152. Nacht

Comic-Regal. Elftes Buch von rechts.

Hannes Hegen: MOSAIK. Die Digedags in Amerika

Erworben: Irgendwann in den 80ern oder 90ern ging dieser Comic vom Besitz meiner Schwester in den meinen über. Sie interessierte sich einfach nicht dafür.
Status: Mehrfach gelesen.
Erster Satz: "An der Mündung des gewaltigen Mississippi, des Vaters der Ströme, liegt New Orleans."
Kommentar: Die ersten Mosaik-Hefte sah ich im Alter von drei Jahren, und es war Liebe auf den ersten Blick. Mrs. Jefferson ("Die Dicke", wie sie in unserer Familie hieß), der Oberschurke Coffins, der starke Pedro, der Bootsmann Smoky, ich hatte sie alle in mein Herz geschlossen. Das Problem war nur, dass die Hefte sehr schwer erhältlich waren. Abos wurden vererbt. Wenn ein neuer Monat begann und ein neues Heft erschien, musste man möglichst früh am Kiosk danach fragen. Die Amerika-Serie ist eine äußerst gelungene Odyssee, die ein reiches Panorama Nordamerikas in den Zeiten des Bürgerkrieges zeichnen: Sklaverei, der Bürgerkrieg, Konflikte mit den Indianern, Goldrausch, Kalifornien, die Schwierigkeiten der westlichen Erweiterung, Panama, Piraterie. Die Digedags selber sind dabei weniger die Helden im eigentlichen Sinne als das Medium, durch das wir diese Reise miterleben. Besonders an Hegen mochte ich den etwas schwerelos anmutenden Stil. Zeitweise glaubte ich wirklich, dass man mit einiger Mühe vier Meter hoch springen könne. Später kamen die Folgen als Bücher heraus. (Von meinen Heften besitze ich kein einziges mehr.) Aus irgendeinem unerklärlichen Grund fehlen in jedem Buch zwei bis vier Seiten, was mit drucktechnischen Problemen allein nicht zu rechtfertigen ist. Hegen selbst gilt übrigens als schwieriger Typ. Aber das ist mir gleich. Wer solch schöne Sachen gemacht hat, kann kein böser Mensch sein. Dem Mosaik ist übrigens eine eigene WIKI gewidmet. Dort findet man auch ein paar Fehler, die mich schon als Kind irritiert haben: Z.B. sprechen die Mexikaner ein Mischmasch aus Spanisch und Italienisch!
Die ersten Folgen der Abrafaxe in Venedig und Österreich kann man noch als gelungen betrachten. Später, ab der Spanien-Folge wurde es nur noch ein Dahingewurschtel. Meine Vermutung, die Serie folge keinem richtigen Skript mehr, sondern würde nur noch Folge für Folge konzipiert, bestätigte einer der Autoren in einem Interview in den 80ern.

***

Die Geschichte vom Sakerfalken und den Raubvögeln

Ein Sakerfalke war ein rechter Tyrann unter den Vögeln. Als seine Stärke ihn verlässt, muss er die Überreste dessen fressen, was ihm die anderen Vögel übriglassen

Da beruhte denn seine Kraft auf List, nicht auf wirklicher Stärke.

(Geschichten, die keine sind)

*

Und so wäre auch der Fuchs, meint der Rabe. Und er erwähnt auch die Geschichte vom Sperling.

"Wie erging es denn dem Sperling?"

Die Geschichte vom Sperling und dem Adler

Ein Sperling beobachtet einen Adler, der ein Lamm fängt. Er versucht, es diesem gleichzutun, verfängt sich aber in der klebrigen Wolle und wird vom Hirten gefangen und seinen Kindern gebracht:

"Dies ist einer, der es einem Höheren gleichtun wollte und dadurch ins Verderben geriet."

