Tarantino: Storytelling & characters

(Deutsche Übersetzung unten)
(From the Joe Rogan Podcast. 0:56:00)
Quentin Tarantino: „Normally, when I do a movie, I have more or less the story worked out. (…) I’m dealing in genre and sub-genre that even dictates a bit. If I’m writing “Kill Bill”, I pretty much know that at the end of the movie she’s going to kill Bill. But exactly how she’s going to kill Bill and how we feel about it at the end, that’s left open for conjecture. Now I can get to there. But I can assume that that’s going to happen. (…) So normally, I have it worked out. But what I learned through trial and error or, I guess, from experience is: That little mapping out of more or less what happens in the story really only applies till the middle of the story. Because by the time you get to the middle of the story, you know so much more before you ever start to putting pen to paper. I mean, now I know who these people are. Now I am these people, these characters, I am them, they are me. Now I truly know who they are and now I’ve invested in this world to such a degree that the hope is, by the forty percent mark or the fifty percent mark, the characters take it from here. And from that point on, they’re writing the story.
Joe Rogan: “So you’re just essentially thinking through their eyes or thinking through their minds and behaving like them.”
Tarantino: “Yeah. Look, I am the storyteller. So, if I have to steer them in a direction that I think is more interesting or more exciting, well than obviously I can do that, I have the power to do that, but I’m trying not to do that. I figure, if they want to do it, they’re right. That is truth talking to me. And I figure, they should know best.”

Quentin Tarantino: „Normalerweise habe ich, wenn ich einen Film mache, mehr oder weniger die Story ausgearbeitet. (…) Ich beschäftige mich mit Genre und Subgenre, die das Ganze ein bisschen diktieren. Wenn ich „Kill Bill“ schreibe, weiß ich ziemlich genau, dass sie Bill am Ende des Films töten wird. Aber wie genau sie Bill umbringen wird und wie wir am Ende dazu stehen, bleibt offen für Vermutungen. Ich kann jetzt dorthin gelangen und ich kann davon ausgehen, dass das passieren wird. (…) Normalerweise habe ich es also ausgearbeitet. Aber was ich durch Versuch und Irrtum oder, denke ich, aus Erfahrung gelernt habe, ist: Dieses kleine Kartierung aus mehr oder weniger dem, was in der Geschichte passiert, gilt wirklich nur bis zur Mitte der Geschichte. Denn wenn Sie in der Mitte der Geschichte angelangt sind, wissen Sie so viel mehr, bevor Sie überhaupt anfangen, Stift zu Papier zu bringen. Ich meine, jetzt weiß ich, wer diese Leute sind. Jetzt bin ich diese Leute, diese Charaktere, ich bin sie, sie sind ich. Jetzt weiß ich wirklich, wer sie sind, und jetzt habe ich so viel in diese Welt investiert, dass die Hoffnung darin besteht, dass die Charaktere es ab der Vierzig- oder Fünfzig-Prozent-Marke selber übernehmen. Und von da an schreiben sie die Geschichte.
Joe Rogan: „Du denkst also im Wesentlichen durch ihre Augen oder durch ihren Verstand und benimmst dich wie sie.“
Tarantino: „Ja. Schau, ich bin Geschichtenerzähler. Wenn ich sie also in eine Richtung lenken muss, die ich für interessanter oder aufregender halte, na ja, dann kann ich das offensichtlich machen, dann habe ich die Macht dazu, aber ich versuche, das nicht zu tun. Ich denke, wenn sie es tun wollen, haben sie Recht. Das ist die Wahrheit, die zu mir spricht. Und ich denke, sie sollten es am besten wissen.“

Ich denke, dass ist genau die Haltung, die wir auch übernehmen sollten: Kümmere dich um deinen Character. Was will er? Wie ist er drauf? Achte auf Genre, und vor allem zu Beginn auf die Grundlage der Story. Aber vertrau darauf, die Charaktere übernehmen zu lassen.

Den Helden verstehen

„You go to a movie. You identify the hero. You figure out what the hero wants – poof! you’re the hero. And the way that works is: You don’t look at the hero and think about what he’s doing and evaluate it emotionally and then feel it. What you do is: You specify the hero’s goal and then you map him onto your body and you read off the emotional responses of your own body, and that’s how you understand the hero.“ (Jordan Peterson)

Wer/Wo/Was als Regel im Improtheater?

Als Antwort auf mein Video „Was tun beim Blackout?“ fragte mich Reinhard, ob nicht Regeln wie die, dass man rasch das Wo/Wer/Was klären solle oder dass Storys einen Anfang, ein Problem und eine Lösung bräuchten, nicht hinderlich seien für die Improvisation.
Ich habe darauf drei Antworten.

1. Sinn der Regeln

Schauen wir uns zunächst einmal an, was diese Lehrsätze überhaupt für einen Zweck haben: Die meisten Impro-Spieler wollen, sobald das Stadium des unmittelbaren Impro-Games überschritten haben, freier spielen und zumindest kleine, sinnvolle Geschichten improvisieren. Das kann gut gehen, wenn die Improvisierer ein gewisses Gespür für Storys mitbringen oder sich zumindest schon mal theoretisch mit Storystrukturen beschäftigt haben. Falls nicht (und das ist nach meiner Beobachtung bei mindestens der Hälfte aller Impro-Schüler der Fall), brauchen wir ein paar Handreichungen. So wirken Szenen oft lahm und blutleer, wenn die Akteure im Nichts agieren, wenn sie nicht wissen, in welcher Beziehung sie zueinander stehen oder unklar ist, wo sie sich befinden. Sie scheuen dann davor zurück, auch nur ein Objekt physisch zu etablieren, das den Ort klarmachen würde (etwa Hand ins Weihwasserbecken tauchen und sich bekreuzigen) oder das Gegenüber anzusprechen (etwa: „Herr Pfarrer“). Wenn aber Spieler davor zurückschrecken, schon diese simplen Gegebenheiten zu etablieren, werden sie meist auch andere Details im Vagen lassen, anstatt sie zu spezifizieren. Das Allgemeine ist aber der Feind der Kunst, das Spezifische ihr Freund.

