Gute Vorschläge vom Publikum (1)

Eines der stärksten Mittel, den Schrott-Anteil bei Vorschlägen zu mindern, ist, die Zuschauer direkt und einzeln zu befragen, zum Beispiel indem man sie bittet, sich zu melden, wenn sie etwas vorschlagen wollen. Wer einzeln und direkt gefragt wird, ist auch direkter für seinen Vorschlag verantwortlich als der, der sich im Mob verstecken kann. Sieht man mehrere Wortmeldungen, kann man auch anhand der Körpersprache und anderer äußerer Merkmale aussortieren:

  • Keine betrunkenen oder kichernden Zuschauer fragen.
  • Die Alphamännchen in Gruppen ignorieren.
  • Die letzte Reihe meiden. 
  • Frauen bevorzugen.

(Zuschauer in den letzten Reihen sind öfters – absichtlich oder nicht – etwas losgelöst von der Show. Sie neigen dazu, mehr zu werten und zu kommentieren als sich emotional zu engagieren. Ihre Haltung ist eher: „Wollen doch mal sehen, ob das etwas taugt.“

Ob das damit zu tun hat, dass sich distanzierte Besucher eher in die letzte Reihe setzen oder ob die letzte Reihe die Zuschauer distanziert, kann ich nicht beurteilen.)

Einzählen

Aus der Theatersport-Forderung, die Spieler mögen nicht zu viel Zeit mit dem Suchen von Requisiten oder gar mit Überlegen verplempern, entstand die Konvention, die Jury fünf Sekunden einzählen zu lassen – eine Aufgabe, die später dem Publikum übertragen wurde. Keith Johnstone hat sich über dieses Ritual ambivalent geäußert. Ich denke, jeder, der es mal erlebt hat, wie ein ganzer Saal kraftvoll gemeinsam einzählt, hat diese Wucht schätzen gelernt. Es schweißt das Publikum zusammen, ähnlich wie applaudieren oder überhaupt jede gemeinsame Aktion. Ich sehe aber auch drei Nachteile: 1. Das Ritual ermüdet sich im Laufe des Abends. Der zehnte Countdown ist meist längst nicht mehr so kräftig wie der erste. 2. Wenn man nur wenige längere Szenen oder Storys spielt und wenn es dann auch keine Wettbewerbsstruktur als Format gibt, wirkt das Einzählen etwas künstlich. Wozu einzählen, wenn niemand etwas zu verlieren hat? 3. Einzählen versetzt unter Umständen sowohl den Spieler als auch das Publikum selbst unter Stress. Wenn etwa ein Spieler eine ruhige Szene beginnen möchte, die sich langsam, wortlos und aus kleinen Gesten heraus entwickeln soll, dann könnte er bei einem derartigen gewaltigen Count Down entmutigt werden und in sinnlose Hektik verfallen.

Showmaster-Tugenden

Im Fernsehen wird unterschieden zwischen Talkshow-Mastern, Quizshow-Mastern und Unterhaltungsshow-Mastern.

  • Die Grundtugenden des Talkshow-Masters sind Zuhören, Zusammenfassen, Gespräche lenken.
  • Die Grundtugenden des Quizshow-Masters sind Knappheit und Klarheit.
  • Die Grundtugenden des Unterhaltungsshow-Masters sind Spritzigkeit, Überraschung, Schlagfertigkeit.

Unser armer Improtheater-Moderator braucht all diese Fähigkeiten gleichzeitig.

„Durchgedreht“

Der ca. sechste Versuch, Improtheater ins Fernsehen zu bringen, ist wieder einmal völlig misslungen. Dafür können wir fünf Gründe nennen:

  1. Jörg Tadeusz als Moderator ist eine intellektuelle und geschmackliche Zumutung. In keinem Augenblick interessiert er sich für das, was er macht, worüber er spricht oder mit wem er spricht. Das gilt für „Die Profis“ auf Radio Eins, seine Talkshow, den von ihm moderierten Poetry Slam, und es wäre ein Wunder, wenn er sich nur ein bisschen mehr als absolut notwendig mit Improtheater beschäftigt hätte. Das Schlimmste aber: Tadeusz hat keinen Humor. Lasst ihn meinetwegen Schlager-Wunschsendungen moderieren.
  2. Die Sendung wird in Köln produziert. Das ist schon fast eine Garantie für billigsten Ich-setze-mir-eine-Perücke-auf-und-dann-lacht-das-Publikum-schon-Humor.
  3. „Durchgedreht“ versucht, Improtheater einen politischen Dreh zu geben. Das ist an sich löblich, da gerade diese Kombi hierzulande fehlt. Nun könnte man die Möglichkeit des Improtheater nutzen, wirklich tagesaktuell auf die Themen einzugehen und der Sache wirklich Biss zu geben. Stattdessen Genre-Replay-Softporno zwischen Obama und Merkel. Bruhaha.
  4. Die Schauspieler. Man setzt auf Parodisten und den allgegenwärtigen Hoecker. Was es bräuchte: Intelligente, humorvolle, schlagfertige Schauspieler.
  5. Und überhaupt!

