Aus Truffaut: „Wie haben Sie das gemacht, Mr. Hitchcock“
„Hitchcock den Suspense übelzunehmen, das hieße, ihm daraus einen Vorwurf zu machen, dass er sein Publikum weniger langweilt als irgendein anderer Filmmacher der Welt.“
„Zwei Suspense-Szenen sind bei ihm nie durch eine gewöhnliche Szene miteinander verknüpft. Hitchcock hasst das Gewöhnliche. (…) Ein Beispiel. Ein Mann (…) geht zum Anwalt. Eine alltägliche Situation. Bei Hitchcock aber wirkt der Anwalt von vornherein skeptisch und zurückhaltend, vielleicht, wie in The Wrong Man übernimmt er den Fall erst, nachdem er seinem künftigen Mandanten erklärt hat, dass er mit solchen Sachen noch nie zu tun hatte und dafür eigentlich nicht der Richtige sei.“
„Bei ihm dient die Form nicht der Verschönerung des Inhalts, sie schafft ihn.“ (ursprüngl. Zitat von Chabrol)
„Alles, was gesagt statt gezeigt wird, ist für das Publikum verloren.“
„Die amerikanischen Regisseure, die nach 1930 zu drehen begannen, haben nicht ein Zehntel des Gebiets zu nutzen versucht, das Griffith für sie urbar gemacht hat. (…) Schaut man heute nach Hollywood, so erscheinen einem Howard Hawks, John Ford und Alfred Hitchcock als die einzigen Erben von Griffiths Geheimnissen.“
„Man erkennt auch in einer Dialogszene mit zwei Personen den hitchcockschen Stil. Man erkenn ihn an der dramatischen Qualität der Kadrierung, an der einmaligen Weise, wie er die Blicke hinundhergehen lässt, die Gesten vereinfacht, Momente des Schweigens in die Unterhaltung einfügt. Man erkennt ihn daran, wie er dem Zuschauer das Gefühl vermittelt, dass eine der beiden Personen von der anderen beherrscht wird.“ (Mit anderen Worten, er nutzt Status. – DR)
(Alle Zitate aus dem Vorwort von Truffaut)
Moderation – Frechheit und Freundlichkeit
Wie frech kann man als Moderator sein? Kann man das Publikum auch mal vor den Kopf stoßen? So weit, dass es über nette „Frechheit“ hinausgeht?
Ich denke, es funktioniert eine ganze Menge, solange man auf der Seite des Publikums ist. Umgekehrt funktionieren alle Nettigkeiten nicht, wenn man von oben herab belehrend wirkt.
Jedes Mal aufs Neue frisch das Publikum zu lesen, das ist die große Kunst.
Improvisierte Grenzüberschreitung 1912
Karl Valentin berichtet, dass er 1912 in der Singspielhalle auftrat und den Besitzer mehrmals bat, die Bühne erneuern zu lassen. Endlich gab dieser nach. Es wurde entschieden, dass der Abriss der alten Bühne direkt nach der Vorstellung begonnen werden sollte, die Arbeiter würden, wenn sie rund um die Uhr arbeiten würden, die neue Bühne bis zum nächsten Tag errichtet haben.
Valentin hatte nun den Einfall, die Bühne nicht erst nach der Vorstellung, sondern schon währenddessen abzureißen.
„Wir hatten als Schlusskomödie eine Bauernszene, bei der ein Bauer zu spät nach Hause kommt und von der Bäuerin eine Gardinenpredigt erhält. Der Bauer bekommt deshalb Streit mit seiner Frau, fängt an zu toben und schlägt mit den Fäusten auf den Tisch; sonst tat er nichts. Im Ernstfalle würde der Bauer vielleicht im Jähzorn die Möbeleinrichtung demolieren. Das könnte er doch eigentlich heute machen, dachte ich mir, denn die alte Bühne brauchen wir morgen sowieso nicht mehr. Gut. Ich teilte meine Idee dem Bauern mit, sonst niemand, nicht einmal der Bäuerin (…) Als die Gardinenpredigt zuende war, ergriff der Bauer nicht nur das Wort, sondern auch das Beil und schrie: „Jetzt wird’s mir aber amol zu dumm, Himmisapprament“, und ein wuchtiger Hieb zertrümmerte gleich die Zimmertüre. (…) Dann schrie er zum Fenster hinaus: „Großknecht, da geh rei.“ Ich erschien ebenfalls mit einem Beil – und nun ging es los.
