443., 444., 445., 446., 447., 448. Nacht

443. Nacht

Der Gelehrte wendet sich an den Kalifen Harûn er-Raschîd, um zu bezeugen,

„dass diese Sklavin besser in der Gesetzeskunde bewandert ist als ich.“

Mir scheint, bisher wurden eher die Basics verhandelt.

Nun dreht Tawaddud den Spieß um und fragt den Gelehrten nach den Angelpunkten der Religion, den Wurzeln des Islams und den Ästen der Pflichtenlehre im Islam. Letzteres kann er nicht beantworten

Da rief sie: „Leg dein Gewand ab; ich will sie dir erklären.“

Das Gewand soll er der Tradition gemäß ablegen, um sich zu demütigen und deutlich zu machen, dass er es nicht wert ist, das Ehrengewand des Gelehrten zu tragen.

Tawaddud trägt ihm „die zweiundzwanzig Äste“ vor, dann legt er tatsächlich Turban und Gewand ab

und verließ die Versammlung des Kalifen, beschämt von der Sklavin und geschlagen.

Ein zweiter Gelehrter beginnt nun, ihr Fragen zu stellen aus den Bereichen Religion, Wirtschaft, Recht und Moral, so z.B. nach der Gültigkeit einer Warenlieferung und den verdienstlichen Handlungen beim Essen. Zu letzteren gehören

„das Waschen der beiden Hände; das Sitzen auf der linken Hinterbacke; das Essen mit drei Fingern; und dass man von dem isst, was vor einem steht.“

Die guten Sitten beim Essen sind

„dass man kleine Bissen nimmt und wenig auf den Nachbar bei Tische schaut.“

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444. Nacht

Der Gelehrte fragt Tawaddud über

  • die Grundsätze des Herzens und deren Gegensätze

  • die Bedingungen für die kleinere Waschung

  • den Glauben

  • die Anzahl der Himmelstore

„Nenne mir ein Ding, ein Halbding und ein Unding.“
„Das Ding ist der Gläubige, das Halbding der Scheingläubige, das Unding der Ungläubige.“

Und sehr ausführlich berichtet die Sklavin ihm noch über

die verschiedenen Arten des Herzens.

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445. Nacht

Und wieder gibt es – nach ausführlicher Beantwortung aller Fragen – die Retourkutsche. Und der Weise scheitert an folgender Frage:

„Nenne mir
[a] die höchste Pflicht,
[b] die Pflicht, die am Anfang aller Pflichten steht;
[c] die Pflicht, deren jede andere Pflicht bedarf;
[d] die Pflicht, die alle anderen Pflichten umschließt;
[e] die verdienstliche Handlung, die in die Pflicht eindringt;
[f] und die verdienstliche Handlung, auf der die Vollendung der Pflicht beruht.“

Auch dieser Gelehrte muss sein Gewand ablegen, nicht ohne dass ihm Tawaddud noch die Antworten zum Merken mit auf den Weg gibt.

„Es handelt sich um [a] die Erkenntnis Allahs des Erhabenen, [b] das Bekenntnis, dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass Mohammed der Gesandte Allahs ist; [c] die kleinere Waschung; [d] die Ganzwaschung nach der Befleckung; [e] das Spreizen der Finger beim Waschen und das Kämmen des dichten Bartes; [f] die Beschneidung.“ […]

„Ich rufe Allah zum Zeugen an, o Beherrscher der Gläubigen, dass diese Sklavin gelehrter ist in der Rechtskunde und den anderen Wissenschaften als ich.“

Dabei war von Wissenschaften nicht die Rede. Im heutigen Sinne wären es lediglich religiöse Fragen und Aspekte des Anstands sowie eine banale wirtschaftliche Frage.

Sie fordert den nächsten Gelehrten heraus:

„Wer von euch ist der Meister in Korankunde, der die sieben Lesarten kennt, dazu noch die Grammatik und die Lehre von der Wortbedeutung.“

Auch dies würde heute ja separat behandelt.

Der Gelehrte stellt zunächst rechnerisch anmutende Fragen: nach der Anzahl der Suren, der Verse, der Buchstaben, der Niederwerfungen, der erwähnten Propheten, der mekkanischen und der medinensischen Suren, der Vögel.

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446. Nacht

Tawaddud benennt die im Koran erwähnten Propheten:

„Adam, Noah, Abraham, Ismael, Isaak, Jakob, Joseph, Elisa, Jonas, Lot, Sâlih, Hûd, Schu’aib, David, Salomo, Dhu el-Kifl, Idris, Elias, Johannes, Zacharias, Hiob, Moses, Aaron, Jesus, Mohammed.“

Adam als Prophet!

