Ideen – revisited

Ich präzisiere meine Position zum Thema „Ideen“. Vor drei Jahren sagte ich hier, es komme auf Ideen nicht an, sondern auf den Flow. Inzwischen denke ich, man sollte die eigenen Ideen zwar schätzen, sich aber nicht an sie klammern. Im Grunde ist jede Idee brauchbar, entscheidend ist, was wir daraus machen. Sei offen für den Fluss der Ideen. Schätze jede einzelne, aber sei bereit, sie fahren zu lassen. Wenn man sich öffnet, muss man auch nicht befürchten, dass der Ideenfluss versiegt.
Vor allem in der Partner-Improvisation müssen wir lernen, die Ideen des Anderen zu schätzen. Wem das schwerfällt, möge versuchen, sie erst mal überhaupt nicht zu bewerten, sondern nur zu nutzen, zu akzeptieren und mit ihnen zu spielen. Die Liebe wird sich dann mehr oder weniger automatisch einstellen.

Hunde im Moment

Kirsten Fuchs zieht einen Vergleich zwischen Hunden und Improvisierern. Hunde reagieren viel stärker auf die momentane Situation als es Menschen in der Regel tun.
Wenn ein Hund also etwas Verbotenes getan hat und man ihn dafür anschreit, dann befiehlt, herzukommen und ihn dann bestraft, wird er es nicht verstehen, da er doch den Befehl „Komm her!“ erfüllt hat. So werden Hunde zu misstrauischen Wesen.
Völlig absurd wird es dann, einen freudig heranspringenden Hund für etwas zu bestrafen, was er vor einer Stunde getan hat.
Die unglaubliche Wahrnehmung des Moments – den Ton, die Worte, die Gesten des Menschen – haben ihn zu so einer unglaublich angepassten Spezies gemacht.
Stephen Nachmanovitch berichtet über seinen Hund, in dessen Gegenwart man nicht das Wort „walk“ benutzen durfte, ohne dass er schwanzwedelnd vor der Tür stand. Stephen und seine Frau erfanden dann das pseudo-jiddische Wort „Schniss“ für Spaziergang. „Let’s have a schniss“ bedeutete dann: „Lass uns ohne den Hund spazierengehen.“

Impulskontrolle

Beim Improtheater – und überhaupt in der Improvisation – stehen wir vor der Frage, wie wir mit unseren Impulsen umgehen sollen: Einerseits brauchen wir eine erhöhte Wahrnehmung für sowohl innere als auch äußere Impulse. Den inneren strengen Zensor abzuschalten, der uns Inhalte und Formen zensiert, ist eine der ersten und immer wiederkehrenden Übungen des improvisierenden Künstlers. Andererseits müssen wir unsere Impulse editieren, sonst rutschen wir in alltägliches Reagieren. Wenn das Improtheater mit diesen impulsiven Alltagsreaktionen gefüttert wird, entstehen meist negative Szenen, Charaktere sagen „Ja, aber“ oder benennen alles eins zu eins – die kreative Energie geht verloren.
Eine Lösung für diese Zwickmühle sind Games: Wir stellen ein Spiel mit Regeln auf, die sich genau auf diese Impulse beziehen. Die Blockier- und Akzeptierspiele z.B. arbeiten genau mit den Impulsen des Verneinens, ein Spiel wie das ABC-Spiel arbeitet mit dem Impuls des skeptischen Überprüfenwollens usw.
Auf lange Sicht erreichen wir durch unser Impro-Training zweierlei: Wir polen unsere Impro-Impulse um (indem wir den Ja-Muskel trainieren) und zweitens werden wir wacher für kleine Impulse überhaupt. Dadurch erhöht sich unsere Fähigkeit, auf vielfältige Impulse unterschiedlich zu reagieren. Eine größere Bewusstheit lässt uns zu tieferen Schichten des Unbewussten stoßen.

Ideen

Ideen sollte man wohl so behandeln wie ein meditierender Zen-Buddhist seine Gedanken: Achtsam beobachtend, ohne sich an sie zu klammern. Völlig „leer“, quasi geistlos auf die Bühne oder gar in eine laufende Szene zu gehen, hilft ja auch nichts. Sei bereit, einen Gedanken umzusetzen, ihn aber jederzeit fallenzulassen.

Langweilige/Spannende Geschichten

Die langweiligsten Geschichten auf der Bühne entstehen meistens von Spielern, die sagen, dass sie sich beim Improtheater „für die Geschichten“ interessieren. Warum ist das so? Ich vermute, dass viele dieser Spieler sich mit Story-Strukturen usw. beschäftigt haben und diese dann hübsch brav ausführen. Somit aber werden die Geschichten auch erwartbar, vorhersagbar, langweilig. Es bedarf meines Erachtens eine gewisse Radikalität der Entscheidungen, die auch den Improspieler selber überraschen. Ansonsten rutscht man in ein Abarbeiten der Szenen. Dann sieht man hinterher grübelnde Spieler an der Bar, die sich fragen, warum das alles so öde war. („Na du hättest doch an der einen Stelle, wo ich reingekommen bin, nicht sagen dürfen, dass du den Ring hast…“ – „Nein. Du hast doch in der zweiten Szene…“)

Sich aufs Drahtseil zu begeben, auch wenn man Storytechnik beherrschen will, das ist der Witz bei Impro.

Oper als Impro-Format

Wenn ein Ensemble einigermaßen singen kann und über einen in klassischer Musik bewanderten Pianisten verfügt, sollte es sich nicht scheuen, eine improvisierte Oper aufzuführen oder zumindest mit dieser Form zu proben. Sie ist nämlich nicht nur für den Zuschauer beeindruckend, sondern auch lehrreich in ihrer Form: Seltsamerweise gehen die Storys von Opern fast immer auf, selbst bei Gruppen, die mit dem Storytelling hadern. Wenn die Oper gut aufgeführt wird, können wir einem einfachen Schema folgen: Handlung im Rezitativ, gesteigerte Emotion in der Arie, immer hübsch im Wechsel. Man kommt gar nicht dazu, sich um den Verlauf der Story Gedanken zu machen oder vorauszuplanen. Man ist immer schön im Moment.