Erinnert mich an eines meiner Lieblingsgedichte von Brecht:

Es war einmal ein Adler
Der hatte viele Tadler
Die machten ihn herunter
Und haben ihn verdächtigt
Er könne nicht schwimmen im Teich.
Da versuchte er es sogleich
Und ging natürlich unter.
(Der Tadel war also berechtigt.)

*

So könne es dem Fuchs auch ergehen, meint der Rabe. Der Fuchs wendet sich zähneknirschend ab.

"Ich knirsche nur deshalb mit den Zähnen, weil ich gesehen habe, dass du ein größerer Halunke bist als ich!"

Ende

***

Die Geschichte vom Igel und den Holztauben

Ein Igel bestiehlt eine Holztaubenfamilie, indem er sie zu asketischem, opferreichem Lebenswandel überredet und die Ernte selbst einfährt. Als der Holztauber bemerkt, dass er hereingelegt wurde, sagt er dem Igel:

Hüte dich vor Lug und Trug, auf dass es dir nicht ergehe wie es einst den beiden Gaunern erging, die den Kaufmann überlisten wollten!" "Wie war denn das?", fragte der Igel.

Die Geschichte vom Kaufmann und den beiden Gaunern

Einem Kaufmann folgen zwei Leute,

die zu den Schelmen gehörten.

Sie wollen ihn überfallen und einer dann dem anderen die Beute abluchsen und so vergiften sie sich gegenseitig.

Ende.

Die Geschichte vom Igel und dem Tauber, der diese Geschichte ja als Gleichnis erzählt, wird nicht wieder aufgegriffen.

***

Die Geschichte vom Dieb und dem Affen

Ein Dieb zieht mit einem Affen über den Markt, mit welchem er die Kaufleute ablenkt und einem von ihnen die Ware stiehlt und sie einem anderen Kaufmann weiterverkauft. Dieser trägt das wertvolle Tuch heim und seine Frau schilt ihn wegen der Hehlerei mit dem  Gleichnis vom Weber

Die Geschichte vom törichten Weber

Ein armer Weber überlegt, wie er ein schöneres Handwerk haben könne,

"das weniger Mühe macht, das höher geachtet und besser bezahlt wird, so würde ich mir auch prächtige Gewänder kaufen und mehr geachtet werden."

Auf einem Fest versucht er dann, es einem viel beachteten Gaukler gleich zu tun, kommt dabei zu Fall und bricht sich das Genick.

*

Der hehlerische Kaufmann hört nicht auf die Warnungen seiner Frau,

sondern fuhr fort, Waren zu erstehen und gewöhnte sich daran, von Dieben unter Preis zu kaufen, bis dass Verdacht auf ihn fiel und er umkam.

***

Die Geschichte vom Pfau und vom Sperling

Die Vögel versammeln sich:

"Wir sind jetzt so viele geworden, und viel Streit ist unter uns entstanden. Darum müssen wir einen König haben, der für unsere Angelegenheiten sorgt; dann werden wir uns einig sein, und der Streit wird aufhören."

Bemerkenswerte unausgesprochene Prämissen.

Der Sperling schlägt den Pfau vor, welcher ihn zu seinem Sekretär und Wesir ernennt. Bald darauf entdeckt er einen Vogelfallensteller in der Nähe seines Nests und meldet dies dem Pfau, der ihn beruhigt. Später gerät er ins Netz. Er zitiert darauf einen Dichter:

Was nicht geschehen soll, geschieht auch nie durch Listen;
Doch was geschehen soll, das wird geschehen.
Ja, was geschehen soll, geschieht zu seiner Stunde;
Allein ein Tor kann es doch nie verstehen.

Ende

***

Der König erbittet ein weiteres Märchen, und erstmals bittet Schehrezâd um Aufschub:

"In der kommenden Nacht, wenn der König, dem Allah Macht verleihe, mich am Leben lässt."