„Von geflügelten Wesen werden neun genannt […] Die Mücke, die Biene, die Fliege, die Ameise, der Wiedehopf, der Rabe, die Heuschrecke, die Ababîl und der Vogel Jesu – über ihm sei Heil! -, das ist die Fledermaus.“

Es folgen schier endlos Fragen, in welcher Sure sich welche Äußerung befindet.

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447. Nacht

Nun geht’s wirklich in theologische Details. Fragen nach der Bedeutung der Formel „Im Namen Allahs, des barmherzigen Erbarmers“ (Basmala), ihr Vorkommen, ihr ausnahmsweises Nichtvorkommen, ihre Bedeutung, ihre Wirkung auf Mohammed:

„Jetzt bin ich sicher vor drei Dingen, vor dem Versinken in die Erde, der Verzauberung in Tiergestalt und vor dem Ertrinken.“

Alle Fragen beantwortet Tawaddud korrekt, ebenso die nach der Reihenfolge der Offenbarung der Suren.

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448. Nacht

Weitere theologische Fragen, u.a. nach

  • der Zahl der Gefährten des Propheten

  • die Zahl der Leser, deren Lesarten angenommen wurden

  • das Opfern auf Steinplatten [vorislamisch]

  • die Bedeutung der Worte „Du weißt, was in meiner Seele ist; doch ich weiß nicht, was in meiner Seele ist“

  • einer Überlieferung, die auf ed-Dahhâk zurückgeht

Auch hier weiß Tawaddud alle Antworten und stellt dem Gelehrten am Ende eine Frage nach

einem Koranverse, in dem dreiundzwanzig mal der Buchstabe Kâf vorkommt, und von einem anderen, in dem sechzehnmal Mîm vorkommt, und von einem dritten, der einhundertvierzehn ‚Ain enthält, und von einem Abschnitte, in dem die Herrlichkeitsformel fehlt.

Letztere sind die Suren

„‚Genaht ist die Stunde und gespalten der Mond‘, ‚Der Erbarmer‘, und ‚Die Eintreffende‘.“

Auch dieser Gelehrte gibt sich geschlagen.

440., 441., 442. Nacht

Versteher

In diesem Blog war vor knapp zwei Wochen von „Russland-Verstehern“ die Rede. Gemeint waren Journalisten und Politiker, die – vor allem durch fleißiges Benutzen des historischen Zettelkastens – Russlands Völkerrechtsbruch so sehr verstehen wollten, das aus dem Verständnis eine Entschuldigung wurde. Am Abend des Tages, an dem ich den Text geschrieben hatte, schlug ich die ZEIT auf, und da schrie mich das Wort „Russlandversteher“ schon in der Überschrift an. Und nun ist es omnipräsent. Ich wünsche mir im Nachhinein, es nicht benutzt zu haben. Natürlich wäre es leicht, den Blog-Eintrag zu umzuformulieren. Aber es sträubt sich in mir die Aufrichtigkeit gegenüber dem bereits Geschriebenen.
Ja, man muss Russland verstehen, im Sinne von „kapieren“, „begreifen“. Und letztlich habe auch ich das so geschrieben. Die außenpolitischen Husarenstücke von USA und Nato nach der europäischen Zeitenwende 89/90 haben das Völkerrecht zum Spielball willkürlicher Akte werden lassen – man nutzt es, wie es einem passt. Und auch die Anwesenheit von McCain und Westerwelle auf dem Maidan war keine diplomatisch sensible Geste.
Verstehen, aber nicht Entschuldigen. Und Jahreszahlen im Zettelkasten liegenlassen.

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440. Nacht

Die Sklavin Tawaddud wird weiter zu religiösen Themen befragt, u.a.: Gebet, Waschung, Glaube, Vertrauen.

„Wenn er [der Gläubige] aber Allah, den Allgewaltigen und Glorreichen, beim Beginne der Waschung nicht anruft und schweigt, so gewinnen die Teufel Gewalt über ihn, und die Engel wenden sich von ihm; dann flüstern die Teufel ihm arge Gedanken ein, so dass er dem Zweifel verfällt und den Wert der Waschung zunichte macht.“

Interessant doch, wie in der eigentlich monotheistischen Religion der Glaube an Engel, Geister, Teufel soweit hervorlugt, dass man meinen könnte, sie seien in der Vorstellung des Gläubigen ebenbürtige Rivalen Allahs.

