Wer/Wo/Was als Regel im Improtheater?

Als Antwort auf mein Video „Was tun beim Blackout?“ fragte mich Reinhard, ob nicht Regeln wie die, dass man rasch das Wo/Wer/Was klären solle oder dass Storys einen Anfang, ein Problem und eine Lösung bräuchten, nicht hinderlich seien für die Improvisation.
Ich habe darauf drei Antworten.

1. Sinn der Regeln

Schauen wir uns zunächst einmal an, was diese Lehrsätze überhaupt für einen Zweck haben: Die meisten Impro-Spieler wollen, sobald das Stadium des unmittelbaren Impro-Games überschritten haben, freier spielen und zumindest kleine, sinnvolle Geschichten improvisieren. Das kann gut gehen, wenn die Improvisierer ein gewisses Gespür für Storys mitbringen oder sich zumindest schon mal theoretisch mit Storystrukturen beschäftigt haben. Falls nicht (und das ist nach meiner Beobachtung bei mindestens der Hälfte aller Impro-Schüler der Fall), brauchen wir ein paar Handreichungen. So wirken Szenen oft lahm und blutleer, wenn die Akteure im Nichts agieren, wenn sie nicht wissen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen oder unklar ist, wo sie sich befinden. Sie scheuen dann davor zurück, auch nur ein Objekt physisch zu etablieren, das den Ort klarmachen würde (etwa Hand ins Weihwasserbecken tauchen und sich bekreuzigen) oder das Gegenüber anzusprechen (etwa: „Herr Pfarrer“). Wenn aber Spieler davor zurückschrecken, schon diese simplen Gegebenheiten zu etablieren, werden sie meist auch andere Details im Vagen lassen, anstatt sie zu spezifizieren. Das Allgemeine ist aber der Feind der Kunst, das Spezifische ihr Freund.

2. Verlust des Moments

Wenn man als Impro-Spieler solche Regeln bekommt, kann sich das Spielen zunächst etwas steif anfühlen. Man verliert manchmal den Moment, da man ja an die Regel denkt. Das spricht aber zunächst noch nicht gegen die Regel. Denn alles, was ungewohnt ist und unsere Gewohnheiten verändert, braucht Übung und kann zum Stocken führen. So spielen manche Anfänger bisweilen mit dem Rücken zum Publikum, und man muss sie öfter darauf hinweisen, dass sie so nicht gesehen werden. Beim Klavierlernen gibt es für Anfänger recht bald einen Punkt, an dem sie Fingersätze lernen müssen, was sich auch erst mal „künstlich“ anfühlt. Aber paradoxerweise wir brauchen diese Hinweise, um freier spielen zu können. (Übrigens ist jedes Impro-Game mit einer Regel versehen, die uns in irgendeiner Weise einschränkt. Aber gerade diese Einschränkung ist es oft, die die Kreativität zum Fließen bringt.)

3. Ohne Regel

Haben wir diese Freiheit erlangt, können wir die Hilfsmittel auch wie Krücken von uns werfen. Wenn man um die Wirkung weiß, kann man sich dann zum Beispiel bewusst mit dem Rücken zum Publikum wenden. Und um zum Thema zurückzukommen: Wenn man bereit und in der Lage ist, jederzeit zu definieren und spezifisch zu sein, mit Emotionen, Situationen, Figuren usw. zu spielen, dann kann man auch auf das Wo/Wer/Was als starre Regel verzichten und darauf vertrauen, dass durch die Art, wie wir miteinander spielen, sich die Beziehung schon klären wird, dass durch unsere Körperlichkeit in einem bestimmten Setting sich der Raum auch schon klären wird. (Um ein prominentes Beispiel zu geben: In der Auto-Szene in Pulp Fiction sehen wir nur Jules und Vincent, die miteinander plaudern. Sie scheinen befreundet zu sein, aber erst nach zwei Minuten erfahren wir, dass sie Auftragsmörder sind.) Das Impro-Duo TJ & Dave hat übrigens die Methode, ohne Plattform zu starten, popularisiert: In der fokussierten Wahrnehmung des Gegenübers, entsteht wie von selbst ein Gefühl dafür, wie nah oder fern man zueinander steht (soziale Beziehung) und dafür, ob die Situation emotional aufgeladen oder entspannt ist.
Ich bin also nicht unbedingt dafür, das Wer/Wo/Was komplett aus dem Curriculum zu streichen, aber ich denke, wir sollten diese wie auch andere Regeln nicht dogmatisieren.

Drei Regeln des Duos Joko & Klaas

(Vorbemerkung: Ich werde anscheinend immer mehr bei Medien und Technik zum Spät-Adaptierer. Um Podcasts habe ich immer einen großen Bogen gemacht, und nun bin ich ganz gefangen von Baywatch Berlin, ein Podcast den ich rückwärts höre. Inzwischen bin ich beim Oktober 2020 angekommen. Er ist wunderbar improvisiert, mit genau dem richtigen Mix aus Fokus und Abgedrehtheit, den wir in den besten Momenten auch bei der Chaussee der Enthusiasten hatten. Ende der Vorbemerkung)

Klaas verrät die drei Regeln des Duos Joko & Klaas:
1. Ein-Mann-Veto: Man macht nichts gemeinsam, was einer nicht will.
2. „Alabama“: Das Safe-Word für abgefahrene Aktionen.
3. Keine Verbesserungsvorschläge. Diese Regel bezieht sich, wenn ich es richtig verstanden habe, darauf, sich bei Fernsehproduktionen auf die Rolle des Performers zu beschränken und sich nicht in die Arbeitsbereiche einzumischen, die andere professionell betreuen, selbst wenn man genau sieht, dass man das beim nächsten Mal des besseren Effekts halber anders aufziehen müsste.

Regeln brechen

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Keith Johnstone, dem wir einige großartige Techniken und Faustregeln im Improtheater verdanken, bemerkte bei einigen Trainings, dass seine Schüler dazu neigten, zu viele Fragen zu stellen, um selbst nicht definieren zu müssen. Statt nun seinen Schülern das Fragen zu verbieten, ging er der Sache auf den Grund: Was geschieht, wenn wir eine Szene spielen, in der nur Fragen erlaubt sind? Damit erfand er nicht nur einen Klassiker unter den Impro-Spielen, sondern zeigte, wie man mit kreativ mit solchen Problemen umgehen kann – man schafft sich einfach eine kontra-intuitive Regel, die einen schließlich befreit. Wer das Spiel „Nur Fragen“ je gespielt hat, wird lernen, was für Fragen konstruktiv sind und wie man mit unkonstruktiven Fragen konstruktiv umgehen kann.
Es lohnt sich ungeheuer, die Regeln und Lehrsätze, mit denen man im Laufe seiner Impro-Ausbildung konfrontiert wurde, gegen den Strich zu bürsten.

  • Was geschieht, wenn wir nicht Zug um Zug spielen, sondern ein Spieler extrem lange Passagen hat, während der andere fast gar nichts sagt? Oder wenn beide Spieler sich andauernd ins Wort fallen?
  • Was geschieht, wenn wir nicht Ja sagen, sondern ein Spieler so oft wie möglich verneint? 
  • Was geschieht, wenn wir Szenen nicht positiv starten?
  • Was geschieht, wenn sich einer der Spieler nicht verändert.

Es liegt nahe, diese Experimente vornehmlich im geschützten Proben-Setting auszuprobieren und mal diesen, mal jenen Parameter zu verändern: Was geschieht, wenn beide Spieler negativ sind? Was geschieht, wenn nur einer negativ ist usw.?
In den meisten Impro-Gruppen gibt es auch unterschwellige Regeln oder Glaubenssätze, die sich im Laufe der Jahre herausgebildet haben und nur selten hinterfragt werden. Hier ein paar Beispiele solcher Regeln.