2. Verlust des Moments

Wenn man als Impro-Spieler solche Regeln bekommt, kann sich das Spielen zunächst etwas steif anfühlen. Man verliert manchmal den Moment, da man ja an die Regel denkt. Das spricht aber zunächst noch nicht gegen die Regel. Denn alles, was ungewohnt ist und unsere Gewohnheiten verändert, braucht Übung und kann zum Stocken führen. So spielen manche Anfänger bisweilen mit dem Rücken zum Publikum, und man muss sie öfter darauf hinweisen, dass sie so nicht gesehen werden. Beim Klavierlernen gibt es für Anfänger recht bald einen Punkt, an dem sie Fingersätze lernen müssen, was sich auch erst mal „künstlich“ anfühlt. Aber paradoxerweise wir brauchen diese Hinweise, um freier spielen zu können. (Übrigens ist jedes Impro-Game mit einer Regel versehen, die uns in irgendeiner Weise einschränkt. Aber gerade diese Einschränkung ist es oft, die die Kreativität zum Fließen bringt.)

3. Ohne Regel

Haben wir diese Freiheit erlangt, können wir die Hilfsmittel auch wie Krücken von uns werfen. Wenn man um die Wirkung weiß, kann man sich dann zum Beispiel bewusst mit dem Rücken zum Publikum wenden. Und um zum Thema zurückzukommen: Wenn man bereit und in der Lage ist, jederzeit zu definieren und spezifisch zu sein, mit Emotionen, Situationen, Figuren usw. zu spielen, dann kann man auch auf das Wo/Wer/Was als starre Regel verzichten und darauf vertrauen, dass durch die Art, wie wir miteinander spielen, sich die Beziehung schon klären wird, dass durch unsere Körperlichkeit in einem bestimmten Setting sich der Raum auch schon klären wird. (Um ein prominentes Beispiel zu geben: In der Auto-Szene in Pulp Fiction sehen wir nur Jules und Vincent, die miteinander plaudern. Sie scheinen befreundet zu sein, aber erst nach zwei Minuten erfahren wir, dass sie Auftragsmörder sind.) Das Impro-Duo TJ & Dave hat übrigens die Methode, ohne Plattform zu starten, popularisiert: In der fokussierten Wahrnehmung des Gegenübers, entsteht wie von selbst ein Gefühl dafür, wie nah oder fern man zueinander steht (soziale Beziehung) und dafür, ob die Situation emotional aufgeladen oder entspannt ist.
Ich bin also nicht unbedingt dafür, das Wer/Wo/Was komplett aus dem Curriculum zu streichen, aber ich denke, wir sollten diese wie auch andere Regeln nicht dogmatisieren.

Tschechows Flinte

Die Bezeichnung „Tschechows Flinte“ (oder Gewehr) geht auf eine Regel des russischen Schriftstellers Anton Tschechow zurück, die besagt, dass ein zu Beginn einmal eingeführter Gegenstand später auch eine Rolle spielen sollte. Wenn also zum Beispiel im ersten Akt des Stücks eine Flinte an der Wand hängt, sollte sie gefälligst im dritten Akt abgefeuert werden. Tschechow sah das als eine Art Ökonomisierung des Stücks: Das Überflüssige wird aus dem Skript entfernt.
Für uns Improvisierer bedeutet das natürlich, nicht zu viele Angebote in die erste Szene zu quetschen.
Aber Tschechow wusste natürlich auch, warum er ausgerechnet von einer Flinte sprach (und nicht etwa von einer Teetasse, die im dritten Akt zerbrechen müsse). Die Flinte ist ein aufmerksamheischendes Objekt. Wir können die Regel daher auch umdrehen: Zeige im ersten Akt eine Flinte an der Wand. (Oder etwas ähnlich Dramatisches.)
In Tschechows Kirschgarten gibt es übrigens ein Gewehr, das nicht abgefeuert wird. Allerdings könnte man argumentieren, dass der anstehende Verkauf des Gartens das geladene Gewehr ist.

Den Stein weit wegwerfen

Die Figuren Vera und Anke in einem Eiscafé.
Anke: Vera, ich möchte, dass du mir hilfst.
Vera: Ja, Anke, für dich tue ich alles.
Anke: Ich glaube, mein Mann betrügt mich. Und ich möchte, dass du ihn beschattest und mir sagst, ob da etwas dran ist.
Die Szene spitzt sich noch ein bisschen zu, und Vera willigt ein.

Die Frage ist: Was sehen wir als Nächstes? Man könnte völlig naheliegend bleiben, und eine kleine Ausspionier-Szene spielen, naheliegenderweise in einer Wohnung oder einem Hotel. Was aber, wenn wir in der nächsten Szene Vera dabei sehen, wie sie auf einem Pferd reitet?
„Auf einem Pferd?“, mag man sich da fragen. „Was hat das mit der Szene davor zu tun?“
Das Problem ist, dass manche Szenenabfolgen, vor allem wenn man sie häufiger spielt, so naheliegend sind, dass sie sich klischeehaft anfühlen bis hin zu dem Gefühl, dieselbe Szene schon mal so oder ähnlich gespielt zu haben – der Tod des Improvisierens. Eine Lösung, die kreative Leistung aller beteiligten Hirne wieder anzuspornen, besteht darin, den Stein weit wegzuwerfen – eine unerwartete Handlung, ein unerwarteter Ort, ein unerwartetes Gespräch.
Wir lassen das Boot absichtlich wanken. Wir geben bewusst Kontrolle ab, indem wir etwas injizieren, woran wir uns abarbeiten können.
Man kann sich selbst den Fortgang der Ausspionier-Szene ausmalen, indem man weitere „nicht naheliegende“ Handlungen und Orte einsetzt: Eine Eislaufbahn, ein Flugzeug in Position lotsen, Tapete streichen, ein Klavier stimmen…
Nun könnte man einwenden, dass das doch recht „ausgedacht“ wirkt, also das gerade nicht „naheliegend“ ist. Aber ausgedacht wirkt es nur, wenn wir uns krampfhaft um Originalität bemühen, nicht wenn wir unsere Assoziationskanäle etwas weiter öffnen als normalerweise. (Letztlich ist ein Reit-Parcours auch nur ein Schauplatz wie jeder andere auch.)
Problematisch wird das Stein-weit-wegwerfen, wenn die Szenen und die Story sowieso schon überladen sind. Dann hilft es eher, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Kern der Szene herauszuarbeiten, statt neue irritierende Elemente einzufügen.
Aber wenn wir uns zu sicher wähnen, dann ist das Stein-Weit-Wegwerfen genau die richtige Technik, um etwas Schwung in die Improvisation zu bringen.