„Denn der Prophet – Allah segne ihn und gebe ihm Heil! – hat gesagt: Eine fehlerlose Waschung treibt den Teufel von dannen und vermag die Grausamkeit des Sultans zu bannen.“

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441. Nacht

Weitere Themen, zu denen die Sklavin Tawaddud Fragen beantworten muss: Waschung mit Sand, Bedingungen und Handlungen des Gebets und Armensteuer. Letztere muss entrichtet werden

„von Gold, Silber, Kamelen, Rindern, Schafen, Weizen, Gerste, Hirse, Durra, Bohnen, Kichererbsen, Reis, Rosinen und Datteln.“

Zahlten die Kalifen auch Sekât?

Ein weites Feld eröffnet sich: Das Fasten und seine Gebote.

„Der Gebrauch von Salben und Augenschminke, der Staub der Straße, das Verschlucken des Speichels, der Erguss im Traume oder beim Anblick einer fremden Frau, der Aderlass und das Schröpfen; all das macht das Fasten nicht ungültig.“

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442. Nacht

Das Verhör geht weiter zu den Themen: Gebete der Nacht, Pilgerfahrt. Sie beantwortet alle Fragen ausführlich.

Als der Gelehrte ihre Worte vernommen und dadurch erkannt hatte, dass sie scharfsinnig, einsichtig und von durchdringendem Verstande war und wohlbewandert in der Rechtskunde, der Tradition, der Koran-Auslegung und vielen anderen Dingen, da sprach er bei sich selber: ‚Ich muss sie überlisten, so dass ich sie in der Versammlung vor dem Beherrscher der Gläubigen besiege.‘

Und so fragt er sie nach den wörtlichen Bedeutungen von wudû, salât, ghusl, saum, zakât, haddsch und dschihâd. Als auch dies alles richtig beantwortet wird,

waren die Überführungsversuche des Gelehrten zu Ende.

