Rechtfertigen im Improtheater (3) – Aber sollen wir auch fürs Publikum rechtfertigen?

Über diese Frage werden immer wieder heftige Debatten geführt. Gegner des ostentativen Rechtfertigens meinen, dass das Publikum das zu Rechtfertigende wahrscheinlich ohnehin verstehen würde, wenn die beiden Spieler es verstehen. Mithin sei eine verbale Rechtfertigung nicht nötig. Befürworter führen ins Feld, dass Dutzende Impro-Games genau darauf hinauslaufen: Das Irritierende sofort zu rechtfertigen und in die Szene ein-zubauen. Ein großer Teil der Impro-Komik ziehe ihre Kraft aus dieser sichtbar gemachten Fähigkeit der Improspieler.
Beide Seiten haben auf ihre Weise Recht. Ich denke, es hängt von der spezifischen Impro-Situation ab, in der man sich befindet. In einem Impro-Spiel, das auf verbales Rechtfertigung fokussiert, wäre es idiotisch, genau das nicht zu tun. Und tatsächlich freuen wir uns als Zuschauer, einem Improspieler, der durch ein Angebot kalt erwischt wurde, dabei zuzuschauen, wie er seine gesamte kreative Energie darauf legt, die Irritation kreativ zu verwenden. Wir lachen, wenn wir sehen, wie sich der Improspieler abmüht. Er leidet für uns.
Das Problem ist nur, dass das Lachen des Publikums über diese Irritationen viele Improspieler süchtig macht. Sie vergrößern absichtlich ihre Irritation, thematisieren Fehler und wollen vom Publikum für ihre ach so tolle Situationskomik bewundert werden. Wenn wir jede kleine Irritation auf diese Weise überhöhen, selbst wenn man darauf vertrauen kann, dass sich das Ganze schon bald von selbst ergeben wird, dann bleibt unsere Improvisation eitel und kommt auch zeitlich nicht von der Stelle, weil wir damit beschäftigt sind, jeden einzelnen Schritt zu thematisieren. Wir landen dann in einer Rechtfertigungs-Orgie. Zu viel explizites Rechtfertigen hemmt den Fluss der Szene. Um es kurz zu sagen:

Explizites Rechtfertigen – so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Rechtfertigen im Improtheater (2) – Für sich selbst und den Mitspieler rechtfertigen

Hier zur Erinnerung die Ausgangsszene:
Etabliert sind Mutter und Sohn
Sie diskutieren, ob er einen Job im Amazonas-Dschungel annehmen soll. Dabei zeigt er ihr Bilder in einem Buch, das sie von seiner Mission überzeugen soll.
Mutter: Na schön. Wenn du es denn unbedingt willst.
Sohn: Danke dir Mama. Dann lass uns jetzt gehen.
Sohn öffnet eine schwere große Tür.

Wenn ich für mich selbst das Angebot große, schwere Tür positiv aufgenommen, das heißt innerlich gerechtfertigt habe, gibt es eigentlich keinen besonderen Zwang, die Existenz der großen, schweren Tür irgendwie zu begründen. Sie ist eben da. Fertig. Sie kann die Tür zum Bank-Safe sein, ein Fabriktor, die Tür des Rathauses, höchstwahrscheinlich aber nicht die Tür zum privaten Badezimmer. Vielleicht gibt mir mein Partner in den nächsten Momenten (oder auch erst in fünf Minuten) verbal oder pantomimisch zu erkennen, wo wir uns befinden.

  • „Der brasilianische Botschafter freut sich schon darauf, dich kennenzulernen.“ (Wahrscheinlich sind wir im Botschaftsgebäude.)
  • Sicherheitsschleusen werden passiert und weitere schwere Türen geöffnet. (Gefängnis, Tresorraum oder etwas Ähnliches.)
  • Mutter kniet nieder bekreuzigt sich, erhebt sich und sagt: „Pfarrer Tschernawski wird uns sicherlich einen guten Rat geben.“ (Ah, wir sind in einer Kirche.)

Wenn mein Partner und ich mit dem Flow gehen, wird sich der Ort bald von selbst ganz natürlich herausstellen. Wenn ich aber merke, dass wir beide unsicher sind und vorm Definieren zurückschrecken, dann ist es besser, ein paar Pflöcke füreinander in den Boden zu rammen. Ich sagte eben, dass ich es unwahrscheinlich empfinden würde, dass das Szenario Schwere Tür in einem Badezimmer spielt. Wie aber soll ich dann reagieren, wenn er plötzlich mimt, sich auszuziehen und zu duschen?
Wenn sie ein Angebot nicht einordnen können, gehen die meisten Spieler davon aus, ihr Partner habe noch eine Idee in petto, die das alles erklären wird. Sie beginnen dann, vorsichtig zu spielen, werden langsamer und weniger engagiert, da ihr Geist nur damit beschäftigt ist, ihren Partner zu lesen, um herauszufinden, was zum Teufel er ausheckt. In der Folge kommt die Szene ins Stocken. Vielleicht hat ja der Partner auch gar nichts weiter in petto, sondern will die Szene nur ein bisschen mit einem irritierenden blinden Angebot aufpeppen. Oder seine Pantomime war einfach ein bisschen schludrig und die Tür in seinen Augen gar nicht so schwer, wie es auf mich gewirkt hat. Das Problem ist nun: Wenn mein Kopf die ganze Zeit mit diesen Optionen beschäftigt ist, verliere ich den Moment des Zusammenspiels. Deshalb rate ich dazu, in Situationen wie diesen, in denen die Irritation überhand zu nehmen droht, das Seltsame zu rechtfertigen, auch wenn es unbeholfen oder holprig erscheinen mag:

„René, denkst du bitte dran, nach dem Duschen die Tür des Badesaals zu ölen? Du merkst ja selbst, wie schwer sie inzwischen geht.“

Ob mein Partner „Badesaal“ im Kopf hatte oder nicht, ist egal. Was in meinem oder deinem Kopf vorgeht, ist für die Szene irrelevant. Entscheidend ist, was etabliert wird.
Selbst wenn mein Partner mit seinem vagen Angebot etwas anderes im Sinn gehabt hatte, dürfte er nun froh darüber sein, dass wir beide wieder festen Boden unter den Füßen haben.

Rechtfertigen im Improtheater (1) – Was ist Rechtfertigen?

(Dies ist der erste Teil einer Serie zum Thema Rechtfertigen.)

Um meine Angebote und deine Angebote miteinander zu verzahnen, müssen wir

  • diese Angebote überhaupt erst einmal akzeptieren, 
  • etwas zu den Angeboten hinzufügen
  • Zug um Zug spielen, damit Akzeptieren und Hinzufügen überhaupt möglich werden.

Das Problem ist natürlich, dass wir als Improspieler permanent mit Unerwartetem konfrontiert werden. Das heißt, wir sind praktisch gezwungen, Inhalte einzubauen,

  • mit denen wir nicht rechnen,
  • die mit unserer Konzeption der Szene nicht übereinstimmen
  • die beim ersten Betrachten gar „unpassend“ erscheinen.

