All fits one?

Jeder hat sein kleines Päckchen, andem er sich abarbeiten kann und das wohl in irgendeiner Form immer wieder auftauchen wird: Akzeptieren, Schauspiel, starke Angebote, Storytelling…
Ist es da nicht bescheuert, alle Impro-Lernenden dieselben kurse und Übungen machen zu lassen?
Wer eine gute Schauspielschule besucht hat, kann vielleicht eine Lektion im Ja-Sagen vertragen, aber dass man dem Publikum nur in Ausnahmesituationen den Rücken zuwendet, braucht man ihm nicht zu sagen. Einem Impro-Talent, das gerade die ersten Schritte auf der Bühne macht, aber schon.

Alle zu Bühnenprofis machen?

Im Grunde ist es ja völliger Quatsch anzunehmen, dass jeder, der eine Reihe von Improkursen belegt hat, auf die Bühne muss. Ich möchte sogar sagen, dass ein Drittel der Improschüler den Kurs belegt haben, weil sie sich für unspontan halten, von extremem Lampenfieber geplagt sind usw.
Sicherlich helfen ihnen die Kurse, diese Furcht abzulegen, aber können wir glauben, dass jeder von ihnen ein Bühnengenie ist?

Falsch! Das ist ein Fissss!

Noten, Noten, Noten! Meine Instrumentallehrer haben mich nie ermutigt, meine Instrumente auszuprobieren, zu schauen, was man ihnen entlocken kann. Dass Etüden auch Spaß machen können. Worum es überhaupt geht, wenn man einen Ton lange auf der Klarinette aushält.
Das wird mir eigentlich erst jetzt bewusst, als ich mir mal eine Alt-Blockflöte (nie vorher gespielt) zur Hand nehme und höre, wie unterschiedlich die Töne klingen.

Mitspielen beim Unterrichten

Mitspielen beim Unterrichten war immer tabu für mich gewesen. Warm-Ups OK, Demonstration von Übungen ebenfalls. Aber die Schüler sollten ja nicht mich nachmachen oder eingeschüchtert werden.
Bis ich Steffi Winny beim Unterrichten sah, die das sehr locker nahm und tatsächlich ab und zu mitspielte, als gehöre sie dazu.
So übernahm ich diese Methode, bis ich tatsächlich mal eine Schülerin abschreckte, die nun glaubte, man müsse es genau so machen.
Also was nun? Habe das Mitmachen wieder auf ein absolutes Minimum als Ausnahme runtergefahren, vielleicht bis ich die Leichtigkeit von Steffi Winny habe.

Impro und Verhaltenstherapie

Ich vermute, dass es eine Verwandschaft gibt zwischen der Praxis der Improtheater-Workshops und der Verhaltenstherapie: Als Teilnehmer eines Anfänger-Workshops fängt man sehr niedrigschwellig mit einfachen kinderspielartigen Übungen an und verliert so die Hemmungen sowie die Angst vor dem Unbekannten, die Angst vor dem Beurteilt-Werden. Wir fragen als Lehrer erst gar nicht, wo diese Angst herkommen mag, wie es vielleicht die Tiefenpsychologe tun würde, sondern wir tun so, als hättest du diese Angst nicht, und vertrauen darauf, dass du sie daraufhin verlierst.
Fake it til you make it.
Sicherlich hat jeder andere Formen von Hemmnissen zu überwinden, aber ich habe bisher noch niemanden erlebt, bei dem diese Methode noch nicht funktioniert hat.

Angebote des Impro-Lehrers

Wie ich hier schon geschrieben habe, sehe ich es als Aufgabe des Impro-Lehrers, den Schülern die Möglichkeit zu geben, sich von den Barrieren, die sie an der Freiheit des Improvisierens hindern, zu befreien. Das ist zunächst mal völlig unabhängig vom Talent. Für improvisierende Schüler liegen die Barrieren an verschiedenen Stellen: Den einen plagt die durch Perfektionismus befeuerte Angst vor der Blamage, andere öffnen sich nicht dem Akzeptieren fremder Angebote, weitere ziehen sich lieber immer wieder auf Bewährtes zurück.
Jedem Schüler möglichst viele Angebote zur Hand geben, damit er mit den für ihn passenden Spielen lernt, das sollte ein Ziel des Impro-Lehrers sein.