  • Obszöne Vorschläge aus dem Publikum wie „Bahnhofsklo“ oder „Pornodarstellerin“ sind freundlich abzulehnen.
  • In der ersten Hälfte der Show müssen Games gespielt werden, damit man in der zweiten Hälfte den Zuschauern eine Langform zumuten kann.
  • Verkaufs-Szenen oder Unterrichts-Szenen sind unbedingt zu vermeiden.
  • Eine Impro-Show braucht ein Warm-Up.
  • In der ersten Minute müssen das Wer, das Wo und das Was etabliert werden.

Vielleicht kommen der Leserin diese Regeln bekannt vor. Es gibt von ihnen Hunderte, und sie entstehen oft aus gutem Grunde: Man scheitert mit einer Szene oder einer Show und bemerkt ein Muster, eben zum Beispiel dass Unterrichtsszenen dazu neigen zu stagnieren. In der Folge versucht man, eine Regel abzuleiten – Keine Unterrichtsszenen! – um solche Hänger zu vermeiden. Aber man muss sich nur die vielen Filme und Dramen vergegenwärtigen, die sich um das Thema Unterricht spinnen, um zu sehen, wie absurd diese Regel ist. Es geht also eher darum, wie man solche Szenen spielt.
Manche Regeln, wie auch jene letztgenannte, erweisen sich übergangsweise als hilfreich: Warum mit Unterrichtsszenen immer wieder scheitern, bevor man ihnen nicht mal ein paar Minuten in einer Probe gewidmet hat. Andere beruhen auf Annahmen übers Publikum oder darüber, wie eine Impro-Show abzulaufen hat. („Die Zuschauer brauchen ein Warm-Up.“) Hier braucht man einen gewissen Mut, das Experiment am lebenden Organismus – der Impro-Show – vorzunehmen.

Regeln in Genres

In Langformen und Genres funktionieren Regeln auf eine etwas andere Weise als in Games oder durchstrukturierten Showformaten.
Besonders Genres sind hier tendenziell offen für die Umsetzung. Zwar gibt es Handlungsformen und stilistische Klischees – sogenannte „Tropen“ – die immer wieder mal auftauchen; diese sind aber nicht unbedingt handlungsbestimmend. Nehmen wir das Genre Krimi: Eine bekannte Sequenz aus vielen klassischen Krimis ist, dass am Ende Handvoll Verdächtigen sich alle zusammen in einem Raum befinden und der Ermittler einen nach dem anderen ausschließt. Aber so bekannt uns diese Trope erscheint, so taucht sie doch in Krimis schon seit über fünfzig Jahren nicht mehr auf. Das Einzige, was alle Krimis, dieser Welt vereint, ist, dass im Zentrum der Handlung ein Verbrechen steht. Western spielen irgendwann im 18. Jahrhundert im Süden und mittleren Westen der USA, man braucht ein Pferd und einen Revolver. Das war’s. Es kann darüberhinaus einen Saloon, einen Sheriff, Indianer, Goldsucher geben, aber eben nicht unbedingt. Der Weltall war einst fürs Science-Fiction-Genre fast unabdingbar, heute kommt man fast ohne ihn aus. Mit anderen Worten: Man enge sich bei Genres nicht allzu sehr ein. Anstatt sich auf möglichst viele Elemente von ein oder zwei Referenz-Werken zu stürzen, suche man lieber danach, welche ein oder zwei Elemente der Kern des Genres darstellen. Die wenigen Kern-Elemente des Genres dürfen aber nicht für sich genommen werden. Die Frage ist ja immer: Was will man wie erzählen? Die Funktion des Horrors ist, Schrecken zu erzeugen. Eine romantische Komödie variiert die Botschaft: „Im Grunde sind alle Menschen liebenswert.“ Ein Schwank erzählt eine etwas wunderliche Begebenheit des Alltags.
Daraus ergeben sich aber für jedes Genre immanente Grenzziehungen: Es würde höchstens einen kurzen Lacher erzeugen, in einem griechischen Drama Batman auftauchen zu lassen. In einer romantischen Komödie sollte nicht gemordet werden, in einem Politthriller wäre Gott eine Fehlbesetzung.

Regelknappheit

Die besten Impro-Games sind  in ihrer Grenzziehung so konzipiert, dass sie unsere Kreativität freisetzen.

So ist das  ABC-Spiel ungeeignet für Spieler, die extreme Schwierigkeiten mit dem Alphabet haben (etwa weil sie Legastheniker sind) aber auch für Spieler, die das Spiel bereits Hunderte Male gespielt haben und für die die Limitierung keine mehr ist.

Sie haben so wenig Regeln wie möglich (im besten Fall nur eine). Sie stellen sich uns in den Weg, damit wir uns selbst nicht im Weg stehen. Sie führen unseren Geist und unseren Körper auf Pfade, die diese zuvor nicht betreten haben. Sie lassen uns als Team etwas erschaffen, das uns alleine nie eingefallen wäre, ja, das größer ist als die Summe seiner Teile. Für uns als Improspieler bedeutet das, das wir die durch die Spielregeln gesetzten Grenzen nicht als Willkürlichkeit auffassen, sondern als freudig zu meisternde Beschränkung. (Oder hat sich je ein Fußballspieler darüber beschwert, dass er den Ball nicht einfach mit den Händen werfen darf, was doch viel bequemer wäre?)
Spiele, die mit Regeln überfrachtet sind, verlieren ihren Reiz sowohl für die Spieler als auch fürs Publikum. Man erlebt solche Spiele bisweilen in Theatersport-Shows, in denen die Spieler und Teams darauf hoffen, dass sie den Unterhaltungswert durch immer krassere Herausforderungen steigern können. Da werden dann Armreden mit Synchronisations-Spielen kombiniert, Lyrik-Impro mit Kauderwelsch, Opern-Gesang mit dem Spiel „Stehen/Sitzen/Liegen“. Sicherlich ist das ab und zu mal unterhaltsam, aber bei Lichte betrachtet, werden die Spieler daran gehindert, die Grenzen der Limitierungen ganz auszuloten. Aber auch für den Zuschauer ist das irritierend. Man kann sich weder auf das Eine noch auf das Andere richtig einlassen. In Varietés finden sich manchmal ähnliche Dummheiten, wie etwa ein seiltanzender Zauberkünstler vor, der einem auf dem Schlappseil Kartentricks präsentiert: Man schenkt letztlich dem Seiltanzen und der Zauberei nur die halbe Aufmerksamkeit.
Für improvisierte Langformen und Impro-Show-Formate gilt Ähnliches. Allzu oft unterliegen Improspieler dem Drang, ihr gesamtes Können in eine Langform stecken zu wollen und diese dadurch zu überfrachten. Das augenfälligste Beispiel ist hier der Gesang. Wenn man sich zum Beispiel in einer Horror- oder Krimi-Langform bewegt, sprengt ein improvisiertes Lied meist die aufgebaute Spannung. Sicherlich gibt es hier Ausnahmen – schön gemachte Krimi-Musicals – aber man sollte sich fragen, ob es die Form verträgt.

An einem meiner enttäuschendsten Impro-Abende als Zuschauer musste ich ansehen, wie eine großartig improvisiertes Shakespeare-Drama dadurch verunstaltet wurde, dass die Sprecher der Monologe von außen synchronisiert wurden. Als ich die Spieler später fragte, warum sie das getan hatten, antworteten sie: „Weil wir das so gut können.“

Show-Formate leiden an Überfrachtung, wenn man für ihre Erklärung länger als eine Minute braucht. So werden manche Theatersport-Shows mit Dutzenden Gimmicks aufgepeppt, die für sich genommen oft ungeheuer witzig sind, aber am Ende die Szenen in einem Wust von buntem Drumherum untergehen lassen.

Im Grunde genügen ja für eine Theatersport-Show zwei Mannschaften und ein Moderator/Schiedsrichter. Die Abstimmung kann durchs Publikum und/oder Punktrichter erfolgen. Dieses Grundreglement verträgt allenfalls noch ein Gimmick. Aber die Theatersport-Shows sind leider zu oft mit „La Ola“ und anderen Wenn-dann-Publikums-Interaktionen gespickt, Strafkörbe werden verteilt, die Spieler müssen langwierige Rituale zu Beginn und am Ende der Show durchführen. Ob die Zuschauer solcher Shows sich hinterher auch nur an eine einzige Szene erinnern werden?

