135. Nacht

Es gelingt der Alten, den Eunuchen einzuschüchtern, und so wird sie selbst zur Türhüterin, während sich Tâdsch el-Mulûk mit Dunja amüsiert

mit Armen umwunden und innigst verbunden.

Am Morgen wird er in ein anderes Zimmer geschickt, damit Dunja mit ihren Sklavinnen spielen kann.

Und in dieser Weise blieben sie einen Monat beieinander.

Azîz und der Wesir fürchten nun, dass man Tâdsch el-Mulûk gefangen genommen habe und kehren zu dessen Vater Sulaimân Schâh zurück, der gleich nichts besseres zu tun hat, als zum Heiligen Krieg zu rüsten.

mit einem Heere so groß, dass es den Horizont versperrte

Gewalt, um es mit Michael Stein zu sagen, ist nichts weiter als beschleunigter Dialog. Oder systemtheoretisch gesehen: Wer aus den Kommunikationssystemen ausgeschlossen ist, dem bleibt noch der Zugriff zum Körper. Nun kann man beim König wohl nicht von Exklusion sprechen, eher von fehlender Evolution der entsprechenden symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien oder aber auch einfach von Inkompetenz, diese anzuwenden.

In der Zwischenzeit überreicht der Vorsteher der Goldschmiedezunft dem König Schehrimân ein goldenes Kästchen, welches dieser der Prinzessin bringen lässt. Der Eunuch Kâfur findet dabei unser Paar in flagranti. Flugs wird er vor den König gebracht, der befiehlt, ihn zu enthaupten. Der Scharfrichter zögert noch…

Bemerkenswert in diesem Beruf.

Doch der König droht ihm, ihn selbst zu enthaupten, und so hebt der Scharfrichter den Arm,

bis das Haar unter der Achsel sichtbar ward.

134. Nacht

Selbst die Absagen einer Prinzessin werden noch in Verse gekleidet, die das Flirtfeuer am Lodern halten:

O der du um die Schläge des Schicksals dich nicht kümmerst,
Dir ist der Weg, der zur Vereinigung führet versagt!
Ja, glaubst du den, Vermessner, du könntest die Suhâ gewinnen,
Und kannst den Mond nicht erreichen, der hell am Himmel ragt?
Wie kannst du nur auf mich hoffen und denken, dich mir zu nahen,
Auf dass die Freude den schlanken Leib zum empfangen dir blüht?
Lass ab von diesem Plan aus Furcht vor meinem Zorne
An einem finsteren Tage, der graue Scheitel zieht.

Zur Erklärung der Metapher: Suhâ ist der altarabische Name für einen mit bloßem Auge nur schwer erkennbarer Stern im Sternbild "Großer Bär", auch Alkor genannt.

Suha Reiterlein

Tâdsch el-Mulûk schreibt einen neuen Brief, und auch diesen überbringt die Alte:

"Ich habe doch mein Leben mit List und Trug verbracht, bis ich neunzig Jahre alt geworden bin; wie sollte ich da nicht zwei vereinen können, auch wenn es eine Sünde ist?"

Nach europäischem Sonnenjahr gerechnet ist sie allerdings "erst" 87 Jahre alt.

Sie wagt es nicht, den Brief Dunja persönlich zu überbringen, verbirgt ihn in ihrem Haar und bittet die Prinzessin, ihr die Haare zu lausen.

Die Prinzessin laust die Dienerin – ein bemerkenswertes Dienerverhältnis.

Wieder schreibt die Prinzessin eine Ablehnung, und wieder der Prinz einen Liebesbrief. Doch diesmal rastet die Prinzessin Dunja aus:

"An allem, was mir widerfährt, ist diese Unglücksalte schuld! (…) Packt diese verfluchte Alte, die Ränkeschmiedin, und schlagt mit euren Sandalen auf sie ein."

Man wirft sie vor die Tür, doch nachdem sich die Alte erholt hat, geht sie wieder zu Tâdsch el-Mulûk, der sich nach dem Grund für den Männerhass von Dunja erkundigt.