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Öffentlich reden

Tips von Caroline Goyder
1. Hab das, was du zu sagen hast, klar und einfach im Kopf. Es geht nicht darum, die Dinge präzise wie im Skript zu sagen, sondern sich mit an wenigen einfachen punkten entlangzuhangeln. Nutze Mind Maps.
2. Sag, was du sagen wirst. Sag es ihnen. Sag, was du gesagt hast. Wiederholung in Reden ist sinnvoll, da die Zuhörer das Gesagte behalten sollen.
3. Einführung, 1. Punkt, 2. Punkt, 3. Punkt usw., Schluss. (Orientierung für die Zuhörer)
4. Betrachte dein Publikum als Freunde; dann entspannt sich dein Gesicht, und die Zuhörer entspannen sich ebenso.
5. Hummeltechnik: Teile ein großes Publikum in verschiedene „Sträuße“ ein. Dein Blick ist wie eine Hummel, die bald auf diesem, bald auf jenem Strauß landet.
6. Formuliere knapp und präzise, statt lang und umständlich. Sei im Moment des Gedankens, den du gerade formulierst.
7. Fokussiere auf das Publikum, mit dem du zu tun hast. Der Gedanke kann sein: Wie kann ich euch helfen.
http://youtu.be/qsz6_c68mXg

Moderation – Frechheit und Freundlichkeit

Wie frech kann man als Moderator sein? Kann man das Publikum auch mal vor den Kopf stoßen? So weit, dass es über nette „Frechheit“ hinausgeht?
Ich denke, es funktioniert eine ganze Menge, solange man auf der Seite des Publikums ist. Umgekehrt funktionieren alle Nettigkeiten nicht, wenn man von oben herab belehrend wirkt.
Jedes Mal aufs Neue frisch das Publikum zu lesen, das ist die große Kunst.

Anmoderation

Es geht in der Anmoderation eigentlich nur darum, das Vertrauen des Publikums zu gewinnen und eine positive Grundstimmung zu erzeugen. Dafür brauchen wir kein großes Aufheizen, Mitmachspielchen usw. Auf der anderen Seite ist der Beginn einer Show auch nicht der Zeitpunkt für Sarkasmen, Miesmacherei usw.

Effiziente Anmoderationen

Gute Anmoderationen, die auch ein bisschen gute Laune versprühen sollen, sind effizient: Wenig Aufwand, hohe Wirkung.
Das Publikum hat ein natürliches Bedürfnis zu klatschen. Das muss man ihm nicht gewaltsam aufdrücken, darf es ihm aber auch nicht vorenthalten.
N. beispielsweise brüllte in einer Literaturveranstaltung immer mit hysterischer Stimme über den Applaus, als müsse er im Colosseum gegen die blutrünstige Masse anschreien.
G. hingegen ließ durch die Ambivalenz seines Sprechens und seiner Stimmführung das Publikum im Unklaren, wann es überhaupt klatschen durfte.
Klarheit. Knappheit.

Augenkontakt beim Moderieren

Ich weiß nicht, woran es liegt, dass einige Spieler bei Monologen, Reden, Moderationen usw. solch große Schwierigkeiten mit ihren Augen haben. Entweder sie suchen den Boden ab oder die Wand hinterm Publikum, während der Blick sich nach innen wendet. Man flirte mit dem Publikum. Zur Übung für den Augenkontakt mag es helfen, sich in möglichst großer Entfernung zum Publikum aufzustellen.

Vorschläge erfragen

Als ich diese Woche wieder einmal im Publikum saß, fiel mir auf, wie schwierig es doch manchmal als Zuschauer ist, gute Vorschläge zu geben. Man tickt einfach etwas langsamer, wenn man auf einem bequemen Stuhl sitzt, als wenn man sich phyisch und geistig aufgewärmt auf der Bühne befindet.
Manche Fragen nach Vorschlägen laufen immer wieder ins Leere, z.B. „Gebt mir eine Sehnsucht, die ein Mensch haben kann“. So abstrakt gefragt, ist es für die meisten schon schwierig, darauf zu antworten. Entweder es wird zu abstrakt („Geliebt werden“) oder zu banal („mehr Geld haben“). Und in 90% der Fälle lautet die Antwort: „In die Antarktis reisen.“
Ein guter Kompass für die Fragen nach Vorschlägen ist: „Würde ich selbst sofort mehrere Antworten wissen?“ und „Inspirieren mich mögliche Antworten?“ Wer von einem Schauplatz nicht inspiriert wird, sollte nach etwas anderem fragen.
Manche Vorschläge erfragt man besser konkret statt abstrakt. Z.B. wird auf die Frage nach einem Beruf hierzulande gern „Bäcker“ oder „Metzger“ geantwortet, wahrscheinlich weil diese als Prototypen im Kopf verankert sind. Also lieber fragen: „Was arbeiten Sie?“ oder „Was ist die seltsamste (schönste, langweiligste…) Arbeit, die Sie je gemacht haben.
Anderes erfragt man besser abstrakt als konkret, z.B. wenn man vor lauter Schülern spielt, ist es sinnlos zu fragen: „Wo warst du heute um 11 Uhr?“, da zu diesem Zeitpunkt alle Zuschauer in der Schule waren. Dieses Beispiel zeigt, dass eine offene Impro-Haltung auch im Umgang mit dem Publikum wichtig ist: Wir sollten wahrnehmen mit wem und für wen wir spielen und nicht einen Standard abspulen.