Alle, der Besitzer des Frankfurter Hofes, die Besitzerin, die Stammgäste, das Publikum und die Bäuerin – alle sperrten Augen und Mund auf, als die ganze Bühne vor ihren Augen in Trümmer zerfiel. Sogar die Gäste flogen aus dem Saal, weil sie glaubten, die Schauspieler seien wahnsinnig geworden. Kopfschüttelnd verließen die Gäste die Singspielhalle und einige meinten: ‚Die haben aber natürlich gespielt.'“
(Karl Valentin in „Autobiographisches und Vermischtes“ – Piper)
Ein paar Kernaussagen von Lee White
- Respektiere dein Publikum, deine Mitspieler, deine Kunst.
- Man kann zwar Comedy-Sketche aufführen; wir aber sagen: Das was wir zeigen, ist, worum es im Leben geht.
- Es geht nicht darum, dein Publikum zum Lachen zu bringen, sondern darum, dass sie deine Figur lieben. Das Publikum wird eine Figur nie „zu stark“ lieben.
- Vermeide Smalltalk. Jeder Satz sollte etwas bedeuten. Warum sonst sollten wir ihn sagen?
- „Ich habe noch nie eine schlechte Szene mit Jacob Banigan gesehen.“ (der bekannt für seine Großzügigkeit mit seinen Mitspielern ist.)
- Was das Publikum sieht, sollten wir nutzen, statt es zu verändern. (in diesem Sinne naheliegend sein.)
- Figurengegensätze schaffen, nicht nur durch Status, sondern auch durch Emotion, Fähigkeiten, Haltungen usw.
Joe Bill & Patti Stiles
Die beiden verbreiten bei ihrer Show so viel Liebe auf der Bühne, dass sie ins Publikum brodelt. Will nie wieder etwas anderes machen.
Neues
Seltsamer Satz eines Improvisierers: „Ich spiele schon seit 10 Jahren Improtheater. Ich brauche keine Experimente mehr.“
Was die Zuschauer erwarten…
DIE ZUSCHAUER WISSEN NICHT, WAS SIE WOLLEN.
Melodramatische Tendenzen
Improvisierte Szenen und Stücke, die hinterher sowohl von Publikum als auch Spielern für ungewöhnlich gut befunden werden, haben oft melodramatische Enden. Ein wohliger Seufzer geht durchs Publikum, das Klavier schwillt an…
Auch uns hat diese Tendenz teilweise erwischt. Das wurde mir klar, als wir in den letzten Wochen Liebesszenen einmal in einem Brecht- und einmal in einem Surrealismus-Stück spielten. Melodram ist hier so wesensfremd, dass wir den Schmalz im letzten Moment zerstören mussten.
Flake über Anpassung ans Publikum (und sein Leben)
„Ab dem Moment, wo man Erfolg haben will, macht man wat, wat man nicht machen will, weil, man will ja Erfolg haben. Das ist genau so, wie wenn man Musik macht für Fans: „Wat könnte dem Fan gefallen?“ Ab dem Moment, wo man dit denkt, kann man aufhören.“ (Flake)
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Proben im Sommer
Mit jeder weiteren Probe, jeder weiteren Probe im Foxy Spezial-Sommer erweitert sich der Horizont.
1. Das Verhältnis zum Publikum. Wir finden tiefer in die Inhalte. Nicht das Improvisieren an sich steht im Vordergrund, sondern was gesagt wird, wie es gespielt wird, wie wir das Genre bzw. den Stil umsetzen.
2. Das Verhältnis zu einigen „Regeln“. Über die Relativierung von Akzeptieren und „Zug um Zug“ schrieb ich hier bereits. Aber auch unser Verhältnis zu Storytelling ändert sich. Warum brauchen wir einen Protagonisten? Warum soll die Handlung logisch sein? Warum sollen wir Elemente wieder einführen? Warum sollen wir positiv starten? Warum sollen wir uns in Zeit und Ort bewegen? Warum handeln? Gezielt an diesen Forderungen vorbeizuspielen, und das bei vollem Einsatz improvisatorischer Fähigkeiten, zeigt nicht nur, wozu diese Regeln gut sind, aber auch, dass es auch ohne sie geht.
Vorschläge im Langform-Improtheater
In Seattle längere Diskussion mit Randy Dixon über Vorschläge im Improtheater (die hierzulande unangenehmerweise oft als „Vorgaben“ bezeichnet werden).
Ausgangspunkt für mich waren die wunderbaren Shows von TJ & Dave, die einfach ohne irgendeinen Vorschlag starten, sondern nur auf die Bühne gehen, schauen, was passiert, und daraus eine großartige Story von ca. 1 Stunde entwickeln.
