Übergang

Der Spätsommer bleibt noch im Ungefähren,
fährt der Schwänin unters Federkleid,
so dass sie sich noch einmal räkelt und zappelt.
Gnädig spendet er warme Tage wie Kleingeld,
die Mücken, wie aus dem Halbschlaf erwacht,
zu unmotiviert, mich beherzt zu stechen.
Die Frühlingslieben werden jetzt sich entscheiden,
ob sie den Spätherbst gemeinsam verbringen.
Und eins der Schwanenküken
ging doch schon verloren.
Die Übrigen trainiern ihre Flügel.

(9.9.2021)

Symptome (Corona 29)

Hart im Blick und lätschig in der Birne
– zwei übersehne Folgen der Pandemie.
Wo einst klare Zärtlichkeit, herrscht nun
trübsinnige Feindschaft.

Wir haben verlernt, nicht übereinzustimmen
und doch Freunde zu bleiben, wenngleich auf Distanz.
Der Krebs des Unmuts breitet im Magen sich aus.
Mit Freundlichkeit sollt’ man sich impfen.

Krim ’94

Und als ich damals keine Münze
schleuderte ins Schwarze Meer,
als ich nicht wehmütig zurückschaute
auf die sanften Wellen am geliebten Strand,
als ich den Zug in Simferopol
mit Bitterkeit bestieg und flüsterte: Poka!,
da wusste ich: Der Abschied ist für immer.

Was ich nicht ahnte, als durch schmutzige Scheiben ich starrte:
Der eignen Jugend sagte ich Adé.

Partisan

Die Wunden schwarze Löcher.
Ohne Heimat sterben
gönnt man doch keinem, nicht wahr?
So pflegten wir ihn, wie wir’s konnten,
mit tröpfelnder Hoffnung im Bauch
und Angst man würde ihn finden
und ihn erwürgen.

Im Juni stand er auf und ging
ohne ein Wort
und gab keinen Blick,
als gehörte Undank zu seiner Sorte
wie der Stein zur Pflaume.

Genuss

Einatmen, ausatmend seufzen.
Kein Andres jetzt existiert.
Der Geist ist wach und doch unbewusst übermannt vom gewaltigen Schauer.
Licht und Wärme und Harmonie und ein samtiger Kitzel.
Es schwillt und quillt, und du bleibst ganz und gar fokussiert.
Alle Morgen und alle Gestern verschmelzen in diesem Moment.

Geradheit

bereit, sich niemals aufzugeben, wie’s auch kommt,
so schlackerten nun die dürren arme, das haar zerzaust
zeugte von kämpfen, die er selten gewann.

die freunde wussten, auf ihn können wir uns verlassen,
der steht zu einem, komme was da wolle, doch viele
freunde waren ihm nicht geblieben.

ehrlichkeit währt am zweit- oder drittlängsten
geradheit ziert den, der den sturm überlebte
wenn du’s überlebt hast, lieben wir dich.

Dachbodenfreundschaft

Genascht Konfitüre aus staubigem Fach
auf dem Boden des Daches klammheimlich zu zweit.
Und Hefte und Schachteln, ein Hakenkreuz.
Die Sonne streng durch das Dachfenster strahlt.
Wir, in dem Glauben, es wär uns verboten,
nach immer größeren Schätzen gespäht,
nicht ahnend, der größte war hier und jetzt
der Augenblick
des wahren, gemeinsamen Abenteuers
der zwei Freunde,
die sich viel später erst wiederbegegnen
fast vierzig Jahre
und kurz nur nickend sich grüßen.

Höflichkeit

In leichten Zeiten grüßt sich’s deutlich leichter.
Das Lächeln hat mir mein Gemüt gebastelt.
Der Hass des Andern bleibt im Sommer ziellos.
Wie kann der Tanzende unhöflich sein!
Doch wenn die scharfen, kalten Winterwinde
sich unbarmherzig drängen in die Seele,
dann braucht es freilich Erdung und auch Übung,
die immerhin das Standardlächeln freigibt.
„Guten Tag!“, „Pardon!“ „So ist es Recht.“
Wenn diese sich nicht leicht gebären lassen,
so sei es unter Wehen. Hilf, Vernunft!
Denn ohne Höflichkeit, dies alte Schmieröl,
blieb ich in meinem Käfig ewig sitzen.

Zweifel

Wenn du von schönen Zeiten sprichst,
in die wir gleiten, sobald unsre Gegner
vernichtet sind,
zweifle ich.

Wenn du von Schwingungen sprichst
und davon, dass ich meine Zweifel
über Bord werfen soll,
zweifle ich.

Wenn du von deiner Liebe sprichst,
die alle Grenzen zwischen uns
überwindet,
zweifle ich
nicht.