50. Nacht

Scharkân erkennt,

dass sie niemandem etwas von ihm gesagt hatte, sondern dass die Kunde von ihm im Lande sich verbreitet hatte.

Er kämpft zunächst mit Ritter Masûra

und hieb ihm mit dem Schwert auf die Schulter, so dass ihm die Klinge glitzernd zum Rücken und zu den Eingeweiden herausfuhr.

Prinzessin Abrîza spornt die anderen Ritter an:

"Nehmt Rache für euren Führer."

Diesen anspornenden Blutdurst von Frauen, die bei Männerkloppereien anwesend sind, habe ich nie verstanden. Hier natürlich besonders deutlich, da ja Abrîza auf Scharkâns Seite steht.

Nachdem er fünfzig Ritter einzeln erschlägt, überfallen ihn alle gemeinsam, und er stürmt auf sie los,

bis dass er sie zermahlen und zerdroschen und ihnen Sinne und Leben geraubt hatte. (…) Dann trat die Prinzessin zu Scharkân und zog ihn an ihre Brust.

Brutalität, die mit Liebe belohnt wird.

Die Prinzessin bittet nun Scharkân, auch noch den Torwächtern, die die Boten des Königs durchgelassen hatten, die Köpfe abzuschlagen, was er prompt erledigt. dann offenbart sie sich:

"Wisse denn, ich bin die Tochter des Königs Hardûb von Kleinasien; ich heiße Abrîza, und die Alte, die Dhât ed-Dawâhi heißt, ist meine Großmutter von Vaters Seite her."

Da sie nun die Rache ihres Vaters und ihrer Großmutter fürchtet, stellt sie sich in Scharkâns Schutz, unter der Bedingung, dass er in sein Land zurückkehrt. Scharkân zögert, denn schließlich soll er seinem eigenen Vater, dem König Omar ibn en-Nu’mân den Schatz mit den drei Wunderjuwelen bringen. Abrîza berichtet ihm den wahren Hintergrund der Geschichte (zum Vgl. für die Geschichte aus der Sicht des konstantinopolitanischen Königs s. 45. Nacht. +++ Sophia, die Griechin ist diejenige, welche Scharkâns Geschwister geboren hat. vgl. 45. Nacht.)
Als vor einigen Jahren der König von Kleinasien das jährliche Klosterfest feierte, zu dem Könige aus allen Gauen  angereist kamen, war darunter auch Sophia, die Tochter des Königs von Konstantinopel. Als Sophia auf einem Schiff wieder abreiste, wurde das Schiff von 500 fränkischen Seeräubern von der Kampferinsel angegriffen und geentert. Die ganze Truppe geriet jedoch in einen Sturm und das Schiff zerschellte auf einem Riff. Die Kleinasier kamen herbei und betrachteten nun Schmuck und Mädchen als Beute, ohne zu wissen, wer diese seien und König Hardûb verschenkte nun die Sophia an den König von Baghdad Omar ibn en-Numân.

Auf die Idee, die Mädchen zu fragen, woher sie stammten, kam man offenbar nicht.

Die Nachricht erreichte nun auch den Vater von Sophia, König Afridûn. Hardûb zögerte, ihm die ganze Wahrheit mitzuteilen, zumal er inzwischen erfahren hatte, dass Sophia dem König Omar ibn en-Nu’mân Kinder geboren hat. Dann tat er es doch und Afridûn flippte aus:

"Was! Hat er eine Tochter gefangengenommen und sie mit Sklavinnen auf eine Stufe gestellt, so dass sie von Hand zu Hand weitergegeben und Königen als Gabe gesandt ist, die ohne Ehevertrag bei ihr liegen? Beim Messias und beim wahren Glauben, ich will nicht ruhen, bis ich Blutrache genommen und meine Schande getilgt hab; wahrlich ich will eine Tat tun, von der man nach meinem Tod singen und sagen soll."

Die Edelsteine hingegen gehörten Sophia, die andere Version (s. 45. Nacht) ist falsch.

Abrîza bittet nun Scharkân vorauszureiten zu seiner Truppe und sie zur Umkehr zu bewegen, sie käme nach:

"Ich sagte ihr Lebewohl: meine Rechte wischte die Tränen,
Die Linke umschlang sie und presste sie an das Herze mein.
Sie fragte: ‚Fürchtest du nicht die Schande?‘ ‚Nein!‘ gab ich zur Antwort,
‚Der Tag des Abschieds ist der Liebenden Schande allein.’"

Scharkân macht sich nun auf, befiehlt seiner Truppe umzukehren und nach fünf Tagen erreichen sie eine bewaldete Talsohle. Nach weiteren fünfundzwanzig Tagen erreichen sie die Grenzen des eigenen Landes

und das Landvolk brachte ihnen Gastgeschenke, Futter für die Tiere und Proviant.

Auf welche Grundlage diese Freiwilligkeit angesichts eines derart bewaffneten Heeres beruht, kann man sich denken.

Das Heer zieht unter der Führung des Wesirs Dandân wieder los, Scharkân aber bleibt mir hundert Reitern zurück.

Warum eigentlich? Wenn er wünscht, dass seine Ankunft in Bagdad gebührend gewürdigt wird, genügt ja ein kleiner Voraustrupp, der ihn ankündigt.

Einen Tag später,

als sie etwa zwei Parasangen50  zurückgelegt hatten,

nähert sich ihnen eine Staubwolke,

da traten hundert Reiter heraus, die sahen wir grimmige Löwen aus, mit eisernen Panzern gerüstet zum Strauß.

Man beachte wieder diese seltsamen Prosareime. "Strauß" im Sinne von Kampf habe ich nie zuvor gehört, aber sowohl Duden als auch der Microsoft-Thesaurus bieten diese Option. Angeblich aus dem Mittelhochdeutschen struz, wovon auch "sich sträuben" abzuleiten ist.Man lernt nie aus.

Die Ritter sind Franken, und nachdem sie einen Tag miteinander gekämpft haben, ziehen sich beide Parteien zurück, und bemerken, dass keiner verwundet oder gefallen ist. Die Moslems haben den Eindruck, von den Franken geschont zu werden. Am nächsten Tag wird einzeln im Zweikampf gefochten, und nun nehmen die Franken einen Moslem nach dem anderen gefangen, obwohl der Führer der Franken auf der Wange noch keinen Flaum hat.
Am nächsten Tag kämpft nun Scharkân mit dem fränkischen Anführer, und ist am Abend völlig perplex, denn er bemerkt an dem fränkischen Ritter:

"wenn er an seinem Gegner eine Blöße für einen Todesstoß sieht, so kehrt er seine Lanze um und stößt nicht mit dem unteren Ende!"

Erst am nächsten Tag, als sie wieder miteinander kämpfen, gibt sich der Anführer zu erkennen: Es ist Abrîza selbst, und die "Ritter"

"sind Jungfrauen, und doch haben sie im offenen Kampf deine Reiter besiegt."

Allgemeine Verbrüderung. Man zieht gemeinsam Richtung Bagdad, nicht ohne das Scharkân die Christen bittet, ihre fränkischen Gewänder abzulegen.

 

50 Eine Parasang (–> pers.) = eine Reitstunde. Die Distanz variiert zwischen vier und sechs Kilometern.

44. Nacht

Kût el-Kulûb befiehlt dem Basarvorsteher, seiner Frau zu sagen, diese möge die beiden Frauen baden und pflegen.

Unklare Sozialhierarchie: Eine Sklavin des Kalifen kann dem Basarvorsteher Befehle erteilen! D.h. die Nähe zum Hofe des "Beherrschers der Gläubigen" lässt einen über die Geschlechterhierarchie und über die Hierarchie Sklave/Freier hinauswachsen.

Die beiden werden also gebadet und neu eingekleidet,

so dass sich die Spuren ihres Standes deutlich zeigten.

Zu dritt besuchen sie Ghânim.

Ghânim ibn-Aijûb aber, der verstörte Sklave der Liebe, hörte sie plötzlich den Namen Kût el-Kulûbs nennen; da kehrte das Leben in ihn zurück.

Nachdem Ghânim erfahren hat, was inzwischen geschehen ist, lässt man ihn pflegen, badet ihn und füttert ihn mit Brühen, Galgantwasser, Kükenfleisch, Apfelsaft und Scherbet.
Der Kalif erfährt von Kût el-Kulûb, dass man Ghânim gefunden habe, und dieser schickt Dscha’far, um ihn zu holen.