Randy Dixon hingegen meint, in dieser Art zu spielen, läge eine gewisse Arroganz. Das Aufgreifen des Publikums-Vorschlags sei nämlich die beste Art, eine Verbindung zu den Zuschauern herzustellen. Nun kann man nicht abstreiten, dass so eine Verbindung hergestellt werden kann. Aber wirklich die beste??
Zunächst ist der Vorschlag ja erst mal nur ein Vorschlag eines Zuschauers, mit dem die anderen Zuschauer vielleicht gar nichts anfangen können.
Zum anderen wundert es mich, diese Fetischisierung des Vorschlags gerade von dem Meister zu hören, dem doch so sehr an Relevanz gelegen ist, d.h. an relevantem Inhalt. Das Publikum muss berührt werden, und das gelingt uns durch Transparenz des Spiels und durch kluges Verwenden der spielerischen Elemente.
Schließlich: Wenn aus dem Spielen ohne Vorschläge Arroganz spräche, so wäre jedes nicht-improvisierte Theaterstück, ein großer Haufen Arroganz.
Don’t explain everything
„When you make a film, you have to satisfy the audience to a certain extend. But you always have to leave them with a little appetite for more. If they are stuffed with what you gave them, they forget about it immediately. It happens on two levels: In a case (like Chinatown) when you deal with solving a mystery of corruption, when you deal with evil, you have to call it a tragedy, and therefore you can’t end it with happy ending. The other thing is you mustn’t tell too much. You have to leave the audience with the feeling that they didn’t understand everything. This type of films today try to explain absolutely everything. And there is nothing left really. Everythings seems already, done, told, boring in fact in the end.“
Das Foxy Freestyle Sommer-Experiment
Ein Ensemble-Mitglied auf Dienst- und Urlaubsreisen, das andere Neu-Mutter.
Statt nun selber 5 Monate Spielpause einzulegen, beschlossen Stefanie Winny und ich, aus der Not eine Tugend zu machen. Wir fragten uns: Welche Formate und Genres wollten wir schon immer mal ausprobieren? Mit welche Berliner Improvisierern würden wir gern auftreten und proben?
Der Clou dabei: Zu jeder Show gibt es nur eine 3stündige Probe, wobei jeder Spieler natürlich seine Hausaufgaben erledigen muss und sich mit den Genres beschäftigen.
Zwischenstand:
Die erste Show am 1. Juli war das von uns selbst entwickelte Format „Strangers in the night“, das wir bereits vor einem Jahr zu zweit gespielt hatten. Diesmal allerdings erstmals über beide Hälften einer kompletten Show. Überraschend schön, wie man nahe am Sentiment improvisieren kann. Neben viel Lachen auch die guten Momente, in denen man das Publikum vor Rührung schlucken hören kann. Und erstmals ergab sich bei diesem Format ein Happy End.
Der Vorschlag „Bollywood“ kam von Steffi. Ich hatte noch nie einen kompletten Bollywood-Film gesehen und mir nun „Mother India“, „Lagaan“ und einige Youtube-Clips angetan, sowie ein paar Artikel zum Thema gelesen. Es blieb exotisches Territorium. Trotz einiger Befürchtungen lief die Probe für die Bollywood-Show phantastisch. Unsere Gäste waren Uta-Maria Walter von Praxis Dr. Patschke und die Dichterin Christina Schneider, die erst vor einem Jahr mit Improvisieren begann, deren Stil uns aber neugierig gemacht hat. Das Gefühl „Wir haben nichts zu verlieren“ ließ sich allerdings nicht so leicht in die Show mitnehmen. Wie so oft war es nicht so sehr die Story, wie einige Zuschauer vermuteten (Zuschauer glauben immer, es läge an der Story), sondern an einer gewissen Zögerlichkeit, an der Überwältigung vom musikalischen Material, der Furcht, Erwartungen nicht erfüllen zu können und einigen Missverständnissen. In der Pause beschlossen wir, das Format nicht durchzuziehen, sondern lediglich das Ende zu spielen und dann zu einer einfachen Langform zu wechseln. Nach der Show lobte uns das Publikum trotzdem. Und es zeigte sich wieder einmal, dass einem die eigenen Ansprüche oft im Weg stehen. Auch der Video-Mitschnitt zeigt uns eine Menge schöner Szenen, die zwar nicht an die Szenen aus der freigespielten Probe heranreichen, aber dennoch lustig und sehenswert waren.