Die Weisheit weitergeben

Ich erinnere mich nicht mehr, wo ich diese Legende gelesen habe.
Es ging um einen großen Zen-Gelehrten, der als einer der Weisen galt. Und doch verwehrte man ihm den Titel des Meisters, da er nichts aufgeschrieben hatte.
Die Weisheit geht verloren.
Und auch Laotse, dem Begründer des Taoismus, musste ein Zöllner „seine Weisheit erst entreißen“, wie Brecht es formulierte.
Das Lehren fordert uns auf eine besondere Weise zur Reflexion und zur Kommunikation. Wir sind gefordert, das Gelernte produktiv zu erneuern.

fehlender Spieltrieb

Wie ich bereits mehrmals schrieb, fiel es mir (und offenbar auch anderen Lehrern) immer leicht, Elemente des Improtheaters zu lehren, die ich mir selber bewusst aneignen musste: Schauspieltechniken, Erzähltechniken, radikales Akzeptieren usw.
Schwieriger zu vermitteln hingegen erschienen mir Dinge, die für mich nie ein Thema waren, hier vor allem der Spieltrieb.
Anfängerkurse beginnen in der Regel mit einer Botschaft der Hemmungslosigkeit: Alles ist OK, spiel einfach, au ja! Fast jeder springt darauf recht schnell an, und doch gibt es Schüler, denen das Spielerische so abgeht, dass sie stets den Sinn einer Übung oder eines Spiels hinterfragen, sich in „Kann-ich-nicht“ oder „Will-ich-nicht“ zurückziehen.
Oft ließ mich das sprachlos zurück. Ich fühlte mich an die alte Sanostol-Fernseh-Werbung erinnert, in der eine Gruppe Kinder fröhlich schreiend durch nasses Herbstlaub um die Ecke rennt. Hinterher trottet das eine lustlose sanostolbedürftige Kind.
Die Spielfreude immer wieder zurückzuerobern – darum geht’s. Und dafür brauchen wir immer wieder neue Übungen.

Schwierigkeiten, das Einfache zu lehren

Lässt sich wirklich das am besten lehren, was man selbst bewusst erlernt hat. Jahrelang glaubte ich, die wichtigste, wenn nicht gar die einzige Regel des Improtheater sei Akzeptieren. Das stimmt sicherlich für viele. Aber es gibt einige Anfänger, die sowieso alles akzeptieren, denen aber der Wille fehlt, die Bühne zu betreten, oder solche, denen der Sinn fürs Spiel abgeht. Beides hat mir nie auch nur annähernd gefehlt.
Tatsächlich funktionieren ja gerade deshalb viele Impro-Übungen: Weil sie als Spiel angelegt sind. Was aber, wenn jemand, genau diesen kindlichen Sinn, sich überhaupt auf ein Spiel einzulassen, verlernt hat? Man schreitet voran und der Schüler „erledigt“ brav und aufmerksam seine Aufgaben, aber er kommt nie ins Spiel. Die Spiel- und Übungsphantasie des Lehrers wird immer wieder herausgefordert. Kein Schüler ist wie der andere. Oder wie Luhmann sagen würde: Schüler sind keine Trivialmaschinen, die man mit etwas füttert, woraufhin das gewünschte Ergebnis herauskommt.

Blinder Fleck für Talente

Anscheinend bin ich nicht der Einzige, dem es so geht: Man tendiert dazu, beim Unterrichten das überzubetonen, was man selber lernen musste und das zu vernachlässigen, was einem offensichtlich erscheint.
Z.B. erschien mir die Freude, in eine Figur zu schlüpfen, sie nachzuahmen, also der mimetische Instinkt, als völlig normal, so wie Spielen oder Tanzen. Fast undenkbar, dass jemand fragen könnte: Wie jetzt?
Und es gibt auch kleine Talente und Tugenden, auf die man erst mal aufmerksam gemacht werden muss. So sagten mir verschieden Teilnehmer beim Hallenser Festival, das wir Spieler von Foxy Freestyle ein ausgeprägtes Talent zur klanglichen Darstellung hätten. Ich habe das immer für normal gehalten, und erst als ich das hörte, wurde mir klar, dass die meisten Gruppen das fast gar nicht nutzen.

Workshopnotizen – Pünktlichkeit

Ich bitte darum, zehn Minuten vor Beginn da zu sein, denn für Schüler ist es schwer, untereinander Pünktlichkeit einzufordern. Pünktlichkeit ermöglicht ein gemeinsames Einstimmen, einen gemeinsamen Fokus. Dennoch halte ich diesen Punkt flexibel, wenn es z.B. um Jobs oder Kinder geht.
Nicht gelten lasse ich: „Ach, ich bin eben so ein typischer Zuspätkommer.“ Den „Ich kann“-Muskel trainieren wir dann eben schon jetzt. Sei derjenige, der permanent viel zu früh kommt. Ändere dein Selbstbild. Ändere es jetzt.