400. Nacht – Lies keine Nachrichten

Einer von Rolf Dobellis Tips lautet überraschenderweise: Konsumiere keine Nachrichten! Sie würden einen ablenken, sowieso nur wenig Inspirierendes beisteuern. Kreative Menschen würden keine Nachrichten sehen, hören oder lesen. Was sein Urteil gerade noch durchgehen lässt, sind "Analysen", was immer auch damit gemeint sein mag.
Für mich klingt das im ersten Moment natürlich wie eine Beleidigung. Man ist doch schließlich auch ein politischer Mensch. Aber doch merkte ich in mir, dass Dobelli da etwas gekitzelt hatte, worauf ich ansprang. Am deutlichsten ist es, wenn man aus dem Urlaub kommt und die vom Nachbarn ordentlich gestapelten Zeitungen durchstöbert. Mit jeder weiteren Zeitung erhöht sich dann der Frust: Was kümmern einen die Spekulationen über den Ausgang der Wahlen in Schleswig-Holstein, wenn die Wahl schon seit zwei Wochen gelaufen ist. Und wenn das jetzt egal ist, war es dann nicht schon damals egal?
Meine Distanz zum realen Politikgeschehen hat sich ja ohnehin immer mehr vergrößert. 1984 konnte ich jeden Minister der Kohlregierung nennen und die Ministerpräsidenten der Bundesländer noch dazu. Heute weiß ich vielleicht gut die Hälfte der Minister unter der letzten Merkel-Regierung und könnte nicht mehr als vier Ministerpräsidenten nennen. Die Gründe sind schnell gefunden: Ich sehe kein fern, und so fällt es schwerer, sich Namen zu merken, wenn die Gesichter und Stimmen fehlen. Am Gesicht würde ich Westerwelle, Schäuble, Van der Leyen, Leutheuser-Schnarrenberger und Rösler erkennen. Länder-Politik überfliege ich in der taz bestenfalls (womit auch meine Abo-Zeitung genannt wäre).
Im Übrigen ist es nicht so, dass mich politische Fragen kalt lassen würden. Ja, der Kalte Krieg ist vorbei, aber nicht einmal die Frage der atomaren Vernichtung ist vom Tisch (Interessiert sich eigentlich noch jemand außer mir für die in Deutschland stationierten Atomraketen?). Ich könnte weiterreden von bedingungslosem Grundeinkommen, Verkehrspolitik, Entwicklungspolitik, ach, es gibt wohl kein Themenfeld, dass mich nicht irgendwie berührt. Aber muss ich dafür tickermäßig die Meldungen lesen, so als sei ich der Pressesprecher eines Politikers, der alle Details kennen und auf alle Fangfragen vorbereitet sein muss?
Was würde man wissen wollen, wenn man nur ein Mal im Jahr für 20 Minuten Nachrichten lesen dürfte? Ich wette, auch noch in fünf Jahren wird ein amerikanischer Außenminister nach Israel reisen, um dort Möglichkeiten für einen neuen Friedensvertrag mit den Palästinensern auszuloten.
Ich sehe also nicht mehr fern. Die Radio-Nachrichten auf Radio Eins geizen mit Informationen. Pro Nachrichtenteil ca. sechs Meldungen, und dabei oft so nebensächliches wie Amokläufe in den USA, so als hätten diese Horror-Nachrichten irgendeine Bedeutung hierzulande oder als seien sie wichtiger als, sagen wir, die Massaker im andauernden Krieg in Kongo, von denen ich bei diesem Sender noch nie etwas gehört habe.
Die taz habe ich seit 1993 abonniert (vielleicht auch seit 1992). Ich mochte und mag die Berichte und Analysen. Verkraften muss ich ein schwaches Feuilleton, einen mageren Lokalteil mit Hang zu Linksradikalismen bis hin zu Gewalt-Verniedlichung, in dem sich nur sehr selten mal ein Rosinchen findet. Wo wird man eigentlich einigermaßen stilvoll über Berlin informiert? Ich will doch nicht die Morgenpost lesen, um zu wissen, was in meinem Stadtbezirk geschieht.
Seit über 10 Jahren lese ich außerdem die "Gehirn und Geist", die ich obendrein archiviere, dabei kommt es höchstens ein Mal im Jahr vor, dass ich ein Exemplar wieder hervorziehe, weil ich mich erinnere, dass da irgendwo ein Artikel zum Thema Autismus, Lernen, Pubertät, Sozialverhalten bei Vögeln oder Hirndoping stand. Dies schreibend überlege ich, ob es nicht doch sinnvoller ist, sich die Zeitschrift runterzuladen (kann man als Abonnent gratis) und dann das Druck-Exemplar umgehend zu verkaufen. Immerhin könnte man in den Exemplaren dann per Suchfunktion stöbern.
Den Rolling Stone hatte ich von 2000 bis 2009 abonniert. Ich hatte die Popmusik der 90er so gut wie möglich ignoriert und dabei so manche Perle übersehen, mit den 00ern sollte mir das nicht noch einmal passieren. Am Ende des Jahrzehnts stellte ich fest, dass ich nun zwar etwas besser informiert war und Perlen entdeckt hatte, die mir sonst verborgen geblieben wären (hervorzuheben ganz besonders Fiona Apple und Laura Veirs), aber Herz und Ohr hingen nun doch viel stärker als zuvor an Klassik und Jazz. Da konnten auch so großartige, mehrseitige Reportagen wie die über die scheinbar wahre Schatzinsel Oak Island oder acht Seiten über die Geschichte des Songs The Lion Sleeps Tonight, was man in dieser Ausführlichkeit weder im Internet erfahren konnte noch in irgendeinem anderen Presse-Erzeugnis.
Als ich von der POS auf die EOS wechselte, war es Pflicht, die "junge welt" zu lesen, um die Propaganda nachhaltiger zu gestalten.
Anfang 1989 abonnierte ich das "Neues Deutschland", da man dort wenigstens sofort wusste, woran man war. Tatsächlich waren die Regionalen oft einen Tag zu spät. (Ein Abonnement wie das für die löbliche Wochenzeitung Wochenpost oder Das Magazin zu bekommen, war völlig illusorisch. So etwas wurde vererbt oder höchstens aus Versehen zugestanden.)