Umgekehrt fokussiert gerade die Regelknappheit die Spielenergie in eine bestimmte Richtung: Das bereits erwähnte sehr physische Aufmerksamkeits-Spiel „Sitzen/Stehen/Liegen“ gewinnt gerade dann seine komische Dynamik, wenn es nicht noch „angereichert“ wird, sondern sich die Spieler genau auf diese eine Aufgabe konzentrieren können.

Regeln in Spielen

Wenn man jemanden, der noch nie Klavier gespielt hat, auffordert, einfach mal so ein Stück zu spielen, kommt wahrscheinlich ziemlicher Schrott heraus. Bittet man ihn aber, mit nur einem oder zwei Fingern lediglich die schwarzen Tasten zu benutzen, wird er sicherlich erstaunt sein, wie leicht man ein pentatonisches Stück erschaffen kann. Die Einschränkung ist das Spiel.
Eine der großen Leistungen Keith Johnstones und Viola Spolins besteht darin, Impro-Anfängern ein Set an einfachen Spielen geliefert zu haben, die es ihnen ermöglichen, auch mit relativ wenig Erfahrung unterhaltsame kleine Szenen zu spielen. Diese Spiele sind zum Teil auf absurd-komische Weise limitierend. Nehmen wir das ABC-Spiel, bei dem die Sätze der beiden Spieler jeweils mit dem folgenden Buchstaben des Alphabets beginnen müssen. Der Sinn dieses Spiels besteht darin, die Spieler daran zu hindern, sich etwas besonders Schlaues auszudenken oder vorauszuplanen, somit wird dem Unterbewussten genügend Spielraum gegeben . Eine ABC-Szene wird zwar selten legendäres Comedy-Gold hervorbringen, und doch ist sie, selbst bei Anfängern, in der Regel recht amüsant anzuschauen. Warum aber funktioniert es nicht, wenn man dieselben Anfänger auf die Bühne stellt und sie bittet, einfach so eine freie Szene zu spielen? Neben den grundlegenden Improvisations-Fähigkeiten fehlt ihnen auch die Erfahrung der Form. In der Kunst ist jede Form eine absichtliche Begrenzung des Materials: Die Pointillisten loteten aus, welche Licht- und Farbwirkungen sich durch Tupfer erzielen lassen. Ein Stück in C-Dur „verbietet“ fünf von zwölf Tönen. Ein Sonett besteht aus vierzehn streng gegliederten und rhythmisierten Versen.
Der große Improvisations-Philosoph Stephen Nachmanovitch spricht in seinem Buch „Free Play“ von der Kraft der Grenzen. Damit ist gemeint, dass die scheinbare Einschränkung der Möglichkeiten in Wirklichkeit die Kreativität des Künstlers anstachelt. Aber auch für den Rezipienten der Kunst ist die Einschränkung, wenn auch unbewusst, eine grundlegende ästhetische Erfahrung. Kleine Kinder freuen sich bereits über einen gereimten Zweizeiler. Und was ist ein Reim anderes als die gezielte spielerische Limitierung „Zwei Wörter sollen gleich klingen“?

Regeln im Improtheater

Wer anfängt Improvisationstheater zu lernen, wird man meistens mit ein paar Regeln konfrontiert, die in ihrer Funktionsweise faszinierend sind, wenn man sie beachtet.

  • „Sag einfach Ja.“ Wir beachten die Regel, und plötzlich brechen die Dämme der innehaltenden Vernunft, die Improvisation scheint einfach zu fließen.
  • „Akzeptiere die Angebote.“ Wir beachten die Regel, und es gibt keine Irritation mehr, kein Fragen nach dem Warum, es läuft einfach wie von allein vorwärts.
  • „Starte positiv!“ Wir beachten die Regel, und schon interessiert sich das Publikum für unsere Figuren.

Das Frappierende ist dabei, dass jede Regel im Grunde eine Handlungseinschränkung darstellt. Jede Aufforderung, etwas zu tun, beinhaltet die implizite Aufforderung etwas anderes nicht zu tun. Also zum Beispiel: Starte positiv, aber nicht negativ. Die Handlungseinschränkungen wirken aber nicht einschränkend, sondern befreiend! Das hat damit zu tun, dass die meisten Impro-Grundregeln unsere Angst attackieren. Wenn wir etwa Angebote akzeptieren und fortführen, werden wir dadurch positiv belohnt, dass wir erleben, wie eine Szene erblüht. Oder anders gesagt: Der Charme der Impro-Regeln besteht darin, dass sie funktionieren.
Problematisch wird es, wenn die Regeln zu einer Art Kanon festgeschrieben werden. Schuld ist hier oft ein statisches Lehr- und Lern-Verständnis in Workshops. Das betrifft sowohl Lehrer als auch Schüler.

In einem Workshop spielten Carolina und Markus eine Szene in einem Krankenhaus.
Markus: „Frau Doktor, Wird mir das Bein amputiert?“
Carolina: „Ähm, äh, ja, genau. Das Bein.“ (…)
Nach der Szene fragte ich Carolina, warum sie an der einen Stelle so stammelte.
Carolina: „In einem früheren Improkurs haben wir gelernt, dass man keine Fragen stellen soll. Deshalb hat mich Markus so irritiert mit seiner Frage. Das ist doch verboten.“

Nun ist der Impuls des Lehrers, der diese Regel aufstellte, zwar klar: Die Schüler sollen selbst behaupten, statt die Definitions-Arbeit anderen zu überlassen, aber dies in die Form einer solch dogmatischen Regel zu gießen, ist natürlich Schwachsinn. Aber ebenso muss sich die Schülerin fragen, ob sie da nicht selbst einen Hinweis zu einem Dogma aufgebaut hat. Ich erlebte zum Beispiel folgendes:

In einem anderen Workshop bat ich Ellen und Nina auf die Bühne: „Ihr seid vor einer Blockhütte in einem kanadischen Wald.“
Nina mimte Holz zu hacken und Ellen setzte sich auf den Hocker und mimte einen brummenden Bären.
Da sich Ellen schon in anderen Szenen immer wieder davor gedrückt hatte, verbale Angebote zu machen, sagte ich: „Ich würde es gern sehen, dass du diesmal einen Menschen spielst, der der anderen Person etwas Dringendes zu sagen hat.“
Monate später saßen Ellen und andere Improvisierer in einem Café und Ellen dozierte: „Von Dan haben wir gelernt, dass man keine Tiere improvisieren darf.“