TV Series

I believe that most tv series style improv shows don’t work, because the show lacks an audience that returns on a regular basis to watch at least every second show. Also, the characters don’t change. In order to overcome that lack, you need a basic situation that provides enough tension to draw comedy from. However, it doesn’t work as a long form improv drama. For that you have to have (a) pivotal character(s). Everyone in the team needs to know where the story is, what has happened, etc. The story tends to fade away.

Vince Gilligan: „TV is historically good at keeping its characters in a self imposed stasis so that shows can go on for years or even decades. (…) When I realized this, the logical next step was to think, how can I do a show in which the fundamental drive is toward change?“

Schlüsse von langen Storys proben

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Schlüsse zu proben ist nötig, um ein Gefühl dafür zu entwickeln (und später: dieses Gefühl zu verfeinern), wie man den Schluss für Zuschauer und Mitspieler markiert, welches Timing man setzt und welcher Schluss aus Zuschauersicht befriedigend ist.
Szenen- und Geschichtenanfänge zu proben, gehört zum täglichen Brot des Impro-Spielers. Gerade im Beginn der ersten Szene entscheidet sich viel: Gelingt es uns, eine gute Plattform zu bauen, eine interessante Hauptfigur zu erschaffen, das Versprechen der Geschichte anzureißen? Positiv starten, Definieren, Behaupten, sich verändern lassen, das sind alles Impro-Tugenden, die sich mit der ersten Szene ausprobieren lassen. Und wenn sie nichts taugt, fängt man eben von vorne an.
Aber wie probt man Schlüsse? Impro-Gruppen neigen dazu, entweder gar keine Schlüsse (oder auch Mittelteile) zu proben oder sie ziehen tatsächlich eine halbe Stunde Langform-Story durch, um dann das Ende zu improvisieren. Wenn das dann nur mäßig zufriedenstellend war, redet man kurz drüber, und dann geht jeder seiner Wege.
Dabei ist es eigentlich nicht so schwer: Einer improvisiert eine Zusammenfassung im Stile von „Was bisher geschah“ und lässt diese Zusammenfassung aufs Ende zusteuern. Das letzte Szenario wird sehr klar vorgegeben: Wo sind wir? Wer sind wir? Was ist bisher geschehen? Wichtig ist, dass die Spieler die Prämisse der Szene nicht mehr definieren müssen. Sie müssen nur noch die „Poesie“ des Schlusses ausfüllen, die Szene emotional füllen und eventuell sich kurz auf Vergangenes beziehen. Es ist nicht die Aufgabe der Spieler, die Vergangenheit zu erklären, vielmehr geht es darum, Verbindungen herzustellen. Dabei kann Vergangenes auch improvisiert werden, so dass man als Zuschauer rätseln muss, etwa so wie wenn man beim Fernsehen ins Ende eines Dramas gezappt hat.
Bei Schlüssen zu trainieren:

  • Timing
  • Verbindungen
  • Staging
  • letzte Sätze
  • Abgänge/Black Out
  • Behaupten

Auf dem Weg zur Langform

Sobald man die komfortable Zone der Kurzformate und Impro-Games verlässt, kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Improvisation um ihrer selbst willen funktioniert. Viele Games funktionieren, indem man einfache Regeln beachtet und sich mit viel Energie in sie hineinwirft, dann geht der eingebaute Komik-Mechanismus wie von selber an. In „freien Szenen“ und längeren Formen brauchen wir mehr: Wir müssen in der Lage sein, Storys zu entwickeln. Wir müssen wissen, wie eine komische (oder spannende oder tragische) Szene aus sich selbst heraus funktioniert. Dieses Handwerk zu lernen muss man schon bereit sein, wenn der Übergang vom Game zur freien Form gelingen soll.

Lead character vs side character

(starting at 1:45)
“The lead character can make choices that come out of their own psychology, and not out of the pressures of their world around them so much. Whereas the side characters or secondary characters are very much reacting oftentimes to the plot for the lead character’s choices. So, in “Breaking Bad”, when Walter White is supposed to return that sports car and he goes on a joy ride and just fucks it up… I mean, that choice of plot is completely justified and perfect and says a lot about him and fits and is also fun. But he doesn’t need…”
“It’s not advancing the story?”
”He can just return the car. And nobody would go: ‘Wait, shouldn’t he be on a joy ride?‘ (…) It’s a choice that is not dictated by anything but by the person’s character.”

„Die Hauptfigur kann Entscheidungen aus ihrer eigenen Psychologie her treffen und ist nicht so sehr abhängig von den Anforderungen der Welt, die sie umgibt. Hingegen reagieren die Nebenfiguren sehr oft auf den Plot für die Hauptfigur. In ‚Breaking Bad‘, wenn Walter White das Sportauto zurückgeben soll und er unternimmt eine Spritztour und ruiniert das Auto… Also, diese Plot-Entscheidung ist völlig gerechtfertigt und perfekt und sagt viel über ihn aus und es passt und macht außerdem Spaß. Aber er muss nicht unbedingt…“
„Es treibt die Story nicht voran?“
„Ja. Er kann einfach den Wagen zurückgeben. Und keiner würde sagen: „Moment mal, müsste er jetzt nicht eine Spritztour unternehmen? (…) Es ist eine Entscheidung, die durch nichts diktiert wird außer durch den Charakter dieser Person.“