151. Nacht

Das Regal Comics:

Das elfte Buch von links:

Planned Parenthood Association Ghana (PPAG): "Questions Teenagers Ask"

*

Erworben: August 1997 im Büro der PPAG in Kumasi, Ghana.
Status: Komplett gelesen
Erster Satz: "How are babies made?"
Kommentar: Den Sommer 1997 verbrachte ich in Ghana. Hauptsächlich in der Region Ashanti für eine soziologische Untersuchung: "Male involvement in family planning in the rural areas of Ashanti". Die Broschüre äußerst simpel und vereinfachend. Sie steht im Comic-Regal, einfach weil sie einer gewissen Komik nicht entbehrt.

***

Die Maus bietet dem Floh Obdach und überredet ihn, den Mann heftigst zu stechen, so dass dieser nach dem Floh suche und sie dessen Golddinare, die er unterm Kissen verbirgt, stehle. Der Floh willigt ein. Ende.

Fragt sich, was die Tiere mit Golddinaren wollen.

Der Fuchs begründet gegenüber dem Raben diese Geschichte: Es könne auch ungleiche Freundschaften geben. Der Rabe wendet ein, der Fuchs würde, wenn es einmal anders käme, sich gegen ihn wenden, so wie er es mit dem Wolf getan, mit dem er schließlich verwandt sei.

Die Querverbindung zur Geschichte der vorigen Nacht ergibt keinen rechten Sinn, da die Geschichte vom Fuchs und dem Raben ganz anders eingeführt wurde.

"Ich kann dich und mich nur mit dem Sakerfalken und den Raubvögeln vergleichen. Als der Fuchs fragte: "Wie war denn das?", erzählte der Rabe

Die Geschichte vom Sakerfalken und den Raubvögeln

150. Nacht

Das elfte Buch von rechts:

Anthologie: "Vor Witwen wird gewarnt"

*

Erworben: ca. 2000. Es lag irgendwo kostenlos zum Mitnehmen rum.
Status: Erste Seite gelesen und dann weggelegt. Warum eigentlich nicht weggeschmissen? Vielleicht weil ich gelehrt wurde, mit Büchern jeder Art achtsam umzugehen?
Erster Satz: "Es war so ein Sommertag, an dem man sich schon morgens das Gewitter herbeiwünscht." Kommentar: Es war so ein Buch, bei dem man sich schon beim ersten Satz das Ende herbeiwünscht.

***

Der Fuchs begründet die Verweigerung weiterer Hilfe mit der Geschichte der Schlange, die ihrem Beschwörer entfloh und am Busen eines Mannes Zuflucht fand, den sie zum Lohn totbiss. Nach dem die vom Fuchs herbeigerufenen Winzer den Wolf totgeschlagen haben, endet der Fuchs mit dem Gedicht:

Das Schicksal nahm die Seele des Wolfes hinweg, sie entschwebte –
Weit, weit sei diese Seele, die jetzt ihr Ende fand!
Wie hast du dich, o Wolf, gemüht, mich zu verderben –
Heut kam zu dir das Unheil und bleibt an dich gebannt.
Du fielst in eine Grube, in die niemand gerät,
ohn dass er spürt, wie dort der Hauch des Todes weht.

Beachtlich an der langen, recht banalen Geschichte ist die augenfällige Ähnlichkeit mit den deutschen Isegrimm und Reineke. Anscheinend wurde das Bild für diese beiden Charaktere vom Orient nach Europa übermittelt, nicht umgekehrt.

***

Die Geschichte von der Maus und dem Wiesel

Ein mit einer Maus befreundetes Wiesel raubt Sesamkörner, die eine Frau für einen kranken Mann enthülst hat, als es dabei erwischt wird, bringt es die Sesamkörner zurück und stiftet die Mas an, stehlen zu gehen. Diese wird von der Frau erschlagen.