Seit 1990 kaufe ich auch noch regelmäßig die zitty. Im Februar 1990 kostete sie 9 Ostmark, das waren 2% meines Netto-Gehalts, aber sie hatte nicht nur die West, sondern auch die Ost-Kulturprogramme aufgelistet, die allein zu studieren eine Sensation waren. Und ich las sie eigentlich auch zur Hälfte als Comic-Heft. Die Cartoons von Phil, Wächter und Fickelscherer ließen mich vor Lachen unter den Tisch fallen. Heute kämpft die zitty. Holger Fickelscherer ist von der Bildfläche verschwunden, Fil hat sich in "Didi und Stulle" verrannt. Das Kinoprogramm ist mal selektiv, mal tauchen die Film-Infos nicht mehr auf. Ob eine Programm-Info via Monopolist Cinemarketing überhaupt aufgenommen wird, liegt im Ermessen der Redakteure. Man merkt, sie geben sich Mühe, aber wenn man auf den hinteren Teil – die Kleinanzeigen – schaut, dann ist klar, was hier geschehen ist. Kleinanzeigen in der Form haben an Bedeutung verloren (im Grunde auch die Programmhinweise der zitty selbst), aber mit den Kleinanzeigen bricht auch ein wichtiger finanzieller Sockel weg. 1990 kostete die zitty 3 Mark, heute mehr als doppelt so viel. Aber im Fall der zitty gibt es natürlich auch einen subjektiven Grund der Distanzierung: Wenn gerade die Mauer gefallen ist, erscheint einem 21jährigen Westberlin natürlich tausendmal interessanter als einem mittelalten Mann, der obendrein an höchstens einem Tag pro Woche ins Kino oder ins Theater gehen kann.
Als halbwegs frischgebackener Vater sieht man sich ja außerdem in der Pflicht, sich über Fragen der Aufzucht, Erziehung, vermeidbare Elterndramen usw. zu informieren. Die Zeitschrift, auf die sich die Gattin und ich recht schnell einigen konnten, heißt Nido. Im Vergleich zu anderen Eltern-Zeitschriften lächeln einen hier nicht fußballspielende lustig-verstrubbelte Kinder vom Titelbild an, sondern wir sehen auch das Heulen, das Kaputtmachen, die Verzweiflung. Nur den Lifestyle-Scheiß gilt es zügig zu überblättern. Ob Nido nach Auswechslung der Chefredaktion oder vielleicht sogar des halben Teams noch goutierbar sein wird, bleibt abzuwarten.
Das GEO-Abo bekamen wir geschenkt. So etwas lässt man nicht liegen. Aber wieviel Zeit will man in die Lektüre dieses schönen Hefts investieren. (Schönster Artikel des letzten Jahres für mich übrigens der über die Blutbrustpaviane.)
Auch bei selektiver Auswahl der Artikel komme ich derzeit auf eine knappe Stunde Zeitungs- und Zeitschriften-Lektüre. Und schließlich will man ja auch Bücher lesen, bei denen sich zurzeit Sachbücher und Belletristik gerade die Waage halten. Und dann gibt’s auch noch so schöne Blogs wie den von Maria Popova, dieser unglaublichen jungen Frau, der es anscheinend neben ihrem Vollzeit-Job gelingt, jeden Tag ein Buch zu lesen und drei extrem interessante Blog-Einträge zu verfassen, so dass ich schon regelrecht wütend auf sie bin, dass sie sich nicht mehr Zeit lässt.
Mein Entschluss, das taz-Abos zu kündigen steht also zu 90% fest. Aber was ist die Alternative? Man will ja auch nicht als politischer Analphabet durch die Welt wanken. Zwischenzeitlich dachte ich schon, jeden Tag eine andere Tageszeitung zu kaufen. Aber dann bliebe ja immer noch das Problem, dass man mit der Lektüre dieser elenden Zeitungen doch nur Zeit verschwendet. Testhalber bestellte sich die Gattin nun mal DIE ZEIT. Genau das Richtige, dachte ich bis letzte Woche, als ich mich dabei ertappte, einen elend langen Artikel über die Koalitionsverhandlungen zu lesen. Spannend geschrieben, ja sicherlich, aber letztlich doch nur politischer Boulevard, der schon nächsten Monat niemanden mehr interessiert, da wir dann wissen, was bei den Verhandlungen herausgekommen ist. Ich zwinge mich also zur Selektion bei der ZEIT-Lektüre, beginne bei "Wissen" oder "Feuilleton", blättere "Wirtschaft" langsam und "Politik" schnell durch, überlege mir genau, ob ich das "Dossier" lese, schmeiße fast immer "Reisen" weg und überlasse die letzte Seite der Gattin zum Weinen vor Rührung.
In einem Moment des kräftigen Durchatmens bestellte ich vor zwei Wochen ein Jahres-Abo des "Guardian Weekly", eine gute Investition, wie mir bisher scheint. Der Blick auf das politisch und gesellschaftlich Wichtige der Woche aus einer anderen nationalen Perspektive erweitert den Blick, fördert die Fremdsprachenkompetenz und lädt eher zum Denken ein als das ohnehin Bekannte.
Ich könnte die Le Monde Diplomatique der taz beibehalten, aber die lese ich schon lange nicht mehr. Nach der Lektüre dieser "Analysen" geht es mir wie nach dem Lesen französischer Soziologen: Was habe ich jetzt eigentlich gelernt? Die Autoren wabern fast immer im Ungefähren, die Analysen bleiben unscharf, die Fakten könnte man auf einer Viertelseite zusammenfassen.
Vorsichtig taste ich mich an die Neue Zürcher Zeitung heran, die ich mir manchmal dienstags kaufe. Dienstags, weil ich dann immer am Zeitungsstand am U-Bahnhof Frankfurter Tor vorbeikomme, wo sie das Blatt feilbieten. Die liberal-konservative NZZ bläst ein wenig frische Luft ins Hirn, weil man durch die kuriose Schweizer Perspektive sieht, wie Gesellschaft auch funktionieren kann, weil sie über die neue Velo-Verordnung debattieren und erfrischend klar Stellung beziehen.
Mit der neuen International New York Times, die den International Herald Tribune ablöst und eher an die New York Times angelehnt ist, werde ich nicht recht warm. Ein paar mehr New York Nachrichten wären nicht schlecht, weniger Fashion, mehr Analysen.
Das Time Magazine kommt nicht in Frage. Da könnte ich mir auch gleich den Spiegel kaufen.
Eher schon The Economist, von dem ich hier neulich schon verhalten schwärmte.
Eigentlich müsste ich auf die Süddeutsche umsteigen, aber bedenkend, wieviel Zeit ich mit ihr im Urlaub verbracht habe, lasse ich lieber die Finger von ihr.
Vielleicht gelegentlich noch FAZ, El País und eine jener seltsamen Philosophie-Zeitschriften, die sich neu am Markt etablieren.
Die Sonntaz bleibt mir aber erhalten. Man will sich ja auch nicht gemein machen mit den empörten "Ich kündige mein Abo"-Leserbrief-Schreibern, obwohl es mir in den Fingern juckt.