Die Hauptfigur im Film „Der Pate“

Im Film „Der Pate“ ist lange überhaupt nicht klar, wer die Hauptfigur ist. Durch seine zentrale Position (und durch den Titel des Films) könnte man zunächst vermuten, es sei der Pate selbst. Doch Don Corleone thront zu sehr über allem. Er gleicht eher einem Heiligen oder einem (dunklen) Engel als dass er der Held sein könnte. Der älteste Sohn Sonny könnte der Held sein, da er in Schwierigkeiten gerät, seiner Rolle gewachsen zu sein und sein Temperament zu zügeln. Zieh-Sohn Tom ist der Emporkömmling. Falls er der Held würde, müsste es sich in dem Film darum drehen, ob es ihm als Außenseiter gelingt, durch seinen kühlen Kopf die Familie zu retten und sich so an ihre Spitze zu setzen. Fredo hätte das Potential zum Underdog-Helden, wenn der Film als Komödie angelegt wäre. Connie ist zu passiv, um Heldin zu sein. Bleibt Michael Corleone, der zunächst recht wenig in Erscheinung tritt und der mit der Familie nichts zu tun haben will. Große Pläne werden ausgeheckt, Verräter umgebracht, neue Geschäftsideen abgewogen, ein Film-Mogul erpresst, und von Michael ist weit und breit keine Spur, er amüsiert sich mit seiner Freundin. Es dauert fast eine Film-Stunde, bis sich Michael definitiv als Hauptfigur zu erkennen gibt: Er übernimmt Verantwortung für die Familie. Erst im engeren Sinne, als er seinen Vater im Krankenhaus vor den Mördern beschützt. Später im weiteren Sinne (d.h. für die Familie als Mafia-Organisation), als er sich willens, fähig und bereit erweist, einen Mord zu planen und zu begehen.

Ziellosigkeit: Wie Charaktere uninteressant werden

Ellen Brock ist eine Lektorin, die netterweise online Tips für Schriftsteller verfasst. Darunter finden sich natürlich auch einige Rosinen für uns geschichten-improvisierende Schauspieler, wie dieser hier:
Die Leser (d.h. in unserem Fall die Zuschauer) verlieren das Interesse an der Hauptfigur, wenn diese keine klaren Ziele hat. Das wiederum ist dann der Fall, wenn die Ziele im Ziel der Gruppe untergehen, denn dann geht die Hauptfigur in der Gruppe selbst unter. Der Protagonist braucht eigene Ziele und eine eigene Motivation.
Der zweite Grund ist, dass sich die Ziele ständig und beliebig verändern, weil es keine zugrundeliegende Motivation des Charakters gibt.
Ausführlich hier:

TJ & Dave über Entdecken vs. Erfinden

„Entdeckung ist der Weg des geringsten Widerstands, vielmehr ein Zustand des Nichtstuns und der Leichtigkeit als Kraft und Anstrengung.“ (95)

„Energie ist schön. Anstrengung ist hässlich.“ (95)

In Szenenanfängen sind die Charaktere selten überrascht. Ihr Verhalten ist normal.

„Am Anfang der TJ-and-Dave-Show fragen wir nicht nach Vorschlägen, weil wir nicht wollen, dass irgendetwas der bereits vorhandenen Szene im Weg steht.“ (98)
(Man muss wohl zugeben, dass das zunächst ziemlich esoterisch klingt. Andererseits ist es genau diese Geisteshaltung, die TJ & Dave ihren ungeheuren Flow ermöglicht. Würden sie geistig noch damit beschäftigt sein, in ihre Show „Vorgaben“ einzubauen, würde das wohl die Eleganz mindern. DR)

„Wir finden es hilfreich zu vermeiden, in Plots und Narrativen festzuhängen. Sich auf die Story zu konzentrieren, ist der Feind unserer Art des Improvisierens. Story ist ein Nebeneffekt, der an den Rissen austritt, wenn man einfach Leute aufeinandertreffen lässt und ihre Beziehungen untersucht.“ (99)
(Ich glaube allerdings, dass TJ und Dave instinktiv gute Erzähler sind. Deshalb müssen sie sich nicht darum kümmern. So wie ein guter Pianist beim Improvisieren nicht über den Fingersatz nachdenkt. Sie wissen, dass man z.B. eine Szene nicht mit Instant Trouble beginnt, sie wissen, dass die Protagonisten (mehr als andere Charaktere) sich verändern müssen usw.
Aber vielleicht wagen die beiden auch viel mehr noch das Locker-Episodenhafte und überlassen überhaupt viel mehr dem Zuschauer, den Szenen einen Sinn zu geben. DR)


„Natürlich fügen wir auch Namen hinzu, benennen die Umgebung, die Einzelheiten und Details, aber diese Sachen sind nicht die Crux der Szene, wo man die Schönheit der Improvisation finden kann. Obwohl Details nützlich sind, kann ein übermäßiges Vertrauen in Plot, Narrativ und Fakten dazu führen, dass das wesentliche Element der Szene verschleiert wird: Das Verhältnis zwischen den zwei Personen in diesem Moment.“ (99)

„Der Unterschied liegt zwischen ‚Wir spielen jetzt eine Szene.‘ und ‚Lass uns mal sehen, was das hier ist.'“ (David, 103)

Angebote und Reaktionen – Plattformen und Kippen

„An absurd offer is really only as absurd as the reaction it generates. (…) If your partner refuses to be affected, then this is still platform.“ (Salinsky/White – The Improv Handbook)
Das trifft nicht nur auf absurde Angebote zu. Je größer die Reaktion auf das Angebot, desto stärker schwankt die Plattform. Je gleichmütiger die Reaktion, desto „normaler“ ist die etablierte Welt.

Der Film „Leningrad – Die Blockade“ beginnt damit, dass schlecht ausgerüstete Leningrader Zivilisten an die Front gefahren werden und als Kanonenfutter verheizt werden, da selbst taktische Rückzüge verboten sind. Für alle Beteiligten scheint das Normalität zu sein, nur ein Leutnant protestiert schwach. Das für den Zuschauer Haarsträubende ist die Normalität des Films. Für den Zuschauer ist kurioserweise gerade die NKWD-Frau Nina, die die wahnsinnigen Befehle weitergibt und per Waffe durchsetzt, der positive Ausgangspunkt und die Protagonistin der Story.