Workshopnotizen

Ich ermutige die Schüler, sich Notizen zu machen, Gedanken auszuformulieren, oder ein Impro-Journal zu führen. Aber nicht während des Workshops! Der Workshop hat seine eigene Dynamik, und die liegt im körperlichen und emotionalen Erfahren und im mündlichen Austausch. In der Regel ist in den Pausen und nach dem Unterricht genügend Zeit für Notizen und Stichpunkte.

Ja-Unterricht

Ein seltsamer Umstieg. Wenn man über Monate eine Gruppe Fortgeschrittener unterrichtet – mit ausgefeilten Tips zum Storytelling, zu Abstraktionen, physischen Feinheiten usw. – dann ist es regelrecht überraschend und erfrischend, eine Gruppe blutiger Anfänger zu trainieren.
„Darf ich auch Nein sagen?“
„Ist das so richtig?“
Wie wichtig es ist, den Ja-Muskel immer wieder zu trainieren! Die physischen und geistigen Blockaden abzulegen! Was für ein Hemmschuh die Eitelkeit sein kann!

Overcoaching

Es kommt nicht darauf an, den Schüler zurechtzustutzen, sondern seine besten Qualitäten zu fördern.
Q: „What about being overcoached? Then the true you, the true candidate may not come out, right?“
A: „Right. And I think that some of the criticism you’re finding circulating about Sarah Palin that she is too much a product of her media coaches. And I think a good successful media coach figures out what the basic style, language, voice and personality of the trainee is. And you enhance the best qualities of the trainee, not trying to make them somebody they’re not. You have to feel comfortable in your own skin. And a good coach will figure out how to do that.“
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Kanten abschleifen

Änderungen wirken unecht. Änderungen können weh tun. Improvisation lernen heißt für die meisten, Routinen abzulegen, sich zu öffnen, das Spielerische zu erkennen, vor allem aber: Ja zu sagen zum Unbekannten, vielleicht auch Verstörenden.
Jeder Anfänger-Workshop tut gut daran, mit einfachen Spielchen zu beginnen, die noch nicht viel mit Impro zu tun haben, sondern die nur die Funktion haben, das Ego abzuschleifen, die Angst vorm Sprechen, vorm Blödsein, vorm Schlechtaussehen usw. zu nehmen. Was übrigens auch ausgebildeten Schauspielern immer wieder gut tut.
Aber auch für Impro-Profis empfiehlt es sich, ab und zu ein neues blödes Spiel auszuprobieren, das das Ego schleift.

Unangenehm, aus Gewohnheiten auszubrechen

Ich bitte die Schüler, die Arme zu verschränken und es dann andersherum zu tun. Von den meisten wird das als verstörend empfunden. Wir richten es uns in unseren Gewohnheiten ein und empfinden es als Zumutung, unser Verhalten zu verändern. Nichts anderes bleibt uns aber übrig, wenn wir lernen wollen, wenn wir Freiheit erleben wollen.
Wir trainieren Bühnenpräsenz. Einen der Schüler bestätige ich in seinen zwei Marotten und bitte ihn, er möge damit spielen, während er einen Monolog hält. Dieser Monolog und der, den er danach hält gehören zu den besten des Workshops.

Bewegungsübungen

Übungskomplex zur Wahrnehmung und Erfahrung von Bewegungsdimensionen:
1. Bewegungsabstufung Tempo
Gehen durch den Raum.
Wahrnehmung des Bodens unter den Füßen – Wahrnehmung des Atems – Freier Blick – Wahrnehmung der Umgebung – Wahrnehmung der anderen Spieler.
Man geht in verschiedenen, in klar voneinander abgegrenzten Geschwindigkeitsstufen: von kaum sichtbares Gehen bis Traben.
Auf ein Zeichen (z.B. Klatschen) des Übungsleiters wechseln die Spieler nach eigener Entscheidung das Tempo auf ein selbstgewähltes Level. Sie entscheiden erst im Moment des Klatschens, in welches Level sie wechseln.
Im nächsten Schritt fällt das externe Signal des Klatschens weg: Ein Spieler entscheidet selbst, das Tempo zu wechseln, die andern wechseln in diesem Moment ebenfalls.
Weiterer Schritt: Wenn ein Mitspieler das Tempo wechselt, entscheide ich, ob ich auch wechsle oder nicht.
2. Bewegungsgegensatz Staccato/Legato
Wir bewegen uns mit abgehackten Bewegungen durch den Raum und wechseln auf ein Zeichen zum gebundenen Legato-Bewegungen. Der Unterschied sei klar. Klare Pausen beim Staccato, kein Verschlenkern. Keine Pausen bei Legato.
Wechsel zwischen beiden Levels wie oben.
3. Bewegeungsgegensatz oben/unten
Wir etablieren drei Bewegungsebenen: Unten (Kriechen, Rollen), Mitte (Gebückt, Kniend), Oben (Gehend,Springend)
Wechseln zwischen den Levels wie oben.
4. Bewegungsgegensatz groß/klein
Wir etablieren den Gegensatz große/kleine Bewegungen. Man achte auch hier auf Präzision. Wenn ich mich für kleine Bewegungen entscheide, sind alle meine Bewegungen klein. Wenn ich mich für große Bewegungen entscheide, sind alle Bewegungen groß (und nicht etwa große Schritte und kleine Handbewegungen).
Wechseln zwischen den Levels wie oben.