Wie wird dieser Wesir über den Kalifen denken? Beim letzten Mal wurde er losgeschickt, um Ghânims Haus zu plündern.

Siehe, da kam auch schon Dscha’far auf seinem nubischen Maultier.

Als Ghânim dann vor den Kalifen tritt, spricht er folgende Verse:

Sei mir gegrüßt, o König von hocherhabener Würde,
der du deiner Wohltat Gaben stets verteilest reich an alle!
Sie geben keinem anderen als dir den Namen des Kaisers
dir, dem mächtigen Herrscher, dem Herrn der Ruhmeshalle.
Es legen die Könige, wenn sie dir grüßend nahen,
Der Kronen Edelsteine auf deine Schwelle hin,
Und wenn dann ihre Augen dein Antlitz nur erblicken,
So werfen sie sich zu Boden mit ehrfurchtsvollem Sinn.
O Majestät, du verleihest ihnen in deiner Gnade
Hohe Ehrenstellen und deiner Herrschaft Macht.
Zu eng für deine Heere wurden Ehre und Menschheit;
Drum schlage deine Zelte hoch in der Sterne Pracht.
Dich möge der Könige König erhalten in seiner Liebe
Dein sei ein festes Herz und dein ein trefflicher Rat!
Du breitetest deine Gerechtigkeit über die ganze Erde,
Bis sie den Fernen gleichwie den Nahen umfasset hat.

Und das an einen, der ihm Reichtum, Weib und Gesundheit raubte!

Als er seine Verse beendet hatte, war der Kalif entzückt, denn ihm gefiel die Feinheit seiner Sprache und die Lieblichkeit seiner Rede.

40. Nacht

Kafûr läuft seinem Herrn entgegen und berichtet, dessen Frau wäre gestorben, woraufhin dieser in großes Geheul ausbricht und nach Hause rennt. Auf dem Weg begegnet ihm sein Weib, die beiden wundern sich. Und Kafûr beömmelt sich wie über einen gelungenen Aprilscherz. Als sein Herr, nachdem er erfährt, dass sich Kafûr auch noch aktiv an der Zerstörung des Mobiliars beteiligt habe, bei ihm beschwert und ihm droht, das Fleisch von den Knochen zu reißen, gibt Kafûr schlaumeierisch zur Antwort, sein Herr habe ihn ja mit dieser Bedingung gekauft, und dies sei erst die halbe Lüge, der zweite Teil folge später in diesem Jahr. Daraufhin will der ihn einfach nur noch loswerden:

"Oh Hund, Sohn eines Hundes!", reif mein Herr, "verfluchtester aller Sklaven, ist dies alles nur eine halbe Lüge? Wahrlich, ist es doch ein ganzes Unheil! Geh von mir, du bist frei in Allahs Namen!"

Die erstaunliche Antwort hierauf: Der Sklave Kafûr will gar nicht freigelassen werden, da die eine Lüge ja noch aussteht. Erst wenn die eingelöst ist, will er verkauft werden. Freilassen darf ihn der Herr aber nicht,

"denn ich kenne kein Handwerk, durch das ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen kann; und diese meine Forderung an dich ist gesetzlich, die Rechtsgelehrten haben sie im Paragraphen von der Freilassung aufgeführt."

Sklavenmentalität als die andere Seite der Sklaverei.

Nach einer Prügelstrafe

ließ mein Herr mich in meiner Ohnmacht und holte einen Barbier, der mich entmannte und die Wunde ausbrannte.

wodurch wir von einer weiteren, eher unappetitlichen Aufgabe der Barbiere erfahren. Aber wer mag sich dann noch von einem solchen Mann rasieren lassen, wenn er weiß, was mit dem Messer nur wenige Stunden vorher geschah. Ohne großer Freud-Fan zu sein: Wer hier keine Kastrationsangst verspürt, ist kein Mann.

Dann nahm er mich und verkaufte mich um einen hohen Preis, da ich jetzt Eunuch war.

Beachtlich: Eunuchen teurer als unkastrierte Sklaven!

Hier zur Rolle der Sklaverei im Islam

Die Zandsch genannten Sklaven waren schwarzhäutige Sklaven aus Afrika, die den Muslimen nicht ebenbürtig galten. Wegen ihrer krassen Unterdrückung erhoben sie sich im Jahr 869 in Basra und nahmen die Stadt zwei Jahre später ein.

***

Dem dritten Eunuch ist nicht nach Erzählen zumute, er erwähnt nur lapidar:

"Ich habe sowohl meine Herrin wie den Sohn meines Herrn gemissbraucht."

Dann klettert er über die Mauer und öffnet sie von innen.

Seltsam ich dachte, das sei schon in der 39. Nacht geschehen.

Die drei schaufeln eine Grube und legen die Kiste hinein, dann verschwinden sie. Am nächsten Morgen, gräbt Ghânim die Grube mit den Händen auf, öffnet die Kiste und entdeckt darin eine schlafende Maid.

Als sie den Wind roch und die Luft in ihrer Nase, da nieste sie. Dann würgte und hustete sie, und aus ihrem Halse fiel eine Pille von kretischem Bendsch.

Bendsch = Cannabis

Als sie nun wusste, wie es um sie stand, rief sie: "Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah und dass Mohammed der Gesandte Allahs ist."

Bisher habe ich es hier kaum notiert, aber das Glaubensbekenntnis taucht in beinahe jeder Geschichte auf.

Das Mädchen gibt ihm Instruktionen, sie wieder in die Kiste zu legen und per Maultier oder Kamel in sein Haus zu bringen, wo sie ihm ihre Geschichte erzählen würde.

Schon glühte die Liebe zu ihr in seinem Herzen, denn sie war ein Mädchen, wert zehntausend Goldstücke, und trug Schmuck und Gewänder, die ein großes Vermögen wert waren.

Ob der Schmuck und die Gewänder ihren Teil zu dieser Liebe beitrugen?

39. Nacht

Die beiden Kinder des Kaufmannes erben unter anderem

hundert Kamellasten von Seidenstoffen, Brokaten und Moschusblasen; und auf jedem Ballen stand geschrieben: "Dies ist bestimmt für Baghdad."

Ghânim ibn Aijûb reist nun tatsächlich nach Bagdad, um dort Handel zu treiben. Seine Reise ist glücklich. Nach einer Ruhepause begibt er sich mit einem Stoffballen zum

Laden des Marktvorstehers, dem er das Bündel übergab. Der öffnete es, zog die Stoffe hervor und verkaufte sie mit einem Nutzen von zwei Dinaren auf jeden Dinar des Einkaufspreises.

Diese Makler- und Marktvorsteherfunktion wird mir nicht so recht klar: Was ist denn dessen Funktion? Ist es die Glaubwürdigkeit? Wird der Marktvorsteher nur in bestimmten Fällen aktiv?
Außerdem unklar: Der "Nutzen von zwei Dinaren" – Ist das der Gewinn oder der Erlös?

Er tat so ein volles Jahr lang.

Nach einem Jahr findet er den Basar verschlossen, weil einer der Kaufleute verstorben ist. Man bewegt ihn dazu, zur Trauerfeier mitzugehen. Als die Gruppe ankommt, sehen sie,

dass die Verwandten des Verstorbenen über der Gruft ein Zelt errichtet und es mit Lampen und Wachskerzen versehen hatten.

Seltsamer Brauch: Zelt über der Gruft.

Die bislang größte Trauerfeier an der ich teilnehmen durfte, war 1997 in Ghana. Ähnlich wie der Held dieser Geschichte, wurde ich da hineingezogen, ohne zu wissen, was mich erwartete: Der Onkel einer Kollegin, ein Dorf-Häuptling, hatte das Zeitliche gesegnet. Und da er recht populär war, fanden sich zirka 2.000 Menschen zu seiner Beerdigung ein. Für die Anwesenden war es eine besondere Ehre, dass sich auch ein Deutscher eingefunden hatte. Man bekam 1/8 Apfel als Leichenschmaus. Das Merkwürdigste aber: Ich habe zu keinem Zeitpunkt einen Sarg oder eine Urne gesehen. Ich weiß bis heute nicht, wo der Verstorbene beerdigt wurde.