Es läge, so die Alte, an einem Traum, den Dunja als junges Mädchen gehabt habe. In dieser fabelartig angelegten Story, hilft eine weibliche Taube dem Täuberich, aus dem Netz des Vogelfängers zu entkommen. Als das Weibchen jedoch in dieselbe Situation kommt, lässt sie der Täuberich im Stich, was die Prinzessin zu dem Urtail kommen lässt:

"Ein jeder Mann ist wie dieser Täuber; an ihm ist nichts Gutes, und an allen Männern ist nichts Gutes für die Frauen!"

Billiger als Freud.

Man beginnt nun, an einem Plan zur Überlistung der Prinzessin zu spinnen. Den Laden verschenkt Tâdsch el-Mulûk an Azîz. Die beiden gehen mit dem Wesir zum Garten, in dem sich die Prinzessin alle zehn Tage aufhält und bestechen den Gärtner, ihnen den Garten zu zeigen. Der Wesir bestellt nun Anstreicher, Maler und Goldschmied und gibt ihnen den Auftrag, ein Triptychon zu erstellen, das den Traum der Prinzessin nachstellt, ergänzt um eine Szene, die darstellt, dass der Täuber nicht kommen konnte, da er von einem Raubvogel gefangen wurde.
Die Nacht des Wartens vertreibt Azîz dem Tâdsch el-Mulûk durch Gesänge:

Es meinte Avicenna bei Leitsätzen seiner Lehre,
Für Liebeskrankheit wäre die Arzenei der Sang,
Die Nähe einer Maid, die der Geliebten gleiche,
Dazu ein edler Garten, Naschwerk und Trank.
So nahm ich denn einmal eine andre als dich, zur Genesung,
Als Zeit und Möglichkeit mir ihren Beistand liehn:
Doch ich erkannte, die Liebe ist eine tödliche Krankheit,
Und nur Gefasel ist Avicennas Medizin.

Das würde die Gesamtgeschichte zeitlich eingrenzen, da Avicenna (ابو علی سینا‎) erst um 1000 zu wirken begann, und sein Ruhm erst ab 1025 begann.

Die Prinzessin hat sich inzwischen wieder in ihrem Zorn gegen die Alte beruhigt und lässt sie rufen, da sie nur mit dieser im Garten zu spazieren pflegt. Tâdsch el-Mulûk legt sich inzwischen sein königliches Gewand an, verbirgt sich im Garten und wartet auf ein mit der Altenverabredetes Zeichen. Trickreich überredet die Alte die Prinzessin, die Eunuchen fortzuschicken. Tâdsch el-Mulûk verfolgt das Mädchen mit seien Blicken.

Doch sooft er sie nur sah, wurde er durch den Anblick ihres strahlenden Liebreizes ohnmächtig.

Alte und Dunja kommen an dem Triptychon vorbei, Dunja ändert sofort ihre Meinung zu Männern. So konditioniert erträgt sie auch leicht den Anblick des Tâdsch el-Mulûk, der nun hervortritt und ebenso schnell wieder verschwindet. Die Sehnsucht ist geweckt. Sowohl Prinz als auch Prinzessin versprechen der Alten 1000 Dinare und ein Ehrenkleid, falls die Vereinigung gelingt. Sie hilft Tâdsch el-Mulûk am nächsten Tag, in den Palast zu gelangen, indem er sich als Frau verkleidet und den Gang der Frauen lernt. Doch als sie ihn in die Gemächer der Prinzessin leiten will, stellt sich ihnen der Obereunuch in den Weg.

133. Nacht

Nach einer geraumen Zeit betritt eine Alte mit zwei Sklavinnen den Laden.

Alte Frauen haben bisher in den Erzählungen aus Tausendundein Nächten fast immer nur Unglück gebracht.

Da erblickte sie seine ebenmäßige Gestalt und seiner Schönheit liebliche Gewalt, und vor lauter Erstaunen über sein herrliches Aussehen nässte sie ihre Hose.

Fragt sich nur, um welche Flüssigkeit es sich hier handelt.