Status und Storytelling

Eine der wichtigsten Impro-Techniken besteht darin, sich verändern zu lassen. Wir wollen sehen, wie ein hartherziger Vater, der im Hochstatus agiert, sich erweichen lässt (Ebenezer Scrooge in „Eine Weihnachtsgeschichte“, Don Corleone in „Der Pate“). Wir wollen sehen, wie der verschüchterte Jugendlichene zum Helden wird (Harry Potter, Jim Hawkins in „Die Schatzinsel“, Clarice Starling in „Das Schweigen der Lämmer“ sowie praktisch sämtliche deutschen und russischen Märchen, in denen drei Brüder auftauchen, von denen der jüngste der belächelte Hans bzw. Wanja ist).
Wenn wir in der Lage sind, Status dynamisch zu verstehen und anzuwenden, hilft uns diese Technik, Storys in Gang zu setzen. Fein eingesetzter Status macht eine Szene ohnhin zum Hingucker. Wenn wir beobachten, wie sich das Status-Verhältnis verändert (das muss nicht einmal der soziale, sondern lediglich der theatrale Status sein), wird die Szene interessant. Wenn es uns gelingt, den Wandel von Status über mehrere Szenen zu zeigen – in Statuskämpfen, Statuskippen, wechselndem Status in unterschiedlichen Situationen – bringen wir die Story zum Laufen. Natürlich ist Storytelling in der Regel eine komplexere Angelegenheit, aber dynamischer Status macht die Story sichtbar und spürbar.
Fürs Storytelling können wir uns folgende Status-Faustregeln zunutze machen:

1. Der positive Tiefstatus ist fast immer der Held
Wenn man zwei positive Typen aufeinander prallen lässt, einer ist Hochstatus, der andere Tiefstatus, schlägt das Herz des Publikums fast immer für den Tiefstatus-Character.  Vielleicht weil wir sehen wollen, wie jemand wächst, wie ein Held sich aus der Unterwerfung erhebt, wie ein Kind erwachsen wird, wie jemand sich aus den sozialen Fesseln der Familie, der sozialen Zwänge usw. befreit und sein Leben selbst in die Hand nimmt. In der klassischen Heldenreise ist der Held fast immer zunächst ein Held wider Willen. Er muss die Enge, die Bequemlichkeit, das Kindsein hinter sich lassen. Bekannte Typen aus der modernen Film- und Literaturgeschichte wären hier Luke Skywalker, Harry Potter, Frodo, Michael Corleone.
Man kann das in einfachen Impro-Szenen ausprobieren: Stellt zwei positive, hinreichend komplexe Charaktere auf die Bühne, einen Hoch- und einen Tiefstatus, und lasst die beiden ein bis zwei Minuten spielen. In 90 Prozent aller Fälle wird sich das Publikum für das Schicksal des Tiefstatus interessieren.

2. Ein negativer Hochstatus kann sich zur positiven Figur wandeln
Die Wandlung eines negativen Hochstatus zur positiven Figur ist eine der interessantesten aber gleichzeitig auch schwierigsten Varianten des Storytelling. Einen Menschen, der gewohnt ist zu kommandieren und zu dominieren, dabei zu beobachten, wie sein Herz weich wird, wie er Sanftheit und Großmut zulässt, ist im Grunde immer fürs Publikum befriedigend zu sehen. Das Problem ist nur: Der Character darf nicht derart verdorben und widerwärtig sein, dass wir ihm nicht zusehen wollen. Das gute Herz sollte schon irgendwo ein bisschen durchscheinen. Vielleicht spürt man als Zuschauer, dass der Character durch die Umstände zu dem wurde, was er ist. Einen Storytelling-Trick erwähnt hier Peter Blake durch den Titel seiner Drehbuch-Fibel „Save The Cat“: Der zu Beginn eher unsympathische Held sollte zumindest eine winzige gute Tat vollbringen wie zum Beispiel eine Katze zu retten (oder wie in „Der Pate“ eine Katze zu streicheln), so dass wir wenigstens einen kleinen Anknüpfungspunkt haben.
Beispiele gefällig? In „Rain Man“ ist der Held der Story eigentlich nicht der von Dustin Hoffman gespielte Autist, sondern der von Tom Cruise gespielte Unsympath, dessen Weg der Wandlung von einem harten, gierigen Menschen zu einem warmherzigen, liebenden Bruder wir in über zwei Stunden Film beobachten.
Im weltweit bekannten Kinderbuch „Heidi“ ist Heidi natürlich die Hauptfigur, aber sie ist nicht Heldin im eigentlichen Sinne. Vielmehr ist sie eine Art Engel-Figur, die die sie umgebenden Menschen verändert, vor allem natürlich den strengen Alm-Öhi, der schon allein durch Heidis Anwesenheit sanfter wird, und am Ende wieder in die menschliche Gemeinschaft zurückfindet.
Oskar Schindler in „Schindlers Liste“ ist zunächst ein skrupelloser Kapitalist, der die Situation der entrechteten, ghettoisierten Juden für seine Zwecke ausnutzt. Im Laufe der Ereignisse werden nicht nur seine Taten menschlich, sondern auch sein Über-Hochstatus relativiert sich.
Man kann folgendes ausprobieren: Ein Hochstatus wird in einer Handvoll kurzer Szenen gezeigt, in denen er dominant agiert. Aber zwischendurch sehen wir ihn bei einer sympathischen Tätigkeit – einem Hobby, einer spontanen menschlichen Geste usw. Gelingt es uns, diesen Hochstatus so zu improvisieren, dass die Zuschauer ein Interesse daran haben, wie seine Story weitergeht?