Ghânim ibn Aijûb ist in Sorge über sein Haus, das vielleicht von Räubern überfallen werden konnte. Als er sich endlich frei machen kann, schafft er es doch nicht mehr rechtzeitig: Die Tore der Stadt sind verschlossen.

Er fand ein Heiligengrab: vier Mauern schlossen es ein, drin war ein Palmbaum, und es hatte ein Tor aus hartem Stein. Und da das Tor offen stand, ging er hinein.

Er kann nicht einschlafen, geht noch einmal hinaus und entdeckt einen Lichtschein, der sich auf ihn zubewegt. Aus Angst klettert er auf die Palme. Zum Glück, denn es sind drei schwarze Sklaven namens Kafûr, Sawâb und Buchait.

Und bisher haben schwarze Sklaven noch immer Unglück über die Helden unserer Erzählungen gebracht.

Sie wundern sich über das verschlossene Tor, aber Buchait meint:

"Wie dumm seid ihr! Wisst ihr nicht, dass die Besitzer der Gärten öfters von Baghdad aus hierher kommen? Wenn dann der Abend sie überrascht, so treten sie hier ein und schließen das Tor, aus Furcht, Schwarze wie wir könnten sie fangen, braten und verzehren.

Kannibalismus als weiteres Laster schwarzer Sklaven, neben der bisher erwähnten Gier, Hinterhältigkeit, Hurerei und Schmutzigkeit.

Nun klettert einer über die Mauer, öffnet den beiden, und da sie müde sind, lassen sie die Arbeit ruhen (und offenbar auch den Gedanken an etwaige Eindringlinge auf der Palme) und erzählen sich die Geschichten über ihre Entmannung.

Die Geschichte des Eunuchen Buchait

Buchait wurde im Alter von fünf Jahren aus seiner Heimat geraubt und einem Unteroffizier verkauft. Als Kind darf er mit dessen Tochter spielen. Als er zwölf Jahre alt ist und sie zehn, kommt sie aus dem Bad. Es folgt die bisher drastischste Beschreibung einer sexuellen Beziehung:

Nun begann sie mit mir zu spielen und ich mit ihr. (…) So richtete sich mein Glied auf, bis es einem großen Schlüssel gleich ward. Sie stieß mich zu Boden, so dass ich auf den Rücken fiel, setzte sich mir rittlings auf die Brust und fing an sich auf mir herumzuwinden, bis mein Glied entblößt war. Als sie es aufrecht dastehen sah, nahm sie es in die Hand und begann damit, vor ihrer Hose an den Lippen ihrer Scham zu reiben. (…) Und ehe ich mich dessen versah, zerriss mein Glied ihr die Hose und vernichtete ihr Mädchentum.

Die Sache wird dem Vater verschwiegen, und die Mutter des Mädchens gibt vor, die Angelegenheit zu vergessen, bis zum Tag der Hochzeit, als man den Sklaven schnappt und "verschneidet".

In der Hochzeitsnacht schlachteten sie eine Taube und sprengten Blut in ihr Hemd.

Die Geschichte des Eunuchen Kafûr

Der Makel des noch kindlichen Sklaven Kafûr besteht darin, dass er jedes Jahr einmal lügt. Doch ein Kaufmann erwirbt ihn dennoch für 600 Dirhems. Als eines Tages der Kaufmann mit seinen Kollegen speist, befiehlt er dem Sklaven aus seinem Hause etwas zu holen. Dort angekommen, behauptet er, der Kaufmann sei von einer umstürzenden Mauer erschlagen worden. Angesichts dieser Botschaft verzweifelt die Gattin es Kaufmanns und beginnt das Geschirr zu zerdeppern,

zerbrach die Fenster und Läden, beschmierte die Wände mit Lehm und blauer Farbe und rief: "Heda, Kafûr! Komm, hilf mir und reiß den Schrank um, zerbrich die Gefäße und dies Porzellan und alles andere dazu!"

Er gehorcht, und nun erfahren auch die Freunde und Verwandten vom angeblichen Unglück.

Und sie folgten mir mit unverschleierten Gesichtern und unbedeckten Köpfen.

So ziehen sie zum Präfekten, um ihm alles zu berichten.

33. Nacht

Der Bruder des Barbiers ergeht sich weiter in wilden Phantasien über seinen künftigen Reichtum und seine Brautnacht:

„… spricht sie zu mir: ‚Mein Gebieter, um Allahs willen, verweigere nicht, den Becher aus der Hand deiner Sklavin zu nehmen, denn siehe ich bin deine Magd!‘ Ich aber spreche nicht zu ihr, und sie bittet mich inständig, ihn doch wirklich zu trinken; und sie hält ihn mir an die Lippen. Ich aber schüttle ihr die Faust vorm Gesicht und stoße sie mit dem Fuß und mache so!“

Und da geschieht es – die gesamte Glassammlung geht zu Bruch wie in einem Laurel-und-Hardy-Film.

Aus diesem Grunde raten Anlageberater auch immer zu Diversifizierung des Kapitals.33**

Darauf, o Beherrscher der Gläubigen, schlug er sich ins Gesicht, zerriss seine Kleider33 und prügelte sich. (…) Siehe, da kam eine schöne Dame.

Man kann die Gefahr schon riechen. Ich warte noch auf die Erzählung, in der ein plötzlich auftauchende Dame wirklich Glück verheißt.

Moschusduft strömt von ihr aus.33*

Als sie den Glashändler jammern sieht, schenkt sie ihm fünfhundert Dinare, um ihn zu trösten. Kurz darauf taucht beim ein altes Weib auf, um bei ihm vorm Rak’a die religiöse Waschung vorzunehmen. Aus Dank leitet sie ihn ins Haus der Dame. Eine griechische Sklavin (!) öffnet, die Dame erscheint, und die beiden tändeln, bis sie kurz verschwinden muss. Ein riesiger schwarzer Sklave erscheint.

Da packte ihn der schwarze Mohr, zog ihm die Kleider aus und schlug ihn immerfort mit der flachen Seite seines Schwerts. Als der elende Neger meinte, es sei mit ihm zu Ende, hörte mein Bruder ihn rufen: „Wo ist das Salzweib?“

Ein Weib streut daraufhin Salz in seine Wunden, während er sich tot stellt. Das „Kellerweib“ (= die Alte) erscheint und wirft ihn

auf einen Haufen von Ermordeten.

Nach zwei Tagen flieht er, verkleidet sich als Perser, nimmt ein Schwert mit, dass er unter seinen Kleidern verbirgt und lässt sich von der Alten noch einmal in den Palast führen. Dort köpft er den Sklaven, das Salzweib und das Kellerweib. Das Mädchen hingegen berichtet, zufällig in die Fänge dieser Strolche geraten zu sein. Es zeigt ihm die Schatzkammer, deren Inhalt wohl von den Ermordeten stammt, doch als er Träger kommen lässt, um en Schatz fortzuschaffen, ist das Mädchen verschwunden. Stattdessen kommen Wachen, die ihn vor den Präfekten führen. Dieser begnadigt den Bruder, nachdem er die Geschichte erzählt, verbannt ihn aber aus der Stadt. Und auf seinem Weg fangen ihn Räuber, die ihm die Ohren abschneiden.

Das hätte nicht sein gemusst.