Die Story wird auf zwei Seiten erzählt. Sie erinnert mich an den Mauswieselfall und den umgekehrten Mauswieselfall. Mit diesen Fällen wird Jura-Studenten in den Repititorien der Sinn für strafrechtliches Denken eingebläut: "Wilderer T erlegt ein Mauswiesel (jagd­bares Tier nach § 2 I 1 BJagdG und damit Wild im Sinne des § 292), hält das Tier für eine Maus, glaubt aber, auch Mäuse zu jagen sei verbotenes Unrecht; der Irrtum beginnt mit einem Tatbestandsirrtum, zu welchem ein strafloses Wahndelikt tritt. – Im umgekehrten Mauswieselfall (T erlegt eine Maus, hält sie für ein Mauswiesel und meint, er begehe kein Unrecht) ist der Versuch die Basis, auf der der Verbotsirrtum beurteilt werden muss; da § 292 aber keine Versuchsstrafbarkeit kennt, kommt man nicht erst zu § 17."

***

Die Geschichte vom Raben und der Katze

Eine Katze und ein Rabe schließen Freundschaft. Eines Tages werden sie von einem Panther angegriffen, die Katze appelliert an die Freundschaft des Raben:

Der ist der echte Freund, der bei dir bleibt,
sich schadet, um dir Vorteil zu bereiten;
Der, wenn des Schicksals Laune dich vertreibt,
Sich für dich hingibt, um dich heim zu leiten.

Eine seltsame Freundschaft, die den Tod des anderen fordert und mich an den Witz erinnert, bei dem Carter, Breschnew und Honecker im Flugzeug sitzen. Als sie über die USA fliegen, springt Carter aus dem Flugzeug: "Ich sterbe für mein Vaterland." Später fliegt das Flugzeug über die DDR. Honecker schmeißt Breschnew raus: "Deutsch-Sowjetische Freundschaft."
Unlustig. Ich weiß. Aber ich war zehn. Ich brauchte den Witz.

Der Rabe lenkt tatsächlich die Aufmerksamkeit der Hunde auf sich, fliegt zum Panther und die Hunde und Bauern töten diesen. Ende.

***

Die Geschichte vom Fuchs und vom Raben

Ein Fuchs leidet dermaßen an Hunger, dass er seine Jungen auffrisst, sobald sie ihm geboren werden. Er bittet den Raben um Freundschaft. Dieser wendet ein, dass es eine Freundschaft zwischen einem Fresser und einem, der gefressen wird, kaum geben könne. Doch der Fuchs erzählt

Die Geschichte vom Floh und der Maus

Ein Mann wird von einem Floh gebissen. Als seine Sklavinnen nach dem Floh suchen, flieht dieser in ein Mauseloch.

149. Nacht

Ein Regal mit Anthologien und uneinordenbaren Büchern zwischen Sachbuch und Belletristik.

Das elfte Buch von links:

„Ebersbach/Sa., Informationsbroschüre mit mehrfarbigem Stadtplan“

Erworben: Dezember 2005 im Ebersbacher Heimatmuseum auf dem Schlechteberg.
Status: durchgeblättert, wie man das eben bei Informationsbroschüren tut
Erster Satz: „Verehrte Gäste, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, mit dieser überarbeiteten Broschüre erhalten Sie eine Orientierungshilfe für Ebersbach/Sa., ganz gleich ob in öffentlichen, gewerblichen oder kulturellen Bereichen.“
Kommentar: Nicht viel mehr als eine Erinnerung. Bis zum Jahr 1979 war ich jährlich zwei Mal in Ebersbach. (Das „Sa.“ steht übrigens für Sachsen und wurde schon zu DDR-Zeiten immer mitgeschrieben, obwohl es das Land Sachsen eigentlich nicht mehr gab.) Winter- und Sommerurlaub in Ebersbach. Meine Großeltern wohnten in einer winzigen „guten Stube“, zur Küche über den Hausflur, den sie sich mit den Vermietern und Fräulein Schuppcher teilten. Fräulein Schuppcher, die Greisin musste sich täglich demütigen und einen Eimer Wasser bei meinen Großeltern aus der Küche erbitten. Man schlief auf dem Dachboden, in dem mehr oder weniger provisorisch zwei Schlafkammern eingerichtet waren, deren Geruch ich noch heute imaginieren kann. Im Schlafzimmer der Großeltern hingen zwei Mäcki-Bilder, die ich für außerordentlich exotisch hielt. Überhaupt schrieb ich alles Seltsame der Region zu, die sich ja schon durch eine völlig unverständliche Mundart ins provinzielle Abseits bugsiert hatte.