***

Daraus die Performance: Duo oder Trio
Die Spieler suchen sich eine Position im Raum und finden einen gemeinsamen Anfang. Sie beginnen mit einer beliebigen Bewegung. Es gibt kein externes Signal (evtl. zu Beginn als Unterstützung). Ein Spieler wechselt zu einem beliebigen Zeitpunkt genau einen der Levels. Wenn er z.B. stehend langsam den Arm in weit ausholenden Bewegungen geschwenkt hat, kann er dieselbe Bewegung nun schnell ausführen oder auf dem Boden oder abgehackt oder klein.
Wechselt ein Spieler den Level, wechselt der Mitspieler ebenfalls einen Level, aber der Wechsel kann sich auf einen anderen Bewegungsgegensatz beziehen.
Man sei präzise, aber es geht um die Freude.

***
Abgesehen vom eigentlichen Thema Bewegung trainieren wir hier:
  • Spielfreude aus der Bewegung
  • Impulse wahrnehmen und verarbeiten
  • gegenseitige Wahrnehmung
  • Im Moment sein
  • Timing

Freie Bühne

Workshop für eine Gruppe, die sehr fortgeschritten ist in den Themen Figuren-Erschaffung und einigermaßen gut über Storytelling bescheidweiß. Das Problem: Sie verhakeln sich in ihren tausend Regeln, die vielleicht irgendwann mal als Tips gedacht waren, sie denken an Strukturen und vergessen den Moment.
Ich erinnere sie daran, dass die Bühne ihnen gehört und dass sie dort machen können, worauf sie Lust haben. Das ist die Hauptsache. Verfeinerungen stehen an zweiter Stelle.
Ich gebe ihnen eine Lizenz zum Trashen. Der Witz ist – sie verlieren gar nicht so sehr an Tiefe und Feinheit, sondern gewinnen an Kraft.
Die Angst davor, blödes Improtheater zu spielen, limitiert. Zurück zu Johnstone: Lass es zu, obszön zu sein, politisch unkorrekt usw. Die Grenzen des guten Geschmacks entdecken wir nur, wenn wir sie von Zeit zu Zeit übertreten. Wenn es frisch ist und aus dem Moment kommt, wird es einem auch keiner übelnehmen.
Blöd sind nur kopierte Gags. (Wie oft ich in den letzten Wochen auf Improbühnen „Ich habe Rücken“ gehört habe!)

Kinder-Kauderwelsch

In der S-Bahn ein zweieinhalbjähriger Junge und ein vierjähriges Mädchen, die einander liebevoll necken. Auf einmal fallen sie ins Kauderwelsch. Denke zunächst, ich würde mich verhören, es sei Kindergenuschel oder eine Fremdsprache. Ist es aber definitiv nicht. Erstaunlich, wie sie aufeinander eingehen. Was erwachsene Impro-Schülern häufig erst mühevoll wiedererlernen müssen – dass man Wort- und Satz-Elemente des anderen mitverwendet, dass man die Worte aus der Emotionalität entstehen lässt – das machen die beiden völlig natürlich. Zwischendurch schalten sie immer wieder mal ins Deutsche. Und zu keinem Zeitpunkt wird das Spiel infrage gestellt. Denn in diesem Alter ist einfach alles Spiel. Die Regeln ergeben sich beim Tun.

Haltung der Schüler

Johnstone nennt es „Die Haltung der Schüler ändern“. Allzu oft erwarten Schüler eine ganz konkrete Lektion oder sie haben ganz konkrete Vorstellungen, wie ein Workshop abzulaufen habe. Die Kunst des Schülerseins besteht aber – im Improtheater ganz besonders – darin, sich vom Lehrer überraschen zu lassen, neue Erfahrungen zu machen und diese einzubauen.