***

Doch als die vierhundertste Nacht anbrach, fuhr sie also fort: …

Masrûr antwortet auf des Kalifs Vorwurf, ihn verspotten zu wollen:

"Nein (…) bei deiner Verwandtschaft mit dem Fürsten der Apostel, ich habe das nicht aus freiem Willen getan…"

Unklar. Petrus kann ja hier wohl nicht gemeint sein. Eigentlich muss man davon ausgehen, dass Masrûr auf die von Harûn behauptete Verwandtschaft mit Mohammed anspielt (die es, wie hier schon erwähnt, nicht gab). Es fragt sich dann nur, in welchem Sinne Mohammed ein Apostel ist. Ein Apostel Allahs?

Masrûr fährt fort, er habe bei einem Spaziergang in der vergangenen Nacht einen Spaßmacher namens Ibn el-Kâribi getroffen,

der das Volk zum Lachen brachte.

Der Kalif befiehlt, ihm diesen Mann zu bringen. Masrûr holt ihn und verlangt aber von ihm insgeheim drei Viertel jenes Geschenks, das der Kalif ihm eventuell geben würde. Nach einigem Gefeilsche einigen sie sich auf zwei vs. ein Drittel.
Ibn el-Kâribi soll also Scherze vor dem Kalifen vortragen, doch der Kalif warnt ihn, er würde ihm Schläge mit einem Sack verabreichen.

Nun erzählte er so lustige Dinge, dass selbst ein Zorniger hätte lachen müssen, und er trug allerlei Arten von Scherzen vor. Doch der Kalif lachte nicht und verzog keine Miene zum Lächeln.

Der scheinbar leere Sack enthält aber vier Kieselsteine,

von denen jeder zwei Pfund wog.

Nach dem ersten Schlag bricht Ibn el-Kâribi zusammen und besinnt sich der Abmachung mit Masrûr. Er verlangt, dass dieser den Rest der Schläge bekommen soll.

Als der Herrscher diese Worte von ihm vernahm, lachte er, bis er auf den Rücken fiel; danach rief er den Masrûr herbei und gab ihm einen Schlag. Der aber schrie auch und rief: "O Beherrscher der Gläubigen, ein Drittel ist genug für mich, gib ihm zwei Drittel."
Da bemerkte Schehrezâd, dass der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an.

279. Nacht

Noch bevor Schaddâd und sein Gefolge die Stadt erreichen,

sandte Allah auf ihn und auf alle die ungläubigen Ketzer, die bei ihm waren, eine Gottesstrafe vom Himmel seiner Allmacht herab, und die vernichtete sie alle mit gewaltigem Getöse. Weder Schaddâd noch irgendeiner von denen, die bei ihm waren, erreichte die Stadt, niemand sah sie. Auch verwischte Allah die Spuren der Straße, die zu ihr führte.

Dass die Verlassenheit der Stadt ein Zeichen für eine göttliche Strafe ist, hat man sich eigentlich denken können, aber eigentlich hatte ich auf den Frevel noch gewartet – meist sündigen die Bewohner zerstörter Städte durch Maßlosigkeit, Völlerei oder Abwendung von Gott. Hier aber scheint der Nachbau des Paradieses selbst die Sünde zu sein – ähnlich wie im Mythos des Turmbau zu Babel. Im Koran wird darauf gedeutet, dass die Bewohner der Stadt den Warnungen des Propheten Hud kein Gehör schenkten.