Bollywood war auf seine Weise schwer, aber nun ging es an Shakespeare. Was macht eigentlich den Stil von Shakespeare aus? Wie geht er eine Tragödie an, wie eine Komödie? Ich erstellte eine Liste der Stücke, die ich gelesen oder gesehen hatte: Macbeth, Hamlet, Romeo und Julia, Richard III., Der Sturm, Maß für Maß, Sommernachtstraum. Ansatzweise wusste ich bescheid über Lear und Othello. Also nur eine Komödie, wenn man das Problemstück „Maß für Maß“ nicht mitzählt. Also noch „Der Widerspenstigen Zähmung“ und „Viel Lärm um Nichts“ hinzugenommen, damit wir uns nicht zu sehr auf Zwillings- und Verwechslungs-Firlefanz einlassen müssten, der mit vier Schauspielern nur schwer zu bewältigen wäre. Hilfreich war auch eine kleine Merkliste von Herrn Hauswirth zu einem Impro-Shakespeare-Workshop mit Randy Dixon. Zum Hausaufgaben-Repertoire gehörte für mich: Pentameter-Sprechen, Natur-Metaphern improvisieren, im Geiste Listen erstellen von Shakespearschen komödiantischen Mitteln, Handlungs-Orten, Figuren usw.
Die Probe mit Uta-Maria Walter und Thomas Jäkel vom Portal Impro-News und den Changeroos machte Mut.
In beiden Proben ließen wir klassische Warm Ups einfach weg. Stattdessen begannen wir mit Brainstorming zu genre-typischen Elementen, die uns faszinieren. Wir assoziierten Szenen, die wir im nächsten Schritt auch einfach anspielten. Es folgten Monologe, aus denen sich Szenen entwickelten. Wir entdeckten, dass Shakespeare uns plot- und impro-technisch eine Menge Hilfsmittel in die Hand gab: Jeder folgende Schritt wird lang und breit angekündigt. Und schließlich fanden wir in der kurzen Probenzeit sogar die Möglichkeit, je eine viertelstündige Komödie und eine Tragödie anzuspielen.
Die Show war für mich eine der besten, die ich in den letzten Jahren gespielt habe: Geistig fordernd, niemand spielte unter seinen Fähigkeiten, alle gaben ihr Bestes, jeder Schritt ging Hand in Hand, wir haben das Genre ziemlich gut gemeistert, das Publikum (wo kamen die eigentlich alle her bei dieser Jahreszeit?) ging gut mit. Nach der Show sprach ich mit einem sehr jungen Pärchen Erstbesucher, die begeistert waren – für mich ein Beleg dafür, dass es nicht nötig ist, „unerfahrene“ Impro-Zuschauer unbedingt erst mit Games an Impro-Theater heranzuführen.
Wir fragten uns vor der Show: Wie wollen wir die Musik einbauen? Passt Musik überhaupt zu einem Shakespeare-Stück? Noch in der Probe haderten wir ein wenig mit dieser Frage. Wir einigten uns auf den Kompromiss, dass die Musik zwischen den Szenen erklingen sollte. Die Show begann, die erste Szene lief. Fee Stracke spielte, und es war großartig! Kein auf Renaissance getrimmtes Pseudo-Mittelalter, keine Film-Musik, sondern seltsam-modern und doch nie gewollt, sondern stets passend klingende Theatermusik.
(Wird fortgesetzt.)
Happiness in improv
What are we doing in improv shows?
„Are we making happy people happier?“ (Randy Dixon)
R.D. spricht hier an, dass wir meist die immerselbe Form des Lachen bedienen. Allerdings spricht meines Erachtens auch nichts dafür, irgendwelche Zuschauer unglücklich zu machen. Vielleicht ist „happiness“ das falsche Wort.
Auch am Schrecken kann man ästhetisches Vergnügen empfinden, oder an der neu erscheinenden Wahrheit usw. usf.
All das könnte Improtheater erreichen. Aber zu 90% erleben wir das Lachen über flinke Gags oder bestenfalls über Spontaneität per se.
Jazz ist Kommunikation
taz: Wie erklären Sie sich den schweren Stand, den Jazz in Deutschland gehabt hat?
Doldinger: Wir müssen uns doch klarmachen: Es geht letztlich auch um Unterhaltung. Der Jazz animiert aber dazu, nicht fürs Publikum zu spielen, sondern eher intellektuellen Inhalten zu folgen. Und es ist nicht jedem vom Naturell her gegeben, Menschen unterhalten zu wollen. Ich habe das innere Bedürfnis, wenn schon Menschen da unten sitzen, die Eintritt gezahlt haben, denen etwas zu geben, das sie mit einem guten Gefühl nach Hause gehen lässt. Ich beklage immer, dass bei den vielen Jazzseminaren, die es in Deutschland gibt, das Thema Bühnenpräsenz so gut wie gar nicht vorkommt. Man könnte den jungen Leuten in den Seminaren mal ein bisschen vermitteln, dass sie eine Verpflichtung haben, ihrem Publikum etwas zu geben, mit vollem Körpereinsatz und allem drum und dran.