Lehrer, von denen ich Lehren gelernt habe:
Ramona Krönke – Freude und Wertschätzung des Spielerischen
Sten Rudström – Klarheit und physisch/psychologisches Erfahren
Randy Dixon – geistige Durchdringung
Stephen Nachmanovitch – Ermöglichen
Keith Johnstone (soweit man das nachvollziehen kann) – Beobachtung und Feedback

Von mir selber – improvisierende Haltung zum Unterrichten.

Positive Pädagogik

Bei der Präsentation seines Buches Tao der Kreativität in der Urania gibt Stephen Nachmanovitch das Beispiel des Kindes, das Laufen lernt: Jeder weiß, dass das Kind höchstens drei Schritte gehen kann und dan umfallen wird, aber alle Umstehenden werden schon den Versuch beklatschen. Niemand käme auf die Idee, dem Kind Tips zu geben: „Heb mal die Knie höher!“ Stattdessen vertrauen wir darauf, dass das Kind seinen Weg findet. Irgendwann geht man zum kritischen Belehren über. Aber warum?
Ist ein völlig nicht-kritisches Unterrichten möglich und effektiv? Nach SN schon.

Negative Verstärkung als Methode

Die hier schon mehrfach erwähnte negative Verstärkung im Unterricht, die vor allem Johnstone benutzt, arbeitet ja mit der Grundannahme, dass es eigentlich keine Fehler gibt, solange ir sie nicht als Fehler markieren.
Auf diese Weise zu unterrichten, verläuft allerdings auch gegen den Impuls des Lehrers, der am liebsten alles gleich „richtig“ haben möchte. Während ich früher öfter unterbrach, um die Schüler nicht ins offene Messer laufen zu lassen (wie ich damals verdorbene Szenen sah), um die Frustration zu reduzieren, so gebe ich heute häufiger die Anweisungen der Verstärkung von Verhaltensweisen, z.B. physischen Angewohnheiten, andauerndes Fragen, Blockaden, leisem Sprechen usw., damit man sich des jeweiligen Mittels bewusst ist, um mit spielen zu können.

Kreativ Kreativität lehren

Oftmals mag es genügen, im Unterricht bestimmte Spiele zu spielen, die sozusagen selbst-lehrend sind. Aber die meisten Übungen, Spiele und Szenen bedürfen auch einer hohen kreativen Wachsamkeit des Lehrers. (Das betrifft wahrscheinlich das Lehren überhaupt, nicht nur das Lehren von Impro.) Es wird immer wieder einen Schüler geben, der die Aufgabe nicht umsetzen kann oder der nicht einmal kapiert, worum es geht. Wichtig hier: Immer wieder neue Bilder zu finden, sich in den Schüler hineinzuversetzen und eine Sprache zu finden, mit der er etwas anfangen kann. Aber andererseits sollte man die Schüler auch nicht unterfordern. „Ich kann das nicht“ sollte (abgesehen von echten physischen Beschränkungen abgesehen) nicht als Entschuldigung durchgehen. Natürlich „können sie das nicht“. Aber um es zu lernen, sind sie ja da.
Sicherlich – oft haben die Schüler ein bestimmtes Bild davon, was sie erwartet und was sie selbst erwarten. Sie wollen z.B. Improtheater nutzen, um in der Uni spontaner zu sein und besser rüberzukommen. Sie haben Spontaneität bereits mit einem bestimmten Bild von Spontaneität belegt, z.B. verbal schlagferig zu sein. Sie bewundern spontane Impro-Schauspieler, aber scheuen sich, den Schritt der emotionalen Verkörperung mitzugehen und begründen das damit, dass sie das nicht können, und dass es ihnen um etwas anderes gehe. Ihnen über Umwege zu zeigen, dass auch das, was sie nicht verstehen, hilfreich sein könnte, ihnen Ängste zu nehmen, das ist die schwierige Aufgabe des Lehrers.

Choicecoaching

„So wie bei überfürsorglichen Eltern gibt es die Gefahr, dass man die Schüler versteift.“
Asaf Ronen (Directing Improv)spricht vom Entscheidungs-Coaching („Choicecoaching“). Lehrer, die die szenischen Entscheidungen der Schüler verbessern, statt sie zu ermutigen, den Weg fortzusetzen. Diese Reinreden in szenische Entscheidungen geschieht dann, wenn Impro-Lehrer und -Regisseure den Blick verengen, wenn wir als zu sehr als Impro-Spieler denken, statt als Ermöglicher.