1972


1972


1972

Ebersbach im Dezember 2005


Bahnhof


Der enge Weg unter der Brücke

Das frühere Wohnhaus meiner Großeltern. Jetzt mit Spiel-Kneipe. Links der Bäcker.

Skilift zum Schlechteberg


Das Filmtheater, in dem ich bestimmt 40 Filme gesehen habe


Das Haus, in dem früher die Kneipe „Eiche“ war.

Schlieders Garten, in dem die beiden Fotos oben aufgenommen wurden.

Weil meine Mutter nicht von ihrer Oberlausitzer Gewohnheit lassen konnte, den Diminutiv mit dem Suffix -l an jeder passenden und unpassenden Stelle zu verwenen, bezeichnete ein Freund meiner Eltern später den Schlechteberg (Wahrzeichen Ebersbachs) als „Geschlechtl-Berg“.

center

***

Der Fuchs sinnt nun auf Rache. Und als er eines Tages die Falle eines Winzers hinter einer Mauer entdeckt, führt er den Wolf dorthin und lässt ihn hineinstürzen. Es folgt eine lange Diskussion zwischen den beiden, in denen der Wolf darum bittet, man möge ihm vergeben. Der Fuchs bleibt jedoch schadenfroh
Sie spicken ihre Argumente mit Gedichten, Sprichwörtern und der Fuchs schließlich auch mit der

Geschichte vom Falken und vom Rebhuhn

Einem Falken entwischt ein Rebhuhn. Er überredet es, aus seinem Versteck zu kommen, da er Körner für es habe. Es folgt ihm und er verspeist es, stirbt aber an Vergiftung. Ende.

Da der Wolf nun völlig zu bereuen scheint, hält ihm der Fuchs den Schwanz ins Loch. Aber statt sich daran herauszuziehen, zieht der Wolf den Fuchs mit hinein.

Haben doch die Weisen gesagt: „Wenn einer von euch seinen Bruder schmäht, weil dieser an den Zitzen einer Hündin säugt, so soll er auch daran saugen.

Blöd nur, dass jetzt beide zugrunde zu gehen scheinen. Der Fuchs schlägt nun dem Wolf vor, er möge sich auf die Hinterbeine stellen, der Fuchs spränge dann heraus und holte Hilfe.
Tatsächlich flieht der Fuchs und lässt ihn wissen, dass ihm nun sein Traum klar würde, den er sich von einem Deuter habe deuten lassen.

Nicht nur beten die Tiere zu Allah, sie haben auch Traumdeuter… Weiterlesen

148. Nacht

Das elfte Buch Nummer von rechts aus dem Regal Theaterstücke und Märchen:

Gustav Schwab: Deutsche Heldensagen

Erworben: Unklar.
Status: einige der Sagen gelesen.
Erster Satz: In jener alten Heldenzeit, da König Artus in Britannien mit seinen edlen Rittern Tafelrunde hielt, wohnte in den Niederlanden ein König mit Namen Sieghard, dessen Gemahlin einen einzigen Sohn hatte.
Kommentar: Schwab hat sich ja einerseits um die Verbreitung der Sagen verdient gemacht, andererseits ist ihm auch eine gewisse Verkitschung nicht abzusprechen. Von der üblen Deutschtümelei mal ganz abgesehen.

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Die Geschichte vom Einsiedler und den Tauben

Ein frommer, ständig betender Einsiedler lebt mit einem Taubenpärchen zusammen, welches viele Nachkommen hat. Als der Einsiedler stirbt, zerstreuen sich die Tauben.