Interview in der taz vom 12.5.2011
Fame
„Fame doesn’t sit very comfortably on any-one’s shoulders.“ (Mick Jagger)
Matthew Krevat: Du, deine Mitspieler, das Publikum
„Impro ist wie ein dreibeiniger Hocker. Damit er wirklich stabil ist, müssen alle drei Beine fest sein. Du solltest Freude haben. Deine Mitspieler sollten Freude haben. Dein Publikum sollte Freude haben.“ (Matthew Krevat auf YesAnd)
Randy Dixon on audiences, attitudes and variety
„The limitations in improvisation are the improvisers, not the audience. The work that we choose to do or we choose to focus on, that holds us back. Every-one talks about wanting to do long-form, storytelling and all that stuff, but some of the groups don’t. Or they’re so tied into the games. To me there are so many groups, they are not necessarily improvisers, they’re game players. They play games by rules, and without the games they can’t create anything. We need more people to love the art of improv for the art of improv and not as a process to get to something else.“
„The groups need to go deeper in the group work. I think in theatersports we have something that I call personality improv. You are like Oh, that’s the funny guy! And that’s why that person is doing improv. It’s because they get the adulation /admiration of the audience, rather than thinking of what’s the group dynamic, where’s the group going. And I think that in the group work we’re getting deeper and deeper. It’s not really short or long form, it’s an attitude.“
„My development in terms of thinking about this is, I start each project by thinking, what do I want the audience to experience.“
„Our style is pretty low key, pretty mellow. (…) We’re going to start slow, and take our time, and it seems to be successful for us in terms of training that audience.“
„My main philosophy in improvisation is variety.“
„One thing about the audience in our shows: We try to make them storytellers as well.“
„We don’t need to recreate the story of an audience member. We’re translating it into the language of theater.“
„I’m not in improvisation so much for what we do, although that’s great, but I still see so many possibilities in terms of what we can do or could be doing or should be doing. And so I’ve never really had a moment of like ‚Oh, well, this is it.'“
(Alle Zitate von Randy Dixon auf der Podiumsdiskussion des Internationalen Improtheater-Festivals am 20.3.2011 in Berlin)
Schauplätze und Beziehungen
In den letzten 10 Jahren
Häufigster Publikums-Vorschlag für einen Schauplatz: Schwimmbad. (Wenn man nach einem „Ort“ fragt, ist es Paris oder Buxtehude.) Das vielgeschmähte „Klo“ hört man dagegen erstaunlich selten.
Beziehung zwischen zwei Personen: zu 90% Geschwister. Fast nie dagegen Ehepaar.
Fragt man allgemein nach einem Beruf, kommt entweder Bäcker oder Fleischer.
Fragen wir „Was arbeiten Sie?“, haben wir zu 50% mit Sozialarbeiterinnen und Informatikern zu tun (was ja recht aufschlussreich ist, wen unsere Shows anziehen).
Allgemein-Vorschläge für Harolds sind zu 50% Nahrungsmittel.
Vergraulung eines zwischenrufenden Legionärs-Nazi durch Tempodrosselung
Gegen Ende des ersten Teils der Lesung höre ich, wie aus der hinteren Ecke des Zuschauerraums jemand halblaute Kommentare abgibt. Erfahre in der Pause, es könnte ein Nazi sein, aber aus Angst wagt keiner, ihn rauszuwerfen. Schaue ihn mir in der Pause vor der Tür an, wie er Zehntel-Witze macht und nebenbei fallenlässt, er habe gerade drei Männer zusammengeschlagen. Außerdem berichtet er glaubwürdig, in der Fremdenlegion gewesen zu sein. Bevor man die Polizei ruft, müsste man ihn selber bitten zu gehen. Keiner traut sich. Ich auch nicht.
Denke, wenn wir weiterlesen, lernt er vielleicht sogar noch etwas. Im schlimmsten Fall machen wir eben noch eine zweite Pause. Ich bin mit der Anmoderation nicht mal fertig, da ruft er wieder rein. Ich bitte, all jene zu applaudieren, die diesen Gag lustig fanden. Niemand klatscht. Ich schweige und lasse die Stimmung in den Keller sinken. Mache zwischen meinen wenigen Sätzen enorme Pausen. Es funktioniert: Er zieht gelangweilt ab.