Des Barbiers Erzählung von seinem sechsten Bruder

Zur Orientierung

Schehrezâd
    –> Die Geschichte des Buckligen
                  –> Die Geschichte des Schneiders
                             –> Die Geschichte des Barbiers
                                          –> Des Barbiers Erzählung von seinem sechsten Bruder

Der sechste Bruder des Barbiers kam in Zeiten der Armut an das Haus eines Barmekiden, um zu betteln. Dieser bitten ihn einzutreten, und nachdem er von dessen Armut erfährt,

legte er Hand an sein Kleid, zerriss es33 und rief: „Wie! Bin ich in einer Stadt, in der dich hungert? So etwas kann ich nicht ertragen!“

Er ruft nun nach Essen, welches aber nicht erscheint. Der Bruder aber, um den Gastgeber nicht zu beleidigen, tut so, als äße er. Das ganze zieht sich über mehrere Menügänge:

  • Säuberungswasser

  • Weißbrot

  • Fleischpastete

  • Küken mit Pistazienfüllung

  • Waffeln mit Moschus und Ambra

  • Mandeln

  • Wein

Da er sich nun verspottet fühlt, spielt der Bruder, nachdem der „Wein“ serviert wurde, den Betrunkenen und schlägt ihm ins Gesicht. Der Gastgeber besitzt Humor:

„Lange habe ich die Menschen zum besten gehabt und meinen Freunden Streiche gespielt, aber nie noch habe ich einen getroffen, der Geduld und Witz genug hatte, um auf meine Launen einzugehen, außer dir.“

Er verleiht ihm ein Ehrengewand.33und macht ihn zu seinem Freund. Als er jedoch zwanzig Jahre später stirbt, erbt der Bruder zunächst alles, doch dann zieht der Sultan das Vermögen ein, und so – allen Vermögens beraubt – flieht er und wird von Beduinen überfallen, die ihm aus Ärger über mangelnde Beute die Lippen abschneiden. Dies hält aber die Gattin des Häuptlings nicht davon ab, mit ihm anzubändeln,

als plötzlich der Beduine hereintrat. Wie er meinen Bruder erblickte, schrie er ihn an: „Weh dir, verfluchter Schurke, willst du jetzt noch meine Frau verführen?“ Und er zog ein Messer hervor und schnitt meinem Bruder die Rute ab.“

Über Umwege gelangt auch dieser Bruder zu seinem Bruder, der ihn versorgt.

Ende der Geschichten der Barbierbrüder.

Der Kalif verbannt den Barbier lachend aus seiner Stadt.

(Vorher wollte er ihm noch Ehrengewänder schenken!)

Als ein neuer Kalif den Thron besteigt, kehrt er zurück und findet seine Brüder tot.

Ende der Geschichte des Barbiers

Die Gesellschaft sperrt den Barbier wegen Geschwätzigkeit ein.

***

Der König von China ist erfreut über die Geschichte des Schneiders und befiehlt, den Barbier aus seinem Verlies zu befreien.

33 Bisher an dieser Stelle unerwähnt: Das ständige Zerreißen der eigenen Kleider in Momenten der Verzweiflung, das wie ein erzählerischer Kontrast zum Verleihen von Ehrengewändern in Situationen großer Ehrbezeugung steht. Man fragt sich – ist der Wert der Kleider so gering, dass sie ständig zerrissen und verschenkt werden oder ist er umgekehrt sehr hoch, und das Zerreißen und Verschenken deshalb ein hoch dramatischer oder erhabener Akt?
Das Verschenken des Ehrengewand (Gala, Hil’a) kann als typische muslimische Tradition (wenn auch mit Ursprüngen aus vorislamischer Zeit) betrachtet werden. In den Erzählungen aus 1001 Nacht geht meist nicht die konkrete Bedeutung hervor, die sich ja im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat – reine Ehrenbezeugung, Gewand mit Schmuck und Waffen als Auszeichnung für Amtsträger, das Gewand als Amtsgewand usw. (Näheres: Springberg-Hinsen, Monika: „Die Hil’a Studien zur Geschichte des geschenkten Gewandes im islamischen Kulturkreis.“
Das Zerreißen der Kleider hingegen scheint aus der jüdischen Tradition zu stammen. Während heute viele islamische Theologen das Zerreißen der Kleider als übermäßige Trauer und Zeichen mangelnden Glaubens ansehen (angeblich verabscheute der Prophet diese Form der Trauer), ist doch festzuhalten, dass die Tradition zumindest aus dieser Ecke herrührt.

33* Moschusduft wird zu jener Zeit aus einer Drüse des Moschusochsen gewonnen. Eine goldene Nase haben sich damit die Perser verdient, an deren Reichsgrenze das arme Tier lebte, bevor es geschlachtet wurde.

33** Unser Glashändler macht aus unternehmerischer Sicht so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann:

  • Er setzt auf ein wenig gewinnträchtiges Produkt: Glas

  • Er setzt auf ein risikobelastetes Anlageprodukt.

  • Er diversifiziert nicht seine Anlage – umso schwerer trifft der Verlust.

20. Nacht

Die Voraussetzung für die Hinrichtung des Sklaven ist freilich, dass man ihn findet. Wird er nicht gefunden, muss der Wesir dran glauben. Die Lebensumstände von Ministern scheinen nicht immer beneidenswert gewesen zu sein. Andererseits dürfte es auch heutzutage nicht für jeden erträglich sein, auf der obersten Etage die Karten mitzumischen.
Der Wesir nimmt Abschied von seinen Kindern, am Ende von seiner jüngsten Tochter, die einen Apfel verspeist, von dem sich herausstellt, dass sie ihn vom Sklaven Raihân habe. Er gesteht, genau jener Sklave gewesen zu sein. Und der Wesir muss nicht lange überlegen, was zu tun ist, den ihm fällt noch das Gedicht ein, das ihm rät:

Wenn ein Unheil kommt durch einen Sklaven,
bringe ihn statt deiner ins Gericht.
Denn du wirst noch viele Diener finden,
Doch ein zweites Leben findst du nicht.

Als ich dieses Gedicht vor 20 Jahren das erste Mal in einem Auszug der 1001 Nächte las, verschlug es mir den Atem. Ich kann es seitdem auswendig, auch wenn ich die es einbettende Geschichte vergessen habe.

Der Kalif befiehlt, den Sklaven töten zu lassen, doch der Wesir Dscha’far erbittet, ihm das Leben zu schenken, wenn die Geschichte, die er gleich erzählen würde, noch wunderbarer sei als die soeben erlebte. Der Kalif willigt ein. Und so erfahren wir

Die Geschichte der Wesire Nûr ed-Dîn und Schems ed-Dîn

Der Wesir des Kairoer Sultans stirbt, und so werden seine überaus schönen Söhne – der junge Nûr ed-Dîn und der ältere Schems ed-Dîn – zu gleichen Teilen Wesir. Kurz vor der Abreise des Sultans mit dem älteren beginnen die beiden einen hypothetischen Streit: Wenn, so die Hypothese des Älteren Schems, beide gleichzeitig heiraten sollten und gleichzeitig Kinder bekämen – nämlich Schems eine Tochter und Nûr einen Sohn – dann mögen sie heiraten. Aber wie hoch wäre die Morgengabe, fragt Nûr, die Schems von seinem Sohn in diesem Falle verlange.

Dreitausend Dinare und drei Gärten und drei Ackergüter.

Wer wäre nicht erbost über ein solches Ansinnen. Die beiden trennen sich im Streit, und während Schems mit dem Sultan reist, verlässt Nûr ed-Dîn Kairo mit den Satteltaschen voller Geld auf einer Maultierstute.

Sie war ein stahlgraues Tier, ihren Rücken sah man, einer hohen Kuppel vergleichbar, sich emporrecken; ihr Sattel war aus Gold, ihre Steigbügel waren aus Indien gebracht, auf ihr lag eine Schabracke von persischer Pracht, und sie glich einer Braut geschmückt für die Hochzeitsnacht.

Letzteres erweist sich bestimmt als sinnvoll, denn die Nächte der Steppe sind oft einsam und lang.
Innerhalb von sieben Tagen erreicht er Basra (1.000 km!) , wo ein Wesir auf die Stute aufmerksam wird, mit Nûr ed-Dîn ins Gespräch kommt, ihn zu seinem Nachfolger erklärt und ihn mit seiner Tochter vermählt.

15. Nacht

Allah dankend kraxelt unser dritter Bettelmönch in spe den Berg hinauf bis zur Kuppel, wo er die religiöse Waschung vollzieht, und sich niederlegt und schläft.

Auf Reisen in fremde Länder schickt es sich ja oft, nicht gleich zu fragen, sondern das Merkwürdige erst mal zu beobachten und zur Kenntnis zu nehmen. Und so nahm ich es 1996 eher mit neugieriger Verwunderung zur Kenntnis, als sich bei meiner Reise durch den Iran die einheimischen Männer auf den öffentlichen Toiletten nicht nur die Hände, sondern auch die besockten Füße wuschen. Natürlich wusste ich von der rituellen Waschung, konnte aber dieses Wissen nicht mit der aktuellen Beobachtung verknüpfen.