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Die Geschichte von dem frommen Hirten

Ein Hirte lebt auf einem Berg mit Schafen und Ziegen und wird von Raubtieren verschont.

Klingt nach Schneewittchen – die reine Unschuld wird auch von Raubtieren respektiert.

Allah lässt ihn als Prüfung erkranken und schickt ihm einen als Frau getarnten Engel, der ihn verführen soll.

Die göttliche Prüfung ist ein Schema, das ich nie verstanden habe: Jesus wird zum Beispiel vom Satan versucht. Hiob durch Gott geprüft. Sind Engel und Teufel nur Agenten Gottes? Und wenn ja, dann kann doch der Teufel so bös auch nicht sein, wenn er denn Gottes Werkzeug ist. Oder Gott nicht so gut, wie immer behauptet wird. Oder die Unterteilung gut/böse stimmt nicht.

"Ich selbst biet mich dir an, weil du der weiblichen Dienste bedarfst; und wenn du mir beiwohnst, so wird deine Krankheit von dir weichen, und du wirst es bereuen, dass dir bisher in deinem Leben soviel von dem Verkehr mit den Frauen entgangen ist."

Aber ganz dem sexualfeindlichen Moralkodex gehorchend lehnt der Fromme ab.
Ein nicht weit entfernt wohnender Gottesmann erfährt von jenem frommen Hirten und will ihn aufsuchen. Als er den Berg besteigt, fliehen jedoch die Tiere vor ihm. Dies beklagt er, und wandert weiter zu dem Hirten, bei dem er in Gottesfurcht lebt, bis sie irgendwann sterben.

***

Da sprach der König: "Oh Schehrezâd, du hast mich nun schon gelehrt, meine Königsherrschaft für eitlen Tand zu erachten und die Hinrichtung so vieler Frauen und Mädchen zu bereuen! Sag, weißt du noch eine Geschichte von den Vögeln?"

Eigentlich könnte die Rahmenhandlung hier aufhören. Schehrijâr ist bekehrt. Ende gut, alles gut. Aber schließlich ist ja Schehrezâd seine Gattin und noch nicht am Ende ihrer Mission.

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Die Geschichte vom Wasservogel und der Schildkröte

Ein Wasservogel entdeckt in einem Fluss einen menschlichen von Lanzenstichen entstellten, aufgequollenen Leichnam, der auf einen Fels gespült wird. Er will sich gerade von ihm ernähren, als ein Geier und ein Adler herbeifliegen, und der Wasservogel nimmt Reißaus. Auf einer Insel eines anderen Flusses trifft er eine Schildkröte, die ihn in seinem Kummer tröstet. Lange Zeit später fliegt er wieder zu dem Felsen, der Mensch besteht nur noch aus Knochen, die Raubvögel sind verschwunden. Die Schildkröte zieht mit ihm.

Unklar, ob er sie trägt oder ob sie jahrelang kriecht.

Sprichwort: Die Welt ist die Stätte dessen, der keine Stätte besitzt, und nur der lässt sich von ihr betören, der keinen Verstand besitzt.

Die beiden leben nun glücklich, bis ein hungriger Falke den Wasservogel tötet.

Und so hatte ihm auch seine Vorsicht nicht mehr genützt, als seine Zeit erfüllet war. Der Grund aber, weshalb er getötet wurde, war der, dass er es versäumte, Gott zu preisen.

***

Schehrijâr bittet um eine Geschichte über die Tiere des Feldes. Schehrezâd beginnt.

Die Geschichte vom Wolf und vom Fuchs

Der mit dem Wolf lebende Fuchs ermahnt eines Tages den Wolf, es nicht zu weit zu treiben, der Mensch könne ihn womöglich überlisten. Der Wolf antwortet:

"Wie kommst du dazu, über große und wichtige Dinge zu reden?" Dann gab er dem Fuchs einen Schlag auf die Backe, dass er bewusstlos niederfiel.