Diese Fähigkeit, das Unerwartete szenisch sinnvoll einzubauen, nennen wir Rechtfertigen.
Viele Zuschauer empfinden gerade diese Fähigkeit bei Impro-Schauspielern als genial. Sie vermuten ein geradezu übernatürliches Talent und außerordentliche kreative Begabung dahinter. In Wirklichkeit ist diese scheinbar geniale Fähigkeit vor allem eine Geisteshaltung: Wir müssen auf der Bühne den skeptischen, prüfenden Verstand hinter uns lassen und freudig das Unbekannte mit einem kräftigen „Au ja!“ umarmen.
Das ist natürlich leichter geschrieben als getan. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch dieser geistigen Haltung eine körperliche Haltung entspricht: Wenn ich auf ein unerwartetes Angebot hin den Kopf zurückziehe, die Stirne krausziehe und womöglich auch noch den Kopf schüttle, erscheint mir das „seltsame Angebot“ einfach immer dümmer, abseitiger, sinnloser. Wenn ich hingegen freudestrahlend auf es zugehe, nicke, mich auch körperlich für es öffne, feuern die Nervenbahnen im Gehirn und die Wahrscheinlichkeit erhöht sich ungemein, dass sich mir ein Sinn des Angebots auf irgendeine Weise erschließt. Ich schreibe „ein“ Sinn, nicht „der“ Sinn, da ein Angebot nie nur einen Sinn hat. Das heißt, es geht nicht so sehr darum, zu erraten, was mein Mitspieler mit dem Angebot bezweckt, sondern dem Angebot selbst einen Sinn zu verleihen.
Stellen wir uns folgende Szene vor:

Etabliert sind Mutter und SohnSie diskutieren, ob er einen Job im Amazonas-Dschungel annehmen soll. Dabei zeigt er ihr Bilder in einem Buch, das sie von seiner Mission überzeugen soll.Mutter: Na schön. Wenn du es denn unbedingt willst.Sohn: Danke dir Mama. Dann lass uns jetzt gehen.Sohn öffnet eine schwere große Tür.

Wenn ich als Spielerin der Mutter jetzt erwartet habe, dass die beiden sich gerade im Wohnzimmer befinden, dann dürfte ich von dem Angebot öffnet eine schwere große Tür ziemlich überrascht sein. Die Frage ist, wie ich innerlich mit der Irritation umgehe: Wenn ich der Irritation Nahrung gebe oder gar meinen Mitspieler infrage stelle, werde ich nur schwer eine Möglichkeit finden, dieses Angebot zu rechtfertigen, denn dann habe ich mich ja schon längst aus dem Spielmodus verabschiedet.
Um rechtfertigen zu können, muss ich den Fluss des Spielens aufrechterhalten. Ich muss mich von den vorgefassten Vorstellungen und Plänen verabschieden. Meine Aufgabe als Improvisierer ist es nicht, großartige Ideen zu produzieren, sondern aus den Angeboten der Mitspieler etwas Großartiges zu bauen.
Für den Spieler des Sohnes könnte die schwere große Tür etwas völlig Offensichtliches sein oder auch ein blindes Angebot an dich. Wie auch immer – du musst es zunächst für dich innerlich rechtfertigen.
Aber wer im Improtheater von Rechtfertigen spricht, meint meist weniger die innere Rechtfertigung, sondern die äußere. Unter der äußeren Rechtfertigung verstehen wir das explizite Verdeutlichen und Klären des irritierenden Angebots.
Es stellen sich nun drei Fragen: Für wen, wann und wie rechtfertigen wir?
(Wird fortgesetzt.)

Die Improvisation nicht thematisieren

Eine kleine Falle, in die auch Profis immer wieder tappen, ist, die Improvisation als solche zu thematisieren oder indirekt auf sie zu verweisen.

„Herr Schimmelmayer, was werden Sie tun, wenn Sie in drei Wochen in Rente gehen?“
„Ich weiß nicht, was ich tun werde. Ich weiß nicht einmal jetzt, was ich in einer Minute tun werde. Ich bin eher so ein spontaner Typ.“

Im Grunde ist es eine Form das Gagging: Der Spieler nimmt sich aus der Figur und aus Szene heraus und kokettiert mit dem Publikum. Wie so oft beim Gagging ist ihm auch ein Lacher sicher, und wahrscheinlich wird er von einzelnen Zuschauern auch noch für besonders smart gehalten. Das Problem ist nur, dass sich der Spieler hier vom Mitspieler und von der Szene löst und beider wahrscheinlich wieder eine Weile brauchen, um die Tiefe zurückzuerobern.
Eine andere Variante, in der die Improvisation thematisiert wird, ist der Verweis auf die Fehler, sei es die eigenen oder die der Mitspieler. Das nimmt meistens die Form des Über-Rechtfertigens an:

Spieler A läuft durch die Stelle, an der ein paar Minuten zuvor ein Tisch etabliert wurde.
Spieler B: Na, ein Glück haben wir den Tisch vorhin auf die andere Seite des Zimmers geschoben, sonst wärst du ja gerade mitten durch unser Mobiliar gelaufen.
Spieler A: Ja, das passiert mir immer wieder, dass ich durch Möbel und geschlossene Türen gehe. (läuft demonstrativ durch eine Wand.)

Der erste Halbsatz von Spieler B hätte völlig ausgereicht, um den kleinen Fehler geradezurücken. Der Nachsatz „sonst wärst du ja gerade mitten durch unser Mobiliar gelaufen“ eröffnet aber das neue Gagging-Spiel für den Mitspieler, und schon verlieren wir den Kern der Szene.
Geht also sparsam mit euren Rechtfertigungen um. Die Zuschauer wissen, dass ihr improvisiert. Man muss ihnen nicht noch extra zeigen, dass man mit ihnen auf einer Seite steht.

Komplexer spielen: Handlung nicht thematisieren

Schauen wir uns den Beginn einer durchschnittlichen Impro-Szene an.

  • Spielerin A übt Tennis-Aufschläge.
  • Spieler B: „Wunderbar, Ines! Ich habe noch ein Mädchen in deinem Alter mit so einem harten Aufschlag gesehen.“
  • Ines: „Danke, Herr Köhler. Aber ich sorge mich noch um meine Rückhand.“
  • Trainer: „Das kriegen wir vor den German Open Qualifikationen schon noch hin.“

An diesem Szenenstart ist nichts auszusetzen: Wir beginnen mit einer soliden Plattform. Die Story könnte sich Richtung Heldenreise entwickeln: Der talentierten Tennisspielerin werden Steine in den Weg gelegt. Oder sie muss sich entscheiden zwischen Tennis-Karriere und der Fürsorge für ihren pflegebedürftigen Bruder usw.
Es ist nicht die dümmste Option, für einen Szenenstart das zu thematisieren, was schon offensichtlich ist, und Spieler B begeht auch nicht den Fehler, die Handlung negativ zu kommentieren, man dürfe hier kein Tennis spielen oder das sei das schlechteste Tennis überhaupt. Auch die naheliegende Falle, eine reine Unterrichtsszene zu spielen, wird umschifft.
Sehen wir uns nun folgenden Alternativ-Verlauf an:

  • Spielerin A übt Tennis-Aufschläge.
  • Spieler B: „Meinst du das ernst, Ines?“
  • Ines (weiter übend): „Todernst, Herr Köhler. Und ich lasse mir da nicht reinreden. Auch von Ihnen als Trainer nicht.“
  • Trainer: „Ich weiß, ich hätte aufpassen sollen. Aber ich dachte, du nimmst die Pille.“
  • Ines: „Ich krieg das Kind. Basta!“