Im Traum hört er eine Stimme, die ihm komplizierte Anweisungen gibt, die sich so zusammenfassen lassen:

  1. Schieß den Bronzereiter auf der Kuppel mit einem von dir noch auszugrabenden Bogen ab!

  2. Setze dich in das Boot, mit dem gleich darauf ein weiterer Bronzetyp angerudert kommt, da das Meer steigt!

  3. Lass dich von diesem fortrudern und verschweige den Namen Allahs!

Das Gebot etwas nicht zu tun, wirkt natürlich mindestens so stark wie das Gebot, etwas zu tun. Beispiel: Schließen Sie die Augen und denken Sie nicht an einen grünen Gorilla. Wenn Sie sich auf diese Aufgabe konzentrieren, werden Sie selbstverständlich an den Gorilla denken. Vermeiden kann man das, einfach, indem man an etwas völlig anderes denkt, beispielsweise an die Funktionsweise eines Kohlekraftwerks. Ebenso unfruchtbar ist es, Kinder vor etwas zu trösten, vor dem sie Angst haben könnten (was die Angst verstärkt) oder sie negativ zu korrigieren: "Andreas, du Pottsau, lass die Tante in Ruh!" Besser: "Andreas, jetzt kannst du auch mal auf den Onkel hopsen!"
Was ich damit sagen will: In Märchen können wir darauf wetten, dass ein ausgesprochenes Verbot gebrochen wird. Welche narrative Funktion hätte es sonst? Vielleicht sollte mal jemand so ein Kindermärchen schreiben: in dem alle sich an die von den Erwachsenen ausgesprochenen Ge- und Verbote halten. Andererseits traue ich es Schehrezâd zu, dass sie auch noch so einen Joker für uns bereithält. Darüberhinaus scheint ja das (dreimalige!) Verbot, Allahs Namen zu rufen, auf eine teuflische Macht hinzudeuten.

Tatsächlich wird unser Prinz gerettet, wie man es ihm vorhergesagt hat. Aber leider funktionieren seine muslimischen Reflexe zu gut. Er dankt Allah bei seiner Errettung, und das Schiff geht unter. Mit letzter Kraft rettet er sich auf eine Insel. Als sich ein Schiff nähert, klettert er auf einen Baum.
Warum, so fragt man sich, bittet er nicht darum, mitgenommen zu werden.
Zehn schwarze Sklaven öffnen eine Platte im Erdboden und geleiten einen Jungen, Schönen und einen Alten hinein.

Der war zu dem geworden, was von ihm noch übrig war…

Man lässt den Jungen zurück, und als das Schiff fort ist, betritt der Prinz das Gewölbe und freundet sich mit dem Jungen an, dem geweissagt wurde, er würde 40 Tage, nachdem die kupferne Reiterstatue von einem gewissen Adschîb, Sohn des Chadîb herabgeschossen, von ebendiesem Adschîb getötet. Leider handelt es sich bei unserem Prinzen um Adschîb, der seine Identität zwar verschweigt und sich als Diener des Jungen anbietet, ihn aber genau am Stichtag (!) mit einem Melonenmesser aus Versehen umbringt.l

Unklares Entspannungsmittel: Rauchbad aus Weihrauch

7. Nacht – Nachtrag

Nachtrag zur siebten Nacht: Der aus der Wand tretende schwarze Sklave gleicht einem riesigen Felsen oder einem Überrest aus dem Stamme ‚Âd. Auf die Leibesgröße dieses altarabischen Stammes spielt die Sure 7,67 an.

Die 8. Nacht

In seiner Hast vernachlässigt der eifersüchtige Prinz die Schlagkraft des Schwertes und durchschneidet ihm nicht die beiden Schlagadern,

sondern nur die Haut und das Fleisch.

und reitet eilig zurück in den Palast. Seine Base kommt ebenfalls zurück und legt drei Trauerjahre ein, weil, so ihre nach dem Motto "je mehr je besser" vierfache Lüge, ihr die Mutter entschlafen, der Vater im Dschihad gefallen, der eine Bruder am Schlangenbiss gestorben, der zweite unglücklich hingefallen seien.
Seltsamerweise gestattet der Prinz nicht nur die Trauerzeit, sondern auch den Bau eines Mausoleums, in dem sie den um seine Luftröhre beraubten Sklaven mit Wein und Brühe pflegt und bejammert:

Besäß ich auch alle Güter der Welt und dazu der Perserkönige Reich:
Und könnte dein Antlitz nicht schaun – sie wären dem Flügel der Mücke mir gleich.

Nach Ablauf des dritten Jahres outet sich schließlich der Prinz als Verursacher des Luftröhrenschadens:

"Oh, du allergemeinste Dirne, du allerschmutzigste Buhlerin, Geliebte eines Negersklaven, die du dich weggeworfen hast! Jawohl, ich habe es getan!"

Kein Wunder, dass sie daraufhin ihre Hexenkräfte einsetzt, um a) seinen Unterleib zu versteinern und b) die Einwohner der Stadt in Fische zu verwandeln, wobei die Farben die "Zünfte" (= Religionen) repräsentieren: Muslime, Christen, Juden, Feueranbeter*. Seitdem peitscht die Hexe jeden Morgen ihren Cousin, um ihm anschließend ein härenes Gewand anzuziehen.
Der die Geschichte hörende König weiß Rat. Er tötet den Sklaven, wirft ihn in den Brunnen, zieht seine Kleider an und legt sich an seine Stelle. Als nun die Hexe ankommt,

dämpfte [er] die Stimme und verrenkte die Zunge und sprach in der Art der Neger.

Man stelle sich diesen geballten Rassismus in einer aktuellen Geschichten-Anthologie, etwa der Lesebühnen, vor.
In dieser Verstellung gelingt es ihm, sie zu überreden die Verwandlungen rückgängig zu machen.

*****

*Gemeint sind die Zoroastrier, die bis zur Invasion der Araber in Perien dominierende Religion. Die Bezeichnung "Feueranbeter" ist zumindest eine Vereinfachung, wenn nicht eine Herabwürdigung. Feuer ist – gemeinsam mit Erde, Wasser und Sonne(!) – eines der vier heiligen Elemente.

7. Nacht

Zur Orientierung:

Schehrezâd
—————-> Fischer und Dämon (= nunmehr Fische und König)

Nach dem Wesir schaut sich nun auch der König das
Schauspiel an, welches die farbigen Fische liefern, wenn sie gebraten werden,
nur das diesmal ein schwarzer Sklave aus dem Mauervorsprung heraustritt.

Stellt sich natürlich die Frage, woran man erkennt, dass es ein Sklave
ist, aber vermutlich, hatte man als Dunkelhäutiger zu jener Zeit in jener Gegend
keine große Auswahl in Bezug auf die gesellschaftliche Schicht.

Den bescheuerten an Knusperknäuschen gemahnende Vers, den die Fische aufsagen,
muss ich hier wohl doch wiedergeben, da er vermutlich noch eine Rolle spielen
wird.

Kehrst du um, so kehren wir um, und bist du treu, so bleiben wir treu.

Sagst du aber dich los, so sind wir des Versprechens frei.

Der König ruft seine Truppen zusammen und lässt
sich von dem Fischer den See und die Wüste zeigen, die keine halbe Stunde vom
Palast entfernt liegen, die er aber noch nie gesehen hat. Ob das glaubwürdig
ist? Hellersdorf liegt ja auch nur eine knappe halbe Autostunde von Mitte
entfernt, aber ob ein Regierender Bürgermeister diese Betonwüste je zu Gesicht
bekam?

Seltsamerweise bleibt er jedoch nicht am See, sondern reitet verkleidet weiter
durch die Wüste, wo er nach zwei Tagen einen verlassenen Palast findet, in
welchem ein bis zur Hüfte versteinerter Prinz hockt, der in Prosareim
beschrieben wird:

Es war ein Jüngling wunderschön, von Gestalt lieblich anzusehn, mit einer Stimme glockenrein, einer Stirne zart und fein, einer Wange von rotem Schein, und einem Male mitten auf seiner Wange, wie ein Ambrakügelchen klein.

Dieser berichtet dem König von seinem Schicksal:

Die Geschichte des versteinerten Prinzen

Der Prinz, Herrscher der Schwarzen Inseln, war mit
seiner lieblichen Base verheiratet. Inzwischen kann man den Braten schon
riechen: Wenn die Ehe als glücklich geschildert wird, ist die Gattin am Ende
doch eine Metze.