Nettes Zuschauer-Warm-Up
Bin eigentlich nicht mehr so sehr für längere Publikums-Warm-Ups zu haben. Das hier erscheint mir aber ganz reizend:
„A Date With the Audience. We get a location and have an improvisor go on a date with the entire audience. Questions are asked and we try to get the entire audience to answer at the same time. With a yes or no questions you lean towards what you hear clearest. If it’s a more direct question and someone clearly is heard then you take that as the response. Other performers join in as waiters and the like, also addressing the audience directly. It gets the crowd focused and they feel like part of the show.“
Geklaut von Ian Boothby auf YesAnd.
Die Kraft des fehlenden Publikums
Die großen Momente finden oft ohne Publikum statt.
Gestern in der Probe eine Szene, die, als sie zuende gespielt war, uns zu Tränen rührte. Hätten wir vor Publikum die Kraft gehabt, die Story durchzuhalten, ohne die bequeme Abkürzung des Gags zu nehmen?
Crumbs quotes
Lee: „I’m an improviser. I can stop anything interesting from ever happening.“
Stephen: „audiences will forgive errors in content more readily than they will forgive errors in rhythm.“
Hier gefunden: http://storyrobot.com/improv/?p=233
Den Zuschauer abholen. Oder nicht?
Muss man den Zuschauer wirklich „abholen“? Es ist sozusagen der kürzeste Weg des Entertainment und der Komödie: Ich beginne mit einer alltäglichen Situation, die ins Wanken gerät und in der Groteske völlig aus den Fugen geraten kann. Wir brauchen, so die Annahme, die stabile Plattform, um sowohl für uns als auch für den Zuschauer den Rahmen abzustecken. Aber können wir ihn nicht auch ein wenig zappeln lassen? Zugegebenermaßen ist das Ungenaue, das Verwaschene, Abstrakte oft ein Zeichen improvisatorischer Schwäche: Der Spieler fürchtet sich zu definieren oder ist im schlimmsten Fall dazu gar nicht in der Lage. Konkret zu sein, erfordert Konzentration, gestalterischen Willen und gestalterische Kraft. Vagheit hingegen entlastet. Der Spieler tut so als ob, und was übrig bleibt, ist heiße Luft.
ABER: In einer perfekten Improwelt – Könnten da nicht die Spieler mit einer Fülle verrückter Andeutungen beginnen, die an sich formal gesehen, stimmig sind, die aufeinander aufbauen.
Der Zuschauer verlässt den Saal irritiert, diskutiert mit seiner Begleitung, man regt sich auf. Und dann nachts wacht er schweißgebadet auf: Er hat verstanden.
Spaß als einziges Kriterium?
Grundregel: Es muss Spaß machen.
1. Dir.
2. Dem Publikum.
3. Deinen Mitspielern.
Es ist kein großes Problem, wenn es mal dir, deinen Mitspielern, oder auch dem Publikum nicht gefällt. Wenn das aber zu einem Dauerzustand wird, muss man vielleicht ein paar Schrauben nachstellen.
1. Das Improvisieren soll dir Spaß machen. Wozu sonst solltest du es tun? In den allermeisten Fällen, ist die Frage „Hat es mir Spaß gemacht?“ ein guter Kompass dafür, ob die Szene gut war.
Aber tatsächlich gibt es Tage, an denen das Publikum vor Vergnügen brüllt, die Mitspieler sich backstage freudig auf die Schulter klopfen, und man selbst wird das Gefühl nicht los, dass es heut nicht gut war. Man nehme es nicht so schwer. Man nimmt Szenen und Shows von Zeit zu Zeit unterschiedlich wahr, und der Grund dafür kann manchmal einfach das falsche Bein sein, mit dem man aufgestanden ist, PMS oder das schlechte Wetter. Wenn das Gefühl sich jedoch auf Dauer einstellt, sollte man sich fragen, was man hier tut. Gib die Schuld nicht allzu schnell an deine Mitspieler, die Zuschauer oder an dich selbst. Frag dich zunächst: „Was kann ich selber tun, damit die Show mir wieder Spaß macht?“ Ein guter Weg dahin ist Überakzeptieren. Sich wieder auf die Grundlagen besinnen. Nicht zu schnell bewerten. Den Quatsch der Mitspieler akzeptieren und damit spielen. Vielleicht hast du auch nur eine Schlechte-Laune-Phase, die man aussitzen muss. Aber wenn das alles nicht hilft, wenn Publikum und Mitspieler andauernd wie von einem anderen Stern wirken, solltest du dir vielleicht eine andere Gruppe suchen. Das ist aber wirklich der allerletzte Schritt. Denn vielleicht warten ja deine Mitspieler auch auf neue Vorschläge von dir.