Ob diese Szene „besser“ wird als die erste, lässt sich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht sagen. Sie wirkt jedoch erst einmal komplexer, weil wir eine zweite Ebene dazugenommen haben. Das Tennis-Üben muss nicht thematisiert werden, da wir es sowieso schon sehen. Die physische Handlung ist aber mehr als nur optischer und bewegungsdynamischer Hintergrund der Szene. Sie gibt dem Inhalt der Szene und sicherlich auch dem Verlauf der Story einen speziellen Dreh: Die angespannte Beziehung der beiden, die sexuelle Implikation, das ethische Drama einer möglichen Abtreibung, die Frage des Missbrauchs der Trainer-Position, das alles schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern findet im Tennis-Milieu statt, ohne dass wir das aussprechen müssten.
Für die meisten Anfänger ist es schwierig, die Handlung nicht zu thematisieren, da man scheinbar auf nichts anderes zurückgreifen kann. Aber hier ist die Hauptinspirations-Quelle unser Partner. Leider gibt es vereinzelt Zuschauer, auf die diese Art des Improvisierens irgendwie unimprovisiert, ausgedacht, verabredet wirkt, da sie von zu viel oberflächlichem Alles-Benennen-Improtheater verdorben sind. Aber von diesen Einzelstimmen sollte man sich nicht zu schnell irritieren lassen.
Anfänger finden es oft schwierig, nicht das zu benennen, was direkt vor ihrer Nase stattfindet.

Und so lässt sich das üben:
Zwei Spieler bekommen eine gemeinsame Routine-Handlung.
Aufgabe: Findet ein Thema, das nichts mit der Handlung zu tun hat und vertieft dieses.

Diese einfache Übung eignet sich sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene. Für den Anfang genügen einfache Handlungs-Sequenzen, etwa Fensterputzen. Fortgeschrittene können komplexere, kooperative Tätigkeiten wählen, zum Beispiel gemeinsam ein Zelt aufbauen, gemeinsam jagen, eine Wohnung einrichten.
Richtig komplex aber eben auch schön wird es, wenn die äußere Handlung den Inhalt „kommentiert“, d.h. wenn zum Beispiel zwei Freunde ein Boot putzen und einer der beiden von seiner neuen Freundin schwärmt und währenddessen das Boot-Putzen immer zärtlicher und liebevoller wird.

Und wenn man noch einen draufsetzen will, kann sich die äußere Handlung auf eine dritte Person beziehen, die aber nicht selbst in das Gespräch einbezogen wird, etwa eine Zahn-OP, ein bürokratischer Vorgang oder Gefängnis-Wärter, die die Gefangenen einsperren. 

Nicht jede kleine Irritation thematisieren

Wisse Bescheid! Gerade beim Aufbau einer Szene haben wir es mit vielen Unbekannten zu tun: Wir wissen nicht, wer unser Gegenüber ist, wo wir gerade sind, warum er sich gerade die Hände wäscht und warum er dabei traurig guckt.
Der schlimmstmögliche Spieler würde nun sagen: „Wer sind Sie? Und warum waschen Sie sich so traurig die Hände?“
Um in der Szene voranzukommen, müssen wir positive Annahmen machen. „Positiv“ heißt hier: Bestätigend, normal.
Das heißt, auch wenn ich als Spieler noch nicht weiß, was hier los ist, weiß meine Figur sehr wohl Bescheid. Und dieses Bescheidwissen muss ich auf mich als Spieler übertragen.
Ich weiß, wer mein Gegenüber ist.
Ich weiß, warum er das tut, was er gerade tut.
Seine Handlung ist nicht verboten, störend oder unpassend.
Ich weiß, warum er diese Emotion gerade hat.
Ich weiß, wo wir sind.
Zögernde Spieler tendieren dazu, die Definitionslast ihrem Mitspieler zu überlassen.
Manchmal sind sie aber auch einfach zu höflich: Sie glauben, ihr Mitspieler hätte schon einen Plan, den sie nicht zerstören wollen. Diese Höflichkeit ist zwar ganz nett, hilft uns aber nicht weiter.
Nehmen wir also an, unser Mitspieler beginnt die Szene damit, sich die Hände zu waschen. Wir stehen daneben und haben keine Idee, warum er das tut. Wir können nicht wissen, ob unser Mitspieler weiß, wo er ist und warum er das tut. Aber wir wissen, dass das Publikum es ebenfalls nicht weiß. Und solange das Publikum es nicht weiß, können wir es genauso gut definieren.
„Aber überrolle ich dann nicht meinen Mitspieler?“
Nein, das tust du nicht.
Nehmen wir an, dein Mitspieler hat einen Plan, warum er sich die Hände wäscht, dann ist es eben nur ein Plan. Improtheater geschieht aber im Moment. Und da ist dein Angebot so viel Wert wie seines. Ideen und Pläne zählen nicht. Es zählt nur das, was auf der Bühne geschieht. Ein guter Improspieler wird froh sein über ein irritierendes Angebot, selbst wenn er eine vage Vorstellung hatte.
Es kann aber auch sein, dass dein Mitspieler überhaupt keinen Plan hat. Dann wird er erst recht froh sein über ein Angebot von dir.
„Und wenn mir nichts einfällt?“
Uns fällt nichts ein, wenn das negative Denken den Geist dominiert. Bei vielen Improschülern ist das schon an der Körpersprache zu beobachten. Sie verschränken die Arme, zucken mit den Schultern oder schütteln gar leicht den Kopf.
Negative Körperlichkeit und negativer Geist bedingen sich gegenseitig.
Die gute Nachricht ist: Es funktioniert auch umgekehrt: Positive Körperlichkeit und positiver Geist bedingen sich gegenseitig.
Also:
Entfesselt euch körperlich!
Öffnet die Augen!
Nickt!
Sagt vielleicht sogar leise: „Jaaa!“
Auch ich selbst bin jedes Mal wieder erstaunt, wie schnell dann plötzlich die Assoziationsmaschine anspringt.