Und nicht etwa der Wolf, sondern der Fuchs entschuldigt sich:

Hab ich denn eine Sünde früher einmal begangen
Aus Liebe zu dir, und hab ich getan, was nicht frommt,
So reut mich mein Vergehen, und möge deine Verzeihung
Den Sünder umfassen, wenn er Vergebung erbittend kommt.

Ein Schelm, wer dabei an Didi und Stulle von Phil Tägert denkt

147. Nacht

Buch Nummer Elf von links aus dem Regal Theaterstücke und Märchen:

Gerhart Hauptmann: Der Biberpelz. Eine Diebskomödie

Erworben: Unklar.
Status: Reingeblättert.
Erster Satz: "Adelheid!"
Kommentar: Durch das vordergründige Berlinerisch, das einem heute noch in falsch klingenden Kolumnen der Berliner Zeitung oder der Morgenpost so widerlich serviert wird, werde ich jedes Mal derart abgeschreckt, dass ich nicht über Seite 2 hinauskomme.

***

Die Pfauenhenne rät der Ente, bei ihnen zu bleiben, und diese willigt nach einigem Zögern ein, bis eine Staubwolke aufwirbelt und eine Antilope auftaucht, die vor den Menschen flüchtet und sich, als sich der Schreck von Pfauin und Ente gelegt hat, nun auch auf der Insel niederlässt. Sie leben glücklich, bis ein Schiff kommt: Pfauin und Antilope fliehen, doch die Ente wird geschnappt. Dann leben Pfauin und Antilope bis ans Ende ihrer Tage.

Das könnte man verbuchen unter "Geschichten, die keine sind". Wichtiges Kriterium des konventionellen Storytelling ist die Wiedereinführung des einmal eingeführten Materials. Man fragt sich hier: Was soll das?

 

146. Nacht

Die Gedichte teilweise doch etwas ungeordnet. An elfter Stelle von links:

Francois Villon: "Die sehr respektlosen Lieder des Francois Villon"

Erworben: ca. 1992
Status: Innerhalb von zwei oder drei Tagen gelesen
Erster Satz: "Als ich, Francois Villon, noch ein Scholar
und fünfundzwanzig Jahre war,
hat freien Willens mein Verstand,
bar aller Leidenschaft erkannt,
dass man betrachte, was man tat,
wie es Vegetius erzählt,
der Große mit dem weisen Rat,
sonst hat sein Leben man verfehlt.

Kommentar: Das Buch ist nun ziemlich mitgenommen: Mehrere Wochen mit mir getragen und immer wieder darin begeistert geblättert.

***

Die Geschichte von den Tieren und dem Menschen

Ein Pfauenpärchen zieht aus Angst vor wilden Tieren auf eine Insel. Eine Ente flüchtet zu ihnen, aus Angst vor den Menschen.

"Allah sei gepriesen", rief die Ente, "Er der Kummer und Gram jetzt bei euch von mir nahm, da ich um eure Freundschaft zu gewinnen kam!"

Was ist das für eine Ente, die Allah preist?!

Sie berichtet nun, dass sie einen jungen Löwen getroffen habe, diese dann einen Esel, ein Pferd, ein Kamel, und schließlich ein alter kleiner Mann.

Ganz wie die Bremer Stadtmusikanten.

Alle beklagen sich über die Gefährlichkeit des Menschen. Alle bitten den Löwen um Schutz, und der alte Mann bietet ihm sogar an, ihm ein Haus aus den Brettern zu bauen, was er eigentlich dem Panther versprochen hatte.

Man ahnt, was geschieht:

Eilends legte er den Deckel über die Öffnung und nagelte ihn fest. Da schrie der Jungleu.

Die Ente entfernt sich und beobachtet, wie der Mensch den Löwen in eine Grube legt und die Kiste verbrennt.


Löwe in Flammen