2. Wenn deine Mitspieler keine Freude mehr haben, und nicht mit dir spielen wollen, während du dich prächtig amüsierst, könntest du dich fragen, ob du gerade dazu tendierst, sie zu überfahren, ihre Angebote nicht wahrzunehmen, auf ihre Kosten zu spielen. Wenn du in einer größeren Gruppe derjenige bist, mit dem alle vermeiden zu spielen, kannst du das Problem auch mal ansprechen. Bist du vielleicht der passive Spieler am Rande, der belustigt zuschaut, während die Kollegen die Show reißen müssen? Solltest du an bestimmten Techniken – Stimme, Schauspiel, Präsenz – feilen?
3. Wenn ihr völlig im Spiel aufgeht, ihr das Publikum aber nicht begeistern könnt, muss das erst mal noch kein großes Problem sein. Ein paar Meckerer gibt es immer. („Zu viele Noten, Herr Mozart, zu viele Noten.“) Manche Zuschauer kommen in die Show, weil sie etwas ganz bestimmtes erwarten und dann enttäuscht sind, z.B. Theatersport und dann kommt auf einmal Langform-Impro. Diese Meckerer kommen und gehen. Man kann es nicht jedem recht machen. Vor allem solltet ihr nicht etwas spielen, worauf ihr keine Lust habt, nur um dem Publikum gefallen zu wollen. Wenn ihr aber dauerhaft negatives Feedback bekommt, wenn ihr kein Stammpublikum aufbaut, wenn die Stimmung im Publikum eisig bleibt, dann habt ihr ein Problem. Man kann sich künstlerarrogant herausreden: „Die sind zu doof für uns.“
Aber oft sind es nur kleine Dinge, die ausschlaggebend sind, z.B. die Atmosphäre im Raum. Ein kleines Publikum muss man stauchen, damit eine gelöste Spannung entsteht und sich alle wohlfühlen; man setze sich ruhig mal testhalber ins Publikum.
Und vielleicht ist eure Show wirklich langweilig, albern oder uninspiriert. Geilt ihr euch vielleicht einfach daran auf, dass ihr auf der Bühne steht? Bühnenadrenalin kann viel verklären. Setzt einen von euch ins Publikum, der euch hinterher Feedback gibt.
Urteil und Kritik #2
Schönes Nachspiel zum gestrigen Eintrag. Eine der gelungsten Shows dieses Jahres, und im Gästebuch von Foxy Freestyle wird genörgelt, wir würden das Publikum nicht genügend einbeziehen, was wiederum als Beleg genommen wird, dass wir „nicht richtig“ improvisieren.
Interessanterweise kommt diese Kritik natürlich nicht vom Stammpublikum, dessen Kritik wir durchaus auch mal ernstnehmen, sondern von Zuschauern aus Göttingen, die eben eine spezifische Form des Improtheaters kennen.
Was soll man da sagen? Pech gehabt. Ich akzeptiere Detailkritik, was schauspielerische oder improvisatorische Leistung betrifft, aber wenn ich z.B. Lust habe, zum Beispiel eine Langform ohne Publikumsbeteiligung zu improvisieren, dann erwarte ich auch Offenheit vom Publikum.
Und hier ist auch die Improszene gefragt: Nicht das Publikum mit den immergleichen Formaten und Games abfüttern und die Zuschauer auf diese Weise konditionieren, sondern auch mal über den eigenen Schatten springen.
Urteil und Kritik
Fast jeder Impro-Anfänger muss sich freimachen von der Angst, beurteilt zu werden. Wir empfinden das Urteil an unserem Werk als Urteil über unsere Person. Und das macht vorsichtig. Das geht im Grunde jedem Künstler so, mehr aber noch in der Improvisation, wo es kein Zurück gibt, kein Korrigieren. Von 100 Impro-Anfängern unterliegen 90 dieser Angst, die es erst einmal zu lockern gilt.
Aber auch später taucht diese Furcht immer wieder auf. Und dan spielen wir auf Sicherheit, wenn man von „Spiel“ in solchen Situationen überhaupt noch sprechen kann.
Heißt das aber, wir sollen Urteil und Kritik völlig ausblenden? Wie wollen wir uns denn weiterentwickeln ohne Kritik? Wie wollen wir ohne Urteil urteilen?
Es hilft nichts – wir müssen uns öffnen. Aber in einer Weise, die uns nicht lähmt.
1. Kritik und Urteil dürfen nicht unmittelbar in unser Spiel einfließen, sonst drohen sie uns zu lähmen. Wir müssen sie positiv kanalisieren, zum Beispiel indem wir uns ein kleines Privat-Game daraus bauen. Also angenommen, ich höre als fiese, unkonstruktive Kritik: „Du bist andauernd so negativ auf der Bühne!“ („Häbäbäbä!“), dann kann ich für mich bei der nächsten Show ein Spiel daraus machen, das da heißt, ich versuche, stets positiver als mein Mitspieler zu erscheinen.