Kontrastieren oder Kopieren

Wenn ich als Improspieler einen neuen Impuls in die Szene geben will, stelle ich mir die Frage: „Braucht die Szene mehr vom Selben? Oder braucht sie das Gegenteil?“ Dabei kann ich mein Augenmerk auf verschiedene Elemente der Szene richten, zum Beispiel:
Ist die Szene düster oder leicht?
Sind die Charaktere positiv oder bedrohlich?
Welche Körperlichkeit haben die Charaktere?
An welcher Stelle des impliziten Games befinden wir uns?
An welcher Stelle der Story befinden wir uns?
Ist die Szene laut und derbe oder leise und zart?
Ist die Szene schnell oder langsam?
Die Liste könnte nach Belieben erweitert werden. Entscheidend ist, dass wir hier nicht besonders „inhaltlich denken“. Es sind eher die formalen Aspekte, die uns herausfordern.
Vielleicht verallgemeinere ich etwas, aber als Daumenregel könnten wir sagen:
Die Szene verträgt Kopieren, wenn sie im Aufbau begriffen ist, wenn etwas verstärkt werden muss. Kontraste dienen der Vielfalt.
Wie wir schon besprochen haben, wird das Kopieren oft unterschätzt. Selbst wenn schon vier Spieler in den improvisierten Chor einstimmen, kann man immer noch einen draufsetzen, wenn man als fünfter dazukommt. Und der neunzehnköpfigen Tanzformation hilft auch der zwanzigste noch. Wer die Wucht der Gleichzeitigkeit großer Improgruppen einmal erlebt hat, weiß, was ich meine.
Ein schönes Beispiel für das Kopieren und Kontrastieren von Stimmungen kann man im Horror-Genre, speziell im Sub-Genre Slasher sehen: Eine Gruppe von Teenagern ist zu Beginn total fröhlich und übermütig, bis schließlich der Schrecken über sie hereinbricht. Das Positive kann ihr gar nicht groß genug sein; jeder neu hinzukommende Spieler kann eine neue Facette der Ausgelassenheit einbringen, denn so steigert sich unsere Fallhöhe. Aber es kommt der Zeitpunkt, ab dem diese Positivität der Kontrast des Bösen entgegengesetzt werden muss: Die Szene braucht einen Unhold, die Szene braucht Angst. Wenn das Unheil eine ganze Weile gelaufen ist, können wir wieder Heiterkeit durch Comic Relief einbauen.
Wenn es von der Kopie bisweilen zu wenig gibt, sehen wir manchmal vom Kontrast zu viel. Bleiben wir beim Beispiel des Grusel-Genre. Unsere Teenager-Gruppe betrinkt und befummelt sich fröhlich in der Hütte im Wald. Als ein Sturm hereinbricht, können sie nicht weg, und ein unheimlicher Jäger sucht in der Hütte Unterschlupf. Es wäre nun einigermaßen hirnrissig, die Gruseligkeit des Jägers kopieren zu wollen und außerdem noch einen wahnsinnigen Pfarrer, einen blutrünstigen Grafen, ein experimentierfreudiges Alien und Satan persönlich einzuführen. Der Schauer würde sich eher verflüchtigen als verschärfen. Auch eine Gruppe von sieben unheimlichen Jägern wäre vermutlich etwas albern.  
Kopieren verstärkt die Wucht. Kontrastieren verschärft die Spannung.
Wenn wir auf die abstrakten Elementen der Szene fokussieren, sind wir weniger gefesselt vom Inhalt.
Vor allem wenn man als Spieler im Off steht, hat man einen freien Blick für diese Elemente. Man erkennt schneller, wenn eine Szene noch etwas zusätzlichen Schwung gebrauchen kann (Kopieren ist gefragt) oder wenn sie dazu neigt, im Immergleichen zu verschwinden und Kontrastierungen nötig sind.
Zwei düstere Szenen sind meist mehr als genug – etwas Positives ist gefragt.
Nach einer längeren statischen Szene brauchen wir wieder ein bisschen Energie auf der Bühne.
Wenn wir die Beobachtungstiefe verstärken, können wir innerhalb einer Szene verschiedene Elemente kontrastieren oder kopieren.
In einer Langform mit meinen Kolleginnen Janine und Steffi entstand in einer Szene durch einen minimalen Pantomime-Fehler der Eindruck eines Bürgeramts mit verschlängelten Gängen. Sobald das einmal etabliert war, wurde es kopiert und es entstand eine surrealistische Stadt, in der die Bewohner sich in ihren Häusern nur mit seltsamen Mitteln zwischen den Räumen bewegen: schräg fahrende Aufzüge, Rutschen, Vertikalseile, Röhren usw.
Ein Kontrast durch „normales“ Treppensteigen hätte hier das Game gebrochen.
Auf der anderen Seite wurden die verschiedene Charaktere so breit gefächert wie möglich angelegt. Jeder Figur wurde ein Kontrast gegenübergestellt.

Rechtfertigen als Bloßstellen

Erstaunlich häufig benutzen Improspieler die Technik des Rechtfertigens, um kleine Fehler ihrer Mitspieler oder Unzulänglichkeiten der Szene herauszustellen.

  • Der Spieler soll einen Franzosen spielen und kommt mit dem französischen Dialekt nicht klar. Die Mitspielerin: „Mit dem Dialekt sind Sie aber kein richtiger Franzose, oder?“
  • Ein Spieler bittet zwei Mitspieler ins Auto einzusteigen. Da aber nur zwei Stühle auf der Bühne sind, müssen die beiden hinten stehen. Der Spieler: „Wir haben in unserem extra hohen Auto absichtlich die hinteren Sitze entfernt.“
  • Ein Spieler mimt eine Tasse etwas ungeschickt. Die Mitspielerin: „Na, Sie haben ja eine extrem lange dünne Tasse!“

Bloßstellungs-Rechtfertigen wie in diesen Beispielen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lachern im Publikum. Das Problem dabei ist nicht nur, dass es ein bisschen unkollegial ist, die Mitspieler bloßzustellen, sondern dass diese Formen des Rechtfertigens uns von dem Game oder aus der Story wegführt. Der Improspieler kommentiert das Spiel statt es zu spielen, er stellt sich über das Spiel. Die Zuschauer werden von der Szene abgelenkt und fokussieren nunmehr auf einen minimalen oder auch nur scheinbaren Fehler, den sie sonst hingenommen oder nicht einmal wahrgenommen hätten.

Szenen-Übergänge

Eine Sonderform des Szenen-Endes ist der Szenen-Übergang: In einem improvisierten mehr-szenigen Stück endet die Szene, indem eine neue Szene beginnt.
Die meisten der bereits genannten Techniken können auch für Szenen-Übergänge genutzt werden, insbesondere Black, starke Sätze, Abgänge.
Es kommen aber noch eine Handvoll Techniken hinzu.

Auswechseln

  • Luisa und Fred spielen eine Szene zwischen Lehrerin und Vater eines abwesenden Mädchens. Auf dem Höhepunkt der Szene springt Daniela auf die Bühne, wechselt Luisa aus und spielt mit Fred eine Tochter-Vater-Szene derselben Story.

So weit, so simpel. Die Frage ist nur: Wie deutlich muss und wie subtil kann der Wechsel sein?

Klatsch-Stop-Tip
Dieses Auswechseln ist mit dem einfachsten Impro-Spiel verwandt – dem Stop-Spiel (alias Freeze Tag). Die außenstehende Spielerin ruft: „Stop!“ und/oder klatscht in die Hände. Daraufhin halten die Spieler auf der Bühne inne. Die Auswechslerin tippt ihre Partnerin leicht an, diese geht rasch ab, und die nächste Szene kann beginnen.
Der große Vorteil dieser Technik ist ihre Eindeutigkeit für Mitspieler und Zuschauer. Als Spieler auf der Bühne weiß ich, dass die Szene nun vorbei ist. Und die Zuschauer sind dadurch, dass die Technik höchst transparent ist, Zeugen des amüsanten Impro-Prozesses.
Wenn man auf diese Weise spielt, sollte man sehr, sehr schnell spielen. Es wirkt quälend, wenn man als Zuschauer erleben muss, wie ein außenstehender Spieler die Szene per Stop anhält, dann erst mal einen Augenblick überlegt, wen er denn ablösen will, dann gemütlich auf die Bühne stiefelt und die abgeklatschte Person auch noch irritiert von der Bühne stolpert. Seid hier also flink und klar!