Eine solche Regel wäre natürlich völlig hirnrissig. Was aber, wenn wir die Grund-Regeln nicht beachten – positiv starten, nicht verneinen usw.? Was, wenn wir sie gezielt brechen? Kunst entsteht schließlich oft dort, wo Regeln gebrochen werden.
Kann man sich nicht gute Szenen vorstellen, die mit einer Trauerfeier beginnen? (Nicht positiv.) Oder eine Szene, in der ein Angestellter es ablehnt, befördert zu werden? Oder gar eine Szene, die mit dem klassischen Impro-Vermeidungs-Satz „Was machen Sie denn da?“ beginnt? Natürlich geht das. Wenn wir kurz überlegen, ist es sogar möglich, eine Szene zu konstruieren, die alle drei genannten Beispiele in den Anfang inkorporiert.
Anfänger erklären oft ihre Mitspieler für geistesgestört, wenn sie mit deren Angeboten nichts anfangen können, oder sich selbst für ahnungslos, wenn sie Angst haben zu definieren. Infolgedessen wimmeln Anfänger-Szenen nur so von Verrückten, Betrunkenen und Minder¬be¬mittelten. Fortgeschrittene Spieler versuchen, solche Figuren eher zu vermeiden. Soll das aber heißen, dass es im Improvisationstheater keine Betrunkenen geben darf? Und was, wenn die Story einen Verrückten braucht?
Die Impro-Regeln sind also im Grunde Richtlinien oder Hilfsmittel, um unsere Angst zu besiegen, uns zum Miteinander zu bewegen und unsere Kreativität anzufachen. Je erfahrener wir sind und je leichter es uns gelingt, aus jeder Szene etwas Interessantes zu kreieren, umso eher können wir die meisten dieser Regeln hinter uns lassen.
Allerdings lohnt es sich auch für Profis, immer wieder auf sie zurückzukommen, denn unsere Impro-Flausen kehren auf die eine oder andere Art immer wieder zu uns zurück. Ein Beispiel: Langjährigen Impro-Spielern gelingt es durch die Erfahrung des Spielens und des geübten Zuschauens immer besser, hinter die Funktionsweise einer improvisierten Show und die Impro-Techniken zu blicken. Das führt quasi unweigerlich dazu, dass sie die Ansprüche an die eigenen Shows anheben, woraus sich wiederum leicht eine Anspruchshaltung gegenüber den Mitspielern entwickeln kann, die sich dann beim Spielen selbst in wählerischem Angebots-Blockieren äußert. (Und ein fortgeschrittener Spieler verfügt natürlich über ein verfeinertes Vokabular, sein Blockieren hinterher gegenüber anderen zu rechtfertigen.)
Als würden wir, wie in einer Spirale immer weitere Kreise ziehen, treffen wir auf unsere Impro-Sünden immer wieder, aber auf höherem Niveau. Und daher halte ich es für sinnvoll, die Grundlagen immer wieder zu trainieren.

Gibt es nun nach all dem Gesagten nicht doch ein Set eiserner Regeln, die nicht gebrochen werden sollten, wenn man Improtheater spielt? Ich denke, dass sich die Antwort bereits im Nebensatz „wenn man Improtheater spielt“ befindet.

  1. Theater
    Um im Theater überhaupt irgendetwas zu erreichen, brauchen wir ein Minimum an schauspielerischem Handwerkszeug.  Wir müssen zum Beispiel laut genug sprechen, damit man uns versteht, wir müssen unseren Körper gezielt einsetzen. Wir müssen bereit sein, in andere Figuren zu schlüpfen. usw.
  2. Improvisieren
    Improvisieren bedeutet, kreativ mit dem umzugehen, was bereits da ist. In unserem Falle sind das unsere Mitspieler und unsere Assoziationen. Und das führt uns zur Grundregel des Zuhörens
  3. Spielen
    Was auch immer beim Improvisieren geschieht – solange wir unsere spielerische Haltung nicht verlieren, sind wir selber nicht verloren. Egal, ob unser Mitspieler blockiert und negativ ist. Egal, ob wir sogar beide blockieren. Egal, ob unsere schauspielerischen Fähigkeiten begrenzt sind, egal ob uns Lang- oder Kurzformen liegen – das Spielerische entscheidet. Und so wird man bei genauerer Betrachtung auch sehen, dass viele Elemente, die ich hier als Grundlage bezeichne, Facetten des freien Spiels sind: Wenn wir wirklich ins Spiel eintauchen, sind wir Im Moment, dann sind wir im Flow, dann sind wir achtsam und suchen das Unbekannte und Neue.

Die einzige Regel also, wenn man Improvisationstheater spielen will, lautet: Spiele Improvisationstheater!

Paradox: Grenzen erweitern deine Möglichkeiten

Wir treffen bisweilen auf Skepsis gegenüber Grenzziehungen in Formaten. Dabei lernen wir schon als Anfänger, dass Grenzen (z.B. die Regeln eines Games) unsere Möglichkeiten erweitern.
Z.B.: wenn wir die Spielregel „Keine Sprache“ einführen, erweitert das unsere physischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Wenn ich bei Anfängern „Freeze Tags“ einführe, lasse ich sie erst mal wild drauflosspielen, was natürlich zu einem Übermaß der uns bekannten „Herr Arzt, ich kann meinen Arm nicht bewegen“-Szenen, „Bleiben Sie mal so stehen, wenn ich Sie fotografiere“-Szenen oder Tanz-Unterricht-Szenen führt. Wenn ich dann die Spielregeln „Thematisiert nicht euren Körper“ und „Vermeidet Befehle“ einführe, könnte man ja annehmen, dass diese Regeln die Vielfalt der Szenen einschränkt. In Wirklichkeit erweitert sich die Vielfalt. (Als Lehrer darf man hier nicht vergessen, nach dem Game zu „entregeln“, sonst glauben die eifrigen Mitschreiber, es sei ein ehernes Impro-Gesetz, dass man im Improtheater nicht den Körper thematisieren dürfe.
Für fortgeschrittene Spieler gilt aber das Gleiche auf einer subtilen Ebene: Wir haben unseren Stil und unsere Manierismen gefunden und haben uns behaglich eingerichtet in unserer Art zu improvisieren. Erst neue Limitierungen katapultieren uns aus dieser Komfort-Zone. Deshalb erweitert das Spiel in Genres und „Stilen“ unser Repertoire, weil es die Ausdrucksmöglichkeiten begrenzt und einige unserer Lieblings-Moves unterbindet.

Meta-Regel über Regeln

Bevor man in die Falle tappt, endgültige Regeln aufstellen zu wollen, lohnt ein Blick in Theater- und Film-Skripte. Wir werden dort Charaktere finden, die Nein sagen, Typen, die zum Monologisieren neigen, Dummköpfe, streitende Paare, und so ziemlich alles, was einem irgendwann von irgendeinem Impro-Lehrer per Regel untersagt wurde. Wenn’s im Theater und im Film funktioniert, dann geht es auch im Improtheater. Aber was immer du auf der Bühne tust: Tue es nie aus Angst oder Faulheit.

TJ & Dave über Klappe halten, Regeln und Ehrlichkeit – Exzerpt III

Kapitel 6
Klappe halten

"Manche Leute sagen etwas und wiederholen es dann auf viele verschiedene Arten. Alles vergeudet- Wir bevorzugen Schweigen oder sparsames und präzises Sprechen." (TJ, 48)

TJ & Dave verachten Sätze wie "Mensch, Ron, jetzt sind wir schon seit zehn Jahren miteinander verschwägert."
Erstens spricht kein Mensch so. Zweitens "weiß das Publikum schon Bescheid. Und eigentlich kümmert es sie auch nicht wirklich."

Kapitel 7
Scheiß auf die Regeln
Die meisten Regeln, so TJ & Dave werden ohnehin zu wörtlich genommen (wie zum Beispiel keine Fragen zu stellen). Aber auch die Regel, schnell das Wer, Wo, Was zu definieren, stellen sie infrage: "Diese Dinge künstlich in den ersten Sätzen zu definieren, baut nur ein Hindernis für die freie Szene auf. Sie werden sich selbst enthüllen, wenn ihr eine wirklich ehrliche Szene improvisiert." (TJ & Dave, 55)
Und doch stellen sie ihre eigenen Regeln auf:
– Seid euch einig.
– Seid aufmerksam.
– Zerstöre und verneine nicht die einmal etablierte Wirklichkeit
– Sorgt füreinander.
– Der Andere ist die wichtigste Person und die Antwort auf all deine Probleme.
– Künstlich einer Szene Tatsachen aufzwingen ist nicht hilfreich.
– Die Szene liegt in der Verbindung zwischen den Charakteren.
– Spiele mit einem Höchstmaß deiner Intelligenz
(TJ & Dave, 56)

Kapitel 9
Über ihren häufig benutzten Begriff "Ehrlichkeit":
"Wir sprechen von einer Art Integrität. Impro-Anfänger sind vielleicht ehrlich, wenn jede Szene um "Ich habe eine Wahnsinnsangst!" geht" Das ist nicht, wovon wir sprechen. Wir meinen – Wahrhaftigkeit gegenüber der Szene, Wahrhaftigkeit gegenüber dem, was wir bereits etabliert haben." (David, 69)