Dabei plauderte sie mit ihm und rieb sich zwischen den Schenkeln mit der flachen Hand.

Eine bei Frauen eher seltene Geste in der Öffentlichkeit, wahrscheinlich damals wie heute.

Als sie fort ist, spricht Tâdsch el-Mulûk zu sich selbst:

O Herr, du lässest die Wünsche gewinnen
durch die alten Kupplerinnen.

Und tatsächlich preist die Alte gegenüber der Prinzessin die Vorzüge des „Kaufmannes“. Obwohl Dunja erzürnt ist, gewährt sie ihm doch einen Wunsch, da er

durch sein Kommen unser Land und unsere Hauptstadt geehrt

habe. Und so schreibt Tâdsch el-Mulûk ihr einen Vers-Brief:

Ich schreibe einen Brief für dich, o Ziel meiner Hoffnung
Mit all dem Trennungsschmerze, der sich mir geweiht.
Die erste Zeile erzählt vom Feuer in meinem Herzen,
Die zweite von meiner Liebe und sehnsuchtsvollem Leid.
Die dritte besagt: Mein Leben und meine Geduld ist geschwunden.
Die vierte: All die Qual der Leidenschaft bleibt bestehen.
Die fünfte: Wann wird mein Auge jemals dich erblicken?
Die sechste: Wann ist der Tag, da wir uns vereint sehen?

Ein Flirtberater würde man dem jungen Mann wohl raten, die Sache etwas diplomatischer anzugehen.

Und so ist die Prinzessin nicht nur wegen des Antrages, sondern auch wegen der Tatsache, dass sich da jemand aus dem Volk erdreistet, erbost:

„Bei Allah, wenn ich mich nicht vor dem Allmächtigen fürchtete, ich würde ihn totschlagen und an seinem Laden kreuzigen lassen.“

Die Alte rät der Prinzessin nun, ihm ruhig mit dem Tode zu drohen. Gegenüber Tâdsch el-Mulûk hingegen behauptet sie, die Angelegenheit noch einfädeln zu können.

Diese Alten!

131. Nacht

Der König Schehrimân verliert ob der Weigerung der Prinzessin völlig die Nerven und will schon in den Krieg ziehen, kann aber von seinem Wesir gerade noch abgehalten werden.
Tâdsch el-Mulûk beschließt, sich in Verkleidung zu den Kampferinseln zu begeben, in der Hoffnung, sich so ihr nähern zu können. Azîz (der nun zum dritten Mal die Kampferinseln bereist) und der Wesir begleiten ihn.

Unklar, welche Inseln eigentlich mit den Kampferinseln gemeint sind. Da der Campherbaum seinen Ursprung vor allem in Japan und Taiwan hat, ist zu vermuten, dass eine dieser Inseln gemeint sein könnte.

Zwei Monate ziehen sie dahin, während unser Prinz an Liebeskummer leidet. Dann erreichen sie das Weiße Schloss.

Seltsam allerdings, dass nicht von einer Schifffahrt die Rede ist, sondern von Tälern, Wüsten und Steppen. "Insel" also nur im übertragenen Sinne? Oder liegt ein Übersetzungsfehler vor?

In der Stadt angekommen, ziehen die verkleideten Kaufleute in den Chân, um dann auf dem Markt als Tuchhändler aufzutreten.

Die Kaufleute sehen Tâdsch el-Mulûk und ließen

die Augen auf seiner Schönheit ruhen.

Weitere Anspielung auf ihre Homosexualität?

Der Vorsteher des Basars hilft ihnen bei den Formalitäten und verschafft ihnen Annehmlichkeiten.

Dieser Vorsteher nämlich ward hingerissen von bezaubernden Blicken, und er ließ sich von der Neigung zu Knaben mehr als von den Mädchen berücken; und so gab er sich der Knabenliebe hin. Jetzt sprach er bei sich: "Dies ist ein schönes Wild. Preis ihm, der sie aus verächtlichem Wasser geschaffen und gebildet hat."

Ein Laden wird für die beiden

mitten in der großen Kaufhalle

errichtet.