3. Der negative Tiefstatus bleibt ein Schurke
Den negativen Tiefstatus verbinden wir mit Verhaltensweisen wie Nörgeln, Lügen, Intrigieren. Wir können hier natürlich mit komischen Figuren spielen, wie z.B. dem jammernden Schwester oder der nörgelnden Ehefrau . In seiner klarsten Form aber bleibt der negative Status vor allem Lügnern und Intriganten vorbehalten. Meine Lieblingsfigur in dieser Kombination aus Tiefstatus und Negativität habe ich schon oben in der Matrix erwähnt: Jago in Shakespeares Tragödie „Othello“ ist ein Zum-Munde-Redner. Er versucht nie, jemanden direkt zu etwas zu zwingen oder gar mit Einschüchterung etwas zu erreichen. Die Manipulation ist hintergründig und eben darum so diabolisch. Im deutschen Theater könnte man Mephistopheles aus „Faust“ so einordnen, dessen Status in fast allen Szenen Tiefstatus ist, allerdings mit markanten Ausnahmen (Auerbachs Keller). Unter den großen Hollywood-Charakteren wäre zum Beispiel der Kriminelle Kint (in „Die üblichen Verdächtigen“), gespielt von Kevin Spacey, ein schöner negativer Tiefstatus, obwohl man auch argumentieren könnte, dass er theatral durchaus positiv spielt und seine Diabolik nur in einigen Momenten aufscheint. Als vielleicht stärkste negative Tiefstatus-Figur wäre Gollum aus der Trilogie „Herr der Ringe“ zu nennen. Das angstvolle Zucken, welches das sich ständig bedroht Fühlen zeigt, die gekrümmte Haltung, der jammernde bis gehässige Tonfall. Wer negativen Tiefstatus lernen will, ist hier an der richtigen Adresse.

4. Positiver Hochstatus
Eine Figur, die als positiver Hochstatus eingeführt wird, ist oft eine Nebenfigur. Denken wir an Mentoren, zum Beispiel die stets lächelnden chinesischen Kampfsport-Meister, durch deren Schule die Helden in Kampfsport-Filmen gehen. Großeltern werden oft als positiver Hochstatus gezeigt, desgleichen in sich ruhende Mütter. Diese Figuren werden sich oft nicht verändern. Sie begleiten die Hauptfiguren nur für eine gewisse Zeit, geben ihnen einen Rat, bewahren sie vor Übel, halten sie zurück usw. Die eigentliche Wandlung geht im Helden selber vor.
Es ist aber auch möglich, dass der positive Hochstatus sich verändert. In einer Tragödie wird er meist zum negativen Hochstatus, seltener zum Tiefstatus. Ich sehe zum Beispiel Shakespeares Macbeth als einen solchen Typen.  Er beginnt als strahlender Hochstatus-Held. Sein Status sinkt paradoxerweise in dem Moment, als er allmählich zum Opfer seiner Machtgier wird: Er wird unruhiger, zittriger, sprunghafter. Am Ende bleibt von ihm nur ein mordendes Wrack – pendelnd zwischen Tiefstatus und behauptetem Hochstatus, sich immer weiter in die Düsternis der menschlichen Seele verstrickend.

Modern ghost storys

Joanna Briscoe über moderne Spukgeschichten.
Die Herausforderung, eine moderne Spukgeschichte zu erzählen darf weder zu viktorianisch oder kontinental-romantisch daherkommen noch das Grauen durch offensichtliche naturwissenschaftliche Erklärung zerstören. Entscheidend ist die Ambivalenz.

http://www.theguardian.com/books/2014/jul/04/how-write-modern-ghost-story

Stephen King: „Das Leben und das Schreiben“

Kann man dieses Buch angehenden oder aufstrebenden Autoren empfehlen? Die Antwort ist: Ja, wenn man es möglichst schnell liest, die ermüdenden Wiederholungen und den biografischen Teil schnell überfliegt oder so gut es geht überspringt und den ankumpelnden mündlichen bemüht-übercoolen Stil des Buchs ignoriert (z.B. „Für diese Geschichte haben wir zwölf Mäuse hingeblättert.“). Ob das im Original genauso altbacken klingt wie in der Übersetzung von Andrea Fischer, weiß ich nicht. Ich fürchte ja.

Die wichtigsten Ratschläge Kings:
Kenne dein Handwerk: Nutze deinen Wortschatz und pflege die Grammatik.
Pflege einen guten Stil: Entferne Adverbien gnadenlos, vermeide Passivkonstruktionen. Absätze (nicht Sätze) strukturieren und rhythmisieren das Werk.
Lies viel! Schreib viel!
Wenn du (bewusst oder unbewusst) den Stil oder das Genre eines Autors imitierst, ist das in Ordnung.
Lesen kann man überall. Aber wenn man schreibt, sollte man sicher sein, nicht gestört zu werden. Schließ die Tür hinter dir, vermeide Telefon, Fernseher (und heute könnte man zu Kings Liste hinzufügen: einen WLAN-fähigen Laptop). King zieht die Vorhänge herunter. Bemerkenswerterweise hört er während des Schreibens AC/DC und Metallica (ich finde, das merkt man seinem Stil leider an).
Schreibe glaubwürdig – ein beachtlicher Ratschlag für einen Autor, der u.a. für seinen Hang zu Übernatürlichem, Spuk usw. bekannt geworden ist. Er meint natürlich: Der Hintergrund soll einigermaßen glaubwürdig sein.
Der Plot ist unwichtig. Gehe von einer Grundsituation aus und spinne dann weiter von A zu B zu C usw. „Die interessantesten Situationen lassen sich oft mit einer Was-wäre-wenn-Frage umschreiben.“ Die Geschichte ist schon vorhanden, sie muss wie von einem Archäologen vorsichtig freigelegt werden.
Beschreibungen bitte sparsam und gekonnt. Keine ausgelutschten Metaphern. Gute Metaphern kann man bei Raymond Chandler lernen.
Nutze den Dialog, um den Character zu zeichnen. Lass die Figuren nicht in Klischees reden.
Beobachte reale Personen und gib deren Verhalten realistisch wieder. Verwende äußerliche Beschreibung sparsam.
Nutze Symbolik, ohne sie zu forcieren.
Die Thematik nicht überschätzen. Es genügt, sich die Frage nach der Hälfte des Buchs oder vielleicht sogar erst nach der ersten Fassung zu stellen. Umgekehrt von der Thematik oder der Botschaft auszugehen birgt die Gefahr des Predigerhaften.
King beschränkt sich in der Regel auf drei Fassungen seiner Romane, besteht aber darauf, dass das das Minimum sein muss. (M.a.W. er gibt zu, dass das nicht besonders viel ist.) Die erste Fassung entsteht hinter verschlossenen Türen und sollte im Entstehungsprozess auch niemandem gezeigt werden. (Eine Regel, an die sich auch viele erfolgreiche Autoren nicht halten.) Die zweite Fassung entsteht mit „geöffneter Tür“ – grammatische, logische Fehler und stilistische Schnitzer werden getilgt. Ziel ist, um zehn Prozent zu kürzen. Diese Fassung wird einer Handvoll Freunden gezeigt, auf deren Geschmacksurteil man baut und deren Kritik man beherzigen kann oder manchmal auch ignorieren muss.
Schreibe die erste Fassung so schnell wie möglich, um dem Selbstzweifel wenig Raum zu lassen.
Die ärgsten inhaltlichen Fehler liegen im nicht nachvollziehbaren Verhalten der Figuren.
Spiele mit dem Erzähltempo.
Reduziere die Vorgeschichte und kürze sie auf das absolute Minimum. „Jeder hat eine Vergangenheit, und größtenteils ist sie uninteressant.“
Prahle nicht mit Hintergrundwissen. Hintergrund soll Hintergrund bleiben.
Schreibseminare sind von zweifelhaftem Wert. Sie helfen einem, als Schriftsteller wertgeschätzt zu werden, aber man ist andererseits permanenter Kritik und wiederkehrendem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, was den Fluss hemmt.
Verkaufe deine Storys zu steigenden Preisen. Für den absoluten Anfänger kann es genügen, Belegexemplare zu bekommen. Und das ist auch OK, solange man gedruckt wird. Schicke dein Material an Agenten, und lehne Agenten ab, die für das Lesen Geld verlangen.
Schreibe nicht für Geld, sondern um der Freude willen.
Darüberhinaus verstecken sich im Text eine Menge indirekter Tips und Gewohnheiten, wie z.B. der tägliche Nachmittags-Spaziergang Kings, der ihm zu einigen erleuchtenden Momenten verholfen hat.