"Versuchen, einen Lacher zu bekommen, ist der Höhepunkt des Egoismus in unserer Kunstform. Wir haben uns dafür entschieden, etwas auf gemeinsam Geteiltem aufzubauen. Wenn du das nicht willst, mach was anderes." (TJ, 70)

"Wenn ich denke, die Zuschauer sind still, weil ich sie verloren habe, sie aber eigentlich völlig bei uns sind, dann werde ich mich an etwas Falsches anpassen. Und DAS führt dazu, dass ich sie verliere." (David, 71)
 

Regeln für Professionalismus

Auch der Professionalismus hat eine düstere Seite. Viele Spieler versuchen, sich an äußeren Regeln festzuhalten, mit der Begründung das sei professionell. Ich habe Spieler erlebt, die, weil sie beabsichtigten, irgendwann ein dreißigsekündiges Lied zu singen, vor jedem Auftritt einen halbstündigen Soundcheck brauchten, (letztlich um ihre Nervosität zu besiegen). Man kann sich an Äußerlichkeiten wie Auftrittsorten, Kleidung, Technik, Moderation, Präsentation, Gruppennamen, Reihenfolge der Impro-Games usw. aufhalten. Ich denke, all diese Dinge verdienen es durchaus, dass man den einen oder anderen Gedanken an sie verschwendet. Aber letztlich sollte der Maßstab dafür, ob man etwas tut oder lässt, nicht darin liegen, ob Gruppe XY dies oder jenes auch tut, ob der oder der irgendwas mal als professionell bezeichnet hat oder ob Dan Richter das in seinem Blog geschrieben hat. Der einzige Maßstab fürs Tun oder Lassen möge euer Herz sein.

Stephen King: „Das Leben und das Schreiben“

Kann man dieses Buch angehenden oder aufstrebenden Autoren empfehlen? Die Antwort ist: Ja, wenn man es möglichst schnell liest, die ermüdenden Wiederholungen und den biografischen Teil schnell überfliegt oder so gut es geht überspringt und den ankumpelnden mündlichen bemüht-übercoolen Stil des Buchs ignoriert (z.B. „Für diese Geschichte haben wir zwölf Mäuse hingeblättert.“). Ob das im Original genauso altbacken klingt wie in der Übersetzung von Andrea Fischer, weiß ich nicht. Ich fürchte ja.

Die wichtigsten Ratschläge Kings:
Kenne dein Handwerk: Nutze deinen Wortschatz und pflege die Grammatik.
Pflege einen guten Stil: Entferne Adverbien gnadenlos, vermeide Passivkonstruktionen. Absätze (nicht Sätze) strukturieren und rhythmisieren das Werk.
Lies viel! Schreib viel!
Wenn du (bewusst oder unbewusst) den Stil oder das Genre eines Autors imitierst, ist das in Ordnung.
Lesen kann man überall. Aber wenn man schreibt, sollte man sicher sein, nicht gestört zu werden. Schließ die Tür hinter dir, vermeide Telefon, Fernseher (und heute könnte man zu Kings Liste hinzufügen: einen WLAN-fähigen Laptop). King zieht die Vorhänge herunter. Bemerkenswerterweise hört er während des Schreibens AC/DC und Metallica (ich finde, das merkt man seinem Stil leider an).
Schreibe glaubwürdig – ein beachtlicher Ratschlag für einen Autor, der u.a. für seinen Hang zu Übernatürlichem, Spuk usw. bekannt geworden ist. Er meint natürlich: Der Hintergrund soll einigermaßen glaubwürdig sein.
Der Plot ist unwichtig. Gehe von einer Grundsituation aus und spinne dann weiter von A zu B zu C usw. „Die interessantesten Situationen lassen sich oft mit einer Was-wäre-wenn-Frage umschreiben.“ Die Geschichte ist schon vorhanden, sie muss wie von einem Archäologen vorsichtig freigelegt werden.
Beschreibungen bitte sparsam und gekonnt. Keine ausgelutschten Metaphern. Gute Metaphern kann man bei Raymond Chandler lernen.
Nutze den Dialog, um den Character zu zeichnen. Lass die Figuren nicht in Klischees reden.
Beobachte reale Personen und gib deren Verhalten realistisch wieder. Verwende äußerliche Beschreibung sparsam.
Nutze Symbolik, ohne sie zu forcieren.
Die Thematik nicht überschätzen. Es genügt, sich die Frage nach der Hälfte des Buchs oder vielleicht sogar erst nach der ersten Fassung zu stellen. Umgekehrt von der Thematik oder der Botschaft auszugehen birgt die Gefahr des Predigerhaften.
King beschränkt sich in der Regel auf drei Fassungen seiner Romane, besteht aber darauf, dass das das Minimum sein muss. (M.a.W. er gibt zu, dass das nicht besonders viel ist.) Die erste Fassung entsteht hinter verschlossenen Türen und sollte im Entstehungsprozess auch niemandem gezeigt werden. (Eine Regel, an die sich auch viele erfolgreiche Autoren nicht halten.) Die zweite Fassung entsteht mit „geöffneter Tür“ – grammatische, logische Fehler und stilistische Schnitzer werden getilgt. Ziel ist, um zehn Prozent zu kürzen. Diese Fassung wird einer Handvoll Freunden gezeigt, auf deren Geschmacksurteil man baut und deren Kritik man beherzigen kann oder manchmal auch ignorieren muss.
Schreibe die erste Fassung so schnell wie möglich, um dem Selbstzweifel wenig Raum zu lassen.
Die ärgsten inhaltlichen Fehler liegen im nicht nachvollziehbaren Verhalten der Figuren.
Spiele mit dem Erzähltempo.
Reduziere die Vorgeschichte und kürze sie auf das absolute Minimum. „Jeder hat eine Vergangenheit, und größtenteils ist sie uninteressant.“
Prahle nicht mit Hintergrundwissen. Hintergrund soll Hintergrund bleiben.
Schreibseminare sind von zweifelhaftem Wert. Sie helfen einem, als Schriftsteller wertgeschätzt zu werden, aber man ist andererseits permanenter Kritik und wiederkehrendem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, was den Fluss hemmt.
Verkaufe deine Storys zu steigenden Preisen. Für den absoluten Anfänger kann es genügen, Belegexemplare zu bekommen. Und das ist auch OK, solange man gedruckt wird. Schicke dein Material an Agenten, und lehne Agenten ab, die für das Lesen Geld verlangen.
Schreibe nicht für Geld, sondern um der Freude willen.
Darüberhinaus verstecken sich im Text eine Menge indirekter Tips und Gewohnheiten, wie z.B. der tägliche Nachmittags-Spaziergang Kings, der ihm zu einigen erleuchtenden Momenten verholfen hat.

Power of Limits – The Edge and the terrible low strings

It’s not your instrument. It’s how you’re using it.

„I like a nice ringing sound on guitar, and most of my chords I find two strings and make them ring the same note, so it’s almost like a 12-string sound. So for E I might play a B, E, E and B and make it ring. It works very well with the Gibson Explorer. It’s funny because the bass end of the Explorer was so awful that I used to stay away from the low strings, and a lot of the chords I played were very trebly, on the first four, or even three strings. I discovered that through using this one area of the fretboard I was developing a very stylized way of doing something that someone else would play in a normal way.“(The Edge, U2)

Regeln im Improtheater? Nein. Gewohnheiten!

Ich würde gern auf den Begriff „Regeln“ im Improtheater verzichten, wenn es um allgemeine Dinge wie „Akzeptieren“, „Zuhören“, „Unterstützen des Partners“ usw. geht. (Das bezieht sich nicht auf Spielregeln eines Impro-Games.)