Leichtes Tippen
Stoppen und Klatschen sind zwar eindeutige Zeichen, aber vergleichsweise rohe Techniken. Für erfahrene, aufmerksame Spieler genügt es, wenn die außenstehende Person die Bühne betritt und einen der beiden leicht antippt, um mit dem anderen weiterzuspielen. Denn schon dass sie die Bühne betritt ist für mich als Spieler ein Achtungs-Zeichen. Werde ich dann auch noch angetippt, verdünnisiere ich mich ins Off.

Geschmeidiger Wechsel
Sind sämtliche Spieler auf einem hohen Aufmerksamkeits-Level, kann man sogar auf das Antippen verzichten. In unserem Beispiel würde es genügen, dass Daniela in einem klaren Moment, zum Beispiel nach einem starken Satz von Luise, die Bühne betritt und Fred anspielt, etwa indem sie sich bühnenpositionell vor Luise stellt und den nächsten Satz an ihn richtet. Wenn das Zusammenspiel geschmeidig ist, wird Luise selbst abgehen. Diese Technik erfordert hohe Aufmerksamkeit und ein ähnliches Gespür für Timing, was oft nur durch langes Miteinanderspielen erreicht werden kann. Andererseits ist es auch (ähnlich wie bei guten Jazz-Musikern) unter Impro-Spielern möglich, die noch nie zuvor miteinander auf der Bühne gestanden haben, falls sie ähnlich „ticken“.
Und natürlich kann es Situationen geben, in denen es auch für aufmerksame Spieler nicht eindeutig ist, wer nun abgehen soll. Dann wird einem niemand ein feines kleines Abtippen übelnehmen.
Zwei oder mehr Spieler auswechseln
Die Technik des Spieler-Auswechselns beschränkt sich natürlich nicht auf einen Spieler. Angenommen Daniela will die folgende Szene weder mit Luise noch mit Fred spielen, sondern solo beginnen, kann sie natürlich beide Spieler auswechseln. Sie kann sie abtippen oder ihnen auch per „Bühnenfeger“ das Zeichen zum Verlassen geben.
Die subtile Variante wäre hier: Daniela stellt sich einfach vor die beiden und beginnt ihre Soloszene. Die aufmerksamen Mitspieler wissen bereits bei Danielas Betreten der Bühne Bescheid und verziehen sich elegant.

Mehrere Auswechslerinnen
Was ich hier für eine Auswechsel-Spielerin beschrieben habe, gilt selbstverständlich auch für mehrere. Luise und Fred (oder einer von ihnen) können also von Daniela und Evi (oder noch mehr Spielerinnen) abgelöst werden.
Wenn Evi also den Impuls hat, zusammen mit Daniela die Bühne zu betreten, soll sie sich nicht zurückhalten. Nach Danielas Klatsch/Stop! (oder analog: während ihres Impulses, die Bühne zu betreten) könnten gar zehn Spielerinnen die Bühne füllen – mit oder ohne Fred.
Wenn zwei Spieler im Off Augenkontakt miteinander aufnehmen, um den gemeinsamen Impuls des Wechsels zu erspüren, kann das nur hilfreich sein.
Etwas umstritten ist die Frage, ob es legitim ist, sich aus dem Off oder beim Auf-die-Bühne-Gehen einen Mitspieler herbeizuwinken. Dieser Spielzug ist nicht besonders verbreitet. Manche Spieler empfinden ihn auch als etwas übergriffig, sie vertrauen lieber den eigenen Impulsen. Ich denke aber, dass er durchaus hilfreich sein kann und ein Zeichen des wohlwollenden Miteinanders ist, solange nicht der Herbeiwinker dem anderen komplett die eigenen Ideen aufzwingt.

Hinzukommen
Man mag sich bei unserem Beispiel fragen: Wie können denn Fred und Luise wissen, ob Daniela uns ablösen will oder ob sie die Szene betritt und mitspielt, wenn sie nicht einen von uns abtippt?
Zum einen kann es sich aus der inhaltlichen Dynamik der Szene ergeben. Wenn die Auswechslerin aufmerksam ist, wird sie an einer Stelle die Bühne betreten, die schon einen Anhaltspunkt dafür gibt, ob die Szene zu Ende ist oder ob sie mit einer neuen Figur weitergespielt wird.
Im Improtheater hat sich hier folgende Konvention etabliert:
Betritt die neue Figur hinter den Spielern die Bühne, wird die Szene weitergespielt.
Betritt die neue Figur vor den Spielern die Bühne, beginnt eine neue Szene.
Diese Konvention halte ich für intuitiv und praktikabel. Denn nur wenn die Figur vor mir steht, kann ich das Auswechsel-Angebot richtig deuten. Betritt die Figur hinter mir (also für mich schlecht sichtbar) die Bühne, kann ich mich hingegen darauf verlassen, dass mir demnächst ein entsprechendes Angebot gemacht wird.

Übergänge durch den Erzähler oder Moderator
So wie der Erzähler ein Ende setzen kann, ist ihm natürlich auch ein Übergang möglich. Zwei Sätze genügen schon, um eine Verbindung zwischen beendeter und neuer Szene zu schaffen.
„Irene konnte ihr Glück kaum fassen. Doch als sie am Abend nach Hause kam, erlebte sie eine böse Überraschung…“
Die Rolle des Erzählers ermöglicht es uns darüberhinaus, nicht nur die Übergänge zu markieren, sondern auch Zeit- und Ortswechsel (hier: „am Abend“ und „zu Hause“) anzuzeigen, was die Schauspieler entlastet, die dies nicht pantomimisch oder verbal improvisierend etablieren müssen.
In reduzierter Form kann das in Game-Formaten auch ein Moderator oder Regisseur übernehmen:
„Fünf Stunden später!“
oder
„Zur selben Zeit am Bahnhof!“
Moderatoren oder Regisseure werden also eher intervenieren als ausführlich erzählerisch eingreifen.
Szenen-Übergänge ohne Mitspieler aus dem Off
Nicht immer sind außenstehende Mitspieler zur Hand. Besonders in kleinen Konstellationen kommt es vor, dass niemand im Off steht, der uns „erlösen“ könnte, und am deutlichsten in Zweier-Teams.
Positionswechsel
Wir können einen szenischen Wechsel sehr klar verdeutlichen, wenn beide Spieler gleichzeitig ihre Position auf der Bühne ändern. Das erfordert ein bisschen Übung, vor allem aber ein gutes Miteinander. Beiden Spielern muss klar sein: Jetzt ist es Zeit für einen Szenenwechsel. Was beinahe wie magische Gedankenübertragung klingt, ist im Grunde „nur“ eine hohe Aufmerksamkeit für die Dynamik und den Rhythmus letzter Sätze und für die Körpersprache.
Aber wie kann das Publikum wissen, dass wir nicht in der gegebenen Szene einfach auf eine andere Position gehen? Wir müssen die Positionen in einer anderen Körperspannung wechseln. Wir treten aus der Haltung unseres Characters heraus in unser Schauspieler-Ich, wechseln rasch (ohne zu hetzen) die Position, gehen dort wieder in den alten (oder einen anderen) Character und beginnen die neue Szene.
Die Technik ist nicht allzu schwer, aber man sollte sie ein bisschen ausprobieren.