Archetypenspiel nach Gunter Lösel

Zusammenfassung der Archetypen, ihrer Gesten und dramatischen Bedeutung nach Gunter Lösel: „Das Archetypenspiel“

  Grundgeste Genuss Negative Seite / Versuchung Tragik
Held Heraustreten Strahlen Narzissmus Einsamkeit
Gefährte Begleiten Gemeinsamkeit Neid Wird zurückgelassen
Mentor Führen Energieverdopplung Sadistischer Ausbilder Enttäuschung
Torhüter Weg verstellen / Gefesselt sein Macht Bestechung Wird nicht als Mensch wahrgenommen
Schatten / Antagonist Lauern Befreit sein von Konventionen Maske herunterreißen Er sucht Liebe, ohne sie finden zu können
Trickster / Narr Nachäffen Freiheit ohne Verantwortung Hedonismus Vergeblicher Kampf um Respekt
Mutter Liebevolle Umklammerung Für jemanden die Welt zu sein Macht Will Liebe, erntet Hass
Anima Jemanden magisch anziehen Bewundert zu werden Idealisierung löst sich auf Andere zum Leben erwecken, aber selbst traurig und einsam bleiben
Kind Sich klein machen   Kind bleiben Aus dem Paradies vertrieben werden
Sack Sich drauf hängen Verantwortung abgeben Kontrollsucht Kontrollverlust durch Kontrollsucht –> zurückgelassen werden

Dilemma statt Problem

Im Storytelling konzentrieren wir uns oft darauf, dem Helden ein Problem zu schaffen, das er dann zu lösen hat.
Das ist schön und gut, aber manchmal emotional ein wenig unbefriedigend. Das kann daran liegen, dass Probleme eben irgendwie gelöst werden – durch Kraft, durch Cleverness usw., aber die Katharsis, die moralische Herausforderung bleibt tendenziell flach.
Zumindest flacher als wenn wir es mit einem Dilemma zu tun haben.
Kurz zur Unterscheidung.

  • Ein Problem kann man versuchen zu lösen. Zum Beispiel: Der Held fährt nachts auf der Landstraße eine Frau an, die dabei ist zu verbluten, und auf dem Weg zum Krankenhaus geht im das Benzin aus.
  • Ein Dilemma kann man entweder nur managen oder man muss sich für eine Seite entscheiden. Zum Beispiel: Der Held fährt bei seinem Sohn im Auto mit. Der fährt eine Frau an und begeht Fahrerflucht. Wird er seinen Sohn anzeigen? ( nach Keith Johnstone)
Der springende Punkt ist: Wir haben es mit einer moralischen Zwickmühle zu tun. Der Held kann nicht beides haben.
Beispiele für problem-orientierte Storys im Film:

  • Stirb langsam 
  • Kill Bill
  • Rainman
Beispiele für dilemma-orientierte Storys:
  • High Noon
  • Der Pate
  • Hamlet
Überhaupt scheinen mir Filme, die Blake Snyder in die Kategorie „Institionalized“ beschreibt, oft mit Dilemmata zu spielen. Im Film der Pate muss sich Michael entscheiden zwischen dem klaren Wunsch, sein eigenes Leben ohne Kriminalität zu führen oder „die Familie“ zu retten.
Aber auch eher „problem-orientierte“ Filme bauen hier und da Dilemmata ein. So z.B. Pulp Fiction: Butch (Bruce Willis) entkommt der Folterhöhle der beiden Sadisten und fragt sich, ob der Marsellus Wallace, den er eben noch töten wollte, aus ihren Fängen befreien soll.
Das Dilemma lässt uns tiefer in die Abgründe des Helden schauen.

