatsächlich empfängt die Gemahlin und gebiert ihm einen schönen Knaben, den sie wegen seiner Schönheit Kamar ez-Zamân nennen.

Ich vermute, die Geschichte spielt in Persien.

Als der Sohn alt genug ist, will der König ihn vermählen, doch dieser sträubt sich.

Wen ihr mich nach Frauen fragt, so wisset:
Ich kenn die Art der Frauen alleweil.
Ergraut des Mannes Haupt und schmilzt sein Geld,
Hat er an ihrer Liebe keinen Teil.

Es fragt sich, ob hier Misogynie, Homosexualität oder Angst vor dem Erwachsenwerden der Hauptgrund dieses immer wiederkehrenden Motivs ist.

132. Nacht

Die beiden Jünglinge Azîz und Tâdsch el-Mulûk werden vom Wesir ins Badehaus geführt.

und im Badehaus schien es, als habe der Dichter ihnen die Worte geweiht:

Wohl seinem Badediener, wenn dessen Hand berühret
Den Leib, der wie aus Wasser und Licht geschaffen ward!
Ohn Unterlass übt er sein Handwerk fein behutsam,
Dann ist’s, als gewönne er Moschus vom Leibe wie Kampfer so zart.

Gemeinsam mit dem Vorsteher begeben sie sich zurück zum Markt und gehen vor ihm her.

Nun sah er ihre Hüften sich bewegen, und da begann die Leidenschaft sich in ihm immer stärker zu regen; er schnaubte und schnaufte und konnte sich kaum noch beherrschen, er wollte sie mit den Augen verschlingen und begann, diese Verse zu singen:

Das Herz liest das Kapitel alleinigen Besitzes;
Den Abschnitt über die Teilung mit anderen schlägt es nicht auf.
Kein Wunder ist’s, wenn es ob solcher Last erhebet;
Bewegen sich doch am Himmel die Sphären im Lauf.

und ferner sprach er:

Mein Aug erblickte die zwei, die auf die Erde traten –
Die beiden liebt ich auch, wenn sie ins Aug mir träten

Man stelle sich heute einen Marktvorsteher (Börsenvorstand) vor, der solche Lieder singend den Markt betritt.

Als sie solches von ihm hörten, beschworen sie ihn, mit ihnen wieder ins Bad zu gehen.

Dies nun scheint völlig unklar. Sind sie auf einmal selbst nicht abgeneigt, Dunja hin oder her? Oder sind sie für die erotische Komponente der Verse völlig taub?
Außerdem unklar: Azîz ist ja nun kastriert. Ist dies dem Vorsteher entgangen oder ist es gerade das, was ihn anmacht?

Tâdsch el-Mulûk besteht darauf, den Vorsteher selber waschen zu dürfen.

Früher hätte man gesagt: "Ist ja nur ein Märchen."

Man lobt die Vorzüge des Bades. Und nach diesem Tag spricht sich die Schönheit von Tâdsch el-Mulûk in der Stadt herum.

131. Nacht

Der König Schehrimân verliert ob der Weigerung der Prinzessin völlig die Nerven und will schon in den Krieg ziehen, kann aber von seinem Wesir gerade noch abgehalten werden.
Tâdsch el-Mulûk beschließt, sich in Verkleidung zu den Kampferinseln zu begeben, in der Hoffnung, sich so ihr nähern zu können. Azîz (der nun zum dritten Mal die Kampferinseln bereist) und der Wesir begleiten ihn.

Unklar, welche Inseln eigentlich mit den Kampferinseln gemeint sind. Da der Campherbaum seinen Ursprung vor allem in Japan und Taiwan hat, ist zu vermuten, dass eine dieser Inseln gemeint sein könnte.

Zwei Monate ziehen sie dahin, während unser Prinz an Liebeskummer leidet. Dann erreichen sie das Weiße Schloss.

Seltsam allerdings, dass nicht von einer Schifffahrt die Rede ist, sondern von Tälern, Wüsten und Steppen. "Insel" also nur im übertragenen Sinne? Oder liegt ein Übersetzungsfehler vor?

In der Stadt angekommen, ziehen die verkleideten Kaufleute in den Chân, um dann auf dem Markt als Tuchhändler aufzutreten.

Die Kaufleute sehen Tâdsch el-Mulûk und ließen

die Augen auf seiner Schönheit ruhen.

Weitere Anspielung auf ihre Homosexualität?

Der Vorsteher des Basars hilft ihnen bei den Formalitäten und verschafft ihnen Annehmlichkeiten.

Dieser Vorsteher nämlich ward hingerissen von bezaubernden Blicken, und er ließ sich von der Neigung zu Knaben mehr als von den Mädchen berücken; und so gab er sich der Knabenliebe hin. Jetzt sprach er bei sich: "Dies ist ein schönes Wild. Preis ihm, der sie aus verächtlichem Wasser geschaffen und gebildet hat."

Ein Laden wird für die beiden

mitten in der großen Kaufhalle

errichtet.

130. Nacht

Ähnlich wie sein Wesir ihm selbst damals empfiehlt der König nun seinem Sohn Tâdsch el-Mulûk, sich eine Sklavin zu wählen.

"Lieber Vater, ich will niemals eine andere als sie, die Künstlerin der Gazellen, die ich gesehen habe."

Auch dies der Traum des Künstlers, schon allein seiner Werke wegen sexuell verehrt zu werden.

Der Vater hat ein Einsehen:

"Vielleicht wird Allah dir zu deinem Wunsche verhelfen. Wenn aber ihr Vater nicht einwilligt, so werde ich sein Land erschüttern durch ein Heer, dessen Nachhut noch hier bei mir ist, während der Vortrab schon bei ihm steht."

Der Wesir reist wie damals in Begleitung von Azîz zu den Kampferinseln, um um die Hand der Tochter des Königs anzuhalten. Dieser ist durchaus freundlich und nicht abgeneigt, gibt aber zu bedenken,

seine Tochter liebe die Männer nicht

Zum ersten Mal wird hier weibliche Homosexualität nicht nur unterschwellig angedeutet, sondern alsLebensform benannt.

Ein Diener, den man zu Dunja schickt, wird von ihr mit Schlägen und den Worten fortgejagt:

"Wenn mein Vater mich zur Ehe zwingt, so werde ich den töten, mit dem ich vermählt werden soll."

Eine beachtliche Militanz für eine stickende Lesbe.