Hilfestellungen
Eine Szene nur durch Positionswechsel und Character-Ein-und-Ausschalten zu verändern, ist freilich eine subtile Angelegenheit. Wenn man als Duo nicht besonders aufeinander eingespielt ist oder wenn andere Faktoren ablenken (z.B. kleine Bühne, unerfahrenes Publikum), kann man sich durchaus ein paar Hilfestellungen gönnen.
Einer der Spieler kann aus der Rolle heraustreten und als Regisseur den Szenenwechsel markieren: „Zur selben Zeit vorm kaiserlichen Pferdestall.“
Beide Spieler rotieren gleichzeitig um ihre eigene Achse und beginnen eine neue Szene. Ich gebe zu, dass diese Technik ein bisschen dick aufträgt, aber sie ist energiegeladen, optisch wirkungsvoll und recht eindeutig.
Man kann einen deutlichen verbalen Hinweis für einen Ort- oder Zeitwechsel im Dialog verpacken:
„Woher ich diese Narbe habe? Das kann ich Ihnen sagen…“
oder
„Wo mag jetzt wohl Sergej stecken? …“

Wie man eine Szene beendet – Techniken

1. Durch den Techniker

Black
Wenn man einen halbwegs guten Improvisierer an der Technik  zu stehen hat, kann man ihm die völlige Freiheit lassen, durch Blacks, das heißt durch Herunterfahren des Bühnenlichts, Zäsuren zu setzen oder Szenen zu beenden. Die Methode ist alt aber wirkungsvoll und ziemlich elegant, da die Schauspieler Schauspieler bleiben können und nicht in die Rolle des Editors springen müssen.

Licht
Statt das Licht auszuschalten, kann der Techniker auch den umgekehrten Weg gehen und aus einer dunkel beleuchteten Szene in die volle Beleuchtung springen, vielleicht sogar mit Einspiel-Musik. Das ist natürlich eher am Ende einer Show sinnvoll oder als Übergang zwischen Theater-Sport-Szenen.

Vorhang
Einen Vorhang über der Szene zu senken stammt aus der Zeit vor dem elektrischen Licht, ist aber natürlich immer noch eine effektvolle Methode, falls man das Glück hat, in einem großen Theater mit Vorhang zu spielen. Und auch dann würde man wohl nicht nach kurzen Games, sonder nur nach größeren Stücken das Pathos des Vorhangs nutzen.

2. Durch Spieler von außen
Insbesondere in flotten Formaten wie Theatersport oder in game-lastigen Shows dominieren kleine Techniken, die leicht einzusetzen sind und dem Publikum schnell klarmachen, dass hier das Ende der Szene ist (d.h.: Ihr dürft jetzt klatschen).

Handschranke
Derzeit ist die Handschranke wohl die am häufigsten angewandte Methode, eine Szene zu beenden. Ein Spieler von außen oder der Moderator winkt die Szene ab. Daraufhin setzt der Techniker das Black oder die relativ eindeutige Geste steht für sich.

Bühnenfeger
Ein Spieler läuft von außen quer über die Bühne (eventuell kombiniert mit Handschranke) und signalisiert somit sowohl für Mitspieler als auch fürs Publikum das Ende der Szene.

„Ende der Szene!“
Am besten aus dem Off übers Mikro gesprochen, aber auch als verbale Verstärkung der Handschranke.

Erzähler von außen
In Formaten, die mit einem Erzähler operieren, kann dieser leicht mit einer beendenden Formel oder einem entsprechenden Sprachgestus das Ende markieren.

„Ist das Haus von Doktor Nansen wirklich verflucht? Wir wissen es nicht. Aber seit jenen Ereignissen im Frühjahr 2016 hat es niemand mehr zu betreten gewagt.“

oder

„Ich bin ein durchschnittlicher Niemand, ich werd’ den Rest meines Lebens wie irgendein Trottel verbringen.“ (Goodfellas)

Zu beachten

  1. Nach einer temporeichen Szene oder nach einem Gag sollte das Black sehr schnell gefahren werden. Eine stimmungsvolle Szene kann man auch langsam ausblenden.
  2. Respektiert ein von außen gesetztes Ende. Nach einem Black oder einer Handschranke weiterzureden oder gar „Nein, noch nicht!“ zu rufen, ist nicht nur äußerst unelegant, sondern auch ein Blockieren eurer Mitspieler. Egal wie geil eure Idee war, die ihr noch bringen wollt, Publikum und Mitspieler werden sich eher an eure mangelnde Kooperation als an eure tolle Idee erinnern. 
  3. Es ist etwas unelegant, die eigene Szene mit Handschranke zu beenden. Ich rate dazu, das nur im Notfall, zum Beispiel wenn ihr zu zweit spielt, einzusetzen. Den eigenen Schluss-Gag zu behandschranken sollte man lieber seinlassen, da es zu sehr nach „Beklatscht mal bitte meinen tollen Gag“ aussieht.

Szenen selbst beenden

Der Abgang
Ich weiß nicht, woran es liegt, aber aus irgendeinem seltsamen Grunde scheuen die meisten Improspieler davor zurück, eine Szene einfach dadurch zu beenden, dass sie die von der Bühne abgehen. Wollen sie Ihre Partner nicht im Stich lassen? Fürchten sie, das Publikum zu enttäuschen? Oder ist die Bühne irgendwie magnetisch?
Man setzt mit einem Abgang ein starkes Ende, vorausgesetzt, er ist klar und selbstbewusst und wirkt nicht so wirkt als fliehe man vor einer unguten Szene.
Der Abgang ist natürlich auch immer ein Angebot für die Mitspieler und die Techniker – entweder eine neue Szene zu beginnen oder ein Black zu setzen.
Starker Satz
Wenn wir uns Shakespeares Stücke anschauen, sehen wir leicht, wie er die Szenen beendet: Während der Szenen sprechen die Figuren in ungereimten fünfhebigen Jamben . Der Reim hingegen markiert das Ende. Zum Beispiel

Edmund
Den Eifer, mit Vergunst, meld‘ ich sogleich
Dem Herzog, und von jenem Brief dazu.
Dies scheint ein groß Verdienst und soll mir lohnen
Mit meines Vaters Raub, den Gütern allen:
Die Jungen steigen, wenn die Alten fallen. 

Damit ein Satz stark ist, muss er zwei Bedingungen erfüllen:
Erstens sollte er nicht zu offen sein. Eine beiläufig gestellte Frage oder ein Satz aus einem nonchalanten Smalltalk sind nicht kräftig genug. „Das schmeckt ja wunderbar. Kann ich noch etwas vom Obstsalat haben?“ wäre zu sehr Routine-Gelaber. Man muss jetzt nicht in Panik verfallen und das Hirn mit der Suche nach einem starken/guten Satz zermartern. Beruhigt euch: Starke Sätze müssen nicht unbedingt weise, lustig oder smart sein. Sie brauchen lediglich eine gewisse Energie. Im Grunde sind sie nicht besonders schwer zu finden. Man kann zum Beispiel in einem letzten Satz eine Erkenntnis äußern.
„Wenn eine Maschine den Wert des Lebens schätzen lernen kann, dann können wir es vielleicht auch.“ (Terminator II)
oder
„Niemand ist vollkommen.“ (Manche mögen’s heiß)

Man kann das Geschehen der letzten Szene zusammenfassen.