Und tatsächlich, als er einmal den von ihr als Abendtrunk servierten Wein nicht
austrinkt, wird er Zeuge, wie sie sich aus dem Palast stiehlt und sich von einem
(wie könnte es anders sein) schwarzen Sklaven demütigen lässt,

dessen eine Lippe wie ein Topfdeckel und dessen andere Lippe wie eine Schuhsohle war; ja seine Lippe war so lang, dass er mit ihr den Sand vom Kiesflur der Hütte hätte auflesen können. Er war aussätzig und lag auf einer Streu vom Abfall des Zuckerrohrs, gehüllt in ein altes Laken und in Lumpen und Fetzen.

Da sie zu spät kommt, herrscht er sie an:

„Nun schwöre ich einen Eid bei der Ehre der Mohren – und glaube nicht, unser Ehrgefühl sei so gering wie das Ehrgefühl der Weißen! -, wenn du von heute an noch einmal bis zu dieser Zeit ausbleibst, so will ich nicht mehr mit dir Gesellschaft pflegen, noch will ich meinen Leib an dich kleben, du Verfluchte!“

Es scheint, je widerwärtiger der Nebenbuhler beschrieben wird, umso größer die Schmach des Betrogenen. Und natürlich wird
sich auch der Prinz die gute alte Frage gestellt haben: „Was hat er, was ich
nicht habe?“ Oder – schlimmer noch – die quälende Frage jedes aufgeklärten
Mannes, der der Emanzipation der Frau wohlwollend gegenübersteht: „Will meine
Frau gedemütigt werden, und ich war zu nett zu ihr?“

Naheliegenderweise will der Prinz ein frühes Ableben der beiden herbeiprovozieren, wozu ihm das Schwert seiner Frau ein willkommenes Werkzeug zu sein scheint:

„Zuerst führte ich einen Hieb nach dem Nacken
des Sklaven und glaubte, dass es um ihn geschehen sei!“

Da bemerkte Schehrezâd, das Mainzelmännchen unter den Geschichtenerzählern, dass der Morgen begann und sie hielt in der verstatteten Rede an.

*****

Unappetitliches Gericht: Knochen von gekochten Mäusen mit Bierresten.

2. Nacht

Wie wir hofften, bittet der König Schehrezâd in der darauffolgenden Nacht, ihre Geschichte weiterzuerzählen. Anderenfalls wäre wohl „1001 Nacht“ ein Misserfolg geblieben. Denn soviel Postmodernität, dass man die Heldin des Epos gleich auf den ersten Seiten killen lässt, kann man hier wohl nicht erwarten.

Der Scheich lässt nun das Kalb seinen Sohn nicht schlachten. Die Tochter des Hirten erkennt die wahre Gestalt und fragt:

  • „Väterchen, ist meine Ehre dir so billig geworden, dass du fremde Männer zu mir hereinführst?“

Der Scheich wird herbeigeholt, der Zauber aufgedeckt, das Mädchen ehelicht das Kalb den Sohn und verwandelt die böse Gattin des Scheichs in eine Gazelle. Jahre später stirbt das Mädchen, und der Sohn zog aus

  • nach dem Lande Hind, und das ist das Land dieses Mannes, von dem dir widerfuhr, was geschehen ist.

Hind = Indien?

Der Dämon schenkt dem Scheich ein Drittel des Kaufmannslebens. Und folgerichtig beginnt unter derselben Bedingung

Die Geschichte des zweiten Scheichs

der gleich offenbart,

  • dass diese Hunde meine Brüder sind.

Die Geschichte beginnt wie ein Gleichnis von faulen und fleißigen Kaufmannssöhnen. Die beiden Älteren gehen auf Reisen und kommen verarmt weder. Der Jüngere hilft ihnen aus der Not.

Auf meinen bisherigen Reisen bin ich glücklicherweise nie verarmt. Wobei ich oft eine all zu preiswerte Variante gesucht und gefunden habe. Eine Pauschalreise in den Iran hätte ich mir z.B. 1996 überhaupt nicht leisten können, dafür aber einen Flug für 140 Mark nach Istanbul und von dort eine 55stündige Busreise für 60 Dollar nach Teheran. Zu unserem Glück wurde zu der Zeit gerade die Verordnung aufgehoben, dass Westtouristen immer in First Class Hotels absteigen müssen, und so logierten wir in jenen freundlichen Mehmân-Chânehâ – den angenehmen Herbergen.
In Bâm hatte ich das Glück, in einer der schönsten Gasthäuser einzukehren. Dem Betreiber hatte das Schicksal verwehrt, seinen Traum wahrzumachen, als Weltreisender auszuziehen, und wo lud er die Welt zu sich ein, wie er sagte. Ein großer Garten mit Dattelpalmen spendete Schatten, und in einem großzügig angelegten Bassin schwammen Goldfische. Im Gästebuch der Herberge konnte man erfahren, welche Fahrradroute sich am ehesten eignete, um von der Schweiz nach Nepal zu gelangen und wo man in Aserbaidschan sachkundige Passfälscher fände. Der Betreiber glaubte, dass Allah nichts dagegen haben könne, wenn ich und meine Begleiterin uns das Hotelzimmer teilen. Wenn es denn wider Erwarten doch einen Allah geben sollte, so hoffe ich, dass er diese schöne Herberge und ihren Betreiber bei dem großen Erdbeben in Bâm von 2003 verschonte.

Sechs Jahre später überreden die Brüder den Jüngeren, ebenfalls zu verreisen. Er kommt zu Reichtum und heiratet ein armes Mädchen, das die beiden Brüder, nachdem diese versucht hatten, das Paar zu ertränken, in Hunde verwandelt, denn

  • „Wisse, ich bin ein Dämonenkind; als ich dich sah, liebte dich mein Herz nach dem Willen Allahs, denn ich glaube an Allah und seinen Propheten – Gott segne ihn und gebe ihm Heil.“

Fast scheint es, als wollte sich der Erzähler gegen allzu fromme Hörer absichern, indem er aus der Dämonin eine Muslimin macht.
Die Brüder können auch nur in diesem Lande (Hind) erlöst werden.

Die Geschichte des dritten Scheichs

  • O Sultan und Oberhaupt der Dämonen, diese Mauleselin war meine Frau.

Diese Nachtigall hatten wir denn schon trapsen gehört, aber dass ausgerechnet ein Dämon mit diesem Verwandlungshokuspokus zu beeindrucken ist, erstaunt schon.
Bei einem anderen Zuhörer jedoch, nämlich König Schehrijâr, dürfte nun wegen eines gewissen Wiedererkennungswerts der Blutdruck steigen, denn als der Scheich von einer Reise zurückkam, sah er

  • einen schwarzen Sklaven bei ihr auf dem Bette liegen; und sie plauderten und tändelten und küssten sich und spielten das Liebesspiel.

Beachtlich, wie lange der Scheich zugeschaut haben muss, um die beiden 1. plaudern, 2. tändeln, 3. küssen, 4. spielen zu sehen. Hoffen wir für ihn, er konnte sich ein paar Tricks vom abermals Sexualneid auf sich ziehenden schwarzen Sklaven abgucken.
Das Weib verwandelt den Scheich in einen Hund, der von der Tochter des Schlächters als Mensch erkannt wird. Sie verwandelt ihn zurück. Das war die Geschichte.
Der Dämon schenkt dem Kaufmann das Leben. Winkt Schehrezâd hier mit dem Zaunpfahl? Jedenfalls bricht sie hier mit der auch am Vorabend verwendeten Floskel ab. … Weiterlesen

Rahmenhandlung

Umzugszeit 20. – 31.12.2006

Rahmenhandlung

Ähnlich wie in modernen Rahmenhandlungen sichert sich der Erzähler mehrfach ab. (z.B. Eco: Name der Rose), nur ist hier die einzige Instanz Allah, der gleich im ersten Satz gepriesen wird (Sure?), und auch, als die Geschichte anhebt:

Es wird berichtet – Allah aber ist Allwisser Seiner verborgenen Dinge und Alleinherrscher und allgeehrt und allgnädig und allgütig und allbarmherzig! – in den Erzählungen aus alter Zeit und aus der Völker Vergangenheit, dass in frühen Tagen, die weit in entschwundene Zeitalter ragen, ein König vom Geschlecht der Sasaniden im Inselreich von Indien und China lebte, ein Herr der Krieger und Mannen, der Diener und Knechte.