Die einzigen, die diese Stadt gesehen haben sollen, seien ein Gefährte Mohammeds und eben der seine Kamele suchende Abdâllah gewesen.
Ein weiterer Anwesender namens esch-Scha’bî fügt folgende Ergänzung ein: Der Sohn Schaddâds, nämlich Schaddâd der Jüngere, welcher als Statthalter in Hadramaut zurückgeblieben war und nun Nachfolger seines Vaters wird, ließ dessen Leiche zurückführen und in einer Gruft in einer Höhle auf einem goldenen Thronlager unter

siebenzig Tüchern, die aus Gold gewebt und mit Edelsteinen besetzt waren,

bestatten.

Zumindest bei Wikipedia werden die Schaddâds nicht als Herrscher von Hadramaut erwähnt.

Auf einer Tafel zu Häupten des Vaters ist zu lesen:

Sei gewarnt, du, den die lange
Lebenszeit betöret hat!
Ich, Schaddâd, von Âd entsprossen,
war der Herr der festen Stadt;
War der Herr der Kraft und Allmacht,
Voll von wildem Heldenmut.
Untertan war alle Welt mir,
Fürchtend meines Zornes Glut,
Ost und West hielt durch der Herrschaft
Festen Zwang ich in der Hand.
Auf den rechten Weg dann wies und
Der Prophet, zum Heil gesandt.
Doch wir trutzten ihm und riefen:
Gibt’s denn keine Zuflucht mehr?
Da kam über uns ein Unheil
Aus der Ferne weit daher.
Wie die Schwaden bei dem Mähen
Sanken wir zu Boden tot.
Und nun harren wir im Staube
Auf den Tag, der uns bedroht.

Fragt sich, wie sie sich auf den Propheten beziehen können, wenn der zu ihrer Zeit noch gar nicht lebte, oder ist der Prophet Hud gemeint?

Und auch ein Dritter, namens eth-Tha’âlibi meldet sich zu Wort und weiß weitschweifig von einer Plünderung des Grabs von el Schaddâd, inklusive Tafel, zu berichten

Nach neuster Forschung (begonnen mit Aufnahmen aus dem Space Shuttle) hat die Säulen-Stadt Imram tatsächlich existiert.

***

Die Geschichte von Ishâk el-Mausili

Ishâk el-Mausili berichtet, betrunken von einer Feier nach Hause zu torkeln. In einer Seitengasse

verrichtete ich mein Bedürfnis im Stehen, denn ich fürchtete, es könne mir etwas zustoßen, wenn ich mich an einer Mauer hinhockte.

Wenn einem als Stehpinkler partout keine Ausrede mehr einfällt…

Aus einem der Häuser hängt ein vierhenkliger mit Brokat gefütterter Korb, in den sich Ishâk el-Mausili aus einer Laune heraus setzt. Der Korb wird hochgezogen und vier Sklavinnen heißen ihn willkommen. Er befindet sich nun in einem Haus mit so schönen Räumen,

wie ich die nur im Palaste des Kalifen gesehen hatte.

Mädchen schreiten einher.

Die dürfen nicht fehlen.

die Wachskerzen und Räucherfässchen aus sumatranischem Aloeholz trugen.

Die Schönste von ihnen setzt sich zu ihm und man trägt einander Verse vor,

die allerdings ausnahmsweise nicht ausgeführt werden.

Darauf befahl sie, Speisen zu bringen.

Nun sprach Dinazâd zu ihrer Schwester Schehrezâd: „Wie köstlich ist doch deine Erzählung und wie entzückend, wie lieblich und berückend!“ Aber die Schwester erwiderte: „Was ist all dies gegen das, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen könnte, wenn der König mich am Leben zu lassen geruht.“

Nach vielen Nächten taucht Dinazâd mal wieder auf. Inzwischen sind zehn Monate nach Mondrechnung vergangen.

83. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die fünfte der hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân durch Anekdoten ihre Weisheit unter Beweis stellt.
Sie berichtet die Geschichte Moses, wie sie nach der Sure 28,27 berichtet wird.

Eine Sure, in der Mohammed sich als nicht ganz bibelfest erweist: Er vermischt die Geschichte Moses mit der Jakobs.

Weitere Anekdoten mit zäher Moral über

Nun trat das fünfte Mädchen zurück, und die Alte trat hervor.

Etwas merkwürdig: Aus welchem Grunde sollte die Alte noch mit ihrem Wissen prahlen?

Die von ihr berichteten Anekdoten sind im Wesentlichen Berichte über die Gottesfurcht der Gottesfürchtigen.