„Louis, ich glaube das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ (Casablanca)

Oder einen in die Zukunft gerichteten Satz sagen:

„Geht, heißt die Truppen feuern!“ (Hamlet)

Zweitens, sollte der Satz gestisch verdeutlichen, dass es sich um einen Schluss-Satz handelt (oder handeln könnte). Ein vielleicht etwas billig scheinender Trick ist, den Satz mit einem gewissen Pathos Richtung Publikum zu sprechen. Wir verstärken das Pathos, indem wir die Stimmhöhe senken, das Tempo drosseln und etwas lauter werden.
ÜBUNG
Zwei Spieler auf der Bühne. Es ist die Schluss-Szene eines langen Stückes, dessen Plot in drei Sätzen vorgegeben wird.
In der Szene werden die letzten zwei bis vier Sätze gesprochen. Diese Sätze sollten nichts erklären, wiederholen oder etablieren, sie können vielmehr ins Blaue behauptet sein, wie bei einem Fernsehfilm, in den man in den letzten Minuten gezappt hat.
Einer dieser Sätze ist der allerletzte Satz und wird Richtung Publikum gesprochen. (Dabei nicht das Publikum direkt anstarren, sondern eher leicht darüber „Richtung Zukunft“.)
Starke Gesten und Handlungen
Der letzte Satz einer Szene muss noch nicht das Ende der Szene sein. Vielmehr kann sie auch mit einer starken Geste oder Handlung enden.

  • In Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ verliert die Marketenderin ein Kind nach dem anderen an den Krieg. Am Ende zieht sie ihren Wagen, den wir während des gesamten Stücks gesehen haben, allein über die Bühne.

Hier machen wir als Zuschauer die Erfahrung von Abgeschlossenheit. Ein Objekt oder ein Ort wird wiedereingeführt und bekommt nun durch die inzwischen abgelaufene Handlung eine neue Bedeutung. Bisweilen kommt es vor, dass man zwar spürt, dass das Stück zu Ende ist, aber man weiß nicht recht, wie man den Sack zuknoten kann. Ein einfacher Trick besteht darin, wieder an den ganz zu Anfang etablierten Ort wieder zu gehen. Fast jeder wird die Abgeschlossenheit dann deutlich spüren.

  • In „Der Pate“ wird die Tür zwischen dem neuen Mafia-Boss, dem gerade ein Capo die Hand küsst, und seiner Frau geschlossen. Ind ihr Blick verrät, dass sie erst jetzt versteht, wen sie da geheiratet hat.

Wir hören vom handküssenden Capo nur die ehrfürchtigen Worte: „Don Corleone!“ Die folgende Geste des Türe-Schließens verstärkt die schockierende Erkenntnis: Der nette College-Boy ist nun ein Mafiaboss und die Frau hat hier nichts zu sagen. Das tragische Ende dieses Liebespaares ist komplett.

  • In Chaplins „The Pilgrim“ läuft der Tramp an der US-mexikanischen Grenze entlang mit einem Bein auf der US-, mit dem anderen auf der mexikanischen Seite. Hier verfolgt ihn das Gesetz, dort verfolgen ihn die Banditen.

In diesem Beispiel ist das Ende eine Mischung aus Klischee und Gag. Das Klischee ist der Tramp, der in die unbekannte Zukunft verschwindet, während die Kamera ausblendet. Der Gag, dass sich Chaplin mit gespreizten Beinen über die Grenze läuft, entlässt die Zuschauer mit einem zufriedenen Lachen.

Demnächst hier: Szenen-Übergänge

Wie man eine Szene beendet – Der Beat

Hier kommt eine kleine Serie zum Thema „Szenen beenden“. Wir starten mit einem Grundbegriff – dem BEAT.

Wenn wir eine Szene sezieren würden und uns die einzelnen Sequenzen anschauen, dann erkennen wir rasch, dass wir es mit kleinen Sinneinheiten zu tun haben. Fast jeder Impro-Spieler, der schon einmal Freeze Tags  gespielt hat, ist eigentlich mit diesem Gefühl vertraut: Es gibt kleinste szenische Einheiten, die schon nach drei oder vier Sätzen vollendet sein können.

„Richie, meine Mutter kommt heute Nachmittag zu Besuch.“
„Gut, Katja. Dann sag ihr bitte, dass sie diesmal meine Glas-Figurinen nicht anfassen soll.
„Sie hat sie doch nur geputzt.“
„Sie soll sie nicht putzen, nicht anfassen, nicht anatmen. Sie soll sie eigentlich auch nicht anschauen.“

Die kleinste szenische Einheit nennen wir einen Beat. In der hier skizzierten Szene könnte man argumentieren, dass der erste Beat sogar schon nach der Bitte, die Glasfigurinen nicht zu berühren, vorbei ist. Das Ende des ersten Beats wäre markiert mit einem starken Angebot: Denn natürlich wollen wir nun sehen, was für ein Typus Katjas Mutter ist, wie sie alles betatscht und gerade für gläserne Objekte einen besonderen Fimmel hat. Der zweite Beat wäre nach „nicht anschauen“ vorbei, was im Grunde ein Gag ist.
Ich weiß, die Definition „kleinste szenische Einheit“ hilft einem erst mal praktisch nicht besonders weiter. Es bedarf einer gewissen Übung, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wo eine Szene beendet werden könnte. Und die beste Übung sind meiner Meinung nach die guten alten Freeze Tags (Stop-Spiel). Bald wird man sehen, dass sich szenische Einheiten immer dann einstellen, wenn eine Routine gebrochen wird.
Schauen wir uns folgendes Beispiel an:

„Richie, meine Mutter kommt heute Nachmittag zu Besuch.“
„Gut, Katja. Lass uns schon mal den Tisch decken.“
„Ja, sehr gut. Ich das Geschirr und du das Besteck?“
„Ja. Und wir können auch schon ein bisschen dekorieren, oder?“
„Klar. Da wird sie sich bestimmt freuen.“

Wir haben hier nichts als Routine. Nichts, was die Prämisse „Mutter kommt zu Besuch“ in einem anderen Licht erscheinen ließe oder was die Beziehung der Charaktere veränderte. Das ist für eine Weile auch nicht unbedingt schlecht, solange wir die Plattform bauen. (Wir etablieren ein freundliches Pärchen, das sich auf den Besuch eines geliebten Menschen freut und ihn liebevoll begrüßt. Die Fallhöhe ist enorm hoch.) Man möchte nur hoffen, dass die beiden sich sehr bald vom Plattformbau und dem dialogisch flachen Gerede verabschieden. Denn bisher gibt es keinen echten Beat. Und wenn die Szene weiter so dahinfließt, wird es auch immer schwerer, einen zu setzen.
Wenn man als Außenstehender merkt, dass die Spieler in der Routine festhängen, ist es sinnvoll, lieber beizeiten einen Beat zu markieren, als die Spieler verhungern zu lassen. Im skizzierten Beispiel:

  • könnte der Musiker nach dem letzten Satz unheildräuende Musik anspielen, um der ganzen Szene eine neue Bedeutung zu geben,
  • könnte eine Spielerin von außen an der Tür klingeln und das zu frühe Eintreffen der Mutter andeuten
  • könnte eine Regisseurin mit dem Satz „Fünf Stunden später“ die nächste Szene einleiten.

Das heißt, wir können die Beats auch von außen markieren, indem wir

  • die Szene emotionalisieren,
  • ihr durch ein neues Angebot eine neue Wendung geben,
  • die Szene beenden.

Wer freut sich auf den Winter?