Demut vor Gott, hinter dessen Weitsicht der Mensch zurücktreten muss: Es sind eben doch nur Geschichten, die erzählt werden, wenn auch Warngeschichten, so wird betont. Im Lichte der später folgenden, oft kaum mehr gedanklich zurückverfolgbaren Schachtel-Geschichten, erscheint in der Gesamtsicht schon hier der blinde Fleck von Fiktion: Wer erzählt uns das denn?
Wir werden hier auch gleich in die Zeit der Rahmenhandlung eingeführt: Die Sasaniden – die letzte persische Großdynastie vor der Eroberung durch die Araber. Wie aber kommen dann die islamischen Bezüge in die Erzählungen? Wie kann Schehrezâd dann von Harun er-Raschid wissen, der mehr als ein halbes Jahrtausend nach Zusammenbruch des Sasanidenreiches gelebt hat? Nicht einmal eine halbe Seite gelesen, und schon bin ich einer ganz großen Sache auf der Spur.
Inselreich von Indien und China??

König Schehrijâr lässt seinen in Samarkand herrschenden Bruder Schahzamân (König der Zeit) aus Sehnsucht zu sich rufen. Dieser bricht auf.

Alsbald rüstete er sich zur Reise, ließ seine Zelte, Kamele und Maultiere, Diener und Mannen hinausziehen.

Auch ich rüste mich zur Reise und ziehe fort
a) Zelte. Mein altes Baumwollzelt habe ich nach einigem Abwägen dann doch mitgenommen. Es war einer der letzten Gegenstände, die ich in DDR-Mark bezahlt habe, um mit einer Geliebten in Prag zu zelten. Es erschien mir billig und schön, als ich es so aufgebaut im Haus für Sport und Freizeit stehen sah. Heute verramscht dort der zwielichtige Humana-Handel Klamotten aus zweiter Hand, angeblich um davon Aufbauarbeit in Afrika zu leisten. Die Firma steht auf dem Index des Sektenbeauftragten des Berliner Senats. Die Einzelteile des ca. 20 Meter breite Schilds „HAUS FÜR SPORT UND FREIZEIT“ fand ich Mitte der 90er Jahre hinter einem Bahnhäuschen am S-Bahnhof Biesdorf wieder, und da ich gerade keine fünf-Meter-Tasche dabei hatte, ließ ich sie stehen. Das Baumwollzelt wiegt mit Gestänge 8 Kilo, und ich kann mir realistischerweise nicht vorstellen, wer mit mir da drin noch mal zelten soll.
b) Kamele und Maultiere. Ich wählte statt dieser die Robben und die Wientjes, die Lasttiere der Großstadt. Leider verlor mein Kameltreiber die Kontrolle über das Tier, so dass es einem anderen eine Beule versetzte. Die Versicherung hatte er dummerweise mit 500 Dirhem Euro Selbstbeteiligung abgeschlossen.
c) Diener und Mannen. Sie seien hier der Ehre halber namentlich genannt: Uli Hannemann, Marco Tschirpke, Bov Bjerg, Bohni, Robert Rescue, Manuela Beier, Volker Strübing, Robert Naumann, Falko Hennig, Jochen Schmidt, Stephan Zeisig. Dass einer dieser Mannen eine Frau ist, hätte Schahzamân nicht durchgehen lassen, ich hingegen hatte keine Wahl. Außerdem sind meine Köche Stefanie Winny und Matthias Fluhrer zu nennen, ohne die ich die Strapazen nicht durchgestanden hätte.

Aber um Mitternacht fiel ihm ein, dass er im Schlosse etwas vergessen hatte.

Auch wenn ich andauernd Dinge vergesse – auf Reisen geschieht mir das nie, da ich die russische Tradition pflege, mich, wenn man schon im Mantel ist und die Koffer gepackt sind, mich noch einmal hinzusetzen. Allerdings keinen Bruder, der mich kurzerhand zu sich befehlen könnte. Und wohnte ich in einem Schlosse, ließe sich dessen Inhalt bei einem etwaigen Umzug wie dem, den ich gerade unternehme, sicherlich nicht in 66 Kisten verstauen.

Da fand er seine Gemahlin auf seinem Lager ruhend, wie sie einen hergelaufenen schwarzen Sklaven umschlungen hielt.

Man beachte die Abwertungsskala: 1. Hergelaufen, 2. schwarz, 3. Sklave. Was ist eigentlich „hergelaufen“?
Er schlägt beide tot, reist zu seinem Bruder, wirkt blas und krank und gesundet erst wieder, als er herausfindet, dass es seines Bruders Gattin ebenso treibt.

Die Königin aber rief: „Mas’ûd!“ Da kam ein schwarzer Sklave und umarmte sie, und auch sie schloss ihn in ihre Arme, und er legte sich zu ihr.

Sexualneid gegenüber Schwarzen also schon damals. Die müssen so gut drauf gewesen sein, dass Königinnen ihre Würde und ihren Verstand vor lauter Geilheit verlieren. Und dann heißen sie auch noch Mas’ûd.
Schöne Reaktion von Schahzamân:

Da ward er frei von seiner Eifersucht und seinem Gram, und er sagte sich: „Dies ist noch ärger als das, was mir widerfahren ist.

Schehrijâr bemerkt natürlich die seltsamen Stimmungswechsel und zwingt ihn, mit der heiklen Info herauszurücken. Schahzamân berichtet alles, und zwar nicht nur seinem Bruder, sondern auch dem Leser! Hier muss sich der Leser die erste von, wenn ich mich recht entsinne, hunderten ziemlich redundanten Nacherzählungen antun.
Als Schehrijâr dann des aus seiner Perspektive sicherlich schaurigen Treibens selber Zeuge wird, wirft er alles hin, um mit seinem Bruder den Tod zu suchen.

Das wäre heutzutage nicht so leicht vorstellbar: Merkel ertappt ihren Gatten in Umarmung mit einer schwarzen Praktikantin aus dem Kanzleramt, lässt alles stehen und liegen und beginnt ein Pennerleben. Andererseits: Als Film würde ich’s mir anschauen.
Die beiden Brüder ruhen am Meer und sehen, wie ein Dämon heraussteigt, der in einer Schachtel ein Mädchen gefangenhält. Ihre Schönheit ist Anlass des ersten – eher reizlosen – Gedichts. Der Dämon schläft ein, und überraschenderweise bittet das Mädchen die Könige nicht darum, sie zu befreien, sondern ihr beizuwohnen:

„Stechet einen starken Stich!“

Ich erinnere mich nicht, jemals auf derart liebenswürdige und doch sachlich-knappe Weise, von einer Frau aufgefordert worden zu sein, mich mit ihr zu vergnügen.

Noch überraschender hingegen die Reaktion der beiden Herren. Sie zieren sich und schieben einander vor. Erst die Drohung, den Dämon zu wecken, kann die beiden sozusagen erweichen, um diese Vokabel mal ulkig-unpassend hier einzuflechten. Die beiden müssen dem Weib ihre Königsringe geben. Und dieses zeigt ihnen hundertfünfundsiebzig Ringe, die sie schon anderen Stechern abgenommen hat. Der Dämon habe sie damals in der Brautnacht entführt und nun räche sie sich an ihm auf diese Weise. Trotz ihrer Schönheit kommen die Brüder nicht etwa auf die Idee, sie mit sich zu nehmen, sondern sind nun erleichtert darüber, dass es einem anderen, nämlich dem Dämon schlechter ergehe als ihnen. Kurzerhand kehrt Schehrijâr heim und schlägt seiner Frau, sowie den Sklavinnen und Sklaven die Köpfe ab.
Eheberater und Paartherapeuten waren damals wohl rar.
Und nun nimmt die Geschichte durch die bekannte Wendung ihren Lauf. Jeden Abend heiratet er eine Jungfrau des Landes, um sie am nächsten Morgen zu köpfen,
bis keine mannbare Jungfrau mehr in der Stadt war.