2. Ich muss lernen, Kritik einzuordnen. Ich darf mich nicht persönlich angegriffen fühlen, egal wer die Kritik äußert. Ich muss mich fragen, wie ernst nehme ich die Kritik. Ein laienhafter Zuschauer weiß vielleicht nur, dass ihm eine Szene nicht gefallen hat, kann aber nicht genau formulieren warum (Meist heißt es dann „Die Geschichte war langweilig“). Mach dich nicht abhängig von Lob und Kritik des Publikums – man wird davon nur größenwahnsinnig oder bekommt Minderwertigkeitskomplexe. Aber höre genau zu, was deine Mitspieler dir zu sagen haben. Und was sagt dein Mentor? Was sagen Improkollegen im Publikum?
Und das alles gilt natürlich auch für die nicht-improvisierten Künste. Lies Rezensionen nur, wenn du weißt, dass du auch mit Verrissen gut leben kannst.
Zuschauer in der ersten Reihe
Ich glaube inzwischen, es hilft, Zuschauer in der ersten Reihe, wenn nicht zu ignorieren, so doch weitgehend auszublenden. Wenn sie gut drauf sind besteht die Gefahr, dass man den Fokus auf sie richtet. Sind sie schlecht drauf, versprühen sie ihre schlechte Laune.
Beim Kantinenlesen habe ich es am häufigsten erlebt: Ein eingefleischter Fan bringt einen Freund mit, der für den Rest des Abends uns stonefaced anstarrt und mit seinem ganzen Körper kommuniziert: „Was soll die Scheiße?“
Beim Improvisieren ignoriere ich glücklicherweise oft die erste Reihe mehr als alle anderen. Einmal sogar meine Schwester übersehen. Gestern eine beschwipste Vierergruppe. Darunter zwei Zuspätkommer, die sich dann auch noch ausführlich Küsschenlinksküsschenrechts verteilen mussten und in den ersten kürzeren Szenen ständig demonstrativ lachten, aber an Stellen und in einer Weise, dass man merkte: Die haben nichts verstanden. (Immer wieder gern genommen: Der Echo-Lacher, der das letzte Wort, das auf der Bühne fiel, wiederholt und dann angestrengt lacht.)
Den zweiten Teil – eine Collage. die beim Publikum insgesamt sehr gut ankam – haben sie enfach nicht begriffen. Vermutlich wären sie im politischen Kabarett besser aufgehoben gewesen, wo schon die Nennung des Namens „Westerwelle“ für Lacher sorgt.
Meine Kollegen waren irritiert, als der Herr immer nur missbilligend den Kopf schüttelte, ber da habe ich die Truppe glücklicherweise schon übersehen.
Liebe, Kunst und Eitelkeit
N. achtete immer sehr genau auf den Applaus jedes Spielers. Dass G. manchmal mehr Applaus bekam, wurmte ihn so sehr, dass er jedes Mal einen Tag brauchte, um sich aus seiner Depression hochzuarbeiten. Er machte ein halbes Jahr Pause und erkundigte sich immer wieder, ob das Publikum ihn vermisse. Tatsächlich fragten ab und zu Zuschauer nach G., aber „ab und zu“ war ihm zu wenig.
Und irgendwann hatten sie ihn vergessen. Schließlich kamen sie ja auch in erster Linie wegen der Gruppe.
G. verlor die Lust an der Kunst. „Wenn mich die Leute nicht lieben, dann brauchen sie meine Kunst ja nicht.“
„And, in the end, the love you take is equal to the love you make.“
Eitelkeit verdirbt die Kunst. Immer wieder. Sie mag als Kickstarter ab und zu funktionieren. Auf Dauer ist sie wie ein Geschwür, die das Spielerische der Kunst zerstört.
Du kannst Liebe nicht erwarten. Du kannst Liebe nur geben. Wenn sie zurückkommt, ist’s ein Geschenk.
Die vierte Wand durchbrechen
Ich kann mich nicht erinnern, es irgendwo gelernt zu haben: Ich habe aber bei Shows fast von Anfang an die vierte Wand durchschritten. Szenen im Publikum, Zuschauer einbeziehen.
Im Improvisation liegt es praktisch auf der Hand, da die Zuschauer durch Vorschläge oder auch Abstimmungen und die ganzen Impro-Zirkus-Rituale ans Mitmachen gewöhnt sind.