37 ° Celsius in Berlin. Auf den Bühnen dieser Stadt ist es selten kühler. Gibt es Improspieler, die in dieser Situation eine Winter-Szene improvisieren oder überhaupt einen Character, der friert?
Es gibt überhaupt viel zu wenig Kälte-Szenen auf der Bühne, wahrscheinlich weil es dort tendenziell immer ein bisschen zu warm ist und die Assoziation einfach nicht nahe liegt.

Status und Definieren

Häufig kann man sehen, dass Hochstatus-Charaktere eher den Inhalt einer Szene definieren als Tiefstatus-Charaktere.
Das Phänomen ist durchaus psychologisch nachvollziehbar. Im Tiefstatus verschließen wir uns körperlich und somit auch tendenziell geistig. Die offene körperliche Haltung des Hochstatus lässt die Gedanken eher fließen.
Dieses Problems sollte man sich auf jeden Fall bewusst sein, wenn man in einen Tiefstatus-Character geht. Springe über deine inneren Barrieren und beteilige dich am Aufbau der Szene!

Szenen retten

Wenn du in der Szene bist: Werde körperlich. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass zwei Improvisierer rumstehen und man ihnen beim Nachdenken zusieht. Sobald man nachdenkt, verharrt man in der Starre. Die Bewegung lässt die Blase platzen, in der wir uns bewegen, sie gibt unseren Mitspielern und uns selbst neue Impulse und fürs Publikum wird es in der Regel sofort interessant.
Wenn du außerhalb der Szene stehst: Frag dich, was würdest du als Zuschauer gerne sehen. Denk in Kontrasten: Sind die letzten drei Szenen gerade sehr düster gewesen, komm als happy Character rein. Waren die letzten Szenen langsam, dann bring Bewegung auf die Bühne. Beginne vielleicht mit einem komplett neuen Angebot, das zu einem neuen Game einlädt.
Im Notfall kannst du auch als Regisseur/Autor in die Szene gehen und die Schauspieler z.B. zu mehr Emotionalität auffordern oder eine szenische Anweisung geben: „10 Jahre später“.
Wenn alle Stricke reißen und sowohl Spieler als auch Publikum sich quälen, dann brecht die Szene gutgelaunt ab. Warum nicht? Ihr habt’s versucht. Das Publikum wird euch das verzeihen. Aber eine Stunde Komplettlangeweile, die ihr durchgezogen habt, nur weil „Langform“ auf dem Programm stand, die wird man euch nicht verzeihen.

Originalität und Folgerichtigkeit

Oftmals wird die Frage diskutiert, welche Rolle „Originalität“ im Improtheater spielt. Keith Johnstone lehnt sie bekanntlich ab, und schwört auf das Naheliegende, obwohl es in seinen Szenenbeispielen von Elfen, Monstren, wahnsinnigen Tätowierern und verwunschenen Meerschweinchen nur so wimmelt. Dies begründet er damit, das sei eben „sein Naheliegendes“.
Auf dieses Problem hat Gunter Lösel in seinem Buch Theater ohne Absicht hingewiesen: Die erste Assoziation ist auf Dauer doch ein wenig langweilig. Gerade in der Phase der Assoziation, d.h. im Entwickeln des Ausgangsmaterials können wir ruhig unseren Horizont ein wenig verbreitern, ohne gleich albern zu werden. Angenommen, die Szene startet im so oft vorgeschlagenen Schwimmbad, so müssen wir nicht die zwölftausendste Schwimmlehrer-Schüler-Szene sehen. Andererseits wirken Alien, die plötzlich aus der Rutsche trudeln etwas gewollt, oder in Johnstones Worten „originell“. Aber ich kann den Charakteren, die ins Schwimmbad gehen, eine zusätzliche Eigenschaft geben, z.B. Geheimdienst-Agenten, die über unerklärliche Morde spekulieren. Wenn dann die Aliens auftauchen, wäre es gewissermaßen die logische Folge des bereits Etablierten.
Bei allem Akzeptieren, Ja-Sagen usw., sollte man sich nicht davor scheuen, ein frisches Irritierendes Moment hinzuzufügen.

Klo

Wie oft hat man den Vorschlag „Klo!“ schon abgebügelt. Wie ich hier schon erwähnte, müssen ja nicht gerade Szenen bei Ausscheidungsvorgängen gespielt werden. Stattdessen: Zwei Putzfrauen, zwei Ärzte beim Händewaschen in der Krankenhaustoilette, zwei Mädchen, die sich nachschminken usw.
Bei der vorletzten Probe greifen wir mal die Johnstone-Philosophie bei den Hörnern: Was passiert, wenn man tut, was man sonst bewusst unterlässt? Was also, wenn wir zwei Leute in benachbarten Klo-Kabinen sehen, die tatsächlich ihr Geschäft verrichten. Wunderbare Szenen.
Am übernächsten Tag gleich auf der Bühne. Es funktioniert, wenn man was anderes thematisiert.

Der Beat

Wann editiert (vulgo: abklatscht) man den Mitspieler? Auf den nächsten Beat. Wann ist der nächste Beat? An der nächsten unpassenden Stelle. Nach der Frage, aber vor der Antwort. Nachdem der Mörder das Messer erhoben hat, aber bevor er zusticht. Nachdem der Ehemann seine Frau inflagrant ertappt, aber bevor sie mit ihren Ausflüchten herausrückt.
In jedem Fall: Früher als der Zuschauer es erwartet.

Schlüsse finden

Eine seltsame Scheu erfasst viele Impro-Spieler vor dem Schluss. Vielleicht ist es die Scheu davor, das Werk zu vollenden, nicht mehr zurückzukönnen (ähnlich der Scheu vor dem Abgeben der Dissertation oder Magisterarbeit).
Der letzte Satz der Szene oder des Stücks hat eine große Macht: Er definiert gewissermaßen die Moral des Ganzen – worum ging’s. Aber genau das macht es auch umgekehrt relativ einfach, einen Schluss zu finden: Ab einem gewissen Zeitpunkt kann in einer guten Szene nahezu jeder Satz der Schlusssatz sein. Es ist dann oft weniger eine Frage des Inhalts als des Timing.
Wer auch immer die Verantwortung für das Ende hat – der Lichttechniker, ein Regisseur oder ein Mitspieler – man lauere, wenn die Zeit gekommen ist, auf den ersten starken Satz und beende die Szene. Die Ansprüche für die „Stärke“ dieses Satzes sollten nicht zu hoch sein, oft reicht ein stark gesprochener Satz oder die Lach-Reaktion des Publikums. Dass man nach dem Satz das Ende setzt, macht ihn oft erst zum starken Satz.

Szenenrettung – Statusgleichheit

Versackt die Szene, wenn zwei Spieler im selben Status verharren? Wenn du in der Szene bist, wechsle deinen Status radikal.
Wenn du das von außerhalb der Szene beobachtest, dann geh in die Szene rein und verändere den Status einer Figur. Dafür braucht man nicht einmal den Fokus zu ziehen, es genügt, kurz als Passenger aufzutreten. Beispiel: Die Szene dreht sich um zwei Lehrer. Beide verharren in einem Status, ob Hoch- oder Tiefstatus spielt hier keine Rolle. Ich kann nun als Direktor oder Schüler über die Bühne gehen und es genügt schon, wenn ich mich gegenüber einem der beiden Lehrer statusspezifisch verhalte, ihn etwa respektiere oder missachte.