Als der junge Schlawiner Bertolt Brecht in seinen Psalmen schrieb „Mitte August verschwinden die Jungfrauen“, dachte er sicherlich an eine für alle Seiten angenehmere Art der Jungfrauenvernichtung.

Schließlich bleiben nur die beiden Töchter des Wesirs übrig – Schehrezâd und Dinazâd. Als der Wesir um das Leben seiner Töchter bangt, beschwichtigt in Schehrezâd:

„Bei Allah, mein Väterchen, vermähle mich mit diesem König! Dann werde ich entweder am Leben bleiben, oder ich werde ein Opfer sein für die Töchter der Muslime und ein Werkzeug zu ihrer Befreiung aus seinen Händen.“

Frauenpower! Wer hätte geahnt, dass sich schon hier in der Rahmenhandlung eine antipatriarchale Seite des Islam zeigt.
Doch der Wesir antwortet ihr, er wolle nicht, dass es ihr so ergehe, wie dem Esel und dem Stier mit dem Ackersmann.

„Was ist das, das den beiden geschah?“

, worauf der Wesir mit dem Erzählen beginnt. Diese einleitende Frage wird bald schon zum Leitmotiv für märchenhafte Warn- und Mahngeschichten, die eine Rahmenhandlung um die nächste schließen.
Bei Allah! Zum Weihnachtsfest wird in meiner entchristlichten Familie noch mal die Frage aufgeworfen, wieso denn zu Jesus gebetet würde, wenn doch der liebe Gott der liebe Gott sei. Und so muss ich, den sie ungetauft ließen, die Dreifaltigkeitslehre erläutern. Dabei waren sie doch diejenigen, die in den Genuss von Religionsunterricht gekommen waren. Allerdings sollen durch den Dreifaltigkeits-Humbug auch schon gestandene Pfarrer vom Glauben abgefallen sein. Fassen wir zusammen: Gottvater begattet Maria qua Heiligen Geist, damit er als Menschensohn auf Erden wandeln darf, dann opfert der Vater den Sohn sich selbst, (denn Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ja nur drei Facetten ein und derselben Sache), um nach der Auferstehung zur Rechten Gottes (also seiner selbst) zu sitzen. Man möge einwenden „rechts“ und „links“ sind Konzepte, die im Himmelsreich sowieso bedeutungslos sind. Aber jeder Christus-Gläubige muss wohl konzedieren, dass Augustinus, der Erfinder des Dreifaltigkeits-Hokuspokus da schon imposante argumentative Flick-Flacks schießen muss. Und wie jedes Jahr erschallt das Jammern der Kirchenvertreter, wie entchristlicht das Weihnachtsfest doch sei. Was erwarten die denn eigentlich? Dass wir wirklich glauben, die Inkarnation Gottes sei in Bethlehem geboren, wo doch nun nicht einmal mehr die Theologen bestreiten, dass es wohl doch Nazareth gewesen sein muss, dass das Datum – nämlich die Wintersonnenwende wohl eher ein Zugeständnis ans europäisch-heidnische Brauchtum ist, und die unbefleckte Empfängnis – nun ja, eine Übernahme aus der ägyptischen Mythologie. Die Weihnachtsente ist verzehrt, der Nachtisch wird gereicht, und das Thema verschiebt sich zur Anbetung von Heiligen betrifft, die ja doch ziemlich eindeutig Götzenbilder darstellen. Leider kann ich hier auch keine Auskunft geben, aber das Interesse meiner Eltern hält sich hier in Grenzen, sind sie doch evangelisch getauft, was offenbar auch nichts gebracht hat, weder ihnen noch der Kirche.

Die Erzählung von dem Stier und dem Esel
Ein Kaufmann, der die Sprache der Tiere versteht, belauscht, wie sein Esel einem erschöpften Stier rät, sich einfach mal krank zu stellen. Der Kaufmann pflügt nun stattdessen mit dem Esel. Der sich über sich selbst ärgernde Esel warnt nun den Stier, er würde geschlachtet werden. Als der Stier nun

seinen Herrn sah, erhob er seinen Schwanz, ließ einen Wind streichen und fing an zu springen.

Dass das Erheben des Schwanzes als Ausdruck von Lebensfreude einzuordnen ist, kann ich nachvollziehen, aber Furzen?
Nun schiebt sich ein narrativer Bruch ein, der für ein Gleichnis, dass doch der Wesir seiner Tochter beibringen will, schon etwas seltsam ist und dieses wohl auch verwässert:

Der Kaufmann lacht, und seine Frau fragt ihn nach dem Grund.

„Das kann ich dir nicht offenbaren, sonst muss ich sterben.“

Warum er denn sterben müsse, wird nicht erwähnt. Wir nehmen es hin. (Vielleicht hat er sich seine Gabe unter dieser Bedingung erkauft).
Der Kaufmann sendet nach Kadi und Zeugen,

um sein Testament machen, und ihr das Geheimnis zu offenbaren, denn er liebte sie gar sehr, da sie seine Base, und sein eheliches Weib und die Mutter seiner Kinder war; und er hatte auch bereits einhundertzwanzig Jahre gelebt.

Base, Weib, Mutter, einhundertzwanzig Jahre – immer muss der Erzähler noch eins draufpacken.
Er geht noch einmal zum Tierebelauschen in den Hühnerstall, wo er den Hahn sprechen hört:

„Bei Allah, unser Herr ist geringen Verstandes! Siehe, ich habe fünfzig Frauen; mit den einen geht’s im Guten, mit den anderen im Bösen. Aber unser Herr hat nur eine einzige Frau und kann mit ihr seine Sache nicht regieren! Warum nimmt er denn nicht für sie ein paar Zweige vom Maulbeerbaum, geht mit ihr in seine Schatzkammer und schlägt sie, bis sie entweder tot ist oder bereut und nie wieder nach etwas fragt!“
„Da tat er mit seiner Frau“ – also sprach der Wesir zu seiner Tochter Schehrezâd – „das, was ich mit dir tun werde.“

Ja was nun! Soll es Schehrezâd so ergehen, wie dem Stier und dem Esel? Oder wie der Tochter des Ackersmanns, der ja nun doch ein Kaufmann war? Bei so einer unklaren Moral der Geschicht, scheint es zwangsläufig, dass sich Schehrezâd ihrem Vater widersetzt:

„Es muss doch geschehen!“

Schehrezâd bereitet sich für die Hochzeit mit Schehrijâr vor, der ja für sie statt Maulbeerzweigen ein Schwert für sie bereithält (ich meine natürlich im wörtlichen Sinne).

und inzwischen ist auch meine Braut in unser neues Heim eingezogen, allerdings standen bei ihrem Umzug noch weniger kräftige Hände zur Verfügung als bei meinem – hauptsächlich Couch potatoes und Rückenbehinderte. Gibt es sozialpsychologische Untersuchungen, warum es einen ärgert, wenn andere pausieren, während man selbst arbeitet, selbst wenn die Arbeit insgesamt die Gleiche ist?

Schehrezâd weiht ihre Schwester Dinazâd in ihren Plan ein, sich in der Brautnacht von ihrer Schwester eine Geschichte zu wünschen. Alles geschieht wie geplant: Als das Brautpaar im Gemach des Königs steht, bittet Schehrezâd, von ihrer Schwester Abschied nehmen zu dürfen, der König gewährt. Dinazâd

setzte sich zu Füßen des königlichen Lagers. Dann ging der König hin und nahm seiner Braut die Mädchenschaft.

Ich hätte es als unpassend gefunden, wenn meine Schwester bei meiner Entjungferung anwesend gewesen wäre. Andererseits waren es auch andere Zeiten. Umgekehrt fällt es mir erst jetzt auf, dass keine meiner Gespielinnen eine Schwester hatte. Im Gegensatz zu Schehrezâd hatten sie aber auch keine nötig. Dinazâd spricht die vereinbarten Worte:

„Ich bitte dich bei Allah, o Schwester, erzähle uns eine Geschichte, durch die wir uns die wachen Stunden dieser Nacht verkürzen können!“

Schehrijâr genügt anscheinend eine Geschichte, um sich die Nacht zu verkürzen. Heutzutage müssen wir bei der Chaussee der Enthusiasten mindestens zwölf vorlesen, um die Zuhörer davon abzuhalten, uns den Kopf abzuschlagen.
Unklares Inventar: gesiebtes Häcksel