 

 

83 Ein Tauber, der antwortet, wenn man ihn fragt!

82. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die vierte der hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân ihre Weisheit unter Beweis stellt. Wieder durch Anekdoten.

Er – den Gott selig haben möge 82 – sagte auch: "Das Heil der Seele liegt darin, dass man ihr widersteht, und ihr Verderben darin, dass man ihr folgt."

Gemeint ist wohl Triebbeherrschung, die als Problematik im Westen seit Freud quasi von der Religion entkoppelt wurde und in die Psychologie ausgelagert wurde. Für die harten Fälle (Gewalt) stand damals wie heute das Recht bereit.
Und die Bereiche haben sich verschoben: Sexuelle Triebbeherrschung wird als nicht mehr als Problem empfunden, und wenn, dann nur in der Frage des Fremdgehens, womit die Paare selbst klarkommen müssen. Wer sich sexuell nicht ausleben kann, wird eher bemitleidet.
Dafür richtet der Überfluss an elektronischen Verbreitungsmedien (vor allem Fernsehen) Deformierungen in der Psyche an. Überfluss an Nahrung Deformierungen der Physiologie. Anscheinend sind unsere Hirne so ausgerichtet, dass wir gar nicht anders können als auf bewegte Bilder bzw. auf das fett/süß/warm-Schema anzuspringen.

Außerdem beginnt das vierte Mädchen die Geschichte über Moses und Shuaib (Jitro).

Bibel 2. Mose (Exodus) 2.21.
Interessant, dass dieser als Meister von Mose verehrte Mann, es gewesen sein soll, der ihm zur Einsetzung von unabhängigen Richtern riet. Begründet wird das zunächst nur mit arbeitsmäßiger Entlastung. Quasi unter der Hand jedoch treibt er damit soziale Differenzierung voran, die hier noch in der Form der Stratifizierung erscheint: Es werden "redliche" Oberste "über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn" (Exodus 18.21). Aber wir sehen hier auch funktionale Differenzierung angelegt: Rechtsprechung wird getrennt von Gesetzgebung und Religion. Die letzten beiden behält Mose bis zu seinem Tode in der Hand; er bleibt sowohl der Priester als auch der Verkünder der Gesetze.

 

 

82 Ich nehme an, gemeint ist der Prophet Mohammed.

81. Nacht

Der Wesir Dandân fährt fort, Dau el-Makân davon zu berichten, wie die zweite der hochbrüstigen Jungfrauen dem König Omar ibn en-Nu’mân ihre Weisheit unter Beweis stellt. Sie und die folgenden tun es hauptsächlich wieder durch Anekdoten.
Mohammed gab einem Ratsuchende folgenden Rat:

"Ich gebe dir den Rat, in Bezug auf diese Welt ein enthaltsamer Herr, in Bezug auf die zukünftige aber ein gieriger Sklave zu sein."

Zwei Brüder des Volkes Israel befragen einander nach der schlimmsten Tat, die sie begangen haben. Einer von ihnen sagt:

"Die schlimmste Tat, die ich tue, ist die: wenn ich mich zum Gebet erhebe, so fürchte ich, ich könne es nur um des Lohnes willen tun."

Ein Motiv, dass sich auch im Zen-Buddhismus wiederfindet: Man muss sich von den Zwecken und Zielen freimachen, und das heißt auch vom Ziel der Erleuchtung. Was man tut, soll Zweck für sich genug sein. Im Gebet/der Meditation sowieso.

Das dritte Mädchen tritt hervor und beginnt nun ebenfalls, Anekdoten zu referieren, so z.B. diese:

Sooft Atâ es-Sulâmi eine Mahnung beendet hatte, zitterte er und bebte und weinte heftig; und als man ihn fragte, weshalb er das tue, antwortete er: "Ich will mich an eine ernste Aufgabe machen: ich will vor Allah den Erhabenen treten, um meiner Mahnung entsprechend zu handeln."

Was ist menschlicher: Maximen zu fordern, die man selbst handelt, oder Maximen zu fordern, die für einen selbst eine Herausforderung sind?

Das vierte Mädchen tritt hervor und berichtet u.a. folgende Anekdote:

Ferner erzählte Ibrahim: Ich sah einmal, wie Bischr einen Dânik 81 verlor; da ging ich zu ihm hin und gab ihm einen Dirhem dafür wieder. Doch er sprach: "Den nehme ich nicht an." Ich sagte: "Das ist doch völlig erlaubt"; aber er entgegnete mir: "Ich kann nicht die Güter dieser Welt in Güter der künftigen Welt umtauschen."

 

 

81 Eine Münze – anscheinend im Wert von 1/6 Dirhem.