Storytelling vs. Moment

Zu den Fragen, die mir immer wieder begegnen, seit der Zeit als ich anfing, Improtheater zu spielen, gehört auch diese: Wie können wir überhaupt im Moment sein und gleichzeitig eine gute Story improvisieren? Gibt es da nicht einen Widerspruch? Muss ich nicht doch ein bisschen planen, wenn ich einen guten „Bogen“ spannen will? Oder bleibt das Im-Moment-Sein doch die Regel Nummer Eins, und das Ergebnis mehr oder weniger Glückssache?
1. Storytelling-Mechanismen müssen zu Gewohnheiten verinnerlicht werden.
Da Storytelling, so wie andere Impro-Kompetenzen dem einen mehr, dem anderen weniger liegen, muss Storytelling auch trainiert werden. Das fängt von den einfachsten Impro-Tugenden an, z.B. nicht mit Nörgelei beginnen. Fast jeder, der ein Jahr lang improvisiert, hat diese Tugend mehr oder weniger verinnerlicht. Später wird man lernen, wie man mit dem Helden umzugehen hat, wie man Enden baut, wie man eine Story in einem bestimmten Stil oder Genre baut. Im Prozess des Erlernens dieser Fähigkeiten kann es durchaus mal passieren, dass man am Bühnenrand steht und ins Nachdenken kommt: „Wie lasse ich den Helden noch mehr erstrahlen?“ Das ist OK, aber es sollte uns klar sein, dass das Nachdenken nicht überhand nehmen darf, nicht mehr als ein, zwei Gedanken, vor allem aber dürfen wir nicht verpassen, was gerade stattfindet und nicht vergessen, was schon geschah.
2. Natürlich passiert es, dass uns Ideen zum Fortgang der Story in den Kopf schießen. Das ist nicht nur „OK“, sondern das ist auch gut. Entscheidend aber ist, wie wir mit diesen Ideen umgehen. Sie dürfen 1. nicht unsere Aufmerksamkeit für den Moment blockieren, 2. sollten wir uns nicht an sie klammern; denn dann verlieren wir den Zugang für die Optionen der Mitspieler, und 3. sollten wir sie nicht forcieren.
Ich betrachte Ideen in der Improvisation (das habe ich hier, glaube ich, schon mal beschrieben) wie Elemente, die durch den Bewusstseinsstrom fließen – spontane Assoziationen. Es ist gut, diesen Strom lebendig zu halten und ab und zu zuzugreifen. Aber lasse ihn nicht ins Stocken kommen.

Freiheit und Grenzen beim Storytelling

Man kann sich die Optionen beim Storytelling wie bei einer umgekehrten Pyramide oder einem Trichter vorstellen: Zu Beginn ist praktisch alles möglich. Wir assoziieren frei und wild. Je mehr aber bereits etabliert ist, umso mehr sind die Möglichkeiten limitiert.
Das beginnt bereits mit dem ersten Angebot. Ich etabliere meinen Mitspieler als „Papa“, dann ist er eben nicht der Pizza-Bote oder der Papst. (Es sei denn, die Story geht genau um einen Typen, der nicht weiß, dass sein Vater der Papst ist oder der Pizza-Bote eigentlich sein Vater.)
Je mehr wir voranschreiten, umso eher sollten wir das bereits Etablierte im Auge behalten. Wir müssen praktisch nur noch einsammeln und verknüpfen.
Wenn Improvisierer gar am Ende noch „erfinden“, wirkt die Story für uns als Zuschauer konstruiert. Das beste Rezept für ein schlechtes Ende: Einfach Aliens einführen, die die ganze Zeit am Werk waren (z.B. im Film „The Forgotten“).

Ricky Gervais about his greatest artistic influence

„Making ordinary extraordinary is so much better than starting with the extraordinary, because it doesn’t really connect. … You watch those shows, and it washes over, you don’t think about it the next day. Whereas, if something is real for one person, it’s touched their life… As a dcreator or director it’s your job to make an audience as excited and fascinated about a subject as you are. And real life does that.“ (Ricky Gervais)

Ernest Hemingway – Omitting / Weglassen

„If a writer of prose knows enough of what he is writing about he may omit things that he knows and the reader, if the writer is writing truly enough, will have a feeling of those things as strongly as though the writer had stated them. The dignity of movement of an ice-berg is due to only one-eighth of it being above water. A writer who omits things because he does not know them only makes hollow places in his writing.“ „Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. Wenn der Schriftsteller nur aufrichtig genug schreibt, wird der Leser das Ausgelassene genauso stark empfinden, als hätte der Autor es zu Papier gebracht. Ein Eisberg bewegt sich darum so anmutig, da sich nur ein Achtel von ihm über Wasser befindet.“

Customary motifs and themes in Hitchcock’s films – Happy birthday, Alfred

Taken from The Guardian’s infographic on today’s 114th birthday.

1) Hero is a middle-class Everyman.2) Somebody gets murdered.
3) Hero is wrongly suspected of crime.
4) Double chase (e.g. police chases hero, hero chases villain).
5) Villain is charming and initially trusted.
6) There are sinister henchmen (or henchwomen).
7) The heroine believes in the hero’s innocence.
8) There is a staircase.
9) There is a journey by train.
10) There is a hotel, boarding house or cruise ship.
11) There is a scene in a theatre, cinema, concert hall.
12) Priest, nun or religious character.
13) Perversity, voyeurism or fetishism.
14) Villain caught or dies, happy ending, hero and heroine together.

According to this list, „Birds“ is the most atypical Hitchcock film.

1) Der Held ist ein Jedermann aus der Mittelklasse.
2) Jemand wird umgebracht.
3) Der Held wird fälschlicherweise eines Verbrechens verdächtigt.
4) Doppeljagd (z.B. Polizei jagt Held, Held jagt Schurken).
5) Der Schurke ist charmant und man vertraut ihm zunächst.
6) Es gibt düstere Handlanger.
7) Die Heldin glaubt an die Unschuld des Helden.
8) Es gibt eine Treppe.
9) Es gibt eine Zugreise.
10) Es gibt ein Hotel, eine Pension oder ein Kreuzfahrtschiff.
11) Eine Szene spielt im Theater, im Kino oder im Konzertsaal.
12) Es gibt einen Priester, eine Nonne oder eine religiöse Figur.
13) Perversion, Voyeurismus oder Fetischismus kommen vor.
14) Der Schurke stirbt, Happy End, Held und Heldin kommen zusammen.

Nach dieser Liste wäre „Die Vögel“ der atypischste Hitchcock-Film.

Billy Wilder: Der Schluss / The Ending

„Zufälle darf es nur am Anfang einer Geschichte geben. Im dritten Akt haben Zufälle nichts mehr zu suchen.“
„Der dritte Akt muss Tempo aufbauen, steigern, weiter steigern, bis zum letzten Knaller. Und dann – das war’s. Häng‘ nicht länger rum.“
„The third act must build, build, build in tempo and action until the last event, and then — that’s it. Don’t hang around.“ (Billy Wilder)