Stattdessen schlage ich den Begriff „gute Gewohnheiten“ vor. Das ist keine Haarspalterei. Schaut mal: Improtheater kann eigentlich per definitionem keine Regeln haben. (De facto legt es sich viel zu viele formale Regeln auf.) Und wenn wir im Modus von „Regeln“ agieren, heißt das auch, dass man Regeln zu befolgen hat, dass man an sie denken muss, aber dabei verlieren wir den Moment. Im Gegensatz dazu müssen gute Gewohnheiten trainiert und internalisiert werden. Über Gewohnheiten muss man nicht nachdenken, man führt sie einfach aus. So wird z.B. jeder, der über einen langen Zeitraum improvisiert, wird automatisch die Angebote seiner Mitspieler akzeptieren, seine Wahrnehmung für sie öffnen usw.

Proben im Sommer

Mit jeder weiteren Probe, jeder weiteren Probe im Foxy Spezial-Sommer erweitert sich der Horizont.

1. Das Verhältnis zum Publikum. Wir finden tiefer in die Inhalte. Nicht das Improvisieren an sich steht im Vordergrund, sondern was gesagt wird, wie es gespielt wird, wie wir das Genre bzw. den Stil umsetzen.

2. Das Verhältnis zu einigen „Regeln“. Über die Relativierung von Akzeptieren und „Zug um Zug“ schrieb ich hier bereits. Aber auch unser Verhältnis zu Storytelling ändert sich. Warum brauchen wir einen Protagonisten? Warum soll die Handlung logisch sein? Warum sollen wir Elemente wieder einführen? Warum sollen wir positiv starten? Warum sollen wir uns in Zeit und Ort bewegen? Warum handeln? Gezielt an diesen Forderungen vorbeizuspielen, und das bei vollem Einsatz improvisatorischer Fähigkeiten, zeigt nicht nur, wozu diese Regeln gut sind, aber auch, dass es auch ohne sie geht.

Noch einmal: Zug um Zug

Zug um Zug

Als eine der wichtigsten Grundregeln des Improtheater gilt das Prinzip „Zug um Zug“: Du sagst deinen Part, dann sag ich meinen Part. Eigentlich könnte man annehmen, dass das ja wohl völlig normal sei – schließlich ist es ja das Prinzip einer normalen Kommunikation. Und doch sehen wir gerade bei Anfängern die Tendenz, Endlos-Passagen zu reden oder den anderen zu kommandieren und die Ausführung der Kommandos zu kommentieren. Hintergrund dieses Verhaltens ist natürlich wie so oft, die Angst, sich auf das Unbekannte (d.h. auf die Angebote des Partners) einzulassen. Spielern, denen es schwer fällt, Zug um Zug zu agieren, unterbrechen einander auch häufiger oder antworten, ohne richtig zugehört zu haben.
Zug-um-Zug-Training müsste also auch Entspannungstraining sein: Ich habe nichts vor den Angeboten meiner Mitspieler zu befürchten.
Wenn es nur um Regelbefolgung ginge, wäre die ganze Sache ja egal; aber durch das hektische Geplapper wird eher Sinn verhindert und man verhindert, sich von den Angeboten der Mitspieler inspirieren zu lassen. Außerdem wirken die Spieler viel magischer, wenn sie Zug um Zug in der Lage sind, aufeinander einzugehen.
Wenn wir uns aber gescriptete Theaterstücke oder Drehbücher anschauen, werden wir feststellen, dass diese, was die Textmenge und einzelnen Passagen betrifft, gar nicht immer ausgeglichen sind. Akteure begründen, moralisieren, phantasieren usw., und zwar in mehr als nur ein oder zwei Sätzen. Auch das muss gehört dazu und muss ausgehalten werden. Tatsächlich kann jemand auch gut und gerne mal drei Minuten reden und der andere Spieler schweigen. Sie sollten sich nur einig sein, dasselbe Spiel zu spielen.

Klo

Wie oft hat man den Vorschlag „Klo!“ schon abgebügelt. Wie ich hier schon erwähnte, müssen ja nicht gerade Szenen bei Ausscheidungsvorgängen gespielt werden. Stattdessen: Zwei Putzfrauen, zwei Ärzte beim Händewaschen in der Krankenhaustoilette, zwei Mädchen, die sich nachschminken usw.
Bei der vorletzten Probe greifen wir mal die Johnstone-Philosophie bei den Hörnern: Was passiert, wenn man tut, was man sonst bewusst unterlässt? Was also, wenn wir zwei Leute in benachbarten Klo-Kabinen sehen, die tatsächlich ihr Geschäft verrichten. Wunderbare Szenen.
Am übernächsten Tag gleich auf der Bühne. Es funktioniert, wenn man was anderes thematisiert.

Nörgeln

Aus der Reihe Regeln, über die ich mir nicht 100%ig sicher bin: Nörgle nicht!
Nörgeln ist eine Art von schlecht anzuhörendem Streit, es bringt die Szene nicht voran, und macht die Figuren hässlich und öde. Unterschwelliger Ärger, unterdrückter Zorn, Angst usw. sind als negativer Ausdruck allemal interessanter.

Streit

Die alte „Kein Streit“-Regel noch mal gegen den Strich gebürstet: Wie können wir einen schönen Streit spielen.
Wenn man ihn musikalisch nimmt, kann er die Dynamik einer Beethoven-Sonate haben.
Außerdem wird’s produktiv, wenn wir keinen Ja-Nein-Streit haben, sondern Inhalt hinzufügen und uns ständig aufeinander beziehen.

Spaß als einziges Kriterium?

Grundregel: Es muss Spaß machen.
1. Dir.
2. Dem Publikum.
3. Deinen Mitspielern.

Es ist kein großes Problem, wenn es mal dir, deinen Mitspielern, oder auch dem Publikum nicht gefällt. Wenn das aber zu einem Dauerzustand wird, muss man vielleicht ein paar Schrauben nachstellen.

1. Das Improvisieren soll dir Spaß machen. Wozu sonst solltest du es tun? In den allermeisten Fällen, ist die Frage „Hat es mir Spaß gemacht?“ ein guter Kompass dafür, ob die Szene gut war.
Aber tatsächlich gibt es Tage, an denen das Publikum vor Vergnügen brüllt, die Mitspieler sich backstage freudig auf die Schulter klopfen, und man selbst wird das Gefühl nicht los, dass es heut nicht gut war. Man nehme es nicht so schwer. Man nimmt Szenen und Shows von Zeit zu Zeit unterschiedlich wahr, und der Grund dafür kann manchmal einfach das falsche Bein sein, mit dem man aufgestanden ist, PMS oder das schlechte Wetter. Wenn das Gefühl sich jedoch auf Dauer einstellt, sollte man sich fragen, was man hier tut. Gib die Schuld nicht allzu schnell an deine Mitspieler, die Zuschauer oder an dich selbst. Frag dich zunächst: „Was kann ich selber tun, damit die Show mir wieder Spaß macht?“ Ein guter Weg dahin ist Überakzeptieren. Sich wieder auf die Grundlagen besinnen. Nicht zu schnell bewerten. Den Quatsch der Mitspieler akzeptieren und damit spielen. Vielleicht hast du auch nur eine Schlechte-Laune-Phase, die man aussitzen muss. Aber wenn das alles nicht hilft, wenn Publikum und Mitspieler andauernd wie von einem anderen Stern wirken, solltest du dir vielleicht eine andere Gruppe suchen. Das ist aber wirklich der allerletzte Schritt. Denn vielleicht warten ja deine Mitspieler auch auf neue Vorschläge von dir.
2. Wenn deine Mitspieler keine Freude mehr haben, und nicht mit dir spielen wollen, während du dich prächtig amüsierst, könntest du dich fragen, ob du gerade dazu tendierst, sie zu überfahren, ihre Angebote nicht wahrzunehmen, auf ihre Kosten zu spielen. Wenn du in einer größeren Gruppe derjenige bist, mit dem alle vermeiden zu spielen, kannst du das Problem auch mal ansprechen. Bist du vielleicht der passive Spieler am Rande, der belustigt zuschaut, während die Kollegen die Show reißen müssen? Solltest du an bestimmten Techniken – Stimme, Schauspiel, Präsenz – feilen?
3. Wenn ihr völlig im Spiel aufgeht, ihr das Publikum aber nicht begeistern könnt, muss das erst mal noch kein großes Problem sein. Ein paar Meckerer gibt es immer. („Zu viele Noten, Herr Mozart, zu viele Noten.“) Manche Zuschauer kommen in die Show, weil sie etwas ganz bestimmtes erwarten und dann enttäuscht sind, z.B. Theatersport und dann kommt auf einmal Langform-Impro. Diese Meckerer kommen und gehen. Man kann es nicht jedem recht machen. Vor allem solltet ihr nicht etwas spielen, worauf ihr keine Lust habt, nur um dem Publikum gefallen zu wollen. Wenn ihr aber dauerhaft negatives Feedback bekommt, wenn ihr kein Stammpublikum aufbaut, wenn die Stimmung im Publikum eisig bleibt, dann habt ihr ein Problem. Man kann sich künstlerarrogant herausreden: „Die sind zu doof für uns.“
Aber oft sind es nur kleine Dinge, die ausschlaggebend sind, z.B. die Atmosphäre im Raum. Ein kleines Publikum muss man stauchen, damit eine gelöste Spannung entsteht und sich alle wohlfühlen; man setze sich ruhig mal testhalber ins Publikum.
Und vielleicht ist eure Show wirklich langweilig, albern oder uninspiriert. Geilt ihr euch vielleicht einfach daran auf, dass ihr auf der Bühne steht? Bühnenadrenalin kann viel verklären. Setzt einen von euch ins Publikum, der euch hinterher Feedback gibt.