Länge von Moderationen

Ansagen und Anmoderationen sollten so kurz wie möglich und nur so lang wie nötig sein. Eine der nervigsten Anmoderationen, die ich mal gesehen habe, hat 18 Minuten gedauert: Erklärung des völlig überladenen Showkonzepts mit Mannschaftspunkten, Abzugsystem, Gewinnmöglichkeiten fürs Publikum usw., Erklärung von Improvisation, Warm Up des Publikums, Vorstellung der Spieler. Alles irre umständlich und so als ob er es mit einer Horde Idioten zu tun hätte.
Man mache sich klar, worum es in einem Format oder Game geht und kündige es klar und deutlich an.
Formate, vor allem wenn sie die Beteiligung des Publikums erfordern, sollten nicht zu viele Regeln haben und nachvollziehbar sein.
Spielregeln von Games auch deutlich erklären, statt sich mit „Das versteht ihr schon, wenn ihr’s seht“ rausreden.

Moderation

Beobachtungen aus den Moderations-Workshops die ich in den letzten Wochen gegeben habe:
Aufgabe: Das Publikum mit dem ersten Satz zum Klatschen zu bringen. Es ist erstaunlich, dass das Publikum immer weiß (und sich immer einig ist), ob es ein guter Moment zum Applaudieren ist oder nicht, oder ob man zögerlich oder begeistert klatscht.
In den üblichen Workshops ist es einigermaßen schwierig zu lehren, wie man vor einem großen Publikum spricht (nicht nur vor 5-12 Kollegen). Wir dehnen den imaginären Zuschauerbereich aus.
Ein allgemeines Problem ist die Frage der Authentizität. Ich gehe davon aus, dass Moderationen grundsätzlich vom authentischen Ich kommen sollten, nicht von einer entertainernden Bühnenfigur und schon gar nicht, wie es leider vor allem beim Theatersport immer wieder der Fall ist, von „ulkig kostümierten Witzfiguren“. (Dies sei als Geschmacksurteil vorausgeschickt.) Das Problem, das wir nun zu bearbeiten haben, besteht darin, dass sich das Moderieren und die tendenzielle Maipulation des Publikums (sie zum Klatschen zu Animieren usw.) für viele überhaupt nicht authentisch anfühlen, einfach weil es nicht das übliche soziale Verhalten ist. Wie aber soll man dann an das authentische Ich anknüpfen? Ich wähle zwei Ansätze:

  1. Der authentische Ansatz: Sprich zunächst als Du selbst zu uns als kleiner Gruppe und erzähle ein Erlebnis. Stell dir dann vor, wir seien 50 Leute, etwa bei einer Geburtstagsfeier unter Freunden und du kündigst eine Überraschung an. Im dritten Schritt moderierst du eine Impro-Show an.
  2. Der Dieter-Thoma-Heck-Ansatz: Mach ein kleines Spiel daraus, den schleimigsten Moderator, den du kennst nachzuahmen. Wirf dann 95% von dessen Schrott und Gehabe weg und behalte die 5%, die für dich als Technik funktionieren.

Man vermeide Schlagworte, die abgekupfert oder ausgedacht klingen (Meinedamunherrn). Wenn man freundlich ist und das ganze Publikum anspricht, macht es überhaupt nichts, wenn man sich verspricht, also ist es überhaupt nicht nötig einen Text auswendig zu lernen, wenn man weiß, was man sagen will.

Flirten beim Moderieren

Wie kommt es nur, dass es so wenige gute Moderationen im Improtheater gibt? Die Listen, was es zu beachten gibt, wie man das Publikum aufwärmt usw, werden immer länger und die Moderationen nicht besser. Mir scheint, viele vergessen, dass es um Kommunikation mit dem Publikum geht, selbst wenn man etwas zu erklären hat, braucht man den Kontakt. Aber es geht nicht nur darum, dass man etwas inhaltlich vermittelt. Wer moderiert, muss auch gemocht werden. Man wird gemocht, wenn man flirtet: Augenkontakt, klare Sprache, positive Botschaften, Neckereien, Anspielungen, das Publikum für schlauer, schöner und aufgeschlossener halten, als es den Anschein hat.
Man flirte.

Moderation

Die Begrüßung des Publikums sollte recht flott geschehen. Impro ist eine Kunst, die einen gewissen Witz aus ihrem Tempo zieht. Man sage, was man zu sagen hat und lasse den Smalltalk bleiben. Als Zuschauer, vor allem als neuer Zuschauer will man Sicherheit vermittelt bekommen, aus der Bahn geworfen zu werden ist erst danach aufregend.