Interview with Steve Sim

Auszüge aus einem Interview mit Steve Sim von den Crumbs

(Über die Philosophie in den Anfangstagen) "If it’s short, it ends. If it’s long, keep going. There’s no rules. Games – those are for the class room. (…) Sink or swim, do or die.)"

"There was fear before, because I didn’t know what the hell I was doing. Now I know that I’m having fun and how to make it fun for me."

"Once you’re in a different city and you have to do it, and it’s not your friends and family showing up, you’ve got to raise the bar you’ve got to I’m-really-working-now."

"I didn’t call [the rules] ‚rules‘. (…) What I understand most is that it’s a common vocabulary of the impro scene, whereas we didn’t have necessarily words for it, like "Yes And‘, ‚Agreement‘, ‚Forwarding‘."

"When anyone asked if they could learn improv, I’d say, you can’t learn it in a class, you have to do it. And then after being at these festivals and meeting these people and working with these people – cause all of these are great improvisors as well – I realized, maybe there is a way to teach this."

"I can teach people to trust, I can teach people to follow their impulse. I can teach people to relax. Rather than This-is-how-you-do-it,it’s How do you do it."

"I would do a scene with somebody who’s never been on stage before. And I was still young in improv as well, and it still made me afraid. But here I was on stage about to do an improv scene with somebody who was more afraid than me. So, I had to be relaxed. I had to make them feel safe. I had to make them the star.

"The improv games (with Keith Johnstone) were fun on the surface. It was much deeper and more meaningful and more fun for us to create these open scenes."

"We started getting invited to festivals to play and we started getting invited to teach. And I think that part of that is due to the fact that we weren’t in the Johnstone school or in the Second City school, the Improv Olympic school. We learned those things later."

"I think that I’m a more physical player than Lee. And Lee, I think, is a better actor than me. He’s got more emotional range, perhaps. And I think I’m good at seeing the bigger picture. I think, Lee can do better monologues than me. And I think I can do better abstracts work."

"There’s not much difference from country to country doing the shows. There’s more difference in the same city than city to city."

(Die Fragen stellte Stephan Holzapfel für www.impro-news.de)

Das Anti-Impro-Glossar

  • Akzeptieren – Option, wenn dein Mitspieler dir endlich ein vernünftiges Angebot gibt.
  • Angebote – Deine schlauen Vorschläge, die deine Mitspieler verdammt noch mal annehmen müssen.*
  • Beat – Der Moment, in dem du das Gefühl hat, das dich jemand abklatschen müsste, es aber niemand tut und du jetzt blöd auf der Bühne stehst.
  • Character – eine bestimmte Art zu humpeln in Kombination mit einem schlecht imitierten Akzent, der in unregelmäßigen Abständen auftaucht und wieder verschwindet.*
  • Emotionen – Ein Spieler verzieht das Gesicht. Der andere muss antworten: „Warum guckst du mich denn so an?“
  • Ernsthaftigkeit – Neues Ziel für eine Improgruppe, wenn man keine guten komische Szenen hinbekommt.
  • Genre Horror – Ein Haufen grimassierender, röchelnder Monster bringt sich gegenseitig um.
  • Genre Science Fiction – Spielt grundsätzlich in einem Raumschiff, dessen Türen sich phantastischerweise automatisch öffnen. (Also so wie heutzutage in öffentlichen Gebäuden.)
  • Genre Western – Spielt grundsätzlich in einem Saloon voller Leute, die rumlaufen, als trügen sie Melonen unter den Achseln und hätten sich eingemacht und die davon reden, dass Johnny wieder in der Stadt ist.
  • Games – Regelset, das uns erlaubt, tiefschürfende Storys zu erfinden, berührende Charaktere zu erschaffen und dem Publikum ein kathartisches Erlebnis zu bereiten, z.B. Armrede, Marionetten und Genre-Replay.*
  • Gesang – Muss absichtlich schräg sein, damit das Publikum was zu lachen hat.
  • Handlung – Das, was der erste Spieler auf der Bühne etabliert, um dann vom zweiten belehrt zu werden: „Das ist hier verboten.“ oder: „Das müssen Sie anders machen.“ Zur Not auch: „Was machen Sie denn da?“
  • Heldenreise – Helden sind auf der Suche nach dem Elixier. Sie haben einen Begleiter, einen Mentor, dann gibt es noch den Antihelden, den Schatten und ca. 20 weitere Archetypen, ohne die du eine gute Geschichte nicht erzählen kannst. Sehr wichtig vor allem in der Dreiersynchro und der ABC-Szene.
  • Impro-Auto – Plötzlich auftauchendes Gefährt mit Zwei-Meter-Türen. Anschnallen ist überflüssig.
  • Impro-Tür – Befindet sich links oder rechts am Bühnenrand und hat, im Gegensatz zu richtigen Türen eine einzige magische höhenvariable Klinke, die sich gleichzeitig außen als auch innen befindet.
  • Improtheater – Also, es entsteht alles spontan. Es ist total lustig. Komm einfach mal vorbei, wir spielen diese Woche im… Ach, oh, das tut mir leid, und gute Besserung für deine Tante.
  • Keith Johnstone – Impro-Guru, von dem man als Anfänger behaupten muss, ihn gelesen zu haben („Kies Dschonsn??“). Als Fortgeschrittener gilt, wer zu Johnstone-Exegese nicht nur in der Lage ist, sondern sie jedem ungefragt aufdrängelt. Als Profi spreche man herablassend von „Keith“ wie von einem schrullig gewordenen Grundschullehrer, den man ab und zu trifft, wenn man sich gerade in Calgary aufhält.
  • Langform – Eine komplizierte Struktur, um den kleinen dürftigen Szenen Halt zu geben. Kann man aber heute nicht spielen, weil zu wenig/zu viele/ zu dumme Zuschauer da sind.
  • Moderation – Das Publikum anbrüllen, sich über einzelne Zuschauer lustig machen, „5-4-3-2-1-los!“ rufen.
  • Musik – Das, was der Typ am Klavier vor sich hin klimpert und überhaupt nichts mit der Szene zu tun hat.
  • Nein – Ein „Nein“ deiner Mitspieler ist ein Block. Dein „Nein“ ist in Wirklichkeit ein subtiles Akzeptieren, da es in der Logik deiner Figur liegt.
  • Ort – Paris, Buxtehude oder Castrop-Rauxel
  • Pantomime – Die Kunst, auf magische Art Gegenstände erscheinen und wieder verschwinden zu lassen.
  • Probe – Findet „zur Zeit“ selten statt.
  • Professionalität – Situationen, in denen Lachen verboten ist.
  • Publikum – Freunde und Verwandte und ein Haufen ignoranter Idioten, die man mit blöden Sprüchen aufwärmen muss, weil sie sonst nichts kapieren.
  • Raum – Schwimmbad, Sauna oder Bahnhofstoilette
  • Schöne Bilder – Die Story war schlecht.
  • Showformat – Ein kompliziertes System aus verschiedenen Regeln, die dem Publikum in den ersten 15 Minuten der Show verklickert werden müssen. Meist spielen Applausstufen, bunte Zettel und Karten und ein komplizierter Wettbewerb, den keine Sau versteht, eine Rolle.
  • Status – Jemanden schlechtgelaunt rumkommandieren oder sich rumkommandieren lassen und dabei nörgeln.
  • Story vorantreiben, Situation verschärfen, Wiedereinführen usw. – Techniken, um die du dir keine Gedanken machen musst, solange du nicht selber Impro unterrichtest.*
  • Storytelling – Eine echt komplizierte Sache, die du erst verstehen wirst, wenn du die griechischen Tragödien gelesen und sämtliche Hollywoodklassiker gesehen hast.
  • Szenenbeginn – Das, was nach „5-4-3-2-1-los!“ kommt, so wie im richtigen Theater auch, (oder wie machen die es dort?). Dann geht es los mit „Hallo!“ – „Hallo!“ oder auch „Kennen wir uns nicht?“
  • Szenen-Ende – Muss mit Armschranke dem Techniker bzw. dem Publikum angezeigt werden.
  • Tisch – Das, wo man andauernd durchläuft.
  • Vertrauen – Was dir deine Mitspieler nicht geben, dir aber verdammt noch mal zusteht.
  • Warm Up – Zwei Stunden intensives körperliches, geistiges, stimmliches und improvisatorisches Auspowern, ohne das selbst ein 10minütiger Auftritt garantiert daneben gehen wird.
  • Zug um Zug – klassische Impro-Regel, die zwei Improspielern das Recht gibt, einander andauernd zu unterbrechen.
  • Zugabe – 15minütige Trash-Szene, die gespielt werden muss, wenn der Applaus länger als fünf Sekunden andauert.
  • Zuhören – Das worüber der Improlehrer spricht, während du gerade dabei bist, dir einen schlauen Satz für die nächste Szene zu überlegen.
  • Zuschauerkritik – Steht den Zuschauern nicht zu, denn sie waren heute von vornherein schlecht drauf.
  • Zuschauerlob – Muss abgewehrt werden mit dem Satz: „Sonst sind wir besser.“

*Inspiriert von Jerry Schaefers „Devil’s Dictionary of Terminology for the Improvisational Theatre

Den Gewinn einfahren

Verhandle nicht. Relativiere nicht. Fahr den Gewinn ein.
Klare Statements statt endloser Relativierungen, die nur langweilen.
Auch Verhandlungen machen die Szene zäh. Warum? Weil es letztlich meistens Verhandlungen zwischen den Spielern sind. Es wird ja nur scheinbar spannender.
Nirgends wird so viel gefeilscht wie auf Teppichbasaren und in Improszenen.

Nächtliche Improgedanken von Jill Bernard

3am Improv Thoughts from Jill Bernard from Jill Bernard on Vimeo.

1. Nimm die Haare aus dem Gesicht und zieh dich nett an, was immer „nett“ für dich bedeutet.
2. Mach’s dir nicht am Bühnenrand bequem. Höre auf deine Füße.
3. Spiele aus dem Bauch heraus.
4. Ja, ja, du bist lustig. Aber hör auf, zu versuchen, lustig zu sein. Das ist hässlich.
5. Du bist vage, weil du glaubst, das sei respektvoll gegenüber deiner Spielpartnerin. Aber sie hat keine Pläne. Also benenne die Dinge, damit es weitergeht.
6. Es gibt interessantere oder intimere Beziehungen als immer nur dein Mitbewohner.
7. Kein Sex mit Impro-Kollegen.
8. Nach zwei, drei Jahren erreichst du wahrscheinlich eine Phase, in der du der einzige auf der Welt bist, der weiß, wie Impro wirklich funktioniert.
9. Sei nett zu allen.
10. Du bist nie gut genug, um nicht noch Unterricht zu nehmen.
11. Das Publikum soll nahe bei der Bühne sitzen und nahe beieinander.
12. Spiel nicht „auf Kasse“, wenn du die Kasse nicht kontrollierst.
13. Geht mal ab und zu in die Knie. Ihr beide seht da oben wie eine 11 aus.
14. Wenn euer Trainer eine zu harte Sprache benutzt, ist er entweder ein Idiot oder ein Genie. Wahrscheinlich aber ersteres.
15. Kein Alk auf der Bühne.
16. Bedanke dich für Lob.
17. Wirf dich in die Impro und mach dir dabei die Hände schmutzig.… Weiterlesen

„Sei langweilig!“

Die seltsame Aufforderung Johnstones „Sei langweilig!“ steht ja im enormen Widerspruch zur allgemeinen Bühnenregel: Man darf auf der Bühne alles außer langweilig sein.
Aber genaugenommen fordert uns Johnstone hier auf, die Ruhe zu bewahren, konsistent zu bleiben, d.h. das Naheliegende zu tun oder zu sagen. Denn Johnstone weiß genau, dass man dem Publikum eigentlich eine Menge zumuten kann, ohne dass es sich langweilt, vor allem, wenn es darum geht, erst mal eine Plattform für die Szene zu schaffen. Wenn wir etablieren, wer wir sind, wo wir uns befinden und was wir hier tun, sind Handlungsbrüche, emotionale Ausbrüche, verrückte Wendungen usw. eher hinderlich. Als Zuschauer will man erst mal an die Hand genommen werden.
Für uns Schauspieler heißt das, Liebe zum Detail zu finden. Je größere Sicherheit wir im Improvisieren erlangen, umso eher wird es uns auch gelingen, das allzunaheliegende Klischee zu vermeiden, und stattdessen das naheligende Konkrete zu etablieren.
Oder wie Gunter Lösel es mal so schön beschrieb: Als Werkzeug nicht den Hammer wählen, der wäre zu klischiert. Aber auch nicht die Bockwurst, die wäre zu „originell“. Nimm den Schwingschleifer, der ist spezifisch.

Sich was vornehmen

Ich versuche immer wieder mal, mir kleine Dinge in einzelnen Szenen vorzunehmen. Z.B. Improbasics: Radikal aufs Akzeptieren achten, positiv starten usw.
Oder ich denke mir mein eigenes kleines verstecktes Spiel aus: z.B. spielte ich in einer Szene letzten Freitag permanent mit der Nähe/Distanz zu meinen Mitspielern, was der Szene einen seltsamen Dreh verlieh.
Ich glaube aber, man kann sich nicht viel mehr, als ein, zwei Dinge vornehmen, sonst verheddert man sich, verliert an Lockerheit. Ein gutes Game sollte ja auch schon schwierig genug sein, uns am Vorausdenken zu hindern.
Manchmal male ich mir vor der Show ein Zeichen auf den Handrücken – die Erinnerung an mein persönliches Meta-Game für die Show.

Lustiges Regelbrechen

Ein Haufen Folgen von was weiß ich welcher Staffel von „Curb Your Enthusiasm“ wurde mir geschenkt. Funktioniert die Datei?, frage ich mich und gleichzeitig will ich mal sehen, wie Larry, der notorische Improvisierer, die Folge startet. Ergebnis:
– Negativ
– Streit
– Er lässt seinen Partner kaum zu Wort kommen.
Und